Technik

„Vorkoster“ enthüllt Gift im Trinkwasser

Überwachungssystem „AquaBioTox“ reagiert auf potenziell gefährliche Substanzen

AquaBioTox-System: Kommen die Mikroben im Bio-Sensor mit toxischen Stoffen in Berührung, verändern die rot fluoreszierenden Bakterien im Glasrohr ihre Farbe. Die Mess-Sonde zeigt die Fluoreszenzintensität an. © Fraunhofer IGB

Trinkwasser ist eines der am strengsten überwachten Lebensmittel. Dennoch ist auch das Versorgungsnetz nicht gegen Unfälle, Verschleiß oder gezielte Anschläge gefeit. Fraunhofer-Forscher haben deshalb ein neues, minutenschnelles Warnsystem für Gifte und andere gesundheitsschädliche Stoffe im Wasser entwickelt. Der „Vorkoster“ in der Wasserleitung könnte künftig sofort Alarm schlagen, wenn Gefahr droht.

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Farblos soll es sein, kühl, geruchslos und geschmacklich einwandfrei. Es darf keine Krankheitserreger enthalten und die Gesundheit nicht schädigen. Trinkwasser wird deshalb in regelmäßigen Abständen einer Reihe von Tests unterzogen. Ergänzend zu diesen Screenings entsteht derzeit im Projekt „AquaBioTox“ ein System für eine ständige Trinkwasserüberwachung in Echtzeit. Derzeit beschränken sich die in der Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Untersuchungen auf Stichproben, die oft erst nach Stunden Ergebnisse liefern und stets auf bestimmte Substanzen zugeschnitten sind.

Bio-Sensor als Herzstück

Herzstück des neuen AquaBioTox-Systems ist hingegen ein Bio-Sensor, der auf ein breites Spektrum potenziell gefährlicher Substanzen reagiert und bereits nach wenigen Minuten anspricht. Er arbeitet nach dem Vorkoster-Prinzip: Von der Hauptleitung wird etwas Trinkwasser in einer abzweigenden Fallstrecke durch den Sensor geleitet, der zwei verschiedene Bakterienstämme sowie Säugetierzellen enthält.

Während die mikroskopisch kleinen Bakterien durch ihre große Oberfläche einen raschen Stoffaustausch gewährleisten und innerhalb von Minuten auf toxische Substanzen reagieren, sichern die Säugetierzellen durch ihre Verwandtschaft zum menschlichen Organismus das Ergebnis ab und erweitern gleichzeitig das Reaktionsspektrum.

Verschiedene Stoffklassen getestet

„Wir haben verschiedene Stoffklassen getestet, die im Wasser vorkommen könnten, dies aber nicht tun sollten, und bislang hat unser Sensor auf jede dieser Substanzen reagiert“, berichtet Iris Trick vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart, die den Bio-Sensor gemeinsam mit ihrer Kollegin Anke Burger-Kentischer entwickelt hat.

Die Mikroorganismen im Sensor wurden so verändert, dass sie ein rot fluoreszierendes Protein erzeugen. Kommen sie mit toxischen Stoffen in Berührung, verändert sich die Fluoreszenz. Ein am Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB entwickeltes, hochsensitives Kamerasystem mit Auswerteeinheit registriert selbst kleinste Veränderungen der Fluoreszenz und bewertet diese automatisch.

Sensor weist noch geringste Konzentrationen nach

„Die Überwachungseinheit lernt mittels maschineller Lernverfahren aus historischen Daten, welche Schwankungen der physikalischen, chemischen und biologischen Parameter normal sind. Zeigt sich ein auffälliges Muster in den Signalen, schlägt es Alarm“, erklärt Thomas Bernard vom IOSB. Der Bio-Sensor reagiert auf kleinste Mengen gefährlicher Substanzen. „Unser Sensor kann sehr geringe Konzentrationen nachweisen“, sagt Trick. Klassische Gifte wie Cyanid oder Rizin, aber auch Pflanzenschutzmittel oder toxische Stoffwechselprodukte von Bakterien können in Konzentrationen von Nanogramm pro Liter tödlich sein.

Monitoringsystem im Dauertest

Um den Bio-Sensor dauerhaft betreiben zu können, müssen optimale Lebensbedingungen für die Mikroorganismen sichergestellt werden. Die Forscher vom IOSB haben dafür ein System entwickelt, das automatisch wichtige Parameter wie Temperatur und Nährstoffzufuhr überwacht und regelt. Weiterer Bestandteil des Aqua-BioTox-Systems ist ein Daphnien-Toximeter des Kieler Projektpartners bbe Moldaenke – die Wasserflöhe reagieren besonders sensibel auf Nervengifte.

Das Monitoringsystem wird derzeit in einer stillgelegten Leitungsstrecke auf dem Gelände der Berliner Wasserbetriebe getestet – einem weiteren Projektpartner. Ziel ist es, das System so klein und kostengünstig zu machen, dass sich ein miteinander kommunizierendes Netzwerk aus Sensoreinheiten an sensiblen Stellen über das Trinkwassernetz verteilt installieren lässt.

(Fraunhofer-Gesellschaft, 07.12.2010 – DLO)

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