GeoUnion

Permafrost

Jahrtausende tiefgekühlt

Dauerfrostboden © Lutz Schirrmeister, Guido Grosse, Hanno Meyer /Alfred-Wegener-Institut

Seit mindestens zweieinhalb Millionen Jahren herrschen in Sibirien extreme Klimabedingungen. Im Sommer taut der gefrorene Boden nur in den oberen Dezimetern auf. Der darunter liegende Dauerfrostboden konserviert organische Substanz hervorragend und erlaubt daher Rückschlüsse auf frühere Umweltbedingungen. Bekannt sind die zahlreichen Funde einer als Mammutfauna bezeichneten eiszeitlichen Tierwelt. In den gefrorenen Ablagerungen verbergen sich aber noch weitere Informationen zu Klima und Umwelt der letzten 1.000 bis 200.000 Jahre.

Geowissenschaftler der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung untersuchen dies seit zehn Jahren in der sibirischen Arktis und in Zentraljakutien. Wenn in den Tieflandebenen, Tälern, Seesenken und Flussauen Sibiriens die oberflächennahen Ablagerungen in Dauerfrost übergehen, werden die Reste der Flora und Fauna in ihrem jeweiligen Zustand eingefroren. "Wir nutzen die Pollen, Sporen, Samen, Insekten und Mikrofossilien aus dem Permafrost als Bioindikatoren für die jeweiligen lokalen Standortbedingungen, wie z.B. Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse", erklärt Lutz Schirrmeister die Methode, mit der das Forscherteam die Klima- und Umweltveränderungen rekonstruiert.

IYPE-Logo © IYPE

Eiskeile im Permafrost

Bei Wintertemperaturen von -40°C und kälter reißt der sibirische Boden ein bis drei Meter tief auf. Die nur Millimeter breiten Frostrisse fügen sich ähnlich Trockenrissen zu netzartigen, polygonalen Mustern mit mehreren Metern Durchmesser zusammen. Wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt, gelangt das Schmelzwasser in die Frostrisse, gefriert darin bei Bodentemperaturen von -10 bis -12 °C sofort wieder und füllt die Risse mit Eis. Wiederholt sich dieser Vorgang über Jahrtausende fast jährlich, entstehen große keilförmige Eiskörper (Eiskeile), die bis zu fünf Meter breit und vierzig Meter tief reichen können. Die chemischen Informationen des geschmolzenen Schnees und damit der Winterniederschläge werden in diesen Eiskeilen konserviert.

Die Geowissenschaftler analysieren dieses Eis hinsichtlich seiner Verhältnisse von Sauerstoff- und Wasserstoffisotopen und können damit indirekt sowohl auf die Temperaturverhältnisse im Winter als auch auf die Herkunft der Niederschläge schließen. Letzteres ist besonders für den Vergleich der Luftmassenzirkulationen zwischen Vergangenheit und heute von Bedeutung.

Tümpel im ewigen Eis

Die netzartigen Muster der Eiskeilpolygone haben "Maschenweiten" von fünf bis vierzig Meter und bedecken in Sibirien riesige Flächen, sodass sie auch aus dem All zu erkennen sind. Die Netzmaschen sind häufig von kleinen Tümpeln ausgefüllt, in denen sich Sande und Torfe gemeinsam mit fossilen Resten sammeln und schon nach wenigen jahreszeitlichen Gefrier-Tau-Wechseln Bestandteil des Dauerfrostbodens werden. Diese eisreichen Ablagerungen untersuchen die Potsdamer an den Meeresküsten der Arktis sowie an Steilufern von Seen. Bisher konnten sie an verschiedenen Untersuchungsstandorten an den Küsten der Laptevsee zwei Zyklen von Kalt- und Warmzeiten nachweisen.

Wissenschaftler haben mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die neuronale Aktivität untersucht, die dem Fehlerlernen zugrunde liegt © Science/MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Verewigte Vegetation

Die Sediment- und Eiszusammensetzung gemeinsam mit den Bioindikatoren sind für kalt- oder warmzeitliche Perioden deutlich voneinander zu unterscheiden. Die kältesten Abschnitte waren durch eine vegetationsarme Tundra gekennzeichnet. In wärmeren Abschnitten breitete sich fruchtbares, steppenartiges Grasland in den sibirischen Tiefländern und großen Flusstälern aus, das auch die Nahrungsgrundlage für die zahlreichen Säugetierherden von Pferden, Mammuts, Rentieren, Bisons und Moschusochsen bot. In den wärmsten Perioden taute der Permafrost tiefer auf und in Sibirien entstanden ausgedehnte Seesenken mit Torfmooren, an deren Rändern Birken und Erlen wuchsen. Die Seenlandschaften der letzten warmen Periode vor ca. 8.000 bis 3.000 Jahren prägen das Relief der sibirischen Tieflandsgebiete bis heute.

So fügen sich die Ergebnisse von Messungen, Bestimmungen, Zählungen und Altersdatierungen wie in einem Puzzle zu einem klaren Gesamtbild der Klima- und Umweltgeschichte Sibiriens zusammen und füllen die Lücken, die von anderen Klimaarchiven nicht geschlossen werden können.

(Lutz Schirrmeister, Guido Grosse, Hanno Meyer /Alfred-Wegener-Institut, Forschungsstelle Potsdam, 01.10.2003 – Dr. Nicole Schmidt / GFZ Potsdam)

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