Der Mensch trägt mit den von ihm produzierten Treibhausgasen tatsächlich ganz gehörig zur globalen Erwärmung bei. Das zeigen neue Simulationsrechnungen der Universität Bonn. Die Bonner Meteorologen haben mit rund 30 verschiedenen Modellen untersucht, wie sich die Jahresdurchschnitts-Temperatur der Erde im 20. Jahrhundert mit und ohne Einfluss der Klimagase entwickelt hätte. Die Ergebnisse werteten sie mit einer Software aus, die auch von der Justiz verwendet wird, um die Aussagekraft von Indizien abzuschätzen. Das Resultat hätte auch vor Gericht Bestand: Mit großer Wahrscheinlichkeit sind sowohl natürliche Faktoren als auch die Treibhausgase für die Erwärmung verantwortlich.
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Um 0,7 Grad ist die globale Durchschnittstemperatur in den letzten 120 Jahren gestiegen. Im gleichen Zeitraum nahm die Kohlendioxid- Konzentration in der Atmosphäre von 0,28 auf 0,37 Prozent zu. Kohlendioxid ist eines der so genannten „Treibhausgase“; auch Methan, das zum Beispiel bei der Rinderzucht entsteht, zählt dazu. Seine Konzentration in der Atmosphäre stieg seit 1750 auf das mehr als Zweieinhalbfache. Unter Klimaforschern gilt als wahrscheinlich, dass die menschgemachten Treibhausgase zur beobachteten Erwärmung beigetragen haben. Auf der „Anklagebank“ sitzen allerdings auch noch andere Faktoren: So schwankt die Sonnenaktivität im Elf-Jahres- Rhythmus, und auch Vulkanausbrüche können das Klima nachhaltig beeinflussen. Vom Menschen produzierte Schwefelschwebteilchen verringern sogar den wärmenden Einfluss der Treibhausgase.
Die ganze Bande ist schuldig, Euer Ehren!
Bonner Meteorologen konnten nun aus den Ergebnissen von rund 30 verschiedenen Klimamodellen berechnen, welcher der Angeklagten die Verantwortung für den Klimawandel trägt: Treibhausgase, Schwebteilchen oder natürliche Faktoren. Ihr Ergebnis: Schuldig sind alle. „Ohne Einfluss der Treibhausgase hätte die Jahresdurchschnitts-Temperatur bis heute nur um 0,4 Grad zugenommen“, fasst Professor Andreas Hense die Ergebnisse zusammen. „Die Schwankungen Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beruhen aber hauptsächlich auf Änderungen der Sonnenaktivität und Vulkanausbrüchen.“
Da manche Wissenschaftler per se die Aussagekraft von Klimamodellen bezweifeln haben Hense und seine Mitarbeiter zusammen mit Kollegen des Koreanischen Wetterdienstes und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg eines der Simulationsprogramme auf Herz und Nieren getestet. Insgesamt sechsmal haben die Forscher den Supercomputer des Max-Planck-Instituts mit den verfügbaren Messwerten der „angeklagten“ Klimafaktoren aus der Zeit von 1860 bis 2000 gefüttert – darunter beispielsweise Sonnenaktivität, CO2-Konzentration, große Vulkanausbrüche sowie die kühlende Wirkung menschgemachter Schwefelschwebteilchen. Sechsmal haben sie den Rechner damit die Klimaentwicklung der letzten 140 Jahre nachvollziehen lassen. Sechsmal erhielten sie ein fast identisches Ergebnis: „Die errechnete Temperaturkurve ähnelte immer stark dem tatsächlich beobachteten Verlauf“, betont Hense.
Das ganze Spielchen erfolgte sechsmal, um dem „Schmetterlingseffekt“ ein Schnippchen zu schlagen: Niemand weiß genau, wie am 1. Januar 1860 das Wetter auf der Erde aussah; selbst kleine Unterschiede der Ausgangslage können aber mit der Zeit große Auswirkungen auf das Klima haben. „Daher haben wir zunächst verschiedene plausible Ausgangssituationen ‚erwürfelt‘, die dann die Basis für die weiteren Berechnungen bildeten“, erklärt der Klimaforscher.
Es wird auch nach Kyoto wärmer
Für die Vergangenheit scheinen die Modelle also zu funktionieren. Die Meteorologen rechneten zudem verschiedene Zukunfts-Szenarien bis zum Jahr 2100 durch. Danach wird die globale Temperatur bis 2050 selbst unter optimistischen Annahmen weiter ansteigen: In einem „grünen“ Szenario mit stark verminderten Treibhausgas-Emissionen verharrt die Kurve nach 2050 bei etwa einem Grad über dem Stand von 1860.
Geht die Klimagas-Produktion nur wenig zurück, wie etwa nach dem Kyoto-Protokoll der Fall sein könnte, liegt die Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 sogar mehr als zwei Grad höher. Was aber, wenn Menschheit und Weltwirtschaft weiter wachsen und wir gar keine Anstrengungen unternehmen, weniger Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen? „Für diesen pessimistischsten Fall errechnet unser Modell bis 2100 einen Anstieg von fast 3,5 Grad“, sagt Hense. In einer jüngst veröffentlichten Science-Studie kommen übrigens US-Forscher mit anderen Rechenmodellen zu ganz ähnlichen Vorhersagen.
Die Ergebnisse seien nur Jahresdurchschnittswerte für die komplette Erdkugel, wird Hense nicht müde zu betonen: „Welche Auswirkungen im Einzelnen zum Beispiel für Europa zu erwarten sind, können wir jetzt noch nicht sagen“.
(idw – Universität Bonn, 14.04.2005 – DLO)