Fakten, Hintergründe und Prognosen im sechsten Weltklimabericht
Klimawandel 2021: Wir sind mittendrin
Am 9. August 2021 hat der Weltklimarat IPCC eine neue Bilanz des irdischen Klimazustands vorgestellt – und die Botschaft könnte nicht eindeutiger sein: Der Klimawandel ist längst da und hinterlässt überall auf der Welt seine Spuren. Der Bericht zeigt aber auch, dass der Klimaschutz noch eine Chance hat – aber die Zeit drängt.
Der sechste Sachstandbericht kommt zu einer Zeit, in der die konkreten Folgen des Klimawandels längst hautnah spürbar sind, auch für uns. Die Urlaubsgebiete im Mittelmeerraum brennen, in Deutschland spülen Starkregen-Fluten ganze Ortschaften hinweg und die Jahreszeiten sind immer häufiger zu kalt oder zu heiß und trocken.
Dazu passt, dass der IPCC in seinem aktuellen Bericht so konkret und deutlich ist wie nie zuvor. Er benennt klar Ausmaß und Ursachen des Klimawandels und beziffert auch unseren Anteil daran. Präziser als zuvor quantifiziert der Bericht zudem die Klimawirkung unserer CO2-Emissionen und verrät, welches CO2-Budget uns noch bleibt. Die Fakten sind klar – wir müssen nur noch handeln.
Was ist neu seit dem letzten Weltklimabericht?
Keine Zweifel mehr
Die Kernaussagen des sechsten Weltklimaberichts sind nicht neu – die meisten von ihnen fanden sich in Form von Annahmen und Prognosen schon in früheren Versionen dieser Sachstandsberichte. Neu ist aber, dass viele dieser Prognosen inzwischen Realität geworden sind. „Der Klimawandel ist längst deutlich sichtbar. Wir müssen den Leuten inzwischen nicht mehr sagen, dass er existiert“, sagte Petteri Taalas, Generalsekretär der Meteorological Organization WMO.
1,1 Grad Erwärmung sind schon erreicht
Zu dieser neuen Realität gehört unter anderem, dass sich das Erdklima ungebremst weiter erwärmt. Inzwischen liegen die globalen Mitteltemperaturen schon um 1,1 Grad höher als noch zu Beginn der Industrialisierung um 1850 bis 1900. Bei den Landflächen hat die Erwärmung im Schnitt schon 1,6 Grad erreicht, so das IPCC. Das bedeutet auch: Bis zu den 1,5 Grad, auf die das Pariser Klimaabkommen die Erwärmung eigentlich begrenzen wollte, ist nicht mehr viel Luft.
Tatsächlich zeigt sich in allen fünf Szenarien des Berichts: Bis 2040 wird die Erwärmung in jedem Fall 1,5 Grad erreicht haben – egal, wie gut und schnell unsere Klimaschutzbemühungen greifen. Auch die Schwelle von zwei Grad Erwärmung könnte schon 2050 gerissen werden, wenn die Emissionen nicht schnell und drastisch gesenkt werden. „Die einzige Chance, das eine oder das andere Ziel zu erreichen, ist, wenn wir schnell die Emissionen herunterfahren“, sagt IPCC-Leitautor Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.
„Unzweifelhaft menschengemacht“
Neu ist auch die Sicherheit, mit der die Klimaforscher inzwischen ausschließen können, dass diese Erwärmung allein auf natürliche Faktoren zurückgeht. Im aktuellen Bericht beziffern die Autoren den Anteil natürlicher Klimaschwankungen auf nur rund 0,2 Grad. Der ganze Rest aber geht ihren Berechnungen nach auf anthropogene Faktoren zurück – auf den Einfluss unserer Treibhausgas-Emissionen und Landnutzungsveränderungen. „Es ist unzweifelhaft, dass es der menschliche Einfluss ist, der Atmosphäre, Land und Ozean erwärmt hat“, heißt es im Weltklimabericht.
„Das für mich überzeugendste Argument, dass der Klimawandel menschengemacht ist, ist die Tatsache, dass wir die Beobachtungen ohne Berücksichtigung des menschlichen Einflusses einfach nicht reproduzieren können“, sagt Daniela Domeisen von der ETH Zürich. Das illustriere eine Abbildung, in der die Temperaturkurve ohne menschlichen Einfluss und mit dargestellt sind. Die modellierten Veränderungen entsprechenden den realen Messdaten nur dann, wenn der Faktor Mensch mit einbezogen wird. „Diese Abbildung war bereits in früheren IPCC-Berichten enthalten, und sie wird mit jedem Bericht deutlicher“, so Domeisen.
