Er leuchtet am Nachthimmel und bewirkt Ebbe und Flut: Der Mond ist selbstverständlicher Teil des irdischen Alltags. Doch was wäre, wenn die Erde keinen Trabanten hätte? Wie würde unser Planet dann aussehen? Wäre das irdische Leben überhaupt entstanden?
Der Mond erscheint uns ganz normal, aber im Sonnensystem ist er die große Ausnahme. Denn kein anderer Planet hat einen im Verhältnis so großen Trabanten – und kein anderer Mond ist auf so katastrophale Weise entstanden. Der Erdmond hat die Geschichte unseres Planeten und viele seiner grundlegenden Merkmale entscheidend geprägt. Das weckt die Frage, wie die Erde ohne ihren Begleiter aussehen würde.
Warum der Erdmond im Sonnensystem eine Ausnahme ist
Ein echter Sonderling
Auch wenn er uns selbstverständlich und normal erscheint: Unser Mond ist in vieler Hinsicht ungewöhnlich. Sowohl seine Größe, als auch seine Entstehung machen ihn im Sonnensystem zu etwas Besonderem.
Der dritte Weg
Doch wie entsteht ein Mond? Lange gab es dafür nur zwei mögliche Erklärungen. Der ersten zufolge kann ein Mond in der Frühzeit seines Planeten aus übriggebliebenen Staub- und Gasresten der Urwolke gebildet werden – ähnlich wie auch die Ringe großer Gasplaneten. Während dieses Material um den Planeten kreist, ballen sich die Partikel zu immer größeren Brocken zusammen. Dieser Prozess der Mondbildung lässt sich beispielsweise am Saturn quasi „live“ beobachten.
Die zweite Variante ist das Einfangen: Viele Monde im Sonnensystem sind Kleinplaneten oder Asteroiden, die von der Schwerkraft ihres Planeten aus ihrer alten Bahn gelenkt und festgehalten wurden. Dazu gehören die meisten kleinen, irregulären Monde, aber auch große Trabanten wie Triton, der größte Mond des Neptun.
Aber der Erdmond passt in keine dieser beiden Kategorien. Denn er verdankt seine Entstehung einer katastrophalen Karambolage vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Dabei stieß der marsgroße Protoplanet Theia mit der noch jungen Erde zusammen und wurde zerstört. Auch die Erde könnte dabei zu einem großen Teil verdampft sein. Aus der Trümmerwolke bildete sich dann das Zweiergespann Erde und Mond.
Ausnahme unter seinen Nachbarn
Im inneren Sonnensystem ist die Erde damit eine Ausnahme. Denn unter den terrestrischen Planeten sind Monde eher Mangelware. Merkur und Venus haben gar keinen Trabanten und der Mars wird nur von zwei vergleichsweise winzigen Monden umkreist: Phobos ist nur gut 20 Kilometer groß, Daimos nicht einmal ganz 15 Kilometer. Planetenforscher gehen deshalb davon aus, dass die Marsmonde wahrscheinlich entweder eingefangene Asteroiden oder vielleicht auch Reste eines einstigen Ringes sind.
Deutlich üppiger wird es mit den Monden erst weiter außen im Sonnensystem. Dort wetteifern die großen Gasplaneten Saturn und Jupiter um den größten Hofstaat. Nachdem lange der Jupiter mit 79 Monden die Nase vorn hatte, entdeckten Astronomen im Oktober 2019 zwölf zusätzliche Monde um den Saturn, der diesen mit nunmehr 82 Trabanten zum „König der Monde“ machten. Im September 2020 allerdings musste der Ringplanet diesen Titel wieder abtreten: Weitere Mondentdeckungen am Jupiter legten nahe, dass der Gasriesen vielleicht sogar hunderte Trabanten besitzen könnte.
Was macht einen Trabanten zum Mond?
Das wirft die Frage auf: Was macht einen Mond zum Mond? Und was unterscheidet ihn von Asteroiden, die im Orbit eines Planeten kreisen? Überraschenderweise gibt es bisher keine offizielle Definition für einen Mond. Festgelegt ist nur, dass ein solcher Trabant um einen Planeten kreisen muss. Eine Mindestgröße jedoch gibt es bislang nicht – was einige Astronomen kritisieren: „Irgendwann landet man bei bloßen Ringpartikeln – eine klare Untergrenze wäre daher sehr nützlich“, sagt Edward Ashton von der University of British Columbia.
