Ist der deutsche Wald noch zu retten?

Patient Wald

Waldsterben
Dürre, Hitze, Feuer und Schädlinge: Der deutsche Wald steht unter Stress. © David Schwimbeck/ iStock.com

Vertrocknete Blätter, gelichtete Kronen und vom Borkenkäfer zerfressene Rinde: Vielen Bäumen in Deutschland geht es schlecht. Ganze Waldstücke sind bereits verdorrt, in Feuern niedergebrannt oder mussten wegen Schädlingsbefall gerodet werden. Einige Forstexperten rufen bereits den Notstand für den Wald aus. Aber was ist dran am neuen Waldsterben? Sind unsere Wälder wirklich in Gefahr?

Ob Fichte, Kiefer, Buche oder Eiche: Viele Bäume haben gelichtete Kronen, verdorrte Blätter oder sind sogar völlig kahl. Vor Gesundheit strotzend ist inzwischen kaum noch ein Baum im Deutschen Wald. Doch warum scheint das Baumsterben momentan zu eskalieren? Und was kann man dagegen tun?

Bäume im Klimastress

Waldsterben 2.0

„Jahrhundertkatastrophe“, „Waldsterben 2.0“ und „Notstand“ – immer wieder hört man in den letzten Monaten solche Schlagwörter, wenn es um den deutschen Wald geht. Vielen Berichten zufolge scheint dieses urdeutsche Naturgut schon dem Tod geweiht oder zumindest in akuter Gefahr.

TRockener Wald
Wald mit vorzeitig vertrockneten und vergilbten Bäumen Anfang September 2018 bei Marburg. © LudwigSebastianMicheler/CC-by-sa 4.0

Zu wenig Wasser

Fakt ist: Im extrem trockenen Hitzesommer 2018 und auch in diesem Jahr haben Klima und Schädlinge dem deutschen Wald erheblich zugesetzt. Nach Angaben des Bunds deutscher Forstleute sind in den letzten zwei Jahren schon weit über 100 Millionen Altbäume in Deutschland abgestorben. Dazu kommen mehrere Millionen Setzlinge und Jungbäume. Betroffen sind vor allem Fichten, aber auch Rotbuchen, Kiefern und weitere heimische Baumarten.

Wie umfassend das Problem ist, zeigte bereits der Waldzustandsbericht vom Sommer 2018: Laut dieser bundesweiten Erhebung waren in den deutschen Wäldern schon damals nur noch 28 Prozent der Bäume vollkommen gesund und ohne erkennbare Schäden. Seither dürfte sich die Lage in vielen Wäldern kaum verbessert haben. Denn auch im letzten Herbst und Winter fiel zu wenig Regen, um das Wasserdefizit der langen Trockenheit auszugleichen.

„In Folge der anhaltenden Trockenheit und Hitze der letzten Jahre spitzt sich die Situation dramatisch zu, es droht ein ‚Waldsterben 2.0′“, warnte unlängst Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Tote Fichten
Abgestorbene Fichten im Harz. © kismihok/CC-by-sa 2.0

Tod und Feuer

Eine im November 2018 erschienene Studie scheint dies zu bestätigen. Denn ihr zufolge nimmt das Baumsterben in Deutschland seit 30 Jahren stetig zu. Jedes Jahr gehen dabei Bäume auf einer Fläche von mehr als 3.000 Quadratkilometern verloren. „Dadurch hat sich die vom Baumsterben betroffene Waldfläche seit 1984 verdoppelt“, berichteten Cornelius Senf von der Humboldt-Universität Berlin und sein Team. Damit reißt das Baumsterben heute sogar mehr Lücken in unsere Wälder als auf dem Höhepunkt des Waldsterbens durch sauren Regen in den 1970er und 1980er Jahren.

