Mit steigenden Artenzahlen durch das Einwandern neuer Pflanzenarten werden die Pflanzengemeinschaften vieler Europäischer Regionen einander immer ähnlicher. Immer häufiger kommen die gleichen Arten vor, wohingegen seltene Arten aussterben, schreiben Wissenschaftler des DAISIE-Forschungsprojektes in der aktuellen Online-Ausgabe des Fachblatts „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ (PNAS).
Doch nicht nur die Artengemeinschaften werden sich immer ähnlicher, sondern auch die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Regionen. Diese Prozesse führen zu einem Verlust der Einzigartigkeit Europäischer Pflanzengemeinschaften (Floren).
1.600 Arten eingewandert
Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler Daten der in Europa heimischen Flora – Flora Europaea -, ausgestorbener Arten (nationale Rote Listen) und eingewanderter Pflanzen (DAISIE-Datenbank) aus. So sind seit dem Jahr 1500 zu den etwa 11.000 heimischen europäischen Pflanzenarten etwa 1.600 neue, nicht-europäische Arten dazugekommen.
Dabei betrachteten die Forscher auch solche europäischen Pflanzen – immerhin circa 1.700 -, die in einer Region Europas einheimisch und in einer anderen als eingeschleppt gelten. Ähnlich verhält es sich mit den ausgestorbenen Arten. Während in ganz Europa nur zwei Pflanzenarten als wirklich ausgestorben gelten, sind rund 500 Arten nach den Ergebnissen der Wissenschaftler zumindest regional verschwunden.
Ein solches Beispiel ist beispielsweise der Ackermeier Asperula arvensis, ein Ackerkraut, das vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft stark verdrängt wird. So gilt die Art etwa in Deutschland und Österreich als ausgestorben oder verschollen, wohingegen sie in Italien und Spanien noch vorkommt.
Biologische Homogenisierung
Wie die Forscher zeigen konnten, steigt zwar die Artenvielfalt in allen Regionen Europas aufgrund der hohen Zahlen eingeschleppter Arten an, doch gleichzeitig werden sich die Pflanzengemeinschaften der Regionen immer ähnlicher, da sich die eingeschleppten Arten relativ gleichmäßig über den Kontinent verteilen: es kommt zur so genannten biologischen Homogenisierung.
Das Bemerkenswerte daran ist, so die Forscher, dass nicht nur die Vielfalt zwischen den Artgemeinschaften geringer wird – taxonomische Homogenisierung -, sondern auch die Vielfalt der Verwandtschaftsverhältnisse sinkt. In der phylogenetischen Vielfalt spiegelt sich einerseits die evolutionäre Geschichte einer Gemeinschaft und somit auch die Mannigfaltigkeit an genetischem Material wieder, andererseits kann sie auch Ausdruck ihrer funktionellen Vielfalt sein kann.
Phylogenetisch vielfältiger Baum
Einen phylogenetisch vielfältigen Baum kann man sich als (Stamm)Baum mit weit ausladender Krone, also vielen starken Ästen (entfernt verwandte Arten) mit vielen Zweigen (viele Arten) vorstellen. Eine hohe phylogenetische und taxonomische Vielfalt (viele verschieden aussehende Bäume) stellen vielerlei Informationen und Fähigkeiten dar, die es den Artengemeinschaften ermöglichen, auf Umweltveränderungen, wie sie der derzeitige globale Wandel – zum Beispiel Klima- oder Landnutzungswandel – mit sich bringt zu reagieren. Findet man nun viele sehr ähnlich aussehende Bäume, so nimmt man an, dass die Flexibilität der Gemeinschaften nicht mehr so hoch ist auf diese Veränderungen positiv zu reagieren – ähnlich einer Monokultur aus den gleichen Pflanzen, die durch einen einzigen Schädling vernichtet werden kann.
Mehr Zweige, weniger Äste
Vereinfacht gesagt, so die Wissenschaftler, hat der Stammbaum der in Europa vorkommenden Arten zwar mehr Zweige, diese gehen aber von nur noch wenigen großen Ästen ab. Die biologische Verarmung durch Artensterben und -einschleppungen ist eine Folge des globalen Wandels der mit einer zunehmenden Belastung der Umwelt einhergeht. Dazu gehören die Intensivierung der Landwirtschaft, der Verlust von Lebensraumvielfalt, Urbanisierung, zunehmender globaler Verkehr und übermäßiger Nährstoffeintrag in die Ökosysteme.
„Unsere Studien haben gezeigt, dass trotz zunehmender Artenzahlen durch mehr neue als verschwundene Pflanzen in den Europäischen Regionen, diese ihre phylogenetische und taxonomische Einzigartigkeit immer mehr verlieren“, so Marten Winter vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). „Man sollte bei allen Diskussionen um die ‚biologische Vielfalt‘ neben den reinen Artenzahlen auch die anderen Erscheinungsformen biologischer Vielfalt, wie z. B. die der Verwandtschaftsbeziehungen, mitberücksichtigen. Diese können zusätzlich wichtige Informationen über den Zustand und mögliche Risiken der Ökosysteme liefern“, so der Forscher weiter.
EU-Projekt DAISIE
Im Rahmen des EU-Projektes DAISIE – Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe – wurden in den vergangenen Jahren zum ersten Mal für die Länder Europas alle bekannten Invasionsarten erfasst. Dabei haben die Forscher Informationen zu Ökologie und Verbreitung von gebietsfremden Pflanzen und Tieren gesammelt und über eine Internet-Datenbank allen Interessierten zugänglich gemacht. Am Projekt waren Forschungseinrichtungen und Organisationen aus 15 Nationen beteiligt.
(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 09.12.2009 – DLO)