Rein theoretisch kann daher jeder Brocken, sei er noch so klein, momentan als Mond deklariert werden. Nur einen Namen bekommt er dann nicht. Denn die Internationale Astronomische Vereinigung (IAU) vergibt offiziell nur Mondnamen an Trabanten mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer. Im Sonnensystem sind bislang gut 240 solcher Monde bekannt. Nur 19 Monde im Sonnensystem sind jedoch groß genug, um durch ihre eigene Schwerkraft eine gleichmäßig runde Form angenommen zu haben. Der Erdmond ist mit einem Durchmesser von 3.476 Kilometer der fünftgrößte unter ihnen.
So ähnlich ist sich kein anderes Paar
Die eigentliche Besonderheit unseres Mondes ist jedoch nicht seine absolute Größe, sondern die Größe im Verhältnis zu seinem Planeten. Die Erde ist nur 3,7-mal größer als ihr Trabant – das gibt es bei keinem anderen Planeten im Sonnensystem. Planetenforscher haben mittels Simulationen ermittelt, dass selbst bei Kollisionen ähnlich denen der frühen Erde nur in jedem zwölften Fall ein im Verhältnis zu seinem Planeten so großer Mond entsteht.
Doch genau dies hat die Entwicklung unseres Planeten entscheidend beeinflusst…
Wenn die lunaren Gezeiten fehlen
Kürzere Tage und raueres Klima
Wenn es die urzeitliche Kollision mit dem Protoplaneten Theia nicht gegeben hätte, hätte die Erde heute wahrscheinlich keinen Mond. Doch was wären die Folgen? Klar scheint, dass es dann an vielen Küsten kaum mehr Gezeiten gäbe. Das aber hätte viel weitreichender Folgen als nur auf Ebbe und Flut.
Ebbe und Flut in allem
Die Schwerkraft des Mondes übt einen handfesten Einfluss auf unseren Planeten aus: Durch sie bewegt sich nicht nur das Wasser der Meere im Takt der Gezeiten, auch Eismassen, Gestein und sogar die Atmosphäre schwingen in diesem Rhythmus mit. So hebt und senkt sich beispielsweise die Erdkruste immerhin um bis zu 35 Zentimeter und auch Erdbeben folgen dem Gezeitenrhythmus. Noch subtiler ist der Einfluss der Anziehungskraft des Mondes auf den Luftdruck: Weil er bei Vollmond leicht steigt, sinkt die Regenwahrscheinlichkeit um rund ein Prozent.
Vor einigen Jahren entdeckten Forscher zudem, dass selbst ein großer Inlandsgletscher der Antarktis im Takt von Ebbe und Flut fließt. „Wir haben etwas Derartiges noch niemals zuvor gesehen“, erklärte Hilmar Gudmundsson vom British Antarctic Survey. „Die Entdeckung, dass der Zyklus von Spring- und Nipptiden einen so starken Einfluss auf einen Eisstrom Dutzende von Kilometern weit entfernt vom Meer hat, ist eine absolute Überraschung.“
Ohne Mond leidet der Wärmetransport
Ohne Mond gäbe es all diese Bewegungen nicht – allerdings würde uns dies bei den meisten kaum auffallen. Nur am Meer könnten wir es direkt sehen: „Es würde immer noch Ebbe und Flut geben, weil auch die Sonne eine Gezeitenwirkung hat“, erklärt Kaare Aksnes von der Universität Oslo. Aber der Tidenhub wäre nur noch etwa ein Drittel des heute üblichen.
Deutlich spürbarer wäre jedoch der Effekt des fehlenden Mondes auf das Klima. Denn die um die Erde wandernden Flutberge verursachen nicht nur Ebbe und Flut – sie tragen auch zu Wärmeverteilung auf unserem Planeten bei. „Die Gezeitenströme der Meere helfen dabei, Wärme vom Äquator zu den Polen zu transportieren“, erklärt Bruce Bills vom NASA Jet Propulsion Laboratory.
