Geowissen

Erstes globales Gletscherinventar erstellt

Die Kartierung von fast 200.000 Eisströmen verbessert Prognosen der Klimafolgen

Blick auf den Rakaposhi Gletscher im Karakoram (Nordpakistan) © Tobias Bolch, Universität Zürich/ TU Dresden)

Volkszählung unter Gletschern: Forscher haben erstmals ein komplettes Inventar der Gletscher unseres Planeten erstellt. Er gibt für jeden der rund 200.000 kartierten Eisströme an, wie groß er ist, wo er liegt und wie viel Eis er enthält. Dieses erste globale Gletscherinventar macht es nun auch mögliche, genauer als bisher zu berechnen, wie stark die Gletscherschmelze zum künftigen Meeresspiegelanstieg beiträgt, wie die Forscher im Fachmagazin „Journal of Glaciology“ berichten.

Neben den großen Eisschilden Grönlands und der Antarktis sind die Gletscher der Gebirge und polaren Küsten die Hauptreservoire für Eis auf unserem Planeten. Ihre Präsenz und ihr Verhalten prägt nicht nur das lokale Klima vieler Regionen, es wirkt sich auch auf den globalen Meeresspiegel aus. Wie stark aber dieser genau steigen würde, wenn alle Gletscher schmelzen, war bisher unklar – auch deshalb, weil eine komplette Bestandaufnahme dieser Gletscher fehlte.

200.000 Gletscher weltweit erfasst

Gerade rechtzeitig zum aktuellen Weltklimabericht des IPCC hat eine internationale Forschergruppe um Tad Pfeffer von der University of Colorado in Boulder diese Bestandsaufnahme nun abgeschlossen. Das Randolph Gletscher Inventar (RGI) erfasst und kartiert erstmals so gut wie alle Gletscher auf der Erde – fast 200.000 Einzelgletscher. Im Inventar sind neben Größe, Eisdicke und Volumen auch die Form der einzelnen Eisströme festgehalten, denn diese Faktoren bestimmen, wie sich der Gletscher verhält und wie stark er auf eine Erwärmung reagiert.

Damit ist es nun für Glaziologen möglich, die Auswirkungen des Klimawandels auf alle Gletscher weltweit mit zuvor unerreichter Genauigkeit zu berechnen. „Dieser Zugewinn an Daten bedeutet vor allem, dass die Wissenschaftler jetzt Berechnungen machen können, welche zuvor schlichtweg unmöglich waren“, sagt Graham Cogley von der kanadischen Trent University, einer der Koordinatoren des RGI.

Zhadang-Gletscher südlich des Nam-Tso-Sees in Tibet © Tino Pieczonka /TU Dresden)

Verantwortlich für ein Drittel des Meeresspeigel-Anstiegs

Demnach bedecken die Gletscher der Erde eine Fläche von etwa 730.000 Quadratkilometern – dies ist etwa so groß wie Deutschland, die Schweiz und Polen zusammen. Das in ihnen gespeicherte Eisvolumen liegt bei etwa 170.000 Kubikkilometern – gemessen an den großen Eisschilden Grönlands und der Antarktis erscheint das nicht viel. Aber: Die kleinen Gletscher sind sehr viel anfälliger gegenüber der globalen Erwärmung als die kälteren und größeren Eisschilde. Sie tragen zurzeit sogar rund ein Drittel zum beobachteten Meeresspiegelanstieg bei, genauso viel wie die beiden Eisschilde zusammen.

„Das rasche Schwinden der Gletscher während der letzten 20 Jahre kann auch in den Alpen eindrucksvoll beobachtet werden“, sagt Koautor Frank Paul von der Universität Zürich. Hier wie in vielen anderen Teilen der Welt wirkt sich der Gletscherschwund auf die Wasserverfügbarkeit, Naturgefahren und die Lebensbedingungen der Menschen aus. Um sich an diese Veränderungen rechtzeitig anpassen zu können, ist die genaue Kenntnis der Gletscher und ihrer Entwicklung sehr wichtig.

Entscheidend für die globalen Klimafolgen ist dagegen eher die Frage, wie stark die Meere insgesamt ansteigen würden, wenn alle Gebirgsgletscher abschmelzen. Bisher ging man dabei von rund 60 Zentimetern aus. Nach ersten Auswertungen des neuen Inventars korrigieren die Forscher die Prognosen nun auf 35 bis 47 Zentimeter. (Journal of Glaciology, 2014; doi: 10.3189/2014JoG13J176)

(Technische Universität Dresden, 07.05.2014 – NPO)

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