Ein Gigant und seine Begleiter: Astronomen haben mithilfe des James-Webb-Teleskops eines der frühesten Filamente des kosmischen Netzwerks aufgespürt. Der rund drei Millionen Lichtjahre lange Strang aus einem Quasar und zehn Galaxien existierte schon 830 Millionen Jahre nach dem Urknall. Diese frühe Materieansammlung stützt die Theorie, nach der die ersten supermassereichen Schwarzen Löcher nur in solchen überdichten Regionen des Alls entstehen konnten – denn nur dort gab es genug Materienachschub.
Es ist eines der großen Rätsel der Astronomie: Wie konnten im frühen Kosmos so schnell so gigantische supermassereiche Schwarze Löcher entstehen? Einer der frühesten bekannten Quasare existierte schon 670 Millionen Jahre nach dem Urknall und war schon gewaltige 1,6 Milliarden Sonnenmassen schwer. Eigentlich hatte er damit viel zu wenig Zeit, um aus der Verschmelzung kleiner Schwarzer Löcher oder der allmählichen Akkretion von Materie heranzuwachsen.
Quasare und das kosmische Netz
Warum diese frühen Quasare dennoch so groß wurden, ist bisher ungeklärt. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich die Vorläufer dieser riesigen Schwarzen Löcher nur in besonders dichten, materiereichen Bereichen des Alls entwickeln konnten – nur dort fanden sie auch genügend Materie-Nachschub. „Deswegen erwarten wir auch, dass Quasare in Gebieten mit einer großräumigen Überdichte von Galaxien liegen“, erklären Feige Wang von der University of Arizona und seine Kollegen.
Quasare müssten demnach vor allem in den Filamenten und Knotenpunkten des kosmischen Netzwerks liegen. Denn in diesen ist die Dichte von Gas, Sternen und Galaxien höher als in den dazwischenliegenden „Voids“. Gängiger Theorie zufolge sorgten Dichtefluktuationen nach dem Urknall dafür, dass sich vermehrt normale und Dunkle Materie in solchen Filamenten anreicherte. Letztlich bildeten sich daraus die Großstrukturen des heutigen Kosmos.
„Diese Theorien mittels Beobachtungen zu belegen, hat sich jedoch als schwierig erwiesen“, erklären Wang und sein Team. Denn selbst das Hubble-Weltraumteleskop und andere leistungsstarke Teleskope schafften es nicht, die Umgebung ferner Quasare zu zeigen.
Zehn galaktische Begleiter
Doch mit dem James-Webb-Teleskop hat sich dies geändert: Die spektroskopischen Aufnahmen der Nahinfrarotkamera NIRCam erlauben es erstmals, auch Galaxien im Umfeld früher Quasare abzubilden. Für ihre Studie haben Wang und sein Team gezielt nach spektroskospischen Signaturen von Galaxien im Umfeld von frühen Quasaren gesucht. Für den ersten davon, den Quasar J030516.92–315055.9 (kurz J0305–3150), haben sie nun ihre Beobachtungen veröffentlicht. Dieser Gigant existierte schon 830 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Die Beobachtungen enthüllten: Der Quasar ist tatsächlich Teil eines kosmologischen Filaments. Er bildet zusammen mit mindestens zehn weiteren Galaxien eine rund drei Millionen Lichtjahre lange, fädige Struktur. Die übereinstimmenden Rotverschiebungen belegen, dass die Galaxien alle etwa gleich alt sind wie der Quasar. „Damit ist dies eine der frühesten Filamentstrukturen, die je in Verbindung mit einem Quasar gefunden wurde“, sagt Wang.
Überdichte als Nährboden für massereiche Schwarze Löcher
Dieses Filament stützt die Annahme, dass die Quasare des frühen Kosmos in Gebieten mit besonders viel Materie entstanden sein müssen. Denn rund um den Quasar J0305–3150 finden sich erheblich mehr Galaxien und mehr Materie als im großräumigen Durchschnitt, wie die Astronomen ermittelten. „Unseren Schätzungen sprechen dafür, dass der Quasar J0305–3150 in einer der überdichtesten bisher bekannten Strukturen des frühen Universums liegt“, berichten Wang und seine Kollegen.
Die Astronomen gehen davon aus, dass sich das von ihnen beobachtete Filament mit der Zeit zu einem massereichen Galaxienhaufen weiterentwickeln wird: „Die von J0305–3150 ausgehende Struktur stimmt mit einer frühen Protocluster-Umgebung überein“, berichten sie. Ihrer Ansicht nach legen die Aufnahmen des James-Webb-Teleskops zudem nahe, dass das bisherige Ausbleiben ähnlicher Beobachtungen eher an der mangelnden Auflösung der Teleskope lag als an astrophysikalischen Prozessen.
Die Suche geht weiter
Im Rahmen des ASPIRE-Projekts werden die Astronomen mit dem Webb-Teleskop die Umgebung von 24 weiteren fernen Quasaren nach einer Überdichte an Galaxien absuchen. „ASPIRE versucht zu klären, wie das Auftauchen der frühesten massereichen Schwarzen Löcher zur Bildung der kosmischen Großstrukturen passt“, erklärt Koautor Joseph Hennawi von der University of California in Santa Barbara. (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.3847/2041-8213/accd6f)
Quelle: Space Telescope Science Institute