Hinzu kommt, dass sich auch Waldbrände immer mehr häufen. Allein im Jahr 2018 gingen nach Angaben des Umweltbundesamts in Deutschland 2.349 Hektar Wald in Flammen auf. Dies sei mehr als viermal so viel wie im langjährigen Mittel und die zweitgrößte betroffene Waldfläche seit Beginn der Waldbrandstatistik im Jahr 1977. Auch 2019 hat es schon wieder einige ausgedehnte Waldbrände gegeben. Besonders stark betroffen sind dabei die Kiefernwälder im Nordosten Deutschlands. Denn diese Baumart ist leicht entzündlich und der Sandboden in dieser Region lässt die Wälder besonders schnell austrocknen.

Doch Dürre, Hitze und Feuer sind nicht das einzige Problem unserer Wälder…

Beste Bedingungen für Borkenkäfer und Co

Invasion der Holzfresser

Der deutsche Wald leidet nicht nur unter Hitze, Trockenheit und Bränden, diese klimabedingten Faktoren bringen auch weitere Bedrohungen mit sich. Denn wenn die Bäume ohnehin schon gestresst und geschwächt sind, macht sie dies auch anfälliger für Schädlinge und Krankheiten.

Borkenkäfer
Borkenkäfer-Brutgänge unter der Rinde einer Fichte. © Davor Lovincic/ iStock.com

Versorgungsleitungen unterbrochen

Prominentestes Beispiel sind die Borkenkäfer (Scolytinae). Diese Rüsselkäfer fressen Gänge in das junge Holz oder den Rindenbast des Baumes und legen darin ihre Eier ab. Die sich entwickelnden Larven fressen sich dann weiter durch die Baumsubstanz, bis sie sich verpuppen, schlüpfen und sich dann ihrerseits einen Wirtsbaum suchen. Doch die Fraßgänge der Käfer zerstören das Leitgewebe des Baumes, durch das Wasser und Nährstoffe transportiert werden. Bei starkem Befall werden diese Leitungen komplett unterbrochen und der Baum stirbt ab.

Für die Wälder in Deutschland ist der Befall mit Borkenkäfern nichts Ungewöhnliches – schon früher hat es immer wieder Massenvermehrungen dieser Holzschädlinge gegeben, die dann nach einigen Monaten von selbst wieder abklangen. Meist reicht ein strenger Winter aus, um die Insekten soweit zu dezimieren, dass sich die Bäume erholen. Nadelbäume wie Fichten oder Kiefern produzieren zudem Harz und sekundäre Pflanzenstoffe, die die Käfer abschrecken und ihnen das Eindringen in die Rinde erschweren.

Ips typographus
Junge Exemplare des Buchdruckers (Ips typographus) kurz vor dem Ausfliegen. © James Lindsey, Ecology of Commanster/CC-by-sa 3.0

Schädlinge profitieren von milden Wintern und gestressten Bäumen

Das Problem jedoch: Ist der Winter mild, überleben mehr Borkenkäfer als sonst. Wird es noch dazu im Frühjahr schnell warm, beginnen sie früher als üblich aus ihren Winterquartieren in der Rinde auszufliegen. Genau das war in den letzten beiden Jahren der Fall. Dadurch konnten die Käfer statt der üblichen zwei sogar drei Generationen im Jahr entwickeln – entsprechend groß ist ihre Zahl.

Hinzu kommt, dass vor allem viele Fichten durch die anhaltende Trockenheit so geschwächt sind, dass sie kaum noch Harz produzieren. Die auf Fichten spezialisierten Borkenkäferarten wie der Buchdrucker (Ips typographus) oder der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) haben dadurch leichtes Spiel. Günstige Bruträume finden die Borkenkäfer zudem in dem vielen Totholz, das durch Winterstürme wie „Friederike“ und „Eberhard“ im Januar 2018 und März 2019 angefallen ist.

Doch in vielen Regionen fehlt es schlicht an Personal, um Totholz und befallene Bäume aus dem Wald zu schaffen. Vielerorts liegen deswegen noch große Mengen an umgestürzten Bäumen und abgefallenen Ästen in den Wäldern. In Thüringen sollen nun sogar das Technische Hilfswerk (THW) und die Bundeswehr den Waldbesitzern und Förstern beim Waldaufräumen zu Hilfe kommen.

