Wie das Gas bei der Energiewende helfen kann

Wasserstoff – kommt der große Boom?

Wasserstoff
Ist Wasserstoff der Energieträger der Zukunft? © Petmal/ iStock.com

Wasserstoff ist ein beeindruckend vielseitiger Energieträger: Man kann das Gas als alternativen Kraftstoff verbrennen, daraus in Brennstoffzellen Strom und Wärme erzeugen oder den Wasserstoff als Zwischenspeicher für Wind- und Solarstrom nutzen. Doch wie weit sind die Technologien? Erlebt der Wasserstoff diesmal tatsächlich seinen großen Durchbruch?

Es ist nicht das erste Mal, dass der Beginn einer neuen Wasserstoff-Ära ausgerufen wird. Doch im Gegensatz zu früheren Anläufen könnte der Boom diesmal tatsächlich kommen. Denn entscheidende technische Fortschritte, die Zunahme der erneuerbaren Energien und auch der Zwang zu mehr Klimaschutz schaffen heute beste Voraussetzungen dafür. Vor allem bei der Dekarbonisierung der Energie- und Verkehrssysteme könnten Wasserstofftechnologien eine entscheidende Hilfe leisten.

Doch wo kann Wasserstoff tatsächlich punkten? Wo wird er schon eingesetzt und in welchen Bereichen klemmt es noch mit der Umsetzung?

Der mühsame Weg der Wasserstoff-Technologien

Hoffnungsträger mit Fehlstarts

Die Idee, Wasserstoff als Energielieferant zu nutzen, ist nicht neu: Schon 1874 beschrieb Jules Verne in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ eine solche Vision für die Welt der Zukunft: „Wasserstoff und Sauerstoff, aus dem Wasser besteht , werden einzeln oder zusammen eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht sein – und dies mit einer Intensität, zu der Kohle nicht fähig ist.“

Wasserstoffwolke
Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum, hier leuchtet es als gewaltiger Gasnebel in der Sternenwiege NGC 604. © NASA/ Hui Yang, University of Illinois

Allgegenwärtig und vielseitig einsetzbar

Der Schriftsteller lag damit keineswegs falsch: Wasserstoff ist nicht nur das häufigste Element im Universum – er hat auch eine deutlich höhere Energiedichte als gängige fossile Brennstoffe und ist noch dazu vielseitig einsetzbar. So kann man Wasserstoffgas direkt verbrennen und damit Hitze erzeugen oder Fahrzeuge antreiben. Das Gas lässt sich aber auch zur Gewinnung von Strom nutzen, als Energiespeicher oder als Ausgangsstoff für eine Vielzahl anderer energiereicher Verbindungen und Kraftstoffe.

Der entscheidende Vorteil dabei: Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen ist Wasserstoff eine nahezu unbegrenzt verfügbare Ressource. Er kann aus Wasser, aber auch vielen weiteren chemischen Ausgangsstoffen gewonnen werden – und das nahezu überall auf der Welt. Wird das Gas verbrannt, setzt es statt klimaschädlichen Kohlendioxids oder anderer Treibhausgase nur Wasserdampf frei. „Die Welt sollte daher die einzigartige Chance nicht verpassen, Wasserstoff zu einem wichtigen Teil unserer sauberen und sicheren Energiezukunft zu machen“, konstatiert Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA).

Wasserstoff-Hype – mit wenig Folgen

Tatsächlich sah es schon mehrfach so aus, als könnte diese Zukunftsvision in greifbare Nähe rücken und der Beginn der Wasserstoff-Ära unmittelbar bevorstehen. Einen ersten Anlauf dazu machten Wissenschaft und Politik in den 1970er Jahren während der weltweiten Ölkrise. Weil das Erdöl immer teurer wurde, suchten die USA und andere Industrieländer nach einer Alternative zu Benzin, Diesel und Co. – und kamen auf den Wasserstoff. Es wurden zahlreiche Projekte initiiert, die die Produktion und den praktischen Einsatz dieses Gases vorantreiben sollten. Doch als die Ölkrise endete und das Erdöl wieder reichlich und günstig zur Verfügung stand, blieb die weitere finanzielle Förderung aus.

