Schrumpfen statt Fehlen? Astronomen könnten herausgefunden haben, warum bei Exoplaneten eine rätselhafte Größenlücke zwischen Supererden und Mini-Neptunen klafft. Entscheidende Hinweise lieferten Jungplaneten in zwei nahen Sternhaufen: Mehr als 80 Prozent dieser jungen Exoplaneten gehören zum fehlenden Zwischentyp mit ein bis zwei Erdgrößen, wie das Team entdeckte. Das deutet darauf hin, dass diese Planetenlücke erst nachträglich entsteht – und gibt auch erste Hinweise auf die Ursache.
Im Größenspektrum der Planeten klafft eine auffallende Lücke gibt: Es gibt kaum Exoplaneten im Größenbereich zwischen Supererden mit bis zu 1,75-fachem Erdradius und gasreichen Mini-Neptunen mit zwei- bis vierfachem Erdradius. „Planetenforscher haben inzwischen genügend Daten, um zu belegen, dass diese Lücke real ist“, erklärt Erstautorin Jessie Christiansen vom Exoplanet Science Institute der NASA. „Es gibt offenbar irgendetwas, das verhindert, dass Planeten diese Zwischengröße erreichen oder behalten.“
Aber was? Astronomen vermuten inzwischen, dass der fehlende Zwischentyp zwar entsteht, aber nicht stabil ist: Weil diese Exoplaneten nur eine relativ geringe Masse und Schwerkraft besitzen, können sie ihre dichten Uratmosphären weniger gut festhalten als die schwereren Mini-Neptune.
Zwei mögliche Szenarien
Doch das wirft die Frage auf, wodurch die Gashüllen solcher Jungplaneten verloren gehen. Bisher gibt es dazu zwei mögliche Erklärungen: Im ersten Szenario reißt die energiereiche Strahlung der jungen Muttersterne diesen gasreichen Jungplaneten ihre Atmosphäre weg. Hinweise darauf haben Astronomen 2022 bei zwei jungen Sub-Neptunen entdeckt. Eine solche Photoevaporation müsste aber gängigen Modellen zufolge schon innerhalb der ersten rund 100 Millionen Jahre nach der Planetenbildung stattfinden.
Im zweiten Szenario verlieren die jungen Exoplaneten ihre Gashülle nicht durch ihren Stern, sondern durch ihre eigene Hitze: Ihr bis zu 100.000 Kelvin heißer Kern setzt enorme Menge an Wärmestrahlung frei, die von innen auf die planetare Gashülle trifft. Diese wird dadurch allmählich ausgedünnt und verliert Gas an das umgebende Weltall. Anders als die Photoevaporation kann dieser kernbedingte Massenverlust über mehrere Milliarden Jahre anhalten. Tatsächlich zeigen Beobachtungen, dass die relative Größe von Sub-Neptunen mit ihrem Alter abnimmt.
Blick in zwei junge Sternhaufen
Doch welcher dieser beiden Prozesse ist für die Größenlücke zwischen Supererden und Mini-Neptunen verantwortlich? Oder sind es womöglich beide? An diesem Punkt setzt die Studie von Christansen und ihrem Team an. Ihre Idee: Wenn die Photoevaporation die Hauptursache ist, dann müsste die Größenlücke schon bei mehr als 100 Millionen Jahre alten Jungplaneten messbar sein. Ist der Gasverlust dagegen kernbedingt, müsste die Lücke auch bei etwas älteren Jungplaneten noch fehlen.
Um dies zu überprüfen, haben die Astronomen Exoplaneten in den beiden nahegelegenen, jungen Sternhaufen Praesepe und Hyaden näher untersucht. Beide enthalten mehrere hundert Jungsterne, die erst 600 bis 800 Millionen Jahre alt sind. Das Kepler-Weltraumteleskop hat in den beiden Sternhaufen 15 junge Exoplaneten aufgespürt. Christansen und ihr Team haben nun ermittelt, ob diese Planeten in die Größenlücke fallen und wie hoch der Anteil solcher planetarer Zwischenformen ist.
Planetare Zwischengröße reichlich vertreten
Das überraschende Ergebnis: Fast alle jungen Exoplaneten in diesen beiden Sternhaufen sind heiße Sub-Neptune der fehlenden Zwischengröße – sie machen mehr als 80 Prozent der Exoplaneten dort aus. „Das ist signifikant mehr als im gesamten von Kepler beobachteten Sternenkatalog“, berichten die Astronomen. Bei älteren, drei bis neun Milliarden Jahre alten Sternen liegen nur rund 17 Prozent der Exoplaneten im Größenbereich zwischen 1,2 bis 3,9 Erdradien.
Die Jungplaneten im Hyaden- und Praesepe-Sternhaufen umkreisen ihre Muttersterne sehr eng, scheinen aber ihre Gashülle noch nicht verloren zu haben – obwohl sie schon 600 bis 800 Millionen Jahre alt sind. Nach Ansicht von Christiansen und ihren Kollegen spricht dies eher gegen das Szenario der Photoevaporation. Denn nach diesem müsste der Gasverlust dieser Jungplaneten schon abgeschlossen sein.
Indiz für Massenverlust durch Kernhitze
Stattdessen sehen die Astronomen in ihren Beobachtungen ein starkes Indiz für den langsamer ablaufenden, kernbedingten Atmosphärenverlust. „Unser Resultat für die Praesepe- und Hyaden-Sternhaufen stimmt besser mit den theoretischen Modellen für den Massenverlust durch die Kernhitze überein“, konstatieren sie. Demnach entsteht die planetare Größenlücke nicht schon direkt nach der Planetenbildung, sondern erst allmählich, während die Jungplaneten abkühlen und ihre Hitze nach außen abstrahlen.
Allerdings: Noch reichen auch diese Beobachtungen nicht aus, um andere Szenarien ganz auszuschließen, wie das Team betont. So könnte es beispielsweise Faktoren geben, die die Photoevaporation verlangsamen. Denkbar wäre auch eine Kombination beider Prozesse oder sogar eine noch ganz andere Erklärung. Weitere Untersuchungen seien daher nötig, so die Astronomen. (The Astronomical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-3881/acf9f9)
Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory