Weniger stabil als gedacht: Die Nordatlantische Umwälzströmung geriet während der letzten Zwischeneiszeiten mehrfach ins Stottern – ihre Pumpleistung schwankte stark, wie Bohrkerndaten belegen. Dabei kam es zu zahlreichen Fast-Ausfällen, die zwischen 100 und 3.000 Jahren dauerten. Das könnte bedeuten, dass diese wichtige Pumpe im Klimasystem zwar langfristig stabil ist, aber bei warmem Klima sensibler auf Störungen reagiert als gedacht, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Die Nordatlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) ist ein entscheidender Motor der globalen Meeresströmungen und ein wichtiger Einflussfaktor für das regionale und globale Klima. Denn durch sie sinkt warmes, salziges Wasser vor Grönland in die Tiefe und strömt abgekühlt am Meeresgrund nach Süden. An der Oberfläche entsteht dadurch ein Sog, der warmes Wasser nach Norden zieht. Fällt diese „Pumpe“ aus, versiegen Golfstrom und Nordatlantikstrom und damit die „Fernheizung“ Europas.
Wenn die Pumpe schwächelt…
Doch wie stabil ist diese „Pumpe“? Studien deuten darauf hin, dass ein zu warmes Klima und größere Einströme von Schmelzwasser das Absinken von Wasser im Nordatlantik behindern. Auch das schwindende Meereis kann offenbar die Umwälzströmung beeinträchtigen. Tatsächlich zeigen Messungen, dass sich die AMOC seit 1950 schon um 15 Prozent abgeschwächt hat. Klimaforscher befürchten daher, dass diese Umwälzpumpe zu den Kippelementen im Klimasystem gehören könnte: Sie ist zwar schwer zu destabilisieren, ihr Ausfall könnte aber irreversibel sein.
Jetzt haben Forscher um Eirik Galaasen von der Universität Bergen einen weiteren Zustand der Umwälzströmung identifiziert. Demnach kann diese „Pumpe“ unter bestimmten Bedingungen anfangen zu „stottern“. Entdeckt haben sie dies, als sie Bohrkerne aus dem Nordatlantik untersuchten. Anhand von Kohlenstoff-Isotopen in den Kalkschalen von Foraminiferen bestimmten sie, wie sich die AMOC in den vier Zwischeneiszeiten der letzten rund 450.000 Jahre verhalten hat.
Mehrfaches Stottern in warmen Zwischeneiszeiten
Das Ergebnis: Während dieser warmen Klimaphasen kam es mehrfach zu starken Schwankungen der Nordatlantischen Umwälzströmung. Dabei fluktuierte die „Pumpleistung“ der AMOC deutlich stärker als normalerweise und stoppte zwischendurch immer wieder fast komplett. „Diese Störungen der Zirkulation waren zwar jeweils nur kurzlebig – sie dauerten vielleicht ein Jahrhundert oder wenig mehr“, berichtet Koautor Yair Rosenthal von der Rutgers University. In zwei der Zwischeneiszeiten gab es jedoch auch Perioden abgeschwächter Umwälzströmung, die bis zu 3.000 Jahre anhielten.
Dieses „Stottern“ der Umwälzpumpe führte dazu, dass der Nachschub kalten Tiefenwassers zeitweilig fast ausblieb und entsprechend wenig warmes Wasser aus dem Süden nachströmte. Als Folge kühlte sich der Nordatlantik in diesen Phasen deutlich ab, wie die Forscher berichten.
Aussetzer auch ohne große Schmelzwasserfluten
Nach Ansicht von Galaasen und seine Kollegen sprechen diese Ergebnisse dafür, dass die Nordatlantische Umwälzströmung zwar auf lange Zeiträume gesehen durchaus robust und stabil ist. Das aber schließt Phasen kurzfristiger Schwankungen nicht aus. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir schnelle und große Wechsel in der Umwälzströmung nicht nur als Möglichkeit, sondern sogar als ein intrinsisches Merkmal einer Variabilität in warmen Klimaten ansehen sollten“, konstatieren die Forscher.
Was aber löste diese Phasen starker Schwankungen aus? Wie die Forscher berichten, scheint es in einigen dieser Wechselphasen größere Einströme von Schmelzwasser gegeben zu haben, ähnlich wie vor rund 8.000 Jahren, als ein gewaltiger eiszeitlicher Schmelzwassersee auslief. Doch in anderen Zwischeneiszeiten traten die Schwankungen auch ohne solche Schmelzwasser-Einströme auf. Sie scheinen demnach keine Voraussetzung zu sein, wie die Wissenschaftler betonen.
Könnte der Klimawandel die Pumpe zum Stottern bringen?
Das könnte bedeuten, dass die Nordatlantische Umwälzströmung anfälliger auf Störungen reagiert als bislang gedacht. Denn auch wenn die konkreten Ursachen für ihr „Stottern“ bislang erst in Teilen bekannt sind, war dieser Zustand in wärmeren Klimaphasen offenbar durchaus häufig. „Unsere Daten belegen, dass große Störungen der Umwälzströmung leichter eintreten können als zuvor angenommen und dass sie in der Vergangenheit unter Klimabedingungen auftraten, wie sie auch uns bald bevorstehen könnten“, sagen Galaasen und sein Team.
Der Klimawandel könnte demnach die AMOC nicht nur allmählich schwächen, sondern auch eine neue Phase abrupter Wechsel auslösen. Ähnlich sieht es Thomas Stocker von der Universität Bern in einem begleitenden Kommentar. Er schreibt: „Es gibt die Möglichkeit, dass der graduelle anthropogene Einfluss auf das Klimasystem die AMOC in einen Zustand bewegen könnte, in der deren Variabilität eine größere Amplitude bekommt und chaotischer abläuft.“ (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aay6381)
Quelle: Science, Rutgers University