Zerstörtes World Trade Center
Nach den Terroranschlägen vom 11. Septembnr 2001 lancierte George W. Bush ein Wasserstoffprogramm – um die USA unabhängiger vom Erdöl aus dem Nahen Osten zu machen. © Andrea Booher/ FEMA

Einen weiteren Anlauf machten die USA Anfang der 2000er Jahre. Der damalige US-Präsident George W. Bush wollte sein Land aus politischen Gründen unabhängiger von den erdölproduzierenden Ländern im Nahen Osten machen. Denn nach dem 9. September 2001 galten viele von ihnen als „Achse des Bösen“ und Brutstätten islamistischen Terrors. Bush lancierte daher 2003 eine 1,2 Milliarden US-Dollar schwere Initiative, durch die Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge nutzbar gemacht werden sollte.

„Das erste Auto, das ein heute geborenes Kind einst fahren wird, könnte von Wasserstoff angetrieben und emissionsfrei sein“, erklärte Bush damals. Doch auch dieser Schub für den Wasserstoff verpuffte: Einige Jahre später verlagerte sich der Schwerpunkt der Förderung auf Biokraftstoffe und akkubetriebene Elektroautos. Wasserstoffforscher und ihre Projekte hatten das Nachsehen.

„Zyklen exzessiver Erwartungen gefolgt von Desillusion

„Wasserstofftechnologien haben immer wieder Zyklen exzessiver Erwartungen gefolgt von Desillusion durchlaufen“, erklären Ian Staffell vom Imperial College London und seine Kollegen in einer kürzlich erschienenen Studie. Sie bezeichnen die 2000er Jahre wegen der stagnierenden Wasserstoffforschung sogar als „verlorene Dekade“.

Doch inzwischen sieht es so aus, als könnte der Wasserstoff erneut einen Aufschwung erleben – und diesmal möglicherweise einen bleibenden: „Wasserstoff hat noch nie eine so internationale und sektorenübergreifende Aufmerksamkeit erhalten wie jetzt – selbst im Vergleich zu den beeindruckenden Fortschritten in anderen Low-Carbon-Energietechnologie wie Batterien oder Erneuerbaren“, schreibt die IEA in ihrem aktuellen Bericht „The Future of Hydrogen“.

Doch was ist dran am aktuellen Boom?

Warum nicht jeder Wasserstoff "grün" ist

Auf die Herstellung kommt es an

Wasserstoff liegt voll im Trend: Die Nachfrage nach dem energiereichen Gas ist seit 1975 um das Dreifache angestiegen, wie Internationale Energieagentur (IEA) jüngst berichtete. Tatsächlich ist das energiereiche Gas längst ein unverzichtbarer Rohstoff unter anderem für die chemische Industrie – sie verbraucht den Hauptteil des produzierten Wasserstoffs. Aber auch Anwendungen als alternativer Antrieb im Verkehr, als Heizmittel oder als chemischer Energiespeicher sind inzwischen im Kommen.

Dampfreformierung
Produktion von Wasserstoff aus Erdgas durch die Dampfreformierung. © Sven /CC-by-sa 4.0

Schmutzige Produktion

Der Haken daran: Bisher werden die rund 70 Millionen Tonnen des jährlich weltweit erzeugten Wasserstoffs fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen gewonnen – zu drei Vierteln durch Dampfreformierung aus Erdgas, aber auch aus Kohle oder Erdölkomponenten. Sechs Prozent des gesamten weltweit geförderten Erdgases und zwei Prozent der Kohle gehen aktuell in die Produktion von Wasserstoff.

Bei dieser Umwandlung entsteht jedoch genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie bei der direkten Verbrennung der fossilen Brennstoffe. Nach Angaben der IEA ist die weltweite Wasserstoffproduktion dadurch jährlich für die Emission von 830 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich – das entspricht den gesamten Treibhausgas-Emissionen Großbritanniens und Indonesiens zusammen.

Wasserstoff aus erneuerbaren Energien

Doch es geht auch anders. Statt durch chemische Umwandlung fossiler Brennstoffe kann man Wasserstoff auch durch die Elektrolyse gewinnen – durch die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe von Strom. Der entscheidende Vorteil: Wenn für diese Wasserspaltung Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird, ist das Ganze komplett emissionsfrei. Bisher allerdings macht die Elektrolyse gerade einmal 0,1 Prozent der globalen Wasserstoffproduktion aus.

