Medizin

Mehr Frühgeburten durch Fracking

Umstrittene Gasfördertechnik steigert Risiken für Schwangere

Erdgas-Bohrturm am texanischen Barnett-Shale Gasvorkommen © David R. Tribble / (CC BY-SA 3.0)

Folgenschwere Gasförderung: In der Nähe von Fracking-Gasbrunnen haben Schwangere ein 40 Prozent höheres Risiko einer Frühgeburt. Mediziner fanden dieses brisante Ergebnis im US-Bundesstaat Pennsylvania, wo das umstrittene Fracking intensiv zur Gasförderung genutzt wird. Die Wissenschaftler fordern Politiker auf, diese weiteren Information über die offenbar gesundheitsschädliche Fördermethode unbedingt zu berücksichtigen.

In den USA hat die Gasförderung durch sogenanntes Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, innerhalb der letzten zehn Jahre einen gewaltigen Boom erlebt. Doch die Methode ist umstritten: Mit hohem Druck wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien in gashaltige Schichten tief im Boden gepresst, um das Gestein aufzubrechen und das Gas an die Oberfläche zu befördern. Doch die Risiken für Umwelt und Gesundheit durch diese Fördermethode sind ungewiss: Studienergebnisse häufen sich, wonach die Gefahren weitaus größer sind als angenommen.

Wir wissen fast nichts über die Gesundheitsrisiken

Im US-Bundesstaat New York ist Fracking deshalb vollständig verboten, wie auch beispielsweise in Frankreich. In Deutschland gelten strikte Auflagen, allein Probebohrungen sind bis auf weiteres erlaubt. Ähnlich ist es im US-Bundesstaat Maryland, wo derzeit ein Moratorium gegen das Fracking in Kraft ist. In Staaten wie Pennsylvania dagegen wird die Technik intensiv genutzt: „Mehr als 8.000 unkonventionelle Gasbrunnen sind allein in Pennsylvania gebohrt worden“, sagt Brian Schwartz von der Johns Hopkins University in Baltimore, „und wir lassen dies zu, während wir fast nichts darüber wissen, was das für die Gesundheit bedeutet.“

„Das Wachstum der Fracking-Industrie ist völlig jenseits unserer Fähigkeit, die Effekte für Umwelt und allgemeine Gesundheit einschätzen zu können“, urteilt der Mediziner Schwartz. Um einen Teil dieser Wissenslücke zu schließen, haben Schwartz und Kollegen die Effekte von Fracking-Bohrungen auf in der Nähe wohnende werdende Mütter untersucht. Sie analysierten Daten von über 9.000 Frauen, die im Zeitraum von Januar 2009 bis Januar 2013 insgesamt fast 11.000 Babies bekamen.

Mehr Frühgeburten, mehr Risiko-Schwangerschaften

Geburtsdaten und Informationen über Frühgeburten und Risikoschwangerschaften glichen die Forscher mit den Baudaten der Gasbrunnen ab: Wann begannen die Bohrungen, und wann nahmen sie den Betrieb auf? Wie tief waren die Brunnen, und wie viel Gas wurde gefördert? Und vor allem, wie dicht wohnten die schwangeren Mütter jeweils an den Förderstellen?

Das Ergebnis ist brisant: Eine um 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt hatten diejenigen werdenden Mütter, die am nächsten an den Produktionsstätten lebten. Als Frühgeburt definierten die Forscher eine Geburt des Kindes nach weniger als 37 Schwangerschaftswochen. Eine normale Schwangerschaft dauert 38 bis 40 Wochen.

Gasbohrung mit Hydraulic Fracturing © Moto202 / (CC BY-SA 3.0)

Über dieses erhöhte Risiko hinaus stieg auch das Risiko, dass ein Geburtshelfer die Schwangerschaft als „Hochrisiko-Schwangerschaft“ einstufte, um 30 Prozent. Ursachen dafür sind zum Beispiel hoher Blutdruck oder starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft. Eine zu frühe Geburt ist in den USA die häufigste Todesursache bei Säuglingen.

Luftverschmutzung oder Stress?

„Nun da wir wissen, dass dies passiert, wollen wir herausfinden, warum“, sagt Schwartz. Die genauen Ursachen können die Forscher jedoch noch nicht benennen: „Ist es die Luftqualität? Ist es der Stress? Das sind unserer Meinung nach die zwei wahrscheinlichsten Kandidaten.“

Denn jeder Schritt während des Bohrens und der Gasproduktion hat seinen eigenen Einfluss auf die Umwelt: Wenn die Brunnen gebaut werden, kommen schwere, dieselgetriebene Baumaschinen zum Einsatz. Beim Fracking selbst wird die umstrittene Frack-Flüssigkeit in den Boden und wieder heraus gepumpt. Bei der Gasförderung schließlich treten Gas und darin enthaltene Schadstoffe aus. Hinzu kommt der starke Industrieverkehr auf den umliegenden Straßen. All dies schafft Stress und Gesundheitsbelastungen für die Anwohner.

Schwarzt warnt, dass die Energiepolitik diese Risiken des Frackings auf keinen Fall vernachlässigen dürfe. Die Forschung sei zwar erst am Anfang, doch alle bisherigen Ergebnisse sollten Politikern Sorgen bereiten: „Die ersten wenigen Studien haben alle einen Effekt auf die Gesundheit gezeigt“, so der Mediziner. „Politiker müssen solche Ergebnisse berücksichtigen, wenn sie darüber nachdenken, wie weit sie diese Industrie gehen lassen wollen.“ (Epidemiology, 2015; doi: 10.1097/EDE.0000000000000387 )

(Johns Hopkins University Bloomberg School of Public Health, 12.10.2015 – AKR)

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