Toter Wald
Durch Borkenkäferbefall abgestorbene Bäume im Nationalpark Bayerischer Wald. © Kurt Seebauer/CC-by-sa 3.0

40 Millionen Kubikmeter Holz zerstört

All dies zusammen hat dazu geführt, dass Deutschland nun schon im zweiten Jahr von einer Massenplage der Borkenkäfer heimgesucht wird. Einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen und Sachsen, erlebten 2018 sogar die größten Borkenkäferkalamitäten seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Befall trifft dabei längst nicht mehr nur Wirtschaftsforste und auf Holzertrag maximierte Fichten-Monokulturen, sondern auch Wälder in Nationalparks. Besonders groß sind die Schäden bereits in Harz, aber auch der Bayrische Wald und der Schwarzwald sind befallen.

Das Problem ist jedoch nicht auf Deutschland begrenzt. Auch in vielen Wäldern anderswo in Mitteleuropa und in Nordamerika zeigt sich ein ähnliches Bild: Gelichtete Kronen, vertrocknete Blätter und die verräterischen Gangmuster unter den Baumrinden zeugen von der massiven Borkenkäfer-Schwemme. Die Folgen sind enorm. Allein in Mitteleuropa waren die Käfer im Jahr 2018 für gut 40 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich, wie Forscher der Universität Würzburg berichten.

Eichenprozessionsspinner
Eichenprozessionspinner (Thaumetopoea processionea). © Luc hoogenstein/CC-by-sa 4.0

Kronenkiller und juckende Haare

Doch der Borkenkäfer sind nicht die einzigen Schädlinge, die von der Erwärmung und den gestressten Bäumen profitieren. Auch der ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Eichenprozessionspinner und der Eichenprachtkäfer breiten sich in deutschen Wäldern aus. „Bereits wenige der unter der Rinde fressenden Prachtkäferlarven genügen, um Teile der Eichenkrone oder den ganzen Baum zum Absterben zu bringen“, erklären Thomas Immler und Markus Blaschke von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).

Die haarigen Raupen der Eichenprozessionsspinner können bei einem Massenbefall nicht nur eine ganze Eiche kahlfressen, sie sind auch für uns Menschen gesundheitsgefährdend. Denn jede dieser Raupen trägt rund 500.000 giftige Brennhaare am Körper, die leicht abbrechen. Bei Berührung können sie juckende Hautausschläge verursachen. Werden Haarfragmente einatmet, kann dies Atemnot, Asthma oder sogar einen allergischen Schock auslösen. 2018 und 2019 mussten zahlreiche Waldgebiete, aber auch Parks und Gärten wegen eines Massenbefalls mit dem Eichenprozessionsspinner abgesperrt und die Bäume abgesaugt werden.

Komplexkrankheiten auf dem Vormarsch

Fatale Kaskade

Doch Käfer und Raupen sind nicht die einzigen biologischen Bedrohungen, die dem Wald zurzeit verstärkt zusetzen. Oft zieht der Befall durch diese Primärschädlinge eine ganze Kaskade von weiteren „Baumkillern“ nach sich.

Mehltau
Werden die neuen Triebe der Eiche nach einem Kahlfraß vom Mehltau befallen, ist der Baum in Gefahr. © Roger Griffith/ gemeinfrei

Verursacherkette statt Einzeltäter

„Besondere Sorgen bereiten uns die Baumkomplexkrankheiten. Darunter versteht man das Wirken nicht eines Schädlings allein, sondern einer ganzen Verursacherkette“, erklären Thomas Immler und Markus Blaschke von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). „Bei aktuellen Schadbilden an Eiche, Tanne und seit 2003 auch an Kiefer vermuten wir, dass hier solche Krankheitskomplexe vorliegen.“

So könnten sich die meisten Eichen von einem Kahlfraß durch Eichenprozessionsspinner und andere Schmetterlingsraupen mit einem Austrieb neuer Blätter regenerieren. Doch häufig führt die vorübergehende Schwächung des Baums dazu, dass er dann leichter durch Mehltau, aber auch den Eichenprachtkäfer befallen wird. Von einem solchen „Kombinationsangriff“ erholt sich die Eiche dann meist nicht mehr und stirbt ab.