Wasserstoffspeicher
Wasserstoff kann helfen, die Schwankungen bei Wind- und Solarstrom auszugleichen. © Petmal/ iStock.com

Im Zuge der Energiewende und des Klimaschutzes könnte sich das bald ändern. Denn Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonne oder Wind hat den großen Nachteil, dass er unregelmäßig anfällt: Ist es Nacht oder es herrscht Flaute, produzieren Solar und Windanlagen nicht. Zu anderen Zeiten dagegen erzeugen sie mehr Strom, als das Netz verkraften kann. Um diese Schwankungen auszugleichen, werden Energiespeicher benötigt, die den Überschuss aufnehmen und ihn kontrolliert zu Zeiten erhöhten Strombedarfs wieder abgeben.

Hier kommt der Wasserstoff ins Spiel. Nutzt man den überschüssigen Wind- oder Solarstrom für die Elektrolyse, fungiert der dabei erzeugte Wasserstoff als chemischer Zwischenspeicher für die Energie. Herrscht dann wieder erhöhter Strombedarf, kann dieses Gas in Gaskraftwerken verbrannt oder zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Wasserstoff gilt deshalb heute als einer der wichtigsten Helfer bei der Dekarbonisierung der Energiesysteme – und als wichtige Ergänzung zu erneuerbaren Energien.

Beispiel Energiepark Mainz

Konkret umgesetzt und erprobt wird dieses Verfahren unter anderem im Energiepark Mainz. Hier wandeln drei große Elektrolyse-Einheiten seit dem Jahr 2015 Windstrom mit einer Maximalleistung von sechs Megawatt in Wasserstoff um. Das im Energiepark erzeugte Gas wird sowohl von Industrieverbrauchern genutzt als auch für öffentliche Wasserstoff-Tankstellen verwendet. Ein Teil des Wasserstoffs wird zudem dem Erdgas des benachbarten Stadtteils Ebersheim beigemischt.

Die Anlage war bei Inbetriebnahme die weltweit größte dieser Art und gilt als Vorzeigeprojekt. Nach zweijähriger Testphase ist der Energiepark inzwischen in den Regelbetrieb übergegangen. Die Betreiber, die Mainzer Stadtwerke und der Gashersteller Linde, werten das Projekt als vollen Erfolg. Die Elektrolyseanlage funktioniere nicht nur technisch einwandfrei, sondern lasse sich in absehbarer Zukunft auch wirtschaftlich betreiben, so das Konsortium.

Pilotanlage
Die in der spanischen Pilotanalge installierte Power-to-Gas-Anlage ist extrem kompakt. © Magali Hauser/ KIT

Erdgas aus Wasserstoff und Klärschlamm

Eine weitere Variante, „grünen“ Strom mithilfe von Wasserstoff zwischenzuspeichern, testen Wissenschaftler zurzeit in Spanien. Ihre von Forschern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mitentwickelte Pilotanlage in der Nähe von Barcelona produziert aus dem Strom von nahen Wind- und Solaranlagen zunächst mittels Elektrolyse Wasserstoff. Dieser wird allerdings nicht direkt weiterverwendet oder gespeichert, sondern noch vor Ort in einen weiteren Energieträger umgewandelt: Mithilfe eines Katalysators und CO2 aus dem Klärschlamm der örtlichen Kläranlage entsteht aus dem Wasserstoff Methan – Erdgas.

Der große Vorteil: Dieses mit erneuerbarer Energie produzierte Erdgas kann mit der gut ausgebauten Erdgas-Infrastruktur Spaniens einfach gespeichert und verteilt werden. Noch produziert die Pilotanlage zwar nur rund 100 Kubikmeter Methan pro Tag. Die Forscher sehen in der Kombination des „grünen“ Power-to-Gas-Verfahrens mit Kläranlagen aber einen vielversprechenden ersten Schritt zu einem geschlossenen Kohlendioxid-Kreislauf.

H2-Produktion auf hoher See

Offshore-Wasserstoff

Besonders praktisch wäre die Kombination von erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion bei Offshore-Windparks und anderen in entlegenen Gebieten liegenden Anlagen. Denn bisher krankt ihr Ausbau auch an der fehlenden Infrastruktur. In Deutschland beispielsweise fehlen Stromtrassen, um den Windstrom vom Meer ins Inland und weiter nach Süddeutschland zu bringen.

