Genetik

Insekten beherbergen hunderte unbekannter Viren

Forscher identifizieren große Anzahl potenzieller Krankheitserreger anhand ihrer Gensignaturen

Insekten
Viele Insekten sind Träger noch unbekannter Viren. Ob diese Viren Krankheiten bei Mensch und Tier verursachen können, ist noch unklar. © Sofia Paraskevopoulou

Verborgene Gefahr: Forscher haben in Insekten hunderte zuvor unbekannter Viren entdeckt – potenzielle Krankheitserreger, die auch Pflanzen, Tiere und den Menschen befallen könnten. Erst eine genetische Fahndung bei mehr als 1.200 Insektenarten brachte diese Virenfracht zutage. Noch ist zwar unbekannt, ob diese Viren krankmachen und wen. Das Wissen um diese potenziellen Erreger kann aber dabei helfen, neue Infektionskrankheiten künftig schneller einzuordnen.

Ob Stechmücke, Zecke, Floh oder andere Blutsauger: Viele Erreger krankmachender Infektionen werden von Insekten übertragen. Die Spanne reicht dabei von bakteriellen Erkrankungen wie Fleckfieber, Pest und Borreliose bis zu pathogenen Viren wie dem West-Nil-Virus, Dengue, Zika oder dem Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Doch auch andere Tiere können Reservoire für gefährliche Viren sein – entsprechend wichtig ist es, diese Erreger und ihre bevorzugten Wirte zu kennen.

Ebola-Virus
Viele virale Erreger, darunter auch das Ebolavirus gehören zu den negativen einzelsträngigen RNA-Viren. © NIAID

„Jedes neue Virus, das wir finden, könnte eine bisher unerkannte Ursache von Erkrankungen sein, sowohl beim Menschen als auch bei Nutztieren“, erklärt Seniorautor Christian Drosten von der Charité-Universitätsmedizin Berlin. „Je mehr Viren wir kennen und in unserer Datenbank speichern, umso leichter können wir die Ursache von neu auftretenden ungewöhnlichen Erkrankungen erkennen.“

Großfahndung im Insektenreich

Doch bisher ist das Wissen gerade um Insekten als Virenträger extrem lückenhaft: Während blutsaugende Arthropoden als Vektoren gut untersucht sind, weiß man über das Virusvorkommen bei anderen Insekten nur wenig. Deshalb haben Drosten und sein Team nun eine großangelegte Fahndung nach noch unbekannten Viren im Insektenreich durchgeführt.

Dafür durchsuchten die Forscher das Transkriptom von 1.243 Insektenarten nach bestimmten Genabschnitten, die für Viren mit sogenannter negativer einzelsträngiger Ribonukleinsäure (RNA) typisch sind. Diese Gruppe von RNA-Viren umfasst die Erreger vieler gefährlicher Krankheiten, darunter Masern, Tollwut, Ebola und andere hämorrhagische Fieber sowie Lungeninfektionen. Zudem umfassen diese Viren auch zahlreiche Pflanzen- und Tierpathogene.

Hunderte unbekannter Viren entdeckt

Die Forscher wurden fündig – reichlich: Insgesamt entdeckten sie die Gensignaturen von hunderten noch unbekannten Viren aus mindestens 20 neuen Virengattungen. Sogar eine zuvor unbekannte Virenfamilie könnte unter den Funden sein. „Das ist wohl die bisher größte Einzelstudie in der Entdeckung neuer Viren“, sagt Drosten. Gleichzeitig belegen die Ergebnisse, dass blutsaugende Insekten keineswegs die einzigen Träger von Viren sind. Denn die neuen Funde erstrecken sich nahezu über das gesamte Insektenreich.

Die Analyse erlaubte es den Forschern zudem, die neu identifizierten Viren bestimmten Insekten als Wirten zuzuordnen. „Dieses Wissen ist essenziell, um die Übertragung solcher Viren als potenziellen Auslösern von Krankheiten bei Tieren oder Pflanzen zu verstehen“, sagen die Wissenschaftler. Der nächste Schritt ist nun die genaue Einordnung der neuentdeckten Virenarten und die Bestimmung ihrer möglichen Wirte und Krankheitswirkungen.

Hilfe bei der Identifizierung neuer Krankheiten

Trotzdem haben Drosten und sein Team die Gensignaturen der neuentdeckten Insektenviren prophylaktisch in ihre Suchdatenbanken eingespeist. Diese helfen dabei, Fälle seltener und ungewöhnlicher Erkrankungen beim Menschen ihren möglichen Erregern zuzuordnen. Nötig wird dies beispielsweise bei Patienten, bei denen alle Symptome auf eine Virusinfektion hinweisen, ein Virus mit klassischen Methoden jedoch nicht nachgewiesen werden kann.

„Wir benutzen dann Hochdurchsatz-Sequenziermethoden, um nach Virengenen zu fahnden, die in den Patientenproben vorkommen“, erklärt Drosten. „Wenn der Patient ein Virus hat, finden wir es – vorausgesetzt, es ist in unserer Datenbank hinterlegt oder es hat Ähnlichkeit mit einem dort verzeichneten Virus.“ Mit der Erweiterung um die neuen Insektenviren steigen die Erfolgschancen bei der Suche. (PLoS Pathogens, 2020; doi: 10.1371/journal.ppat.1008224)

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Charité Berlin

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