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Erwärmung des Tiefenwassers verlangsamt

„Klimaküche“ Labradorsee

Meeresströmungen in der Labradorsee © Skizze SFB460 IFM-GEOMAR

Meeresströmungen gelten neben der Atmosphäre als zweite „Klimaküche“ unseres Planeten. Wie riesige Förderbänder transportieren sie Wärmeenergie rund um den Globus und sorgen für einen Temperaturausgleich zwischen Polen und Äquator. Neben den bekannten Oberflächenströmen wie dem warmen Golfstrom rückt nun aber auch das rückströmende kalte Tiefenwasser ins Blickfeld der Forscher. Denn in der Labradorsee, einem der wenigen „Fahrstühle“ des Oberflächenwassers in die Tiefe, wurde in den vergangenen sechs Jahren eine stetige Erwärmung und somit die mögliche Abschwächung des Tiefenwasserstroms festgestellt. Neueste Daten scheinen nun jedoch erst einmal Entwarnung zu geben.

Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel erforschen seit über zehn Jahren die Rolle der Labradorsee für die Neubildung des nordatlantischen Tiefenwassers. Als Gegenpart zum warmen Golfstrom transportiert dieses in 2.000 Metern Tiefe sauerstoffreiches und vor allem extrem kaltes Wasser aus dem Subpolaren Nordatlantik in die Tropen. Damit ist das Tiefenwasser ein wichtiger Teil der weltumspannenden Meeresströmungen und zugleich relevanter Klimafaktor. Dauerhafte Veränderungen von Temperatur, Salz- oder Sauerstoffgehalt können wichtige Hinweise auf Änderungen des Weltklimas geben und werden von den Forschern als Indikatoren in Ozeanmodelluntersuchungen eingebunden.

Forschungsfahrt erfolgreich beendet

Die neuesten Daten brachte nun das Wissenschaftlerteam rund um Projektleiter Jürgen Fischer von ihrer am 18. August 2005 beendeten Forschungsexpedition auf dem französischen Forschungsschiffs „Thalassa“ mit. Vier Wochen dauerte die Fahrt, die von St. Johns (Neufundland, Kanada) nach Vigo (Spanien) führte und auf der die Wissenschaftler zunächst die zahlreichen verankerte Messstationen bargen, die Messergebnisse anschließend überspielten und dann die Geräte mit frischen Batterien wieder in den Meeresströmungen auslegten.

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Die erste Auswertung der Rohdaten zeigt ein interessantes Ergebnis: Die seit über sechs Jahren anhaltende Erwärmung der zentralen Labradorsee ist kaum noch zu spüren. Ob dies die ersten Vorboten einer erneuten Abkühlung sind, bleibt jedoch abzuwarten. Zum einen muss noch geklärt werden, wie schnell sich eine Erwärmung des Tiefenwassers auf die zu erwartende Reduzierung der Meeresströmungen auswirkt. Weiterhin sind die globalen Klimafolgen einer sich abschwächenden Tiefenzirkulation noch nicht endgültig geklärt. Auch in dieser zentralen Region des Klimageschehens bleibt es schwierig, die natürlichen Schwankungen von Veränderungen zu unterscheiden, die durch einen möglichen Klimawandel hervorgerufen werden könnten. Eine rapide Umstellung der Ozeanzirkulation könnte aber eindeutig mit dem hier eingesetzten Ozeanbeobachtungssystem festgestellt werden.

Labradorsee als Quelle kalten Tiefenwassers

Die Labradorsee steht schon seit einigen Jahren im Zentrum der Klimaforschung, da die Region zwischen Neufundland und Grönland als einer der Dreh- und Angelpunkte der nordatlantischen Meereszirkulation gilt: Der aus dem Süden kommende Golfstrom kühlt an der Oberfläche durch die arktische Kaltluft auf Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt ab. Da die darunter liegenden Wasserschichten von Golfstrom, nordatlantischer Strom und des Irminger Strom weitaus wärmer sind, sacken Filamente des abgekühlten Oberflächenwasser fast senkrecht in die Tiefe. Dort vermischen sie sich mit dem wärmeren Wasser und erzeugen eine mächtige neue Wassermasse, das Labradorseewasser, das – vergleichbar dem Ausfluss in einer gigantischen Badewanne – am Westrand des Amerikanischen Kontinents nach Süden strömt.

Bergung der Messstationen © Rainer Zantopp

Die thermohaline Konvektion genannte Vermischung reicht in kalten Wintern bis zu 2.000 Meter tief und trägt damit zur Bildung des Nordatlanischen Tiefenwassers bei. Der abfliesende kalte „Rückstrom“ der Tiefsee ist Teil des weltumspannenden ‚Conveyor Belt’ der am amerikanischen Kontinents entlang bis südlich von Kap Horn verläuft. Dort vermischt es sich im Zirkumpolarstrom mit dem darüber liegendem Zwischenwasser und verteilt sich in alle tropischen Ozeane. Erst dort gelangt das Wasser wieder an die Oberfläche, wird von der Sonne erwärmt und „reist“ als Oberflächenstrom zurück in die Labradorsee.

Meeresströmung beeinflusst Klima

Schon länger ist bekannt, dass dieses globale Förderband von warmem und kaltem Wasser unser irdisches Klima stark beeinflusst. Die Bildung von kaltem Tiefenwasser beschränkt sich im Atlantischen Ozean nur auf die Labradorsee und das Europäische Nordmeer zwischen Island, Norwegen, Spitzbergen und Grönland. Doch auch das Wasser dieser Region fließt am Boden der Labradorsee entlang, nachdem es in dramatischer Weise die flachen Schwellen zwischen Grönland, Island und Schottland wie ein Wasserfall überströmt hat.

(Martin Visbeck / IFM-Geomar, 09.09.2005 – AHE)

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