Vom Käfer zum Pilz zum Baumtod

Ein weiteres Beispiel sind die Ophiostoma-Pilze, die für das europaweite Ulmensterben verantwortlich sind. Diese Pilzkrankheit hat vor allem ab den 1970er Jahren zu einem massenhaften Vertrocknen und Absterben von Ulmen geführt. Mittlerweile sind dadurch die meisten alten Berg- und Feldulmen verschwunden. Hauptüberträger der Pilzsporen sind die zu den Borkenkäfern gehörenden Ulmensplintkäfer.

Ulmenslpintkäfer
Der Ulmensplintkäfer kommt oft nicht allein: Er trägt Sporen des Ophiostoma-Schadpilzes. © Udo Schmidt/CC-by-sa 2.0

Der Ophiostoma-Pilz breitet sich deshalb überall dort rasant aus, wo die Ulmen von diesen Käfern befallen sind. Die jungen Käfer kommen in ihren Brutgängen in der Ulmenrinde mit den klebrigen Pilzsporen in Kontakt und transportieren sie bei ihrem Ausfliegen dann zu neuen, noch gesunden Bäumen. Dort keimen die Sporen aus und der Pilz verbreitet sich nach und nach im gesamten Baum. Weil die Infektion das Leitungssystem blockiert, verdurstet der Baum quasi von innen her – seine Krone wird ganz oder teilweise welk, selbst wenn die Wurzeln genügend Wasser bekommen.

Forstexperten erwarten, dass der Klimawandel den Befall durch solche Komplexkrankheiten in den deutschen Wäldern verstärken wird. Denn zum einen begünstigt das milderere Klima die Ausbreitung und Vermehrung wärmeliebender Schädlinge. Zum anderen macht der Klimastress die vorgeschädigten Bäume noch anfälliger für einen Sekundärbefall.

Was aber kann man dagegen tun?

Mit Waldumbau gegen Klimastress und Schädlingsfraß

Auf die Mischung kommt es an

Während vielerorts von einem neuen Waldsterben zu lesen ist, sehen viele Fortexperten dies differenzierter: Sie sprechen eher von einem Baumsterben. Denn der Wald als Ganzes wird ihrer Einschätzung nach nicht verschwinden, wohl aber seine heutige Artenzusammensetzung. Der deutsche Wald könnte daher in 50 bis 100 Jahren ganz anders aussehen als heute.

Nadelholz
Nadelbäume sind wegen ihrers schnellen Wachstums und hohen Holzertrags beliebt, doch in vielen Gebieten Deutschlands könnte das Klima für sie ungünstig werden. © Gabriele Grassi/ iStock.com

Wenn die „Klimahülle“ nicht mehr passt

„Baumarten, die bisher an ihren Standort gut angepasst waren, geraten schon jetzt und erst recht in Zukunft an die Grenzen ihrer Möglichkeiten“, erklärt Christian Kölling von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Er bezeichnet die für die Baumarten spezifischen Temperatur- und Niederschlagsbedingungen auch als „Klimahülle“ der jeweiligen Art. So ist beispielsweise die Klimahülle der Weißtanne zurzeit fast identisch mit dem Verbreitungsgebiet dieses Baumes in Bayern. Bei der Fichte liegt die Übereinstimmung immerhin noch bei 83 Prozent.

Doch durch die Veränderung des Klimas verlagern sich die Klimazonen und damit auch die Bedingungen im Verbreitungsgebiet der Baumarten. Wie Kölling ermittelt hat, wären dadurch bei der Tanne bis Ende des Jahrhunderts nur noch 82 Prozent des Verbreitungsgebiets geeignet. Bei der Fichte würden sogar nur 17 Prozent der Klimahülle mit der Lage der heutigen Fichtenwälder übereinstimmen.

