Medizin

Quo vadis, Alzheimerforschung?

Studien zu möglichen Therapiemitteln für Alzheimer enttäuschten zuletzt - aber es gibt Hoffnung

Medikament
Ist bald ein wirksames Mittel gegen Alzheimer verfügbar? © Thomas Northcut/ iStock.com

Heilmittel gesucht: Die Fahndung nach einer wirksamen Alzheimertherapie geht weiter. Viele zuletzt als vielversprechend gehandelte Mittel haben jüngst in entscheidenden Studien enttäuscht. Dies legt nahe, dass die als mögliche Ursache der Erkrankung geltenden Beta-Amyloid-Plaques kein geeigneter Angriffspunkt für eine Behandlung sind, wie Forscher berichten. Doch Wissenschaftler erproben bereits andere vielversprechende Therapieansätze.

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit, allein in Deutschland sind rund 1,3 Millionen Menschen betroffen. Trotz intensiver Forschungsbemühungen und vieler neuer Erkenntnisse auf dem Gebiet ist jedoch noch immer kein Heilmittel für diese Form der Demenz in Sicht. Dürfen Patienten hoffen, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird?

Antikörper enttäuscht

Wie der derzeitige Stand in Sachen Alzheimerforschung ist, hat nun die Deutsche Gesellschaft für Neurologie zusammengefasst. Die Ergebnisse klingen zunächst ernüchternd: Erst im März wurde eine Phase-III-Studie mit dem zuvor als vielversprechend gefeierten Mittel Aducanumab eingestellt. Der monoklonale Antikörper bindet unter anderem krankhafte Ablagerungen von Beta-Amyloid im Gehirn – diese Plaques gelten als eine der Ursachen für den fortschreitenden Zellverlust. In der jüngst abgebrochenen Untersuchung konnten allerdings keine positiven Effekte in Bezug auf die Entwicklung neurokognitiver Defizite festgestellt werden.

Ähnlich erging es Forschern mit dem Wirkstoff Verubecestat. Dieser sogenannte BACE1-Blocker hemmt ein Enzym, das an der Produktion von Beta-Amyloid maßgeblich beteiligt ist. Doch in den entscheidenden klinischen Studien konnte die Substanz das Fortschreiten der Demenz bei leicht- bis mittelgradiger Erkrankung nicht aufhalten. Auch bei Betroffenen mit möglichen Alzheimer-Vorstufen zeigten sich durch das Mittel keine Verbesserungen der kognitiven Leistungen.

Kein Erfolg mit Entzündungshemmer

Eine weitere getestete Substanz ist das entzündungshemmende Antirheumatikum Naproxen: Das Mittel war als mögliches Alzheimermedikament in den Fokus geraten, weil es im Umfeld von Beta-Amyloid-Plaques häufig auch zu Entzündungsreaktionen kommt. Zudem hatten Forscher festgestellt, dass das Alzheimer-Risiko bei Patienten, die aus anderen Gründen mit Naproxen behandelt wurden, deutlich geringer war als in der Allgemeinbevölkerung.

Bei einer Studie mit Probanden mit familiärer Alzheimer-Vorbelastung zeigten sich jüngst jedoch keine signifikant positiven Effekte durch eine Naproxen-Gabe. Im Gegenteil: Das Medikament führte in vielen Fällen zu erheblichen Nebenwirkungen. Was bedeuten diese zahlreichen Rückschläge für die Alzheimerforschung?

Falscher Angriffspunkt?

„Wiederholt haben sich die Amyloid-Plaques nicht als klinisch effektives Therapietarget erwiesen“, konstatiert die Neurologin Agnes Flöel von der Universitätsklinik Greifswald. Dies lege nahe, dass die krankhaften Ablagerungen zwar ein Biomarker für Alzheimer seien, aber nicht die Hauptursache. In Zukunft gehe es daher vermehrt darum, das Potenzial anderer möglicher Angriffspunkte für eine Therapie zu untersuchen.

Zum Teil tun Wissenschaftler dies bereits: „Zurzeit sind über 30 Substanzen gegen Alzheimer in der klinischen Testung – mit ganz unterschiedlichen molekularen therapeutischen Angriffspunkten – und viele davon befinden sich bereits in der Phase-III-Prüfung“, berichtet Flöel.

„Noch längst nicht am Ende“

Zu den neu untersuchten Angriffszielen gehören neben dem Tau-Protein auch sogenannte „small molecules“, die schützend in Stoffwechselprozesse der Gehirnzellen eingreifen sollen. Zudem werden derzeit sogenannte Autophagie-Enhancer erprobt – Substanzen wie Spermidin, die die körpereigene Entsorgung von Zellmüll ankurbeln.

Auch einige Alzheimer-Impfstoffe wurden inzwischen erfolgreich weiterentwickelt und befinden sich in der klinischen Prüfung. Diese Impfstoffe bewirken, dass das Immunsystem Antikörper gegen Beta-Amyloid bildet. „Sie haben zwar letztlich das gleiche Therapietarget wie die Substanzen, die nun negativ getestet wurden, aber möglicherweise ist die körpereigene Abwehr effektiver“, meint Flöel. „Die Alzheimerforschung ist noch längst nicht am Ende und wir sind optimistisch, dass einige der derzeit getesteten Substanzen zu deutlichen Therapiefortschritten führen werden“, so ihr Fazit.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

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