Wie man Kohlendioxid aus Abgas und Atmosphäre entfernen kann
CO2-Capture – aber wie?
Ohne das gezielte Abfangen von Kohlendioxid aus Abgasen und der Luft wird der Klimawandel nicht zu stoppen sein – das räumt auch der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht ein. Doch das CO2-Capture hat seine Tücken: Noch sind die Verfahren teuer und gerade bei geringeren CO2-Gehalten wenig effektiv. Weltweit laufen aber erste Tests mit neuen Technologien.
Die Idee hinter dem Carbon-Capture ist naheliegend: Solange es nicht gelingt, die Industrien und Energiegewinnung komplett zu dekarbonisieren, wird CO2 freigesetzt. Will man verhindern, dass dieses Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt, muss man es spätestens im Schornstein abscheiden und anderweitig weiterverarbeiten oder speichern. Aber wie trennt man das CO2 von den restlichen Gasen? Und welche Methoden wären auch für ein Air-Capture – das Abscheiden von CO2 direkt aus der Atmosphäre geeignet?
CO2-Capture als "Lückenfüller" im Klimaschutz
Warum das Ganze?
Die Fakten sind klar: Wenn die Menschheit den Klimawandel auf ein halbwegs erträgliches Maß begrenzen will, darf der Kohlendioxidwert der Atmosphäre nicht weiter ungebremst ansteigen. Schon jetzt liegt der CO2-Gehalt im Jahresmittel bei gut 411 parts per million (ppm), im Schnitt kommen jedes Jahr 2,5 bis 2,9 ppm hinzu – und heizen den Treibhauseffekt weiter an.
Begrenztes CO2-Budget
Ebenso klar sind die theoretisch nötigen Maßnahmen: Die Menschheit muss ihren CO2-Ausstoß innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf Netto-Null reduzieren. Das uns noch bleibende CO2-Emissions-Budget ist dabei überschaubar: Nach Angaben des aktuellen Weltklimaberichts darf die gesamte Menschheit nur noch maximal 300 Milliarden Tonnen CO2 freisetzen, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden soll. Zum Vergleich: Zurzeit liegt der globale Jahres-Ausstoß von CO2 bei rund 36 Milliarden Tonnen. Rein theoretisch bleiben uns demnach noch knapp zehn Jahre, bevor die Grenze überschritten ist.
Für das Zwei-Grad-Ziel liegt das Emissionsbudget laut IPCC bei rund 900 Gigatonnen CO2. Das verschafft uns etwas mehr Zeit, die wir aber mit schwerwiegenderen Klimafolgen erkaufen werden. Doch der Umbau unserer Industrie, Wirtschaft und Energiesysteme ist nicht einmal annähernd weit genug fortgeschritten, um schon in naher Zukunft alle CO2-Emissionen zu vermeiden. Selbst bei ambitioniertestem Klimaschutz werden wir mehr Zeit brauchen als zehn Jahre.
Aus dem Abgas oder der Luft einfangen
An diesem Punkt kommt das Carbon Capture ins Spiel – das gezielte Einfangen von CO2 entweder aus Abgasen oder direkt aus der Luft. Im ersten Fall wird das Treibhausgas vor dem Verlassen des Schornsteins aus dem Abgasstrom einer Fabrik oder eines Kraftwerks herausgefiltert. Das CO2 wird damit aus den Emissionen entfernt, bevor es in die Atmosphäre gelangen kann. Weltweit gibt es bereits mehr als 20 kommerzielle Anlagen, die ein solches CO2-Capture aus Abgas in größerem Maßstab betreiben, dazu kommen zahlreiche kleinere Pilotanlagen. Zusammen schätzt die International Energy Agency (IEA) ihre Kapazität auf rund 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Beim sogenannten Direct-Air-Capture (DAC) wird das CO2 nicht an der Quelle angefangen, sondern aus der Umgebungsluft wiedergewonnen. Das DAC soll so dazu beitragen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre quasi im Nachhinein zu senken. Zurzeit gibt es nach Angaben der IEA rund 15 DAC-Anlagen in Europa, den USA und Kanada. Unter ihnen ist eine 2017 eröffnete Pilotanlage der Firma Climeworks in der Schweiz sowie eine größere Anlage auf Island, die jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft zieht und es in Form von Carbonatgestein im Untergrund bindet.
