Die frisch vom Eis freigelegten arktischen Meere sind weitaus schlechtere Kohlendioxid-Senken als erhofft, das enthüllt eine jetzt in „Science“ erschiene Studie. Denn statt das Treibhausgas längerfristig in Biomasse zu speichern, wird das Meerwasser nur saurer und gibt einen Großteil des CO2 schnell wieder an die Atmosphäre ab. Damit sind Hoffnungen auf eine erhöhte Pufferwirkung der eisfreien Ozeanbereiche hinfällig.
Seit der industriellen Revolution ist die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre dramatisch angestiegen. Doch sie wäre heute noch höher, wenn nicht rund 30 Prozent der freigesetzten Treibhausgasmenge von den Ozeanen aufgenommen worden wäre. Doch diese Pufferwirkung der Meere ist nicht unbegrenzt. Besonders die warmen Meeresbereiche nehmen mit steigenden Temperaturen immer weniger CO2 auf. Anders die kalten Ozeane der Polarregionen. Hier glaubte man bisher, dass die anhaltende Schmelze des Meereises zumindest ein Gutes hat: Sie legt Meeresflächen frei, die dann als zusätzliche Senken wirken können.
Doch eine neue Studie von Meeresforschern der Universität von Georgia sowie weiterer Kollegen aus den USA, Kanada, China, Japan und Korea könnte diese Hoffnung nun zunichtemachen. „Die bisherigen Annahmen basieren auf Beobachtungen mit sehr niedrigen Ausgangswerten für die Kohlendioxid-Konzentrationen des Oberflächenwassers“, erklärt Wei-Jun Cai, Professor für Meeresbiologie an der Universität von Georgia. „Zudem stammen sie aus hochproduktiven Randgebieten des Meeres oder Meeresbecken, die schon vor der jetzigen Phase des Schmelzens ihre Eisdecke verloren hatten.“
Datensammeln im kanadischen Polarmeer
Das internationale Team von Wissenschaftlern sammelte daher 2008 im Rahmen einer Expedition auf dem chinesischen Forschungsschiff Xue Long neue Daten dazu im Kanadabecken, einem arktischen Meeresbecken, das sich von der Nordseite Kanadas bis fast zum Nordpol erstreckt. Drei Monate lang analysierten die Forscher direkt aus den obersten Meeresschichten gezogene Wasserproben und nutzten das so genannte „Underway-Sampling“, mit dem kontinuierlich eingesaugtes Wasser automatisch beprobt werden kann. Ermittelt wurden dabei sowohl Salzgehalt, Temperatur, Nährstoffgehalt und Chlorophyllaktivität, als auch der CO2-Gehalt.
Sauer statt blühend
Das Ergebnis war sowohl überraschend als auch enttäuschend. Denn es zeigte sich, dass die immer größeren im Sommer von der Eisschmelze freigelegten Meeresflächen leider keine besonders guten Kohlendioxid-Puffer sind. Sie nehmen zwar das CO2 sehr schnell auf, doch dies trägt nur dazu bei, das Meerwasser schnell sauer zu machen und damit das Wachstum potenzieller „CO2-Fresser“ wie beispielsweise Algen mit kalkhaltigen Schalen, stark zu behindern. Das Potenzial des Kanadabeckens als CO2-Senke fällt dadurch dramatisch ab. Denn der Ozean kann so das Treibhausgas bestenfalls kurzfristig aus dem Verkehr ziehen, nicht aber ausreichend lange um eine Klimawirkung zu erzielen.
Pufferwirkung enttäuschend schwach
„Das Kanadabecken und der gesamte arktische Ozean nehmen zwar Kohlendioxid auf”, erklärt Cai. „Aber unsere Forschungen zeigen, dass das CO2 sehr schnell ein Gleichgewicht mit der Atmosphäre erreicht, wenn das Eis schmilzt. Damit sinkt die Funktion des Meeres als CO2-Speicher dramatisch und schnell. Wir haben zuvor nie so recht verstanden, wie begrenzt diese Gewässer in Bezug auf ihre Wirkung als Senke für CO2 sind.“
Die Hoffnung, dass die Schmelze des Meereises wenigstens die Pufferwirkung der Meere verstärkt, muss damit wohl begraben werden. „Eine der Lehren aus dieser Forschung ist, dass wir nicht erwarten können, dass die Ozeane uns die Arbeit abnehmen, die globale Erwärmung aufzuhalten“, so Cai.
(University of Georgia, 04.08.2010 – NPO)