Beispielloses Tempo
Wie stark sich der aktuelle Klimawandel von früheren, natürlichen Veränderungen unterscheidet, zeigt sich auch an seinem rasanten Tempo: In der letzten Zwischeneiszeit stiegen die Temperaturen zwar sogar um fünf Grad und damit deutlich mehr als aktuell. Dafür benötigte die Warmzeit aber damals rund 5.000 Jahre – rund ein Grad pro Jahrtausend. Dieses eine Grad hat die anthropogene Erwärmung in nicht einmal 150 Jahren geschafft.
„Dieser Bericht ist ein Realitäts-Check. Wir haben nun ein weit klareres Bild des vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Klimas“, konstatiert Valérie Masson-Delmotte, Co-Leiterin der für den Bericht federführenden Working Group I. „Das ist existenziell, um zu verstehen, wohin wir steuern, was getan werden kann und wie wir uns vorbereiten können.“
Die Klimasensitivität und unser CO2-Budget
Klare Zahlen
In einem ganz entscheidenden Punkt ist der aktuelle Weltklimabericht weit konkreter als alle vorherigen: Die Wissenschaft weiß heute besser als früher, in welchem Maße und auf welche Weise die Treibhausgas-Werte das Klimasystem beeinflussen. Dadurch sind genauere Aussagen dazu möglich, was unsere CO2-Emissionen für Folgen haben – und wie stark wir reduzieren müssen.
1.000 Gigatonnen CO2 bedeuten 0,45 Grad mehr
„Die wohl fundamentalste Neuerung ist die deutliche Eingrenzung der wahrscheinlichen Klimasensitivität – wieviel Erwärmung mit einer Verdopplung der CO2-Konzentration einhergeht“, erklärt Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Im Weltklimabericht von 2013 lag die Spanne für diesen Erwärmungseffekt noch bei 1,5 bis 4,5 Grad. Im aktuellen Bericht wurde die Klimasensitivität nun auf 2,5 bis vier Grad eingeengt. „Eine deutlich stärkere oder deutlich schwächere Klimasensitivität ist schlicht nicht mehr mit dem bis heute beobachteten Verlauf der Erwärmung vereinbar“, so Goessling.
Damit ist inzwischen klarer abschätzbar, welche konkreten Folgen eine Erhöhung der Treibhausgaswerte auf das Klimasystem hat: „Jede Erhöhung der kumulativen Emissionen um 1.000 Gigatonnen CO2 verursacht einen Anstieg der globalen Oberflächentemperaturen von im Mittel 0,45 Grad“, heißt es im Bericht. Dieser Zusammenhang verdeutlicht, dass jede emittierte oder eingesparte Tonne CO2 zählt und quantifizierbare Auswirkungen auf das Klima hat.
Welches CO2-Budget haben wir noch?
Der Bericht beziffert erstmals auch genauer das CO2-Budget, das der Menschheit noch bleibt, wenn die Klimaschutzziele eingehalten werden sollen. Demnach haben wir vom Beginn der Industrialisierung – ungefähr ab 1850 – bis heute insgesamt gut 2.390 Gigatonnen CO2 freigesetzt. Das klimatische Ergebnis sind rund 1,1 Grad Erwärmung. Soll die künftige Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden, darf die gesamte Menschheit nur noch maximal 300 Gigatonnen CO2 freisetzen. Für das Zwei-Grad-Ziel bleiben uns noch rund 900 Gigatonnen CO2.
Was aber bedeutet dies konkret für den Klimaschutz? Um dieses Budget einhalten zu können, muss die Menschheit es schaffen, sich auf eine weitgehend CO2-neutrale Wirtschaft und Lebensweise umzustellen. „Um den vom Menschen verursachten Temperaturanstieg auf einem Niveau zu stabilisieren, müssen die anthropogenen CO2-Emissionen Netto-Null erreichen“, heißt es im Bericht. Netto-Null bedeutet, dass zwar noch Emissionen möglich sind, diese aber durch CO2-schluckende Maßnahmen ausgeglichen werden müssen. Möglich wäre dies durch eine aktive Aufforstung oder auch eine aktive Entfernung von CO2 aus der Luft beispielsweise durch Air-Capture-Technologien.
