Viele Städte haben nicht nur eine typische Skyline – auch ihre Magnetsignatur ist charakteristisch, wie nun Messungen nahelegen. Die Magnetfelder von Licht, Fahrstühlen, Verkehrsmitteln und anderen technischen Infrastrukturen erlauben demnach Rückschlüsse auf die Dichte und Art der Bebauung und die Aktivitätsmuster der Bevölkerung. In einem ersten Test unterschieden sich beispielsweise die Magnetsignaturen von Berkeley in Kalifornien und der New Yorker Stadtteil Brooklyn deutlich.
Wir sind von unzähligen Magnetfeldern umgeben: Das größte von ihnen ist das den gesamten Planeten umspannende Erdmagnetfeld, das uns vor harter kosmischer Strahlung abschirmt und Kompassen die Nordrichtung vorgibt. Doch auch unsere Aktivitäten und Technologien erzeugen elektromagnetische Felder. Überall, wo Strom fließt oder Magnete im Einsatz sind, lässt sich ein solches Feld messen.
Zwei Städte im Magnetfeld-Vergleich
An diesem Punkt setzt die Idee von Vincent Dumont vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien und seinen Kollegen an. Sie wollten wissen, ob sich die von menschengemachter Technologie erzeugten Magnetfelder auch für eine ganze Stadt messen lassen – und was diese Magnetdaten dann über die Stadt und ihre Bewohner verraten können. Dafür entwickelte das Team den Prototyp für ein Netzwerk „urbaner Magnetometer“ – Messgeräten, die besonders dafür geeignet sind, den „Magnetpuls“ einer Stadt aufzuzeichnen.
Für ihre Studie stellten die Forschenden ihre Geräte in zwei US-Städten auf. Die erste war die 120.000 Einwohner zählende Universitätstat Berkeley in Kalifornien, die vorwiegend von Einfamilienhäusern und wenigen mehrstöckigen Häusern im Stadtzentrum geprägt ist. Die zweite Teststadt war Brooklyn, ein dicht bevölkertes Stadtviertel von New York City. Vier Wochen lang zeichnete das Team rund um die Uhr die Magnetdaten dieser beiden Städte auf.
Klare Unterschiede im magnetischen „Takt“
Tatsächlich zeigten sich klare Unterschiede: In der Messreihe aus Berkeley war ein klares Tag-Nacht-Muster zu erkennen. „Die Magnetfeldaktivität lag dort nachts um zwei Größenordnungen niedriger als tagsüber“, berichten Dumont und seine Kollegen. Diese Tagesschwankungen blieben auch an den Wochenenden nahezu gleich stark. Samstags und Sonntags nahm die magnetische Aktivität in Berkeley dafür kaum ab, die Wochenenden unterschieden sich in ihrem Magnettakt kaum von den Werktagen.
Anders in Brooklyn: Dort blieb die magnetische Aktivität in Brooklyn auch während der Nacht auf hohem Niveau und lag durchgängig höher als in Berkeley, wie das Team ermittelte. Dies bestätige den Ruf von New York als „der Stadt, die niemals schläft“. Allerdings stimmt dies nicht so ganz: An den Wochenenden war in Brooklyn, anders als in Berkeley, eine deutliche Veränderung in der Magnetfeldaktivität erkennbar, die Ausschläge der Messkurven waren an diesen beiden Tagen signifikant geringer.
„Die Städte haben ihren eigenen magnetischen Puls“, fasst Koautor Dmitry Budker von der Universität Mainz diese Ergebnisse zusammen.
Informationen über Infrastruktur und Verhalten der Bewohner
Das Spannende daran: Die Art der Magnetfeldaktivität kann einiges über die betreffende Stadt verraten. So erklärt sich die insgesamt niedrigere Intensität des städtischen Magnetfelds von Berkeley damit, dass Populationsdichte in dieser Stadt dreimal niedriger ist als in Brooklyn. „Brooklyn ist zudem ein urbanes Umfeld mit einer hohen Dichte an magnetischen Quellen – beispielsweise von Fahrstühlen in Hochhäusern, Autos auf den Straßen und U-Bahnen auf der Manhattan Bridge“, erklären die Forschenden.
Dennoch lassen sich in beiden Städten auch die charakteristischen Signaturen einzelner Magnetfeld-Quellen identifizieren. In Berkeley erzeugten die Züge des öffentlichen Nahverkehrssystems „Bay Area Rapid Transit“ (BART) eine periodisch alle 20 Minuten auftretende Magnetspitze in den Messreihen. In Brooklyn ließen sich charakteristische Pulse des U-Bahnverkehrs, der Fahrstühle oder des Verkehrs auf den Brücken zu anderen Stadtteilen identifizieren.
Monitoring mit dem „magnetischen Blick“
Nach Ansicht von Dumont und seinen Kollegen demonstrieren schon diese ersten Testmessungen, dass es sich lohnen kann, Städte auch mal mit „magnetischen Augen“ zu sehen. „Wir haben festgestellt, dass es große Unterschiede in den magnetischen Signaturen unserer beiden Teststädte gibt“, konstatieren sie. Solche urbanen Magnetfeldmessungen könnte daher dazu beitragen, die Dynamik und Infrastruktur von Städten zu charakterisieren und zu überwachen.
So könnten die Magnetsignaturen beispielsweise dazu dienen, die Stabilität des Stromnetzes zu überwachen, sie könnte die Auswirkungen von Wetterextremen oder Katastrophen auf Bevölkerung und Infrastruktur zeigen oder auch den Verkehr beispielsweise auf Brücken überwachen helfen. „Unsere Messungen weisen darauf hin, dass jede Stadt deutliche magnetische Signaturen hat, die vielleicht für die Analyse von Anomalien im Stadtbetrieb und für langfristige Trends bei der Entwicklung von Städten genutzt werden können“, schreiben die Forscher.
Auch wie sich eine Pandemie und die damit verknüpften Maßnahmen auf Stadtbevölkerungen und ihre Aktivität auswirken, könnte sich über solche urbanen Magnetfeldmessungen erfassen lassen. (Journal of Applied Physics, 2022; doi: 10.1063/5.0088264)
Quelle: Journal of Applied Physics, Johannes Gutenberg-Universität Mainz