Zwölf Jahre dauerte die Entwicklung: Nun hat ein interdisziplinäres Team von Netzhautchirurgen, Ingenieuren und Neurophysikern die weltweit erste vollständig in das menschliche Auge implantierbare Sehprothese erfolgreich bei sechs blinden Patienten eingesetzt.
Während einer vierwöchigen Testphase untersuchten die Wissenschaftler anschließend die Wahrnehmungen der Patienten mit verschiedenen elektrischen Testreizen. Ergebnis: Bei allen Patienten wurden Seheindrücke ausgelöst, und sie konnten verschiedene Reizmuster unterscheiden.
Ungefähr drei Millionen Menschen, darunter 10.000 in Deutschland, leiden unter Retinitis pigmentosa. Bei dieser Augenerkrankung schwindet die Sehfähigkeit aufgrund des Absterbens von Netzhautzellen stetig bis zur Erblindung. Allerdings bleibt in der Regel ein Teil der Nervenzellen, die visuelle Information zum Gehirn weitertragen, intakt. Hier können Sehprothesen ansetzen. Die ins Auge implantierten Mikrochips lösen durch elektrische Reizung Signale in den Nervenzellen aus, die die Patienten dann als Seheindrücke wahrnehmen.
EPIRET3 entwickelt
Ingenieure der RWTH Aachen und des Duisburger Fraunhofer Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme haben zusammen mit den Augenkliniken Aachen und Essen und der Arbeitsgruppe Neurophysik an der Universität Marburg jetzt für diese Krankheit eine EPIRET3 genannte Sehprothese entwickelt.
Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie weltweit als einziges System drahtlos funktioniert. Sie wird vollständig in das Auge implantiert und muss nicht, wie andere Retina-Implantate, mit Kabelverbindungen von außen versorgt werden. Dies reduziert die Operationszeit, vereinfacht die Handhabung und senkt die Belastungen für die Patienten.
Die neue Sehprothese wurde sechs freiwilligen Patienten der Universitäts-Augenkliniken in Aachen und Essen eingesetzt und dann erfolgreich getestet. Alle Patienten waren seit mehreren Jahren erblindet.
Implantationsdauer verlängern
Nach diesem Erfolg wollen die Wissenschaftler der AG Neurophysik um Susanne Klauke, Dr. Thomas Wachtler, Professor Dr. Reinhard Eckhorn und Professor Dr. Frank Bremmer in einem nächsten Schritt die Implantationsdauer verlängern und die Operationstechnik weiter verbessern. Damit sich die Patienten mit der Prothese in ihrer Umwelt zurechtfinden können, muss das System künftig noch mit einer Kamera gekoppelt werden, die per Funk Signale an das Implantat sendet.
Nachdem sich diese Methode bei den ersten Patienten als wirksam und sicher erwiesen hat, haben mehrere Medizintechnikfirmen eine Firma gegründet, die jetzt ein marktfähiges Retina-Implantat entwickeln wird. Die AG Neurophysik wird auch an dieser Weiterentwicklung maßgeblich beteiligt sein.
Prothese bald für viele Patienten verfügbar?
Durch diese Weiterentwicklung könnte die Prothese in einigen Jahren mehr Patienten verfügbar gemacht und auch zur Behandlung der fortgeschrittenen altersbedingten Makuladegeneration eingesetzt werden. Diese stärker verbreitete Augenkrankheit ist für etwa die Hälfte der Fälle von Altersblindheit verantwortlich.
(idw – Universität Marburg, 14.03.2008 – DLO)