Netto-Null bis Mitte des Jahrhunderts
Auf welchem Niveau der Klimawandel stoppt, hängt davon ab, wann der Menschheit die CO2-Neutralität gelingt: „Um die Begrenzung auf 1,5 Grad Erwärmung zu erreichen, müssen wir bis Mitte des Jahrhunderts die CO2-Emissionen auf Netto-Null reduziert haben“, sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. „Um eine Chance auf die Begrenzung auf zwei Grad Erwärmung zu haben, müsste der CO2-Ausstoß etwa bis 2070 auf Netto-Null sinken.“
Damit ist der Zeitplan für den Klimaschutz im Prinzip vorgegeben – und er wird immer enger. Damit sendet der Weltklimabericht auch deutliche Signale an die kommende Weltklimakonferenz in Glasgow: Für den internationalen Klimaschutz könnte dies die letzte Chance sein, die Phase der Stagnation zu beenden und die Maßnahmen und Ziele wieder auf Kurs zu bringen.
„Wir sind dem Klimawandel nicht passiv ausgeliefert, wir steuern ihn. Wir haben nach wie vor die Wahl, in welchem Szenario wir landen werden“, kommentiert Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Klimasystem ist wie ein Tanker mit langem Bremsweg
Verzögerte Reaktion
Erstmals gibt es im Weltklimabericht genauere Abschätzungen der zeitlichen Dimension von Klimawandel und Klimaschutz. Es wird deutlicher, wie lange das Klimasystem braucht, um auf positive wie negative Einflüsse zu reagieren – und damit auch auf den Klimaschutz.
„Eigentlich können wir dankbar sein, dass das Klima vergleichsweise langsam auf unsere Einflussnahme reagiert und dass Jahrzehnte unserer Emissionen bis jetzt ’nur‘ zu etwa einem Grad Erwärmung geführt haben. Andererseits ist es erschreckend, welche Zerstörungskraft schon ein einzelnes Grad Erwärmung hat, wenn wir uns anschauen, was der Klimawandel bereits heute auf der Erde anrichtet“, kommentiert Klimaforscherin Daniela Domeisen von der ETG Zürich.
Ozeane: Pegelanstieg und Sauerstoffschwund fast irreversibel
Zu den Systemen, deren Veränderung sich über Generationen hinweg nahezu irreversibel fortsetzen wird, gehören die Ozeane. Weil die Meere extrem träge auf die Erwärmung und den erhöhten Eintrag von CO2 reagieren, würde sich selbst ein sofortiger Stopp aller Emissionen erst in Jahrhunderten bis Jahrtausenden auf die Meerestemperaturen, die Versauerung des Tiefenwassers und den Sauerstoffschwund auswirken, so der Bericht. Diese Veränderungen sind daher in diesen Zeiträumen irreversibel.
Gleiches gilt für den Meeresspiegelanstieg: „Durch die anhaltende Erwärmung der tiefen Wasserschichten und die Schmelze der Eiskappen, wird der Meeresspiegel noch über Jahrhunderte bis Jahrtausende weiter ansteigen und dann tausende Jahre hoch bleiben“, schreiben die IPCC-Autoren. Konkret bedeutet dies: Selbst wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt wird, steigen die Pegel global um zwei bis drei Meter. Bei Einhalten des Zwei-Grad-Ziels müssen unsere Nachkommen sogar mit einem Meeresspiegelanstieg von zwei bis sechs Metern rechnen.
Jahrhunderte Reaktionszeit auch für Eispanzer und Permafrost
Ebenfalls mit Verzögerung reagieren die großen Eispanzer Grönlands und der Antarktis. Auch sie werden unabhängig vom Klimaschutz-Szenario bis 2100 weiter schrumpfen, diese Entwicklung wird für Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte nicht rückgängig zu machen sein. „Wir haben bisher immer gesagt, wir können den eisfreien Zustand der Arktis noch verhindern. Jetzt haben wir zum ersten Mal den Fall, dass es dafür voraussichtlich zu spät ist, und wir nur noch die Häufigkeit von eisfreien Sommern begrenzen können“, sagt Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Der Weltklimabericht bestätigt auch, dass der arktische Permafrost zu den langsamen Kipppunkten gehört: Er reagiert so verzögert auf die Klimaveränderungen, dass das Abtauen momentan noch sehr langsam und schleichend erfolgt. „Das Auftauen des Permafrosts und damit verknüpft die Freisetzung seines Kohlenstoffs sind aber in Zeitskalen von Jahrhunderten irreversibel“, so der Bericht. Das aber bedeutet: Die Freisetzung großer Mengen CO2 und Methan aus diesen arktischen Böden wird den Klimawandel auch in Zukunft weiter anheizen.