Offshore-Windpark
Offshore-Windanlagen könnten überschüssigen Strom direkt auf See zur Wasserstoffproduktion nutzen. © Charlie Chesvick/ iStock.com

Offshore-Anlagen als Elektrolysezentren

Hier könnte die Elektrolyse helfen: Mit ihr ließe sich der auf See generierten Strom künftig direkt vor Ort zur Spaltung von Meerwasser nutzen. Lange war eine solche Elektrolyse mit ungereinigtem Salzwasser nicht effektiv und die Anlagen dafür wurden vom Salzwasser zu schnell zerstört. Inzwischen aber haben Forscher ein neues Elektrolyse-System entwickelt, das diese Probleme überwindet. Es erreicht mit 11,9 Prozent einen ähnlichen Wirkungsgrad wie herkömmliche Elektroyseverfahren mit gereinigtem Wasser, wie die Wissenschaftler berichten.

Als Basis für eine solche Windkraft-Elektrolyse könnten ausgediente Öl- oder Gasplattformen dienen, wie sie unter anderem in der Nordsee reichlich vorhanden sind. Der dort erzeugte Wasserstoff ließe sich dann bequem über die vorhandenen Erdgaspipelines zu Kraftwerken an Land leiten, wie der World Energy Council jüngst vorschlug. Seinen Schätzungen nach könnte die Offshore- und Onshore-Elektrolyse mit Windstrom bis 2030 eine Kapazität von zehn Gigawatt liefern und bis 2050 sogar mehr als 50 Gigawatt. Dafür wären allerdings Investitionen von 27 bis 37 Milliarden Euro nötig.

Wasserstoff aus der Gezeitenkraft

Ebenfalls auf dem Meer könnte die Umwandlung von Gezeitenkraft-Strom in Wasserstoff stattfinden. In solchen Meereskraftwerken werden die bei Ebbe und Flut entstehenden Strömungen genutzt, um mittels Turbinen Strom zu erzeugen. Erste Tests solcher Kraftwerke laufen unter anderem in der Meerenge zwischen den Orkneyinseln und dem schottischen Festland.

Orkney
Das Meer um die Orkneyinseln ist ein Testgebiet für Gezeitenkraftwerke. © oriredmouse/ iStock.com

Jetzt soll ein europäisches Projekt ausloten, wie sich Wasserstoff in die regionale Energieinfrastruktur integrieren lässt. „Die Orkneys schwimmen förmlich im Wasserstoff“, sagt Jon Clipsham vom European Marine Energy Center in Orkney. Seine Schätzungen zufolge hätte die Region eine Kapazität von gut fünf Gigawatt, aber ihr fehlt die Infrastruktur um diesen Strom ans Festland zu bringen und einzuspeisen. Deshalb sollen Forscher nun Wege aufzeigen, wie Wasserstoff diesen Strom speichern und praktisch nutzbar machen kann.

Wie rentabel ist der „grüne“ Wasserstoff?

Doch so praktisch dies alles scheint – wie rentabel und ökonomisch konkurrenzfähig ist die Umwandlung von erneuerbaren Energien in Wasserstoff? Das haben Stefan Reichelstein von der Universität Mannheim und Gunther Glenk von der TU München vor kurzem am Beispiel von Windparks in Deutschland und im US-Bundesstaat Texas untersucht. Dabei berücksichtigten sie neben der Konversionsrate der Elektrolyse und den Kosten für die Anlagen auch die aktuellen Strompreise in beiden Ländern.

Das überraschende Ergebnis: Für Anlagen, die ihren Wasserstoff primär an kleinere und mittelgroße Abnehmer verkaufen, kann die Wasserstoffproduktion aus Wind oder Sonne schon jetzt lukrativ sein. Denn mit Preisen ab gut drei Euro pro Kilogramm wird das Ganze ökonomisch konkurrenzfähig. Für eine Produktion im industriellen Maßstab sind die Kosten bisher allerdings noch zu hoch, wie die Forscher erklären. Allerdings prognostizieren sie, dass Wasserstoff aus erneuerbaren Energien noch innerhalb dieses Jahrzehnts deutlich billiger wird. Dann würde schon ein Gaspreis von 2,50 Euro pro Kilogramm reichen, damit sich diese Produktion lohnt.