Ohne Waldumbau geht es nicht

Das aber bedeutet: Sollen die Wälder in Deutschland trotz Klimawandel überleben, müssen sie sich wandeln. Es müssen vermehrt die Baumarten wachsen oder angepflanzt werden, die längeren Trockenphasen und Hitzewellen standhalten. Weil beispielsweise viele Laubbäume tiefere Wurzeln besitzen als Nadelbäume, können sie auch in Trockenperioden noch an das im Boden vorhandene Wasser gelangen. Studien zeigen zudem, dass ein Wald mit einer großen Vielfalt an Baumarten erheblich besser mit widrigen Klimabedingungen zurechtkommt als ein reiner Fichtenforst.

Aufforstung
Wird aufgeforstet, sollten vor allem Laubbäume verschiedener Arten gepflanzt werden, um die Artenvielfalt im Wald zu erhöhen. © Carmen Hauser/ iStock.com

„Angesichts der Klimakrise ist ein umfassender Umbau unserer Wälder weg von naturfernen Fichten- und Kiefernforsten, hin zu naturnahen Laubmischwäldern dringender denn je geboten“, fordert daher auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Forstexperten setzen vielerorts bereits auf einen solchen gezielten Waldumbau: Sie pflanzen beispielsweise junge Laubbäume in die Fichten- oder Kiefern-Monokulturen. Ist dann einmal ein Mischwald entstanden, soll die natürliche Verjüngung durch Samen die Arten- und Altersvielfalt in einem solchen Wald weiter voranbringen.

Ein aufwändiges Unternehmen

Das Problem jedoch: Ein solcher Waldumbau ist aufwendig und vielen Waldbesitzern, aber auch staatlichen Forsten fehlt es an Personal und Geld. Nach Schätzungen des Bunds deutscher Forstleute fehlten derzeit rund 10.000 Fachkräfte in der Forstwirtschaft – meist, weil die Stellen in den letzten Jahren abgebaut und eingespart wurden. „Es ist daher zwingend notwendig, erhebliche Finanzmittel für mehr Forstpersonal in den staatlichen Wäldern bereitzustellen“, meint auch der BUND.

Geld wird aber auch für den eigentlichen Umbau benötigt, beispielsweise für Baumsetzlinge, aber auch für Zäune, die die Jungbäume gegen Wildverbiss schützen sollen. Insgesamt rechnen die Forstexperten mit Kosten für den Waldumbau von 10.000 bis 25.000 Euro pro Hektar. Solche Kosten jedoch sind für viele private Waldbesitzer kaum zu stemmen. Sowohl der BDF als auch der BUND empfehlen daher, private Waldbesitzer finanziell zu fördern – immerhin bewirtschaften diese rund die Hälfte der Wälder in Deutschland.

Wie wird der Wald der Zukunft aussehen?

Baumarten gesucht

Klar scheint: Um gegen die Klimawandel und seine Folge zu bestehen, muss sich der Wald wandeln. Doch bevor er klimagerecht „umgebaut“ werden kann, müssen Förster und Waldbesitzer wissen, welche Baumarten sich dafür eignen. Das aber ist alles andere als einfach.

Rotbuchen
Die Rotbuche war einst die prägende Waldbaumart in Deutschland, doch auch sie hat inzwischen zu kämpfen. © RelaxFoto/ iStock.com

Erfahrungswissen hilft nicht mehr

Ein Beispiel dafür ist die Baumart, die in Deutschland als „Mutter des Waldes“ gilt und die vielerorts als idealer Helfer im Waldumbau galt: „Beim notwendigen Waldumbau hin zu klimastabilen Wäldern haben wir Forstleute in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich auf die Rotbuche gesetzt“, erklärt Ulrich Dohle, Vorsitzender des Bunds deutscher Forstleute. Doch ausgerechnet dieser Baum zeige nun in vielen Wäldern deutliche und regional sogar bestandsweite Absterbe-Erscheinungen.

