Geowissen

Seltenste Minerale der Erde bestimmt

Rarität so vieler mineralischer Verbindungen hat vier Gründe

Die mikroskopisch kleinen, blauen Kristalle des seltenen Minerals Nevadait sind nur aus zwei Fundorten weltweit bekannt - aus Nevada und Kirgistan. © Robert Downs/ University of Nevada

Sie sind echte Raritäten: Forscher haben erstmals systematisch die rund 2.500 als selten geltenden Minerale der Erde kategorisiert. Einige von ihnen kommen nur an einem einzigen Ort der Erde vor, von anderen existiert bisher nur eine einzige Probe weltweit. Was ihre Seltenheit ausmacht und wer zu diesen wertvollen Raritäten gehört, hängt dabei von vier Bedingungen ab, wie die Wissenschaftler berichten.

„Wir leben auf einem Planeten mit bemerkenswerter Mineral-Vielfalt – es gibt unzählige Varianten in Farbe und Form, in der geochemischen Nische oder der Komplexität der Kristallstruktur“, erklären Robert Hazen von der Carnegie Institution und seine Kollegen. 5.090 verschiedene Minerale sind bisher auf der Erde bekannt, möglicherweise warten sogar noch 1.500 weitere auf ihre Entdeckung.

Warum Seltenerd-Metalle nicht selten sind

Wo und wie häufig diese Minerale vorkommen, ist allerdings sehr unterschiedlich. So bestehen 99 Prozent der Erdkruste aus nur hundert dieser Minerale. Allein die Silikate, darunter auch Sand, machen 60 Prozent der Kruste aus. Auch die durch urzeitliche Korallen und Einzeller gebildeten Karbonate finden sich fast überall.

Ebenfalls eher häufig kommen die gemeinhin als rar geltenden Seltenerd-Metalle oder viele Edelsteine vor, wie die Forscher betonen. „Diamanten, Rubine, Smaragde und andere Edelsteine werden an zahlreichen Orten auf der Welt gefunden und in großen Mengen gehandelt“, so Hazen. „Sie sind daher unserer Definition nach nicht selten.“ Ähnlich sei es mit den Seltenerd-Metallen – trotz ihres Namens.

Ichnusait entsteht nur, wenn Thorium und Molybdän unter hohem Druck zusammenkommen - von ihm ist nur ein Exemplar bekannt. © American Mineralogist / Paulo Biagioni et al

Vier Gründe für die Raritäten

Was aber macht die echten Raritäten unter den Mineralen aus? Hazen und sein Kollege Jesse Ausubel von der Rockefeller University haben dafür den Bestand dieser kristallinen Verbindungen neu katalogisiert. Sie stufen danach etwa 2.550 Minerale als wirklich selten ein. Diese kommen weltweit nur an fünf oder weniger Orten in kleinen Mengen vor – von einigen gibt es nur so viel, wie in einen Zuckerwürfel passt.

Wie die Forscher erklären, gibt es dabei vier Gründe, aus denen ein Mineral selten sein kann: „Einige Minerale sind rar, weil sie zwar aus häufigen Zutaten bestehen, diese aber unter ganz speziellen Bedingungen ‚gekocht‘ werden müssen“, so Hazen. So besteht Hatrurit beispielsweise aus den Allerwelts-Elementen Kalzium, Silizium und Sauerstoff. Dieses Mineral entsteht aber nur, wenn alle drei bei mehr als 1.250 Grad zusammentreffen und kein Aluminium in der Nähe ist.

Spurenelemente und „Vampir“-Minerale

Andere Minerale werden nur selten gebildet, weil ihre Zutaten auf der Erde nur in Spuren und fast nie konzentriert an einer Stelle vorkommen. Zu diesen gehören Verbindungen aus Beryllium, Hafnium oder Tellur, wie die Forscher erklären. Auch die Minerale, die nur unter den Hochdruck-Bedingungen des tiefen Erdmantels entstehen, sind an der Erdoberfläche oft rar.

Fingerit ist der "König" der seltenen Minerale: Es besteht aus seltenen Elementen, ist wasserlöslich und kommt nur in Fumarolen eines aktiven Vulkans vor. © Robert Downs/ University of Nevada

Ein weiterer Grund ist eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Licht oder Feuchtigkeit: Es gibt mehr als 100 Minerale, die in trockener Umgebung lange überdauern können, sich aber beim ersten Regen auflösen und weggewaschen werden. Einige davon zersetzen sich sogar schon, wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist. Andere, wie Metasideronatrit oder Edoylerit, zerfallen, sobald Sonnenlicht auf sie fällt – sie sind die „Vampire“ des Mineralreichs.

Der König unter den Seltenen

Und schließlich sind einige Minerale schlicht deshalb rar, weil sie unserer Aufmerksamkeit bisher schlicht entgangen sind. Das kann sein, weil ihre Fundorte für uns Menschen nahezu unzugänglich sind. Sie kommen beispielsweise in entlegenen Gebieten der Antarktis vor oder an den Hängen aktiver Vulkane. Andere sind so klein, dass sie erst mit speziellen Mikroskopen identifiziert werden können.

Der König unter allen seltenen Mineralen ist dabei das Fingerit: Es erfüllt alle vier Kriterien für Rarität gleichzeitig. „Fingerit entsteht nur unter extremen, sehr speziellen Bedingungen, aus sehr seltenen Elementen, es löst sich bei Regen auf und es kommt in den gefährlichen Fumarolen aktiver Vulkane vor“, erklärt Hazen. „Deshalb ist Fingerit bisher nur von einer kleinen Stelle auf dem Izalco-Vulkan in El Salvador bekannt.“

Wertvolle Zeugen

Die Vielfalt der seltenen Minerale zu kennen, ist aber nicht nur Selbstzweck, wie die Wissenschaftler betonen. Stattdessen können gerade sie uns viel darüber verraten, was unter der Oberfläche unseres Planeten vorgeht. Zudem ist ein Großteil der Minerale erst durch die Mithilfe von Lebewesen entstanden. Ihre Existenz liefert daher auch Einblicke in die biologische Vergangenheit der Erde.

„Die Vielfalt der raren Minerale könnte das sein, was die Erde von allen anderen Planeten unterscheidet“, sagen die Forscher. Gleichzeitig liefern sie wertvolle Hinweise darauf, was Raumsonden auf fremden Himmelskörper vorfinden könnten. (American Mineralogist, 2016)

(American Mineralogist, 15.02.2016 – NPO)

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