Einblick in den eiszeitlichen Alltag: Im Südwesten der USA haben Forscher die bislang längste Fußspur eines prähistorischen Menschen entdeckt. Die Abdrücke einer Mutter oder eines Teenagers mit einem Kleinkind erstrecken sich über 1,5 Kilometer Länger und werden immer wieder von Faultier- und Mammutspuren gekreuzt. Für Mutter und Kind war diese Wanderung demnach nicht ungefährlich.
Ob in Afrika, auf der arabischen Halbinsel, in Nordamerika oder auch in Europa: Auf nahezu allen Kontinenten und zu fast allen Zeiten haben unsere Vorfahren ihre Spuren hinterlassen. Die versteinerten Abdrücke verraten einiges über ihre Fußanatomie und Gangweise, aber auch über ihr Jagdverhalten und ihr Sozialverhalten.
Längste bekannte prähistorische Menschenspur
Jetzt gibt eine im White-Sands-Nationalpark in New Mexico entdeckte Fußspur weitere Einblicke – und zeichnet ein sehr vertrautes Bild familiären Alltags. Die Abdrücke sind Teil einer Fundstelle, an der Archäologen bereits 2019 mittels Bodenradar zahlreiche Spuren aus der Zeit vor rund 12.000 Jahren sichtbar gemacht hatten. Diese Abdrücke stammen damit aus der letzten Eiszeit und entstanden, als Menschen und Tiere am Rand eines flachen Sees entlangliefen.
Neue Analysen enthüllen nun, dass eine dieser von Eiszeitmenschen hinterlassene Fußspur 1,5 Kilometer lang ist – sie ist damit die längste je gefundene prähistorische Menschenspur. Auffällig an den Abdrücken ist, dass sie das schlammige Seegebiet in nahezu gerader Linie durchqueren. Der Mensch, der sie hinterließ, kehrte zudem wenige Stunden auf nahezu gleichem Wege wieder zurück. In der Zwischenzeit hatten sowohl Faultiere als auch Mammuts den Weg dieser Person gekreuzt, wie ihre Abdrücke verraten.
Eine Mutter mit Kleinkind unterwegs
Doch noch eine Besonderheit haben die Fußspuren, die wahrscheinlich von einer Frau oder einem Teenager stammen: In manchen Teilabschnitten der Spur ist der linke, an anderen der rechte Fuß tiefer eingedrückt. Zusätzlich gibt es Streckenabschnitte, in denen beide Füße gleich belastet wurden, dafür aber zusätzlich die winzigen Fußabdrücke eines Kleinkinds neben der Spur zu sehen sind.
„Als ich diese unterbrochenen Kleinkind-Spuren sah, kam mir direkt eine sehr vertraute Szene in den Sinn“, sagt Koautor Thomas Urban von der Cornell University. Offenbar trug dort eine Mutter ihr kleines Kind mal auf der einen, mal auf der anderen Hüfte und setzte es zwischendurch immer wieder ab. Möglicherweise brachte sie das Kind zu Verwandten oder ihrer Gruppe und kehrte dann ohne das Kind zurück, wie die Spuren nahelegen.
Scheues Faultier und gleichgültiges Mammut
„Solche Spuren helfen uns dabei, unsere Vorfahren besser zu verstehen – wie sie lebten, wo sie uns ähnelten und wo sie sich unterschieden“, erklärt Projektleiterin Sally Reynold von der Bournemouth University. „Wir können uns in diese Person hineinversetzen und uns vorstellen wie es wohl war, mit einem Kind auf dem Arm durch dieses Gelände zu laufen und dabei von potenziell gefährlichen Tieren umgeben zu sein.“
Die Tierabdrücke verraten, dass sowohl Mammuts als auch Riesenfaultiere unmittelbar nach der Mutter mit ihrem Kind ihre Spur kreuzten. Während die Mammuts sich von der Präsenz der Menschen aber nicht beirren ließen, war dies beim Riesenfaultier offenbar anders: Seine Spuren deuten darauf hin, dass dieses Tier trotz seiner Größe den Menschen eher aus dem Weg ging. (Quaternary Science Reviews, 2020; doi: 10.1016/j.quascirev.2020.106610)
Quelle: Cornell University