Gefährliches Ruckeln: Südlich von San Francisco bewegt sich die San-Andreas-Verwerfung anders als gedacht. Statt gleichmäßig aneinander vorbeizugleiten, bewegen sich die Erdplatten dort ruckartig, wie Forscher entdeckt haben. Das Ruckeln in dieser vermeintlich inaktiven Pufferzone erhöht die Erdbebengefahr entlang des gesamten Grabens. Für Kalifornien besteht dadurch ein 75-prozentiges Risiko für ein Beben der Magnitude 7 oder höher innerhalb der nächsten 30 Jahre, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Die Millionenstädte San Francisco und Los Angeles sitzen auf einem tektonischen Schleudersitz: Mitten durch Kalifornien verläuft die Plattengrenze zwischen der Pazifischen und Nordamerikanischen Erdplatte. Als Folge ist die Region akut erdbebengefährdet, gleich mehrere Verwerfungen, darunter der San-Andreas-Graben, aber auch die Hayward-Verwerfung, gelten als längst „überfällig“.
„Pufferzone“ südlich von San Francisco
Bisher jedoch galt zumindest ein Teil der San-Andreas-Verwerfung als weitgehend ungefährlich: Messungen deuteten darauf hin, dass die Erdplatten in einem rund 130 Kilometer langen Abschnitt südlich von San Francisco langsam, aber gleichmäßig aneinander vorbeigleiten. „Das sprach dafür, dass der zentrale Teil der San-Andreas-Verwerfung nicht genügend Spannung aufstauen kann, um ein großes Erdbeben zu verursachen“, erklären Mostafa Khoshmanesh und Manoochehr Shirzaei von der Arizona State University.
Doch das erweist sich nun als Trugschluss, wie neue Daten belegen. Für ihre Studie hatten die Forscher die Bewegungen des Untergrunds entlang der Verwerfung in der Zeit von 2003 bis 2010 mittels Radar-Interferometrie analysiert. Dabei werden zu verschiedenen Zeiten gemachte Aufnahmen von Radarsatelliten so überlagert, dass kleinste Verformungen des Untergrunds sichtbar werden.
Ruckeln statt Kriechen
Das überraschende Ergebnis: „Was bisher wie ein kontinuierliches Kriechen aussah, bestand in Wirklichkeit aus wechselnden Episoden des Stoppens und Beschleunigens“, berichtet Khoshmanesh. „Die Verwerfung bewegte sich alle ein bis zwei Jahre ein paar Monate lang, bevor sie dann wieder anhielt.“ Entgegen bisherigen Annahmen ähnelt die Plattenverschiebung damit eher einem Ruckeln als einem stetigen Gleiten.
Wie die Messungen ergaben, verschieben sich die beiden Seiten der San-Andreas-Verwerfung in diesem Gebiet zwar im Mittel um rund drei Zentimeter pro Jahr gegeneinander. Dieser Mittelwert kommt aber zustande durch einen Wechsel aus Stillstand und dann wieder Sprüngen bis zu zehn Zentimeter pro Jahr. Diese periodischen Sprünge – Slow-Slip-Ereignisse genannt, treten immer dann auf, wenn der Flüssigkeitsdruck in den Gesteinsporen so groß ist, dass er das hakende Gestein auseinanderdrückt.
Starkbeben innerhalb der nächsten 30 Jahre
Das Problem daran: Bisher galt dieser Abschnitt der San-Andreas-Verwerfung als Puffer. Das langsame Kriechen, so glaubte man, senkt die Spannung im Untergrund und entlastet damit auch die angrenzenden, vehakten Bereiche des Grabens. Doch wie sich nun zeigt, treten durch das „Ruckeln“ auch im vermeintlichen Puffer-Abschnitt periodisch Spannungsspitzen auf – und das überträgt sich auf die angrenzenden Verwerfungsbereiche.
„Auf Basis unserer Beobachtungen glauben wir, dass das seismische Risiko in Kalifornien dadurch höher sein könnte als man bisher angenommen hat“, sagt Shirzaei. Sein Kollege Khoshmanesh präzisiert: „Unseren Modellen nach gibt es in Nord- und Südkalifornien ein 75-prozentiges Risiko für ein Erdbeben der Magnitude 7 oder höher innerhalb der nächsten 30 Jahre.“ (Nature Geoscience, 2018; doi: 10.1038/s41561-018-0160-2)
(Arizona State University, 19.06.2018 – NPO)