Die Hauptarbeit dafür leistet zwar die thermohaline Zirkulation, die durch Salzgehalt und Wassertemperatur angetrieben wird. Aber zumindest in manchen Regionen könnte das Fehlen der Gezeitenströme zu Klimaveränderungen führen. Konkret könnte sich das Gefälle von Temperaturen und Luftdruck zwischen Polen und Äquator verstärken. Das wiederum könnte zu stärkeren Winden und extremeren Klimaschwankungen führen.
Der Tag wäre nur halb so lang
Doch es gibt eine Folge des fehlenden Mondes, die niemand übersehen könnte: Ohne den Mond wären unsere Tage viel kürzer. Ein Tag würde statt 24 Stunden nur gut zwölf Stunden dauern – für uns und die Natur wäre dies ein Leben im Zeitraffer. Die Ursache dafür ist der Einfluss des Mondes auf die Rotation unseres Planeten. Als die junge Erde entstand, drehte sie sich noch deutlich schneller. Doch die Schwerkraft des Mondes und die von ihr erzeugten Gezeitenkräfte üben eine schleichende, aber anhaltende Bremswirkung aus. „Wir sprechen hier nicht von einer Vollbremsung – dieser Bremseffekt macht nur rund zwei Sekunden pro 100.000 Jahren aus“, erklärt Aksnes.
Doch das summiert sich: Noch zur Zeit zur Zeit der Dinosaurier vor rund 70 Millionen Jahren waren die Tage rund 30 Minuten kürzer als heute. Und der abbremsende Effekt des Mondes auf die Erdrotation hält an: Aktuelle Messungen zeigen, dass die Tageslänge momentan im Schnitt um 1,78 Millisekunden pro Jahrhundert zunimmt. Ohne ausgleichende Effekte würde der Mond die Erde sogar um 2,03 Millisekunden pro Jahrhundert abbremsen.
Was aber hätte eine schnellere Erdrotation für Folgen? Für das Leben auf der Erde wäre es vermutlich wenig dramatisch, wenn die irdischen Tage nur halb so lang wären. Denn die innere Uhr von Organismen passt sich an solche externen Zeitgeber an. Auch unser Stoffwechsel, unsere Hormone und unser Tag-Wach-Rhythmus würden auf einer Erde ohne Mond in einem kürzeren Takt schwingen.
Weniger glimpflich wäre allerdings der Effekt der schnelleren Rotation auf das Wetter: Wenn die Erde sich schneller dreht, dann steigen auch die möglichen Windgeschwindigkeiten. Damit könnte eine Erde mit kürzeren Tagen auch deutlich stürmischer sein.
Doch es gibt lunare Einflüsse, die noch langfristiger und tiefgreifender sind…
Der Mond als Schutz und Stabilisator
Taumelnde Achse
Ohne Mond wäre unser Planet lange nicht so lebensfreundlich. Denn erst die Präsenz des großen Trabanten hat die Achse der Erde und damit ihr Klima stabilisiert. Das lunare Magnetfeld schützte die junge Erde zudem vor den schlimmsten Sonnenstürmen. Gäbe es den Mond nicht, könnten die ersten Zellen und Organismen möglicherweise erst viel später oder sogar nie entstanden sein.
Wie ein eiernder Kreisel
Welche Folgen ein fehlender Mond auf die Stabilität eines Planeten hat, demonstriert der Mars mit seinen fast vernachlässigbaren Minimonden. Die Rotationsachse unseres Nachbarplaneten verändert ihre Neigung sowohl kurz- als auch langfristig weit stärker als die der Erde. Zum einen taumelt die Marsachse im Verlauf von mehreren 100.000 Jahren um rund zehn Grad. Die Achse eiert damit wie in Schlangenlinien um ihre mittlere Neigung von 25 Grad gegen die Ekliptik.
Diese relativ starke Schwankung hat Konsequenzen für das marsianische Klima: Weil sich dadurch periodisch der Winkel des Sonneneinfalls verändert, verschieben sich die Klimazonen. An den Eiskappen der Mars-Pole sind diese periodischen Schwankungen an den abwechselnden Sichten von Eis und Staub erkennbar. Sie spiegeln wärmere und kühlere Zeitabschnitte auf den jeweiligen Mars-Halbkugeln wider.