„Es gibt keine schnelle Belohnung“
So träge, wie viele Komponenten des Klimasystems auf die treibende Kraft der CO2-Emissionen reagieren, so verzögert wird daher auch die Reaktion auf den Klimaschutz ausfallen. Gut erkennbar ist dies am Pandemie-Jahr 2020, wie auch die Autoren des Weltklimabericht aufzeigen: Obwohl die Treibhausgas-Emissionen in der ersten Jahreshälfte 2020 auf einen historisch einmaligen Tiefstand sanken, erreichte der CO2-Gehalt der Atmosphäre noch im gleichen Jahr ein neues Rekordhoch.
Ähnlich wäre es, wenn die Menschheit ihre Netto-Emissionen auf Null herunterschrauben würde. Der Effekt auf die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre wären dem IPCC-Bericht zufolge nach etwa fünf bis zehn Jahren messbar. Wie sich dies aber auf die globalen Temperaturen und damit die Erwärmung auswirkt, können wir erst zehn bis 20 Jahre später eindeutig messen. „Die Erde gleicht einem Tanker mit einem sehr großen Bremsweg“, erklärt Fortunat Joos vom Oeschger Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern.
Für den Klimaschutz bedeutet dies: Wir müssen schnell und nachdrücklich handeln, selbst wenn die Effekte unserer Bemühungen noch lange nicht spürbar werden. „Insofern braucht die globale Gemeinschaft einen langen Atem, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Es gibt keine schnelle Belohnung. Auch das ist eine wichtige Botschaft“, sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Die Ausschläge des Klimapendels werden stärker
Wetterextreme überall
Wir waren gewarnt: Schon seit Jahren prognostizieren Klimaforscher, dass mit der fortschreitenden Erwärmung auch die Wetterextreme mehr und intensiver werden. Weil das Klimapendel immer stärker ausschlägt, werden Hitzetage, Dürren und Starkregen intensiver und häufiger, so die Prognose.
Inzwischen ist klar: Das damals prognostizierte Szenario ist längst Realität – davon zeugen Extremwetter-Katastrophen weltweit. In Deutschland verursachten die durch Starkregen angeschwollene Bäche und Flüsschen katastrophale Überflutungen und zerstörten ganze Ortschaften. Im Westen Nordamerikas, am Mittelmeer und in Sibirien brennen die Wälder und immer wieder treiben Hitzewellen die Temperaturen zu neuen Rekorden.
„Keine Region ist mehr davon verschont“
Im neuen Weltklimabericht liefert die Klimaforschung nun die Hintergründe und Daten zu diesen Ereignissen. Zum einen bestätigt der IPCC, dass solche Wetterextreme tatsächlich messbar zugenommen haben. „Unsere Erkenntnisse zeigen ganz klar, dass Klimaextreme mit zunehmender Erwärmung zunehmen. Das hat schon in der Vergangenheit stattgefunden und das wird noch schlimmer werden mit zunehmender Erwärmung. Wir sehen auch, dass keine Region davon verschont ist“, sagt Sonia Seneviratne von der ETH Zürich, Leitautorin des Extremwetterkapitels.
Demnach ist es so gut wie sicher, dass Hitze-Extreme seit den 1950er Jahren über den meisten Landflächen häufiger und intensiver geworden sind. Ähnliches gilt für Starkregen-Ereignisse. Stark erhöht hat sich auch die Häufigkeit der besonders verheerenden Kombinationen gleich mehrerer Wetterextreme, beispielsweise von Hitze und Dürre, von Wetterbedingungen, die starke Brände begünstigen oder Überflutungen.
Künftige Zunahme quantifiziert
Erstmals quantifizieren die IPCC-Autoren, wie stark der Klimawandel diese Trends vorantreibt. Demnach nehmen extreme Starkregen-Ereignisse mit jedem Grad der Erwärmung um rund sieben Prozent zu. Frühere Jahrhundert-Ereignisse werden dadurch häufiger und erreichen Intensitäten, die mancherorts nie zuvor beobachtet worden sind. Konkret sind Zehnjahres-Starkregen heute 1,3-mal Mal häufiger und 6,7 Prozent nasser als vor 150 Jahren. Bei zwei Grad Erwärmung wird sich dies auf 1,7-mal häufiger und 14 Prozent nasser verstärken.
