Schleichende Vergiftung: Erneut liefern Forscher Belege dafür, dass Pestizide Mitschuld an Autismus und geistigen Entwicklungsstörungen von Kindern haben. Lebt eine Mutter während ihrer Schwangerschaft in der Nähe von gespritzten Feldern, steigt das Risiko um zwei Drittel, dass ihr Kind unter Autismus oder eine anderen Störung leidet, wie die US-Forscher berichten. Schwangere Frauen sollten daher diese Umgebungen meiden, so ihr dringender Rat.
Das Gehirn von Kindern reagiert während seiner Entwicklung im Mutterleib besonders empfindlich auf bestimmte Substanzen, das ist schon länger bekannt. Erst im Februar 2014 hatte eine Forschergruppe vor einer schleichenden „Verdummung“ der Kinder durch vorgeburtliche Belastung mit Umweltchemikalien gewarnt. Irva Hertz-Picciotto von der University of California in Davis und ihre Kollegen liefern nun weitere Belege dafür, dass gerade Pestizide die geistige Entwicklung von Kindern nachhaltig stören und insbesondere auch Autismus fördern kann.
Gespritzte Felder, schwangere Mütter
Für ihre Studie verglichen die Forscher für rund 1.000 kalifornische Familien, wie häufig Entwicklungsstörung bei Kindern vorkamen, deren Mütter entweder nahe oder weiter entfernt von mit Pflanzenschutzmitteln gespritzten Feldern wohnten. Die Daten zur Pestizidbehandlung stammten vom California Pesticide Use Reports. Darin müssen Bauern angeben, wo, wie viel und welche Pflanzenschutzmittel sie wann eingesetzt haben. Die meisten eingesetzten Pflanzenschutzmittel gehörten zur Gruppe Organophosphorverbindungen, gefolgt von Pyrethroiden und Pestiziden auf der Basis von Carbamaten.
Durch Fragebögen erfassten die Forscher bei diesen Familien zusätzlich, wo genau sich die Mütter während ihrer Schwangerschaft aufgehalten hatten. Mit den gesammelten Informationen entwickelten die Forscher Karten, aus denen sowohl die Einsatzorte bestimmter Pflanzenschutzmittel hervorgingen, als auch die Häufigkeit und räumliche Verteilung von geistigen Entwicklungsstörungen.
Risiko um zwei Drittel höher
Aus den Auswertungen ging hervor: Mütter, die während ihrer Schwangerschaft im Umkreis von 1,25 bis 1,75 Kilometer von gespritzten Feldern gelebt hatten, besaßen durchschnittlich ein um zwei Drittel höheres Risiko, ein Kind mit Autismus oder einer anderen geistigen Entwicklungsstörung zu bekommen. Dabei folgt der Zusammenhang einem Gradienten, wie die Forscher berichten: Je weiter die Entfernung zu den Feldern, desto geringer ist das Risiko und umgekehrt. Die stärkste negative Wirkung scheinen die Pflanzenschutzmittel dabei im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel zu haben.
„Wir müssen zwar noch herausfinden, ob bestimmte Gruppen von Menschen besonders empfindlich auf die Substanzen reagieren, aber die grundsätzliche Botschaft ist klar: Schwangere sollten möglichst jeden Kontakt zu Pflanzenschutzmitteln vermeiden“, sagt Hertz-Picciotto. Dies gelte nicht nur im Zusammenhang mit der Ernährung, sondern auch in Bezug auf Orte, wo die entsprechenden Wirkstoffe in die Umwelt gelangen. „Ich würde mit meiner Familie nicht an einem Ort wohnen wollen, wo in der Nähe Pestizide ausgebracht werden“, so die Forscherin. Ihrer Ansicht nach ist eine Auseinandersetzung mit dem Problem sowohl auf gesellschaftlicher als auch persönlicher Ebene nötig, um die Situation zu verbessern. (Environmental Health Perspectives)
(NIH, 23.06.2014 – NPO/MVI)