Bei der Erde variiert die Präzession mit 1,5 Grad viel weniger, weil die Anziehungskraft des großen Mondes das Taumeln der Erdachse dämpft. Terje Wahl vom norwegischen Raumfahrtzentrum vergleicht diesen stabilisierenden Effekt mit dem des Hammers bei einem Hammerwerfer: „Solange er den Hammer hält, kann er fast auf einem Punkt rotieren“, so Wahl. „Aber sobald er ihn loslässt, verliert er seine Balance und muss mehrere Ausgleichsschritte machen, um nicht hinzufallen.“
Der Mars erlebte aber noch weit drastischere Veränderungen: „Es wurde gezeigt, dass die Neigung der Rotationsachse in weniger als 50 Millionen von Null auf 60 Grad kippen kann“, berichten Sebastian Elser von der Universität Zürich und seine Kollegen. „Ohne den Mond würde auch die Obliquität der Erde solche großen und chaotischen Schwankungen durchlaufen – und das hätte starken Einfluss auf das planetare Klima.“ Als Folge könnten sich die Jahreszeiten und Klimazonen dramatisch verschieben und zu manchen Zeiten wären selbst Regionen am Äquator vereist.
Doppelter Schutz durch das lunare Magnetfeld
In der Frühzeit des Sonnensystems kam noch ein weiterer positiver Effekt des Mondes zum Tragen: Sein Magnetfeld bildete einen Schutzschirm für die junge Erde. Denn wie Forscher um James Green von der NASA kürzlich herausfanden, besaß der Erdtrabant wahrscheinlich noch bis vor rund 3,5 Milliarden Jahren ein starkes Magnetfeld. Dieses war mit dem der Erde verbunden, weil der Mond damals nur ein Drittel so weit von der Erde entfernt war wie heute.
Für die junge Erde könnte dies entscheidend gewesen sein. Denn das Magnetfeld des Mondes verlieh ihr zusätzlichen Schutz gegen die heftigen Ausbrüche der noch jungen Sonne. „Der Mond bildete für die Erde eine substanzielle Schutzbarriere gegen den Sonnenwind und könnte so entscheidend dazu beigetragen haben, dass die junge Erde damals ihre Atmosphäre behielt“, erklärt Green. Ohne die Atmosphäre hätte sich auf der Erde wahrscheinlich nie Leben entwickelt.
Haben erst die lunaren Gezeiten das Leben ermöglicht?
Chemische Zyklen
Bis heute ist es ein Rätsel, wie einst das erste Leben auf unserem Planeten entstand. Auch darüber, wo sich die ersten Lebensbausteine und Zellen zusammenfanden, gibt es viele Hypothesen, aber keine Belege. Die Spanne möglicher Lebenswiegen reicht von den hydrothermalen Schloten der Tiefsee über heiße Tümpel bis hin zu Poren in festem Gestein.
Chemische Hürden
All diesen „Kandidaten“ ist eines gemeinsam: Sie müssen Bedingungen bieten, unter denen sich die Erbmoleküle RNA oder DNA aus Vorläufermolekülen zusammenfinden und nicht sofort wieder zerfallen. Das passiert nur dann, wenn die Konzentration der nötigen Bausteine – Nukleinsäuren, Phosphaten und Zuckern – hoch genug ist. Das offene Meer scheidet daher nach Ansicht der meisten Forscher als Ursuppe aus. Günstiger sind begrenzte Räume, in denen sich die Bausteine anreichern und die Umweltbedingungen eine Synthese fördern.
Doch es gibt noch eine zweite Hürde: Wahrscheinlich existierten am Anfang des Lebens noch keine Enzyme, die das Kopieren und Vermehren der Erbmoleküle bewerkstelligten. Die RNA oder DNA muss daher auch ohne ihre Hilfe repliziert worden sein – aber wie? Bei der RNA könnten sogenannte Ribozyme die Lösung sein – eine Variante der RNA-Moleküle, die Funktionen von Enzymen übernehmen können. Deshalb halten einige Wissenschaftler es für wahrscheinlich, dass die ersten Lebensformen ihr Erbgut nicht in der DNA, sondern mit RNA kodierten.