Thermochemische und photokatalytische Wasserstoffproduktion

Der direkte Weg

Der gängige Weg, um Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu produzieren, ist die Elektrolyse – die Spaltung von Wasser mithilfe von Strom. Doch durch diesen Umweg über den „grünen“ Strom geht einiges an Energie verloren. Aber es geht auch anders – ganz ohne Strom.

HYDROSOL
Wasserstoffherstellung mit konzentrierten Sonnenstrahlen beim HYDROSOL-Projekt im spanischen Almeria. © DLR/ Ernsting

Wasserstoff aus dem Sonnenofen

Im spanischen Almeria testen Forscher die Produktion von Wasserstoff in einem Sonnenofen. Die Spiegel des Solarparks konzentrieren dabei die Sonnenhitze auf einen Kollektor, der sich bis auf 1.400 Grad aufheizt. Dadurch werden spezielle Redox-Materialien wie Nickel-Ferrit oder Ceroxid chemisch reduziert – sie verlieren Sauerstoff. Leitet man nun Wasserdampf über das Material, entnimmt das reduzierte Material ihm den Sauerstoff – und übrig bleibt Wasserstoff.

„Mit HYDROSOL_Plant haben wir erstmalig eine Anlage entworfen, die den vollständigen Prozess, von der Erzeugung über die Abtrennung von hochreinem Wasserstoff bis hin zur Speicherung, umfasst“, erklärt Projektleiter Martin Roeb vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Obwohl sich unsere Arbeiten noch im Bereich der Forschung befinden, können wir bereits die signifikante Menge von einem Kilogramm Wasserstoff pro Woche erzeugen. Damit kann zum Beispiel ein effizientes Brennstoffzellenfahrzeug über 100 Kilometer weit fahren.“

Mit der Marktreife und der kommerziellen Anwendung des Verfahrens rechnen die Forscher jedoch erst in einigen Jahren: „Erste Anwendungen können Insellösungen sein, wenn zum Beispiel kein Anschluss an das Elektrizitätsnetz besteht. Dann lohnt sich unser Herstellungsverfahren eventuell bereits ab einer Wasserstoffproduktion von zehn Kilogramm pro Woche“, sagt Roeb. „Je nachdem, wie schnell die Entwicklung voranschreitet, könnte das Verfahren aber in zehn Jahren auch schon zur industriellen Erzeugung von Wasserstoff dienen.“

Phtosynthese
Bei der Photosynthese der Pflanzen wird Wasser gespalten, dabei entstehen Protonen als Zwischenprodukt. © Atmosphius/ iStock.com

Photokatalyse – von den Pflanzen abgeguckt

Doch solare Wasserspaltung geht auch ganz ohne Hitze – nach dem Vorbild der Natur. In der Photosynthese nutzen auch die Pflanzen die Energie des Sonnenlichts, um Wasser in seine Komponenten zu zerlegen. Sie produzieren dafür spezielle Enzyme, die diese photokatalytische Reaktion in Gang bringen. Für die Erzeugung von Wasserstoff als Zwischenprodukt sorgt dabei unter anderem die Hydrogenase. „Unter optimalen Bedingungen kann ein einziges Hydrogenase-Enzym in einer Sekunde 9.000 Wasserstoff-Moleküle herstellen“, erklärt Thomas Happe von der Ruhr-Universität Bochum.

Will man diesen Prozess im Labor oder im großtechnischen Maßstab nachbauen, benötigt man entweder größere Mengen dieser Enzyme oder aber vergleichbar wirkende chemische Katalysatoren. Forschern um Happe ist es zwar schon vor längerer Zeit gelungen, die Hydrogenase einer Grünalge im Reagenzglas zu erzeugen. Doch die Wasserstoffproduktion mit diesem Enzym ist noch ziemlich ineffizient.

Bessere Ergebnisse bringen dagegen Photokatalysezellen auf Basis anorganischer Hilfsstoffe – häufig sind dies Katalysatoren aus Edelmetallen. Eine jüngst entwickelte Variante dieser solaren Wasserspalter besteht beispielsweise aus einer leistungsfähigen Tandem-Solarzelle mit zusätzlichen funktionellen Schichten, in die Katalysatoren aus Rhodium-Nanoteilchen integriert sind. Unter simulierter Sonneneinstrahlung erzielte dieses System einen Wirkungsgrad von 18,5 Prozent in neutralem Wasser – ein neuer Weltrekord.

