Astronomie

Schwarze Löcher haben keine Haare

Strahlenausbruch an einem Schwerkraftgiganten-Paar belegt das "No-Hair-Theorem"

Der Ereignishorizont Schwarzer Löcher ist symmetrisch und hat keine lokalen "Unebenheiten" – das bestätigt nun eine Beobachtung im Zentrum einer fernen Galaxie. © NASA/JPL-Caltech

Keine Unebenheiten: Ein Helligkeitsausbruch im Herzen einer fernen Galaxie stützt eine der grundlegenden Theorien zu Schwarzen Löchern – das „No-Hair-Theorem“. Nach diesem ist der Ereignishorizont solcher Schwerkraftgiganten glatt und ihre Masse symmetrisch verteilt. Genau dies konnten Astronomen nun über die Wechselwirkung zweier supermassereicher Schwarzer Löcher im Zentrum der Galaxie OJ 287 nachweisen.

Der Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs gilt als Grenze ohne Wiederkehr: Materie, Licht und sämtliche andere Information sind jenseits dieser Zone unwiederbringlich verloren. Eng damit verknüpft ist eine weitere Eigenheit, die Astrophysiker schon in den 1960er Jahren im sogenannten No-Hair-Theorem postulierten. Demnach dürfen sich Schwarze Löcher von außen nur in grundlegenden Merkmalen wie Ladung, Masse oder Drehimpuls unterscheiden – alle anderen Informationen sind im Inneren verschwunden.

Daraus folgt, dass der Ereignishorizont völlig symmetrisch und ohne lokale Massenunterschiede erscheinen müsste – sozusagen rund und glatt wie eine haarlose Glatze. Der Physiker John Archibald Wheeler prägte für dieses Theorem deshalb die griffige Phrase: „Schwarze Löcher haben keine Haare“. Doch ob das No-Hair-Theorem zutrifft, ist bislang nur in Teilen belegt – es fehlte an Beobachtungen, die die „Haarlosigkeit“ des Ereignishorizonts bestätigten.

OJ 287
Das kleinere Schwarze Loch kreuzt immer wieder die Gasscheibe des großen. © NASA/JPL-Caltech

Leuchtender Tanz zweier Massegiganten

Jetzt jedoch gibt es eine solche Beobachtung – dank des sehr ungewöhnlichen Quasars OJ 287. Diese aktive Galaxie in rund vier Milliarden Lichtjahren Entfernung beherbergt in ihrem Zentrum eines der massereichsten Schwarzen Löcher: Der Schwerkraftgigant umfasst mehr als 18 Milliarden Sonnenmassen. Doch er ist nicht allein: Um ihn kreist ein zweites supermassereiches Schwarzes Loch mit „nur“ rund 150 Sonnenmassen.

Das kleinere Schwarze Loch folgt dabei einer Umlaufbahn, die es etwa alle zwölf Jahre auf Kollisionskurs mit der leuchtenden Gasscheibe ihres größeren Partners bringt. Immer wenn es diese Scheibe passiert, erzeugt dies einen enormen Strahlenausbruch, der diesen Quasar für kurze Zeit heller aufleuchten lässt als die gesamte Milchstraße. Allerdings sind diese Ausbrüche nicht immer „pünktlich“, weil die Wechselwirkungen der beiden Schwarzen Löcher die Bahn des kleineren verschieben.

Warten auf den Ausbruch

Doch genau dies hat nun Astronomen um Seppo Laine vom IPAC-Forschungszentrum in Pasadena die Chance geboten, das No-Hair-Theorem zu überprüfen. Denn wenn die gängigen Modelle stimmen, dann müsste sich der nächste Strahlenausbruch bis auf wenige Stunden genau vorhersagen lassen. Hat dagegen der Ereignishorizont des größeren Schwarzen Lochs doch „Haare“, dann passen die Prognosen nicht. Man musste also nur zur richtigen Zeit hinschauen.

Der vorhergesagte Zeitpunkt war der Morgen des 31. Juli 2019. Dann müsste das kleinere Schwarze Loch an fast derselben Stelle durch den Gasring des größeren kreuzen wie zwölf Jahre zuvor. Das Problem jedoch: Im Sommer 2019 stand die Galaxie OJ 287 auf der anderen Seite der Sonne und war deshalb für Teleskope auf der Erdoberfläche oder im Erdorbit nicht beobachtbar.

Glücklicherweise gab es aber ein Teleskop, das die Galaxie im Blick hatte: das NASA-Weltraumteleskop Spitzer. Weil dieses mehr als 250 Millionen Kilometer von der Erde entfernt im All steht, konnte es an der Sonne vorbeischauen und das entscheidende Ereignis einfangen.

No-Hair-Theorem bestätigt

Und tatsächlich: Das Spitzer-Teleskop fing den Strahlenausbruch von OJ 287 fast genau zum vorhergesagten Zeitpunkt ein – mit einer Abweichung von weniger als vier Stunden. Das bestätigt nicht nur die Modelle zur Interaktion Schwarzer Löcher – es belegt auch die Gültigkeit des No-Hair-Theorems. „Die Spitzer-Beobachtungen liefern uns eine parametrische Eingrenzung des berühmten No-Hair-Theorems“, konstatieren Laine und seine Kollegen.

Die pünktliche Ankunft des kleineren Schwarzen Lochs am vorhergesagten Kreuzungspunkt bestätigt, dass der Ereignishorizont des größeren Partners keine größeren Massen-Ungleichverteilungen oder anderen „Haare“ aufweisen kann. „Dies ist wichtig, weil wir sonst nicht sicher sein könnten, ob Schwarze Löcher, wie sie von Stephen Hawking und anderen beschrieben werden, überhaupt existieren“, sagt Koautor Mauri Valtonen von der Universität Turku. (Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/ab79a4)

Was die Astronomen bei OJ 287 beobachteten.© NASA/ JPL-Caltech

Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory

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