Reblese in Gefahr: Untersuchungen zeigen, dass der Weinanbau weltweit durch den Klimawandel gefährdet ist. Den Prognosen von Forschern zufolge wird der Anbau der Trauben in vielen Regionen nicht mehr möglich sein. Aber neue Rebsorten könnten die Verluste zumindest minimieren. Es gibt auch eine gute Nachricht: Einige Gegenden wie Nordeuropa könnten profitieren und eine größere Auswahl an Rebsorten kultivieren.
Der Klimawandel wird die Menschheit vor allem im Bereich der Landwirtschaft auf die Probe stellen. Studien zufolge könnte eine Erwärmung von mehr als zwei Grad zu erheblichen Ausfällen in Landwirtschaft und Fischerei 90 Prozent der Menschheit. Besonders betroffen wären neben Weizen, Reis und anderen Getreiden auch Bananen, Kaffee und andere Früchte.
Kanarienvögel des Klimawandels
Auch auf den Weinanbau wirkt sich der Klimawandel schon jetzt aus: Die Weinlese beginnt immer früher. Ein Team um Ignacio Morales-Castilla von der University of British Columbia hat nun im Detail untersucht, wie sich der Klimawandel auf den Weinbau auswirkt. „In gewisser Weise ist Wein wie der Kanarienvogel im Kohlebergwerk für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft, weil die Trauben so klimaempfindlich sind“, sagte Morales-Castillas Kollege Benjamin Cook.
Die Forscher untersuchten in ihrer Studie elf Weintraubensorten, darunter Chardonnay, Merlot und Riesling, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Reifezeiten interessant für die Anpassung an unterschiedliche Regionen sind. Aus historischen Aufzeichnungen von 1956 bis 2015 über Blütezeitpunkt und Reife der Weinsorten und globalen Temperaturaufzeichnungen von 1880 bis 2013 entwickelten sie ein Prognosemodell für die Entwicklung des globalen Weinanbaus bis zum Jahr 2100. Dabei betrachteten sie Erwärmungsszenarien für zwei und vier Grad.
Enorme Verluste von Anbaugebieten
Das Ergebnis: Für beide Szenarien ergaben die Modelle große Verluste von Anbaugebieten. Bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad könnten 56 Prozent der Anbaugebiete nicht mehr für Wein geeignet sein, wie die Forscher berichten. Wenn die globale Temperatur um vier Grad steigt, könnten sogar 85 Prozent der Fläche verloren gehen.
Besonders betroffen wären südlich gelegene Anbaugebiete, vor allem die bekannten Weinproduzenten Italien und Spanien. Im Rahmen einer Erwärmung von zwei Grad würden die Verluste der beiden Länder etwa 65 Prozent beziehungsweise 68 Prozent betragen, während sie nur etwa fünf beziehungsweise neun Prozent an Anbaufläche dazugewinnen. Im Fall einer Erwärmung um vier Grad würden die Verluste sogar rund 90 Prozent betragen.
Anpassung durch Sortenwechsel
Allerdings gibt es Strategien zur Anpassung: Durch den Wechsel zu Weinsorten, die hitze- und trockenheitsbeständiger sind, lassen sich die Verluste zumindest teilweise kompensierbar. Durch den Anbau anderer Sorten kann der Schaden im Zwei-Grad-Szenario auf immerhin 24 Prozent begrenzt werden. Für vier Grad wird der Schaden bei Anbauflächen selbst bei angepassten Rebsorten auf 58 Prozent begrenzt.
„Grenache oder Cabernet Sauvignon durch Pinot Noir zu ersetzen, Trebbiano dort anzupflanzen, wo Riesling angebaut wird – das sind keine schmerzlosen Veränderungen, aber sie können den Winzern den Übergang in eine neue und wärmere Welt erleichtern“, sagt Morales-Castillas Kollegin Elizabeth Wolkovich. Allerdings räumt sie auch ein, dass es derzeit noch rechtliche und kulturelle Hürden gibt, die Rebsorten auszutauschen, da die Herkunftsbezeichnungen für viele Weine geschützt sind.
Chardonnay aus Norwegen?
Für Weinbaugebiete in südlichen Gefilden, wie Italien, Spanien oder Australien würde diese Gegenmaßnahme allerdings kaum helfen, da diese bereits jetzt die hitzebeständigsten Weinsorten anpflanzen. Die Reben in kühleren Anbaugebieten wie Deutschland oder Neuseeland würden die Zwei-Grad-Erwärmung hingegen relativ unbeschadet überstehen und könnten sogar profitieren, indem sie spät reifende Sorten wie Merlot anbauen.
Winzer in Nordeuropa und Kanada würden deutlich profitieren, da sie erstmals neue Weinsorten anpflanzen könnten, die im bisherigen kalten Klima nicht überlebt hätten. In Großbritannien würde die Zahl der anbaufähigen Weinsorten sogar von null auf fünf steigen. Die Forscher weisen auch darauf hin, dass Praktiken wie verstärkte Bewässerung oder durch Planen geschaffener Schatten die Pflanzen schützen können, allerdings nur bei einer geringen Erderwärmung.
Morales-Castilla meint auch, dass weitere Forschung zur Anpassung der Nutzpflanzen an den Klimawandel nötig sei. „Weintrauben besitzen eine enorme Vielfalt, aber ein Großteil dieser Vielfalt ist noch nicht gut dokumentiert und wird von den Landwirten weltweit nicht genutzt“, sagt Morales-Castilla. „Die Anpassung der Ergebnisse an bestimmte Regionen erfordert auch Daten in feinerem Maßstab und mehr Forschung“. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020, doi: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1906731117)
Quelle: University of Britisch-Columbia