Geknickte Kruste: Sinkt eine Erdplatte an einer Subduktionszone in die Tiefe, macht sie einen überraschenden Wandel durch. Denn sie bleibt weder völlig starr noch schmilzt sie. Stattdessen knickt die subduzierte Platte segmentweise ab – ähnlich einer Kette mit starren Gliedern, wie Forscher in „Nature“ berichten. Diese Segmentierung erklärt nicht nur die Widersprüche in bisherigen Beobachtungen, sie wirft auch neues Licht auf die geophysikalischen Prozesse bei der Subduktion.
Die Erdoberfläche ist einem ständigen Recycling unterworfen: Im Zuge der Plattentektonik entsteht entlang der mittelozeanischen Rücken neue Erdkruste, an den Subduktionszonen wird dagegen ozeanische Kruste geschluckt und sinkt in den Erdmantel ab. Gängiger Theorie nach wird die abtauchende Platte dabei zwar gebogen, bleibt aber bis zur Grenze des unteren Mantels weitgehend stabil. Denn ihre Zugkraft gilt als einer der „Motoren“ für die Subduktion.
Das Problem nur: Geophysikalische Messdaten widersprechen diesem Bild. So scheinen einige subduzierte Platten stärker verformt zu sein als es die Theorie erlaubt. Im Nordwesten der USA stellten Forscher eine deutliche, parallel zur Subduktionszone verlaufende Schwächezone in der abgetauchten Ozeanplatte fest – möglicherweise sogar ein Loch.
Subduktion im Computer
Das wirft die Frage auf, was mit den subduzierten Erdplatten passiert: Wie können sie einerseits starr genug bleiben, um Zugkraft zu entfalten, und andererseits weich genug, um starke Biegungen und Löcher zu bilden? „Bislang fehlte der Forschung ein plausibler Mechanismus, mit der sie erklären kann, wie diese Biegung zustande kommt und warum abtauchende Plattenränder weich und schwach werden“, erklärt Erstautor Taras Gerya von der ETH Zürich.
Auf der Suche nach einer Antwort haben Gerya und sein Team nun die Vorgänge beim Abtauchen einer Erdplatte in einem geophysikalischen Modell nachgebildet. Dafür ließen sie eine virtuelle Ozeanplatte absinken und simulierten die Veränderungen, die die Lithosphäre dieser Platte durch Reibung, Druck und Temperaturen im oberen Erdmantel erfährt. Auch den Effekt der durch die Reibung zerkleinerten Minerale modellierte das Team.
Starre Segmente, weiche „Gelenke“
Die Simulationen enthüllten: Unter den typischen Bedingungen vieler Subduktionszonen biegt sich die abgetauchte Platte nicht gleichmäßig, sondern zeigt eine auffallende Segmentierung. Dabei werden 150 bis 100 Kilometer große starre und weitgehend gerade Zonen von schmaleren, stärker abgeknickten Streifen unterbrochen. Dadurch gleicht der Plattenrand einer Kette mit starren Gliedern, aber beweglichen Verbindungsstücken
„Die Ergebnisse unserer Simulationen stehen im Einklang mit Beobachtungen in der Natur“, berichtet Gerya. So lässt sich ein ähnliches Muster der Segmentierung entlang des Japan-Grabens beobachten, an dem die Pazifische Platte unter die Ochotsk-Platte abtaucht. Seismische Wellen sind an einigen Knotenpunkten innerhalb der abtauchenden Platte verlangsamt und deuten auf Zonen weicheren Gesteins hin. Dieses Muster deckt sich mit dem der Segmentgrenzen aus den Simulationen, wie die Forscher erklären.
Wie eine Tafel Schokolade
Was aber erzeugt diese Segmentierung? Die Simulation zeigte, dass die Zerkleinerung von Olivin-Körnern auf der Plattenunterseite eine entscheidende Rolle spielt. Durch den Biegedruck werden diese Minerale besonders dort zermalmt, wo sich Spannungen konzentrieren – beispielsweise, weil an der Oberfläche schon Schwächezonen existieren. Dadurch entstehen in bestimmten Abständen weichere, biegsame „Gelenke“ in der Platte.
„Das kann man sich vorstellen, wie wenn man eine Tafel Schokolade zerbricht», erklärt Gerya. Auch eine Tafel Schokolade lasse sich nur entlang der vorgegebenen Schwachstellen in Segmente aufteilen. Die einzelnen Schokoladentäfelchen sind starr und stabil, die Verbindungsstücke zwischen ihnen aber schwach. „Deshalb ist auch eine in den Erdmantel abtauchende Platte nicht einheitlich gebogen oder verformt, sondern segmentiert“, so der Geophysiker.
Kombination von Faktoren
In ihrer Simulation fand diese Segmentierung tatsächlich nur dann statt, wenn die Forscher die Zerkleinerung des Olivins mit einbezogen. Ließen sie es weg, blieb die Platte steif. Für den Abstand der „Gelenke“ in der abtauchenden Platte spielt zudem ihr Alter eine Rolle: „Älter und daher dickere subduzierte Platten zeigen breitere Segmente als jüngere“, berichten Gerya und seine Kollegen. Sie biegen sich daher langsamer und weniger stark. Das könnte Unterschiede an den verschiedenen Subduktionszonen erklären. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03937-x)
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, University of Texas at Austin