„Diese Arbeit zeigt, dass maßgeschneiderte Tandemzellen für die direkte solare Wasserspaltung das Potential haben, Wirkungsgrade jenseits von 20 Prozent zu erreichen“, erklärt Thomas Hannappel von der TU Ilmenau. Dennoch bleibe bis dahin noch viel zu tun. Denn die bisherigen Systeme sind eher kleine Prototypen, die mit hohen Kosten verbunden sind – wirtschaftlich rentabel sind sie nicht.

Fahren mit Wasserstoff

H2 wird mobil

Wasserstoff ist nicht nur ein Energiespeicher, er kann auch als Antrieb für Fahrzeuge, Schiffe oder Flugzeuge dienen. Aus dem Auspuff kommt dann statt Feinstaub, Stickoxiden und anderen Luftschadstoffen nur Wasserdampf.

Brennstoffzelle
Aufbau einer Brennstoffzelle: Bei der Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff entsteht Wasser. Es werden Elektronen frei, die als elektrischer Strom abfließen. . © Matt/ Necropotame,Free Art License

Fahren mit Brennstoffzellen

Beim Wasserstoffantrieb sorgen meist Brennstoffzellen dafür, dass aus dem Gas Strom für Elektromotoren entsteht. In ihnen findet quasi die Umkehrreaktion der Wasserspaltung statt: Wasserstoff und Sauerstoff reagieren zu Wasser und produzieren dabei als Nebenprodukt Wärme und elektrischen Strom. Dieser Strom wird dann von Elektromotoren in die Bewegung der Räder, Schiffsschrauben oder Flugzeugturbinen umgesetzt.

Sonderlich effizient sind die Brennstoffzellen solcher Antriebe bislang allerdings nicht: Nur 40 bis 50 Prozent der im Wasserstoff gespeicherten Energie werden in Strom umgesetzt. Im gängigen Wasserstoffauto sind es sogar nur 30 bis 40 Prozent. Elektroautos mit Batterien erreichen dagegen einen Wirkungsgrad von rund 70 Prozent. Dafür jedoch haben Wasserstoff-Fahrzeuge eine erheblich größere Reichweite: Während ein Elektroauto nur 150 bis 300 Kilometer weit kommt, kann ein Wasserstoffauto mit einer Tankfüllung zwischen 500 und 800 Kilometer weit fahren. Ein weiterer Vorteil: Das Auftanken dauert nur wenige Minuten – kaum länger als der gängige Tankstopp beim Benziner oder Diesel.

Alternative zum klassischen Elektroauto?

Doch noch steht Wasserstoff als PKW-Antrieb ziemlich am Anfang. Weltweit waren Ende 2019 nur knapp 12.000 Brennstoffzellen-Autos zugelassen und auch die Infrastruktur für Wasserstoff-Fahrzeuge ist alles andere als üppig: In ganz Deutschland gibt es gerade einmal 80 öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstellen. In anderen Ländern sieht es noch weit schlechter aus.

Brennstoffzellen-Motor
Motor des Toyota Mirai, des weltweit ersten in Serie produzierten Brennstoffzellenautos. © Tramino/ iStock.com

Hinzu kommt, dass auch die Autos selbst noch relativ teuer sind: Das kleinste Modell von Toyota oder Hyundai kostet mehr als 60.000 Euro, einen Elektrokleinwagen bekommt man schon für rund die Hälfte. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass die Preise für Wasserstoffautos schon bis zum Jahr 2030 dank größerer Produktionsmengen deutlich sinken werden.

Ob sich Wasserstoff langfristig gegen die Batterie-Autos durchsetzen kann, bleibt zumindest bei PKWs dennoch offen. Immerhin fördern einige Länder die Brennstoffzell-Technologie inzwischen aktiv und haben sich konkrete Zielvorgaben gesetzt: Japan will bis zum Jahr 2030 800.000 Wasserstoffautos auf die Straße bringen, China sogar eine Million. Deutschland und Großbritannien wollen bis 2040 aus der Produktion von PKW mit Verbrennungsmotoren aussteigen. Zu welchem Teil die „Zero-Emission“-Fahrzeuge dann aber mit Batterien oder Wasserstoff angetrieben werden, bleibt vorerst offen.