Das Problem besteht darin, dass viele Förster und Forstexperten sich bei der Auswahl der richtigen Bäume für einen Standort bisher immer auf ihre Erfahrung und die ihrer Vorgänger verlassen konnten. „Bei konstanten Umweltbedingungen ist wenig dagegen einzuwenden. Der Klimawandel aber stellt das über Förstergenerationen angehäufte Erfahrungswissen auf eine ernste Probe“, sagt Christian Kölling von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). „Keiner von uns und unseren Förstervorfahren war Zeuge eines Klimawandels der Geschwindigkeit und Größenordnung, wie er uns jetzt ins Haus steht.“

Nichtheimische Arten als Ausweg?

Unter anderem deshalb experimentieren Forstwissenschaftler inzwischen vielerorts mit Testanpflanzungen auch nichtheimischer Baumarten wie der Roteiche, Douglasie oder Küstentanne. Sie stammen aus Gebieten, in denen schon heute ein Klima herrscht, wie es für Deutschland in 50 oder 100 Jahren vorhergesagt ist. Solche Baumarten gelten daher als mögliche Alternative oder Ergänzung gerade für Waldgebiete, in denen heimische Spezies es künftig schwer haben könnten.

Spätblühende Traubenkirsche
Die Spätblühende Traubenkirsche ist eine nichtheimische Baumart, die sich zur invasivem "Waldpest" entwickelt hat. © Rasbak/CC-by-sa 3.0

Allerdings: Das Einbringen fremder Arten in ein Ökosystem ist immer ein Risiko. Denn solche Spezies können sich mangels Konkurrenz manchmal zu invasiven Bedrohungen für die heimische Artenvielfalt entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die Spätblühende Traubenkirsche, eine aus Nordamerika nach Europa importierte Baumart. Sie wurde im 19. Jahrhundert zu Versuchszwecken in vielen Forsten angepflanzt, hat sich aber seither so stark vermehrt, dass sie inzwischen als invasive Art und „Waldpest“ gilt. Um ein Überwuchern des Waldes zu verhindern, wird sie heute aktiv bekämpft.

Ein weitere potenziell negativer Nebeneffekt ist die geringe Anpassung der heimischen Fauna an diese „Fremdlinge“: Heimische Vögel, Insekten und andere Tiere können diese ihnen fremden Arten oft weder als Futter noch als Lebensraum nutzen. „Für den Anbau dieser Baumarten besteht ein erhebliches ökologisches Risiko“, warnt der BUND.

Versuch und Irrtum

Und noch etwas kommt hinzu: „Zu dem für Mitteleuropa typischen Übergangsklima gibt es weltweit nur wenige Analogien“, heißt es bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Typisch seien hierzulande vor allem die starken Temperatursprünge innerhalb und zwischen den Jahren. „Während mitteleuropäische Baumarten an diese Anforderungen durch jahrhundertelange Selektion angepasst sind, fehlt nichtheimischen Baumarten aus Ursprungsgebieten mit ausgeprägter Klimatoleranz diese spezielle Anpassung oft“, so das LWF.

Unter anderem deshalb ist schwer vorherzusagen, ob sich nichtheimische Baumarten hierzulande etablieren und durchsetzen können. Das demonstriert auch ein Feldversuch bei Wildberg in Baden-Württemberg. In den dortigen Wäldern wurden seit den 1960ern insgesamt 55 verschiedene nichtheimische Baumarten angepflanzt. Bis zum Jahr 2009 hatten davon jedoch nur 13 Baumarten mehr oder weniger erfolgreich überlebt. Von diesen bewerten Forstexperten gerade einmal drei Spezies – Douglasie, Riesen-Lebensbaum und Roteiche – als potenziell geeignet.

Wie der deutsche Wald der Zukunft aussehen wird, ist daher bisher noch ziemlich ungewiss.