Forscher könnten eines der größten Rätsel der europäischen Geschichte gelöst haben: Die genaue Route Hannibals über die Alpen bei seinem Feldzug gegen die Römer. Indizien für die Präsenz seiner Armee liefern nun Relikte von mehr als 2.000 Jahre altem Tierkot auf einem Pass am Monte Viso in den Westalpen. Die Mikroben-Signatur im Kot spricht dafür, dass hier einst tausende von Pferden und anderen Tieren entlang gezogen sein müssen.
Der karthagische Feldherr Hannibal ist wegen seiner Kriegsstrategien während des zweiten punischen Krieges legendär. Um rund 218 vor Christus führte er seine Armee auf dem Landweg über die Alpen nach Italien und schlug das römische Heer in der Po-Ebene. An dieser Alpen-Überquerung nahmen 30.000 Soldaten, mehr als 15.000 Pferde und Maultiere sowie 37 Elefanten teil. Über welche Route und welchen Pass dieses Heer damals zog, ist jedoch bis heute unklar, klare archäologische Belege fehlten.
Doch jetzt könnten William Mahaney von der York University in Toronto und seine Kollegen dieses jahrhundertealte Rätsel der Geschichte gelöst haben. Für ihre Studie untersuchten sie den Untergrund am Col de la Traversette, einem 2.947 Meter hohen Gebirgspass am Monte Viso in den Cottischen Alpen. Dieser Pass war schon vor mehr als 50 Jahren als mögliche Route Hannibals vorgeschlagen worden, konnte sich aber gegen weitere Pass-Kandidaten nicht durchsetzen.
Kotreste aus der Zeit Hannibals
Bei ihren Ausgrabungen wurden die Forscher nun jedoch fündig: Sie entdeckten eine auffallend große Menge von organischen Ablagerungen, die sich bei näherer Analyse als alte Kotreste von Säugetieren entpuppten. „Diese Ablagerungen liegen in der aufgewühlten Masse einer einen Meter dicken Schlammschicht“, berichtet Koautor Chris allen von der Queen’s University Belfast.
Datierungen ergaben, dass diese organischen Relikte mehr als 2160 Jahre alt sind – und daher sehr gut im Jahr 218 vor Christus entstanden sein können. Ihre schiere Menge spricht zudem dafür, dass an diesem Pass einst ungewöhnlich viele Tiere lagerten. „Diese Ablagerungen wurden durch die ständige Bewegung von tausenden von Tieren und Menschen produziert“, sagt Allen.
Mikroben deuten auf unzählige Pferde hin
Ein weiteres Indiz: In den Kotresten fanden die Forscher große Mengen von Genen der Bakteriengattung Clostridia – einer Gattung, die noch heute vor allem in Pferdekot dominiert. „Mehr als 70 Prozent der Mikroben in Pferdeäpfeln sind Clostridien – und sie können Jahrtausende im Boden überdauern“, sagt Allen.
Die Präsenz auffällig vieler alter Genspuren dieser Mikroben am Col de la Traversette kann nach Ansicht der Forscher kein Zufall sein. „Diese Ergebnisse sind der erste chemische und biologische Beweis dafür, dass hier zur Zeit des punischen Krieges eine große Zahl von Säugetieren vorüberzog – und das dies sehr wahrscheinlich die Route von Hannibals Armee war“, so die Forscher. (Archeometry, 2016; doi: 10.1111/arcm.12228)
(Queen’s University Belfast, 05.04.2016 – NPO)