Aber jüngste Forschungen legen nahe, dass auch die DNA am Beginn des Lebens gestanden haben könnte – weil es den Mond und seine Gezeiten gab. Erst durch sie könnten sowohl die Verknüpfung der vier Nukleinsäuren als auch die Replikation der fertigen DNA-Stränge ohne Hilfe von Enzymen abgelaufen sein.
Lunarer Ausweg aus der Sackgasse
„Normalerweise ist das nichtenzymatische Kopieren von DNA-Strängen eine Sackgasse“, erläutert Richard Lathe von der University of Edinburgh. Denn dabei bildet sich ein zweiter Strang durch Anlagerung von komplementären Basen an den ersten. Ist dieser zweite Strang fertig, bleibt er aber weiter angelagert und blockiert so den Platz für eine weitere Kopie. Wenn es keine äußeren Kräfte gibt, die die beiden DNA-Stränge wieder trennen, stoppt der Prozess und damit auch die Replikation.
An diesem Punkt kommt der Mond ins Spiel: Weil er der jungen Erde noch weit näher war und diese sich schneller drehte, waren die Gezeiten stärker und schneller als heute. „Dadurch reichten die Gezeitenzonen mehrere hunderte Kilometer weit ins Land hinein“, erklärt Lathe. In diesen Zonen wechselten Wasserbedeckung, Salzgehalte und Temperaturen alle paar Stunden im Rhythmus von Ebbe und Flut. Es gab unzählige Gezeitentümpel, die bei Flut überliefen und ausgespült wurden, bei Ebbe aber kleine isolierte Becken bildeten, in denen sich Salze und chemische Moleküle anreichern konnten.
Wechsel von Konzentration und Verdünnung
Diese Gezeitentümpel könnten, so glaubt Lathe, die idealen Bedingungen für die Replikation der ersten DNA-Moleküle geboten haben: Wenn die Gezeitenzone trockenfiel und das Wasser in den Tümpeln wärmer und salziger wurde, förderte dies die Anlagerung neuer Nukleinsäuren an die einsträngige DNA – sie wurde kopiert. „Bei erhöhter Salzkonzentration werden die sich abstoßenden Ladungen der Phosphate neutralisiert und Wasserstoffbrücken zwischen den Strängen begünstigt“, erklärt der Biochemiker.
Wenn dann die Flut kam, verdünnte sie das Wasser in den Tümpeln. Als Folge sank der Salzgehalt und das destabilisierte die Bindungen zwischen den beiden komplementären Strängen. Die DNA zerfiel in zwei Einzelstränge – und war damit bereit für einen neuen Kopierzyklus. Diese periodische Abfolge könnte damit die Voraussetzung für erste DNA-Lebensformen geschaffen haben.
Ohne Mond kein Leben?
Noch ist Lathes Szenario zwar nicht viel mehr als eine Hypothese unter vielen. Aber ungeachtet dessen, ob nun RNA oder DNA am Anfang des Lebens standen und wie genau sie zustande kamen: Auch andere Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass sich die ersten Lebensbausteine in wechselnden Bedingungen bildeten. Und die allgegenwärtigsten und verlässlichsten Wechsel erzeugten die vom Mond verursachen Gezeiten.
Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn die Erde keine Mond besäße, wäre dieser Weg zum Leben versperrt oder zumindest deutlich unwahrscheinlicher gewesen. Dann könnte die irdische Lebenswelt heute vielleicht ganz anders aussehen – oder sie wäre nie entstanden.
Sollte sich dies bestätigen, hätte das auch Auswirkungen auf die Suche nach außerirdischem Leben. Denn dann wären all jene Himmelskörper die aussichtsreichsten Kandidaten, die unter dem Einfluss von Gezeitenkräften stehen. Das könnte ein Exoplanet mit einem großen Trabanten sein, aber auch ein Mond, der von seinem weit größeren Planeten regelmäßig „durchgewalkt“ wird. Ein Beispiel dafür ist der Jupitermond Europa, der den Gezeitenkräften des Jupiter seinen subglazialen Ozean verdankt.