Hilfe beim Abgewöhnen: Ein gängiges Diabetes-Mittel könnte Rauchern beim Nikotin-Entzug helfen. Denn der Wirkstoff Pioglitazon hemmt die Suchtwirkung des Nikotins im Gehirn und die damit verbundenen Entzugserscheinungen, wie Versuche mit Ratten und Mäusen nahelegen. Der Wirkmechanismus dieses Mittels könnte damit einen vielversprechenden Ansatzpunkt für neue Strategien zur Raucherentwöhnung liefern, wie die Forscher berichten.
Sich das Rauchen abzugewöhnen, ist alles andere als einfach: Schätzungen zufolge scheitern 75 bis 80 Prozent aller Raucher daran und werden wieder rückfällig. Schuld daran ist vor allem das im Tabak enthaltene Nikotin, denn diese Droge manipuliert die Belohnungszentren im Gehirn und macht süchtig. Bei manchen Menschen verstärkt ein Gen diese Nikotinsucht zusätzlich. Bleibt dann beim Aufhören der Nikotin-Nachschub aus, sind körperliche und psychische Entzugserscheinungen die Folge.
Bisher versuchen aufhörwillige Raucher die Entzugserscheinungen vor allem durch Nikotinersatz wie Kaugummis, Sprays oder auch E-Zigaretten zu überbrücken – allerdings oft mit eher geringem Erfolg. Auch Ablenkung durch spezielle Düfte oder Süßigkeiten hilft nur bedingt.
Diabetesmittel mit neuronalen Effekten
Doch nun könnten Forscher um Esi Domi von der Universität Camerino in Italien einen vielversprechenden Ansatz gefunden haben. In ihrer Studie untersuchten sie die Rolle eines bestimmten Rezeptors im Gehirn für die Nikotinsucht. Diese Andockstelle mit dem sperrigen Namen „Peroxisome Proliferator-Activated Receptor“ (PPARγ) findet sich vermehrt in den Hirnarealen, die mit der Sucht verknüpft sind.
Das Interessante daran: Es gibt schon ein Medikament, das auf diese PPARγ-Rezeptoren wirkt – das gängige Diabetesmittel Pioglitazon. Frühere Studien hatten zudem schon gezeigt, dass Pioglitazon bei Ratten die Alkohol- und Opioidabhängigkeit mindern kann. Könnte dies auch für die Nikotinsucht gelten? Um das zu testen, machten die Forscher zunächst Ratten und Mäuse nikotinsüchtig und verabreichten ihnen dann Pioglitazon.
Kaum noch Entzugserscheinungen
Es zeigte sich: „Die Aktivierung der PPARγ-Rezeptoren durch Pioglitazin verhindert sowohl körperliche als auch affektive Entzugserscheinungen“, berichten Domi und ihr Team. Die nikotinsüchtigen Nager zeigten trotz Entzug weder die sonst typische Unruhe, noch das Zittern oder die übertriebene Schreckhaftigkeit. Im Gehirn wirkte das Diabetesmittel dabei vor allem auf den Hippocampus und das Angstzentrum in der Amygdala, wie nähere Untersuchungen ergaben.
Wie die Forscher feststellten, führt die Wirkung von Pioglitazin auf die Rezeptoren dazu, dass die Gehirnzellen vermehrt die Neurotransmitter Dopamin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) produzieren. Von beiden Botenstoffen herrscht beim Entzug typischerweise ein Mangel, was mit für die Entzugserscheinungen verantwortlich ist. Die durch das Diabetesmittel angeregte Ausschüttung dieser Neurotransmitter könnte daher erklären, warum es diese Nachwirkungen lindert.
Vielversprechender Ansatz
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte diese Wirkung des Diabetesmittels eine neue Strategie eröffnen, um Rauchern bei der Nikotinentwöhnung zu helfen. „Unsere Ergebnisse demonstrieren die Rolle der neuronalen PPARγ-Rezeptoren beim Nikotinentzug“, so Domi und ihr Team. „Das spricht dafür, dass ein PPARγ-aktivierender Wirkstoff eine vielversprechende Unterstützung bei der Rauchentwöhnung sein könnte.“
Noch allerdings muss untersucht werden, ob sich diese Effekte auch auf Menschen übertragen lassen und welche Nebenwirkungen eine solche Entwöhnungstherapie hätte. Ein Vorteil ist allerdings, dass Pioglitazon schon als Medikament gegen Diabetes zugelassen ist. (Journal of Neuroscience, 2019; doi: 10.1523/JNEUROSCI.1922-19.2019)
Quelle: Society for Neuroscience