Wasserstoff für Busse und LKW

Deutlich konkurrenzfähiger könnte der Wasserstoff aber bei Bussen und LKW sein. „Für Hochleistungs-Transportfahrzeuge wie Busse und Laster könnten Brennstoffzellen die beste und möglicherweise einzige realistische Zero-Carbon-Lösung sein“, sagt Ian Staffell vom Imperial College London. Denn bei diesen Fahrzeugen haben Brennstoffzellen gegenüber dem Akku einige entscheidende Vorteile.

Brennstoffzellen-Bus
Japanischer Brennstoffzellenbus, vorgestellt 2017 auf der Tokyo Motor Show. © Cxpr /CC-by-sa 4.0

Beim Akkuantrieb erfordern das große Gewicht der Fahrzeuge und die benötigte starke Antriebskraft eine enorme Anzahl an Akkus pro Fahrzeug – das bringt zusätzliches Gewicht und nimmt Platz ein. Zudem haben Fahrzeugbatterien oft nur eine begrenzte Lebensdauer – Tesla gibt dafür zehn bis 15 Jahre an. Busse und Laster aber sind quasi im Dauereinsatz und durchlaufen entsprechend viele Ladezyklen – das verkürzt ihre Haltbarkeit zusätzlich.

Brennstoffzellen dagegen sind von Natur aus langlebiger und können auch im Dauerbetrieb problemlos immer wieder aufgetankt und entladen werden, wie Staffell erklärt. Zudem fasst der typische Tank eines Wasserstoff-Busses nur rund 40 Kilogramm komprimierten Wasserstoff und fällt damit buchstäblich kaum ins Gewicht. Tatsächlich gibt es in Europa bereits gut 80 Brennstoffzellen-Busse, die zusammen schon rund sieben Millionen Kilometer zurückgelegt haben. Bei den LKW allerdings stagniert die Entwicklung noch – auch wegen der im Vergleich zu Dieselfahrzeugen höheren Anschaffungskosten. Das aber könnte sich mit strengen Umweltauflagen und höheren Spritpreisen ändern.

Vorreiter Japan und Korea

Japan plant bereits eine umfangreiche Wasserstoff-Offensive: Zur Sommerolympiade 2020 in Tokio will die Regierung eine Flotte von mehr als hundert Brennstoffzellen-Bussen und tausenden Wasserstoffautos bereitstellen und sein Netzwerk von Wasserstoff-Tankstellen aufstocken. Auch das olympische Dorf soll komplett durch Wasserstoff mit Strom und Wärme versorgt werden. „Wir freuen uns darauf, die Welt mit unserer Wasserstoff-Technologie zu überraschen“, sagt Toru Muta vom japanischen Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie.

Ebenfalls ein Vorreiter in Sachen Brennstoffzelle ist Südkorea: Der Autohersteller Hyundai baut mit dem Nexo bereits ein Wasserstoffauto in Serie – wenn auch vorerst mit wenig Profit. Zudem steht in Korea das größte Brennstoffzellen-Kraftwerk der Welt. Mit 59-Megawatt Kapazität erzeugt der Gyeonggi-Park genügend Strom und Wärme für 45.000 Haushalte. Bis 2022 soll es zudem 330 Wasserstoff-Tankstellen im Land geben.

Brennstoffzellenheizungen und H2 im Stadtgas

Wasserstoff im Eigenheim

Es gibt noch einen Bereich, in dem die Wasserstoff-Technologie allmählich an Boden gewinnt: bei der dezentralen Produktion von Wärme und Strom für Gebäude. Die Energie des Gases kann dabei über Brennstoffzellen in Strom und Wärme umgewandelt werden oder man mischt den Wasserstoff dem Stadtgas bei und nutzt ihn so direkt als Brennstoff.

Brennstoffzellen-Heizung
Moderne Brenstoffzellenheizungen sind nicht größer als herkömmliche Anlagen. © Bautsch/ gemeinfrei

Strom und Wärme aus der Brennstoffzelle

Als besonders zukunftsträchtig gelten Brennstoffzellenheizungen. Denn durch die Kopplung von Wärme- und Stromproduktion können sie hohe Wirkungsgrade erreichen – typischerweise liegen sie zwischen 85 und 95 Prozent. Damit sind solche Heizungen beispielsweise effizienter als klassische Erdgasheizungen mit Kraft-Wärmekopplung. „Solche auf Brennstoffzellen basierende Systeme haben eine höhere elektrische Effizienz und niedrigere Emissionen als jedes andere System zur kombinierten Wärme- und Stromproduktion“, erklärt der Wasserstoffexperte Ian Staffell vom Imperial College London.

