Archäologie

Zeigt dieses Felsbild eine Sonnenfinsternis?

Ritzbild der Anasazi könnte die aktive Sonnenkorona während einer Eklipse darstellen

Ritzbilder auf dem Piedra del Sol im Chaco Canyon. Unten rechts ist die ungewöhnliche Sonnendarstellung zu sehen. © University of Colorado

Astronomisches Zeugnis im Fels: Die geheimnisvollen Anasazi könnten eines der frühesten Zeugnisse einer Sonnenfinsternis in Nordamerika hinterlassen haben. Eines ihrer Felsbilder im Chaco Canyon zeigt ein Sonnensymbol, dessen Rand den Strukturen in der Sonnenkorona verblüffend ähnelt. Sogar eine Sonneneruption könnte dargestellt sein. Gesehen haben können die Anasazi diese Strukturen aber nur während einer totalen Sonnenfinsternis.

Die kommende Sonnenfinsternis am 21. August über den USA sorgt schon jetzt für Vorfreude und Begeisterung. Doch in früheren Zeiten galt ein solches Ereignis eher als Unglücksbote, als Zeichen für den Unmut der Götter – schließlich verletzte diese plötzlich hereinbrechende Dunkelheit den natürlichen Lauf der Dinge. Kein Wunder, dass Menschen schon vor tausenden von Jahren solche totalen Sonnenfinsternisse als besondere Omen betrachteten und sie in Bildern und Texten dokumentierten.

Ein solches Zeugnis einer vergangenen Sonnenfinsternis könnten auch die Bewohner des Chaco Canyon in New Mexico hinterlassen haben – die rätselhaften Anasazi. In der Zeit von 850 bis 1140 errichteten sie in dieser Schlucht erstaunlich komplexe Städte mit bis zu fünfstöckigen Häusern. Genauso plötzlich, wie sie gekommen war, verschwand diese Kultur dann jedoch wieder.

„Sonnenstein“ mit ungewöhnlichem Symbol

Ein Relikt der Anasazi im Chaco Canyon ist der Piedro del Sol – der „Stein der Sonne“: Auf ihm ist ein Sonnensymbol eingeritzt, das wegen seiner ungewöhnlichen Form die Aufmerksamkeit von Kim Malville von der University of Colorado in Boulder erregte. Denn statt der üblichen stilisierten Strahlen ist dieser Kreis mit in sich gekrümmten und teilweise überlappenden Ausläufern verziert.

Der spiralige Ausläufer oben rechts könnte eine Sonneneruption darstellen © University of Colorado

Nach Ansicht von Malville hat diese Sonnendarstellung damit eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Strukturen, wie sie während einer Sonnenfinsternis in der solaren Korona zu sehen sind. Denn nur bei der Verdunklung der Sonne werden solche Protuberanzen sichtbar. „Ganz ähnliche Strahlen und Schleifen sind in der Zeichnung eines deutschen Astronomen aus dem Jahr 1860 zu sehen, der die damalige totale Sonnenfinsternis abbildete“, erklärt Malville.

Spirale als Sonneneruption?

Weil die Finsternis von 1860 in einer Phase besonders starker Sonnenaktivität stattfand, waren damals in der Korona sogar Sonneneruptionen zu erkennen – und diese finden sich als spiralige Klumpen in der Zeichnung des Astronomen wieder. Das Spannende jedoch: Auch das Ritzbild im Chaco Canyon scheint einen solchen spiralig gewundenen Auswurf zu zeigen.

Könnten auch die Bewohner des Chaco Canyon eine Sonnenfinsternis samt koronarer Eruption in den Stein geritzt haben? Tatsächlich hat sich während ihrer Zeit eine totale Sonnenfinsternis in der Region ereignet: am 11. Juni 1097, wie Malville recherchiert hat. Wenn diese Eklipse noch dazu in einer Phase hoher Sonnenaktivität stattfand, dann könnte das Sonnensymbol auf dem Piedra del Sol tatsächlich die Korona während dieses Ereignisses samt einer Sonneneruption zeigen. Aber war dies auch so?

Fahndung in Baumringen und astronomischen Aufzeichnungen

„Das ist eine gut zu testende Hypothese“, sagt Malville. Ob diese Sonnenfinsternis in einer besonders aktiven oder in einer ruhigen Phase des Sonnenzyklus stattfand, haben er und seine Kollegen daher überprüft. Dafür werteten sie zum einen Kohlenstoffisotopen aus Baumringen jener Zeit aus. Weil Sonnenstürme und kosmische Strahlung den Anteil von Kohlenstoff-14 in der Atmosphäre erhöhen, hinterlassen Phasen hoher Sonnenaktivität auch in den Pflazengeweben einen entsprechenden Peak.

Sonneneruptionen in einer Aufnahme des Sonnenobservaotriums SOHO © SOHO (ESA/NASA)

Zum anderen suchten die Forscher in den Aufzeichnungen chinesischer Astronomen nach Hinweisen auf eine besonders hohe Sonnenaktivität zu jeder Zeit. Die Himmelsgelehrten im Reich der Mitte führten schon vor Jahrtausenden regelmäßig Buch über das Auftreten von Sonnenflecken. Auch aus ihrer Menge und Häufigkeit lässt sich auf die Sonnenaktivität schließen.

Sonnenaktivität war hoch

Das Ergebnis: „Es zeigte sich, dass die Sonne im Jahr 1097 tatsächlich in einer Phase sehr starker solarer Aktivität war“, berichtet Malville. „Das passt gut zu einer sehr aktiven Korona und koronaren Massenauswürfen, wie sie auf dem Piedra del Sol zu sehen sind.“ Der Forscher hält es daher für durchaus möglich, dass die Bewohner des Chaco Canyon diese Sonnenfinsternis beobachteten und im Ritzbild dokumentierten.

Plausibel könnte dies auch deshalb sein, weil es im Canyon und speziell am Piedra del Sol noch weitere Hinweise auf astronomische Bezüge gibt, wie Malville berichtet. So zeigt ein Vorsprung auf der Südwestseite des Felsens auf die Stelle am Horizont, an der die Sonne bei der Wintersonnenwende aufgeht. Ein dreieckiger Nachbarstein wirft dagegen wenige Tage vor der Sommersonnenwende seine SCHattenspitze genau ins Zentrum einer Spirale auf der Ostseite des Piedra des Sol.

„Es ist daher gut möglich, dass sich die Menschen damals am Piedra del Sol versammelten, um die Sonne auf ihrem Weg zur Sommersonnenwende zu verfolgen, als die Sonnenfinsternis eintrat“, so Malville.

(University of Colorado at Boulder, 11.08.2017 – NPO)

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