Ähnliches gilt für Dürren und Hitze: „Jedes halbe Grad mehr verursacht eine spürbare Zunahme in der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen“, heißt es im Bericht. Schon heute sind extreme Hitzetage 2,8-mal häufiger als noch 1850. Bei einer Erwärmung um zwei Grad werden solche Zehnjahres-Hitzerekorde 5,6-mal häufiger vorkommen und 2,6 Grad heißer sein. Eine Jahrhunderthitze wird sogar 13,9-mal häufiger vorkommen, so die Prognosen.
Attribution nicht überall eindeutig
Ursachen für die zunehmenden Wetterextreme sehen die Klimaforscher zum einen in den großräumigen Veränderungen der Zirkulation: „Die massive Erwärmung der Arktis beeinflusst die atmosphärische Dynamik der gesamten Nordhalbkugel – und das zeigt sich an den stagnierenden Wettersystemen und dem veränderten Verhalten des Jetstreams“, konstatiert WMO-Generalsekretär Petteri Talaas. Weil Tief- und Hochdruckgebiete länger über einer Stelle stehen, intensiviert sich das von ihnen bestimmte Wetter.
Parallel dazu beeinflussen auch regionale Faktoren das Wettergeschehen. Dadurch sind Extreme nicht in allen Regionen gleichermaßen sicher dem menschengemachten Klimawandel zuzuordnen, wie der IPCC-Bericht einräumt. Während der menschliche „Fingerabdruck“ beispielsweise bei Starkregen in Europa, Nordamerika und Teilen Asiens deutlich ist, lassen sich extreme Niederschläge in China oder dem Nordwesten Australiens weniger eindeutig unserem Einfluss zuschreiben. Zusammengenommen sei aber ein Großteil der beobachteten Intensivierung der Niederschläge wahrscheinlich vom anthropogenen Einfluss verursacht.
Wie entsteht ein Weltklimabericht?
Hinter den Kulissen
Die Weltklimaberichte sind nicht das Werk einzelner Regierungen, Forschungseinrichtungen oder Interessengruppen, sondern beruhen auf der Arbeit von tausenden Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Für die Berichte werden zehntausende von Fachveröffentlichungen ausgewertet, analysiert und zusammengefasst.
Was sind die Themen des Berichts?
Jeder Weltklimabericht – offiziell als Sachstandsbericht (AR) bezeichnet – besteht aus drei Bänden, die jeweils mit einigen Monaten Abstand veröffentlicht werden. Der erste Band, erstellt von der Working Group 1 (WGI), liefert die naturwissenschaftlichen Grundlagen. In ihm werden aktuelle Klimadaten zusammengefasst, Ursachen und Hintergründe für die Klimaentwicklung beleuchtet und Prognosen für die künftige Entwicklung erstellt. Beim aktuellen 6. Weltklimabericht wurde dieser Teil am 9. August 2021 vorgestellt.
Der zweite Band stellt die Folgen des Klimawandels in den Vordergrund. In ihm geht es beispielsweise darum, wie sich Dürren, Hochwasser oder die allgemeine Erwärmung auf die Nahrungsmittelversorgung, die Wirtschaft und die Gesellschaft auswirken. Auch Möglichkeiten der Anpassung werden beleuchtet. Im dritten Band geht es um den Klimaschutz und konkrete Maßnahmen, durch die der Klimawandel begrenzt werden kann. Die Spanne hier reicht von der Bewertung von Einsparpotenzialen bei den CO2-Emissionen bis zum Geo-Engineering. Band 2 und 3 des aktuellen Weltklimaberichts werden im Jahr 2022 veröffentlicht.
Die Rolle des IPCC
Federführend für die Weltklimaberichte ist der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – der Weltklimarat. Diese 1988 von der Weltwetterorganisation WMO und dem UN-Umweltprogramm UNEP gegründete Institution ist wissenschaftliches Gremium und zwischenstaatlicher Ausschuss zugleich. Seine Aufgabe ist es, das aktuelle Wissen zum Klimawandel zusammenzutragen und damit den Regierungen der 195 Mitgliedsländer eine wissenschaftliche Basis für ihre klimapolitischen Entscheidungen zu liefern.