Nachdem die Brennstoffzellenheizung lange ein teures Nischenprodukt war, ist sie inzwischen von nahezu jedem größeren Heizungsbauer erhältlich. Die Kosten sind heute dank höherer Stückzahlen auf rund 30.000 Euro samt Einbau und Zubehör gesunken. In Deutschland gibt es zudem seit 2016 staatliche Zuschüsse. Expertenangaben zufolge ist die Brennstoffzellenheizung vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser oder für Kleingewerbe geeignet, dank ihrer kleinen Stellfläche von nur einem Quadratmeter hat sie fast jedem Keller Platz.

Schon jetzt sind weltweit knapp 300.000 solcher Brennstoffzellenheizungen installiert – ein Großteil davon in Japan. Dort wird diese Technologie schon seit längerem staatlich gefördert, bis 2030 sollen dort sogar schon mehr als fünf Millionen Haushalte mit dieser Technik beheizt werden. Aber auch in Deutschland arbeiten schon mehr als tausend solcher Heizungen – Tendenz rapide steigend.

Wie funktioniert die Brennstoffzellenheizung?

Typischerweise wird die Brennstoffzellenheizung nicht direkt mit Wasserstoff betrieben. Stattdessen dient meist Erdgas als Rohstoff, das in der Heizungsanlage durch Dampfreformierung in Wasserstoff und Kohlendioxid zerlegt wird – völlig emissionsfrei ist das Ganze daher bislang nicht. Dafür hat dies den Vorteil, dass solche Heizungen schon jetzt einfach an bestehende Gasnetze angeschlossen werden können.

Noch besser allerdings wäre es, den Wasserstoff nicht aus einem fossilen Brennstoff, sondern aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Tatsächlich gibt es bereits erste Systeme, die Solarmodule und Brennstoffzellen kombinieren. Die Photovoltaik produziert dabei Strom für den Haushalt, aber auch zur internen Wasserstoffproduktion. Dieser wird über eine Elektrolysezelle aus Wasser erzeugt und füllt einen Tank auf. Von den laufend ergänzten Gasvorräten zehrt dann die Brennstoffzelle – vor allem im Winter, wenn der Solarstrom weniger wird. Noch allerdings ist dieses Kombisystem mit gut 50.000 Euro nicht wirklich günstig. Aber auch hier rechnen Experten mit schon bald deutlich sinkenden Kosten.

Stadtgas
Wasserstoff kann im Stadtgasnetz dem Erdgas beigemischt und ganz normal verbrannt werden. © Germanovich/ iStock.com

Wasserstoff im Stadtgas

Eine andere Variante, Wasserstoff für die Versorgung von Haushalten zu nutzen, ist eine Beimischung zum Stadtgas. Der Wasserstoff wird dann zusammen mit dem Erdgas ganz normal in Herden oder Heizungen verbrannt. Dadurch sinkt zwar die Energiedichte des Stadtgases insgesamt ein wenig, dafür verringert dies die CO2-Emissionen. Neu ist diese Idee allerdings nicht: Im 19. Jahrhundert wurde Stadtgas meist durch Kohlevergasung hergestellt und bestand daher zu rund 50 Prozent aus Wasserstoff.

Ein so hoher Wasserstoffanteil ist allerdings heute nicht mehr überall möglich, weil Wasserstoff Gasleitungen aus den meisten Metallen angreift, wodurch sie schneller korrodieren. Kunststoffleitungen oder spezieller Edelstahl dagegen sind unempfindlich. Wie hoch der Wasserstoffanteil sein darf, ohne dass die Leitungen zu stark leiden, wird zurzeit in mehreren Projekten getestet.

Im Mainzer Stadtteil Ebersheim werden dem Stadtgas schon seit 2017 rund zehn Prozent Wasserstoff beigemischt – bislang erfolgreich. In Großbritannien testen Wissenschaftler der Keele University zurzeit die Machbarkeit einer Beimischung von 20 Prozent Wasserstoff im Leitungsnetz des Unicampus. In der britischen Stadt Leeds, in Irland und Australien laufen aber auch bereits Projekte mit höheren Wasserstoffanteilen.