Harte Strahlung: Die ersten Galaxien im Kosmos waren offenbar viel heller als bisher angenommen. Denn sie sendeten weit mehr harte, ionisierende Strahlung aus als heutige Galaxien, wie Daten des Spitzer-Weltraumteleskops enthüllen. Das könnte bedeuten, dass diese frühen Galaxien eine wichtigere Rolle für die Ionisierung des primordialen Wasserstoffs im Universum spielten als bislang gedacht.
Wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall erlebte das Universum einen entscheidenden Wandel: Die ersten Sterne und Galaxien entstanden. Sie beendeten das „dunkle Zeitalter“ des Kosmos und leiteten die Epoche der Reionisierung ein: Die intensive Strahlung der jungen Sterne ionisierte die bis dahin neutralen interstellaren Gaswolken. Doch wer waren die Hauptakteure dieser Reionisierung?
„Das ist eine der größten offenen Fragen der Kosmologie“, sagt Erstautor Stephane de Barros von der Universität Genf. „Wir wissen, dass die Reionisierung passiert ist – aber was hat sie ausgelöst?“
Blick zurück ins frühe All
Das Problem: Bisher haben Astronomen nur wenige Galaxien und Quasare aus der Epoche der Reionisierung entdeckt und näher beobachtet. Zwar gibt es unter diesen primordialen Sternenansammlungen einige, die extrem starke Strahlung aussenden, doch sie allein sind zu wenig, um die Reionisierung zu bewerkstelligen. Viele andere frühe Galaxien waren dagegen eher lichtschwach und erzeugten nicht genügend harte Strahlung – so dachte man bisher.
Doch das ist ein Irrtum, wie nun de Barros und sein Team herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie Daten des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA zu 135 Galaxien ausgewertet, die wenige hundert Millionen bis eine Milliarde Jahre nach dem Urknall existierten. Das Teleskop zeichnete die Lichtspektren dieser Galaxien in zwei Bereichen des infraroten Lichts auf. Diese Wellenlängen kennzeichnen Strahlung, die im frühen Kosmos noch kurzwellig und energiereich war, dann aber durch die Expansion des Kosmos gedehnt wurde.
Dreimal mehr harte Strahlung
Die Auswertung enthüllte Überraschendes: In beiden Infrarotkanälen leuchteten diese ersten Galaxien weit intensiver als es die Astronomen erwartet hatten. „Unser für diese Galaxien ermittelte Wert der ionisierenden Photonen-Produktion ist mindestens dreimal höher als der kanonische Wert“, berichten die Forscher. Demnach erzeugten diese Galaxien deutlich mehr harte ionisierende Strahlung als man es nach gängigen Modellen angenommen hat.
Das aber bedeutet: Sehr strahlungsintensive Galaxien waren in der Frühzeit des Universums offenbar keine seltene Ausnahme, sondern eher die Regel. Denn mit dieser Studie haben die Astronomen erstmals eine größere Stichprobe solcher primordialen Sternenansammlungen auf ihre ionisierende Strahlung hin untersucht. Demnach produzierten damals selbst vermeintlich durchschnittliche Galaxien mehr ionisierende Strahlung als es ihre heutigen Gegenstücke tun.
„Erster Schritt zur Lösung des Rätsels“
„Diese Ergebnisse sind ein weiterer Schritt dahin, das Rätsel der kosmische Reionisierung zu lösen“, sagt Koautor Pascal Oesch von der Universität Genf. „Wir wissen jetzt, dass die physikalischen Bedingungen in diesen frühen Galaxien deutlich anders waren als bei Galaxien heute.“ Damit wird es wahrscheinlicher, dass diese primordialen Sternenansammlungen doch die Hauptakteure der Reionisierung waren.
Ob diese Annahme stimmt, könnte in naher Zukunft das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) klären helfen. Denn das 2021 ins All startende Teleskop wird wie das Spitzer-Teleskop einige der Infrarotwellenlängen abtasten, in denen sich die Signaturen der frühen harten Strahlung verbergen. Dank seines 6,50 Meter großen Spiegels kann das JEST dabei aber weiter und genauer ins ferne All blicken. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2019; doi: 10.1093/mnras/stz940)
Quelle: Royal Astronomical Society, NASA