Der IPCC forscht dafür nicht selbst. Stattdessen werden die Berichte von Fachwissenschaftlern auf Basis schon veröffentlichter Erkenntnisse und Daten erstellt. An einem Berichtsband arbeiten in der Regel 100 bis 250 Forschende als Leitautoren, dazu kommen weitere Experten für spezifische Einzelfragen. Die Leitautoren werden von Regierungen und Beobachterorganisationen vorgeschlagen, die Auswahl erfolgt durch den IPCC. Wichtigstes Kriterium sind die fachlichen Leistungen, außerdem soll das Autorenteam Vertreter möglichst vieler Fachrichtungen innerhalb der Klimaforschung umfassen. Am ersten Teil des aktuellen 6. Sachstandsberichts war ein Kernteam von 234 Wissenschaftlern beteiligt.
Vom Kapitelaufbau zum ersten Entwurf
Als ersten Schritt beschließt das IPCC die Kapitelstruktur des Berichts und damit das Themenspektrum, das abgedeckt wird. Anschließend wird für jedes Kapitel ein Autorenteam zusammengestellt. Diese Teams fassen die wesentlichen Daten und Erkenntnisse ihres Themenbereichs zusammen, als Basis dienten allein für den aktuellen ersten Teil des Weltklimaberichts mehr als 14.000 Fachpublikationen.
„Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die unglaublich vielen Einzelbeiträge am Ende wie Puzzlesteine zu einem Gesamtbild zusammengeführt werden können, das in sich stimmig ist“, erläutert Josef Settele vom Umweltforschungszentrum UFZ, einer der Leitautoren im letzten Klimabericht.
Der erste Entwurf des Berichts wird dann einer ersten Begutachtung durch weitere Wissenschaftler unterzogen. Diese werden nicht ernannt, sondern können sich auf einen öffentlichen Aufruf hin selbst online registrieren. Das stellt sicher, dass keine Auswahl nach Meinungen oder Zugehörigkeiten stattfindet. Weder die Autorenteams noch die begutachtenden Personen werden bezahlt. Die Anmerkungen der Gutachter werden in den Bericht eingearbeitet. Diskrepanzen in den Ansichten, Wissenslücken und Unsicherheiten werden im Bericht vermerkt und sind damit transparent nachvollziehbar.
Vom zweiten Entwurf bis zur Endfassung
Die zweite Fassung des Klimaberichts und ein erster Entwurf der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (Summary for Policymakers) geht in eine zweite fachliche Begutachtungsrunde. Parallel dazu bekommen auch Regierungsvertreter Einblick in den Stand der Arbeit und können ihre Kommentare abgeben. Auch diese Anmerkungen werden nun integriert und es entsteht die endgültige Fassung des Sachstandsberichts.
Der letzte Schritt erfolgt im Rahmen einer Plenarsitzung, an der die Leitautoren und Regierungsvertreter der 195 Mitgliedsstaaten teilnehmen. In dieser mehrtägigen Sitzung wird die Zusammenfassung für Entscheidungsträger Zeile für Zeile geprüft und verabschiedet.
Wichtig jedoch: Die Regierungsvertreter haben keinerlei Einfluss auf die Inhalte des Sachstandsberichts. Sie diskutieren und verabschieden nur die Zusammenfassungen. Dabei dürfen Regierungen zwar Formulierungen und Änderungen vorschlagen. Inhaltlich haben aber die Wissenschaftler auch bei diesen Zusammenfassungen das letzte Wort.
Arbeit unter Pandemiebedingungen
Beim aktuellen Weltklimabericht fand die Arbeit der Autorenteams unter erschwerten Bedingungen statt: Statt sich in Arbeitsgruppen und Sitzungen direkt miteinander abzustimmen und Inhalte und Formulierungen zu diskutieren, musste ein Großteil der Arbeit wegen der Corona-Pandemie virtuell abgewickelt werden.
„Die Pandemie, die Lockdowns und die wirtschaftliche Zusammenbrüche kamen auch für uns unerwartet“, sagte IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee zur Eröffnung des Abschlussplenums am 26. Juli 2021. „Aber inmitten dieser Umwälzungen haben die Wissenschaftler ihre Arbeit für den IPCC trotzdem fortgesetzt. Dies erforderte unzählige virtuelle Meetings über Zeitzonen hinweg und brachte erhebliche Beeinträchtigungen der Arbeitsrhythmen und des Alltags mit sich – vor allem in den letzten 16 Monaten, als wir die endgültige Fassung erstellt haben.“