Chance für „hartnäckige“ Industrien
Ein besonders großes Potenzial für das Carbon-Capture „im Schornstein“ – Post-Combustion – sehen Experten vor allem dort, wo CO2-Emissionen mit heutiger Technologie nur schwer zu reduzieren sind. Dies gilt vor allem für die Zementindustrie, die für rund acht Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Das CO2 entsteht dort zum einen bei der nötigen Umwandlung des Rohkalks (CaCO3) in Branntkalk (CaO), zum anderen beim anschließenden Brennprozess.
„Carbon Capture und Nutzung ist buchstäblich die einzige skalierbare Technologielösung, um starke Emissionsminderungen bei der Zementproduktion zu erzielen“, heißt es in einem aktuellen Bericht der International Energy Agency (IEA). Denn zwei Drittel des anfallenden CO2 sind dort chemisch bedingt und können daher kaum vermieden werden.
Aber auch für die Stahlindustrie und einige Bereiche der chemischen Industrie könne das Abfangen von CO2 eine wichtige Übergangslösung darstellen. „Die Implementierung des CO2-Capture steigert die Kosten bei der Stahlproduktion um weniger als zehn Prozent, während die auf Wasserstoff aus Elektrolyse basierenden Ansätze 35 bis 70 Prozent teurer werden“, so die IEA. Hinzu kommt, dass kurzfristig nicht genügend „grüner“ Wasserstoff erzeugt werden kann, um die wasserstoffbasierte Stahlproduktion in großem Stil zu ermöglichen.
Allerdings: Wie effektiv und günstig das CO2-Capture ist, hängt stark davon ab, aus welcher Gasmischung das CO2 abgetrennt werden soll und mit welcher Methode…
Abtrennung von CO2 durch flüssige Absorber
Einfach rauswaschen
Wie schafft man es, das CO2 aus einem Gemisch verschiedener anderer Gase abzutrennen? Diese Frage ist für das Carbon-Capture zentral – und bestimmt zu einem nicht geringen Maße auch die Kosten für diese Abscheidung des Treibhausgases.
Je höher der CO2-Gehalt, desto einfacher
Am einfachsten ist die CO2-Abscheidung bei Fabriken, die Ethanol oder Ammoniak herstellen, und in der Erdgasaufbereitung. Denn hier ist das Gas mit wenig anderen Komponenten gemischt und sein Anteil im Abgas liegt typischerweise bei mehr als 80 Prozent. Im einfachsten Fall reicht es diesem Fall aus, das CO2 durch physikalische Methoden abzuscheiden – beispielsweise durch cryogenische Destillation, bei der die Gase durch „Ausfrieren“ auf Basis ihres unterschiedlichen Kondensationsverhaltens getrennt werden.
In der Öl- und Gasindustrie sind Verfahren der CO2-Abscheidung schon seit den 1970er Jahren gängig – mit Klimaschutz hat das allerdings nichts zu tun. Denn das Carbon-Capture ist hier eine ganz praktische Notwendigkeit. Zum einen dient es dazu, das Methan aufzureinigen, in dem der CO2-Anteil des geförderten Gases vor der Weiterleitung gesenkt wird. Zum anderen wird CO2-Gas benötigt, um im Untergrund verbleibendes Erdgas zu verdrängen und auszutreiben.
Aminwäsche – der Klassiker
Die Methode der Wahl für diese CO2-Abscheidung ist meist die Aminwäsche, beispielsweise mit Monoethanolamin (C2H7NO). Bei diesem schon 1930 patentierten Trennprinzip strömt das zu reinigende Gas unter erhöhtem Druck durch einen Behälter, in den fein verteilte Tröpfchen des Amin-Absorbers eingesprüht werden. Das CO2 löst sich erst im Wasser und wird dann durch eine chemische Reaktion mit Monoethanolamin gebunden. Das restliche Gas – beispielsweise Methan – ist dadurch gereinigt.
Im zweiten Schritt wird die mit gebundenem CO2 beladene Aminlösung erhitzt und unter niedrigerem Druck dekomprimiert. Dies begünstigt die Gegenreaktion, bei der das CO2 wieder frei wird und weiterverarbeitet oder gespeichert werden kann. Das Amin kann ebenfalls abgeleitet und erneut zur Wäsche genutzt werden – der Kreislauf ist geschlossen.
Mithilfe einer solchen Aminwäsche trennt unter anderem das Sleipner-Projekt vor der norwegischen Küste CO2 vom geförderten Erdgas ab und leitet es in eine unterseeische Salzformation. Das 1996 begonnene Projekt zur CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) hat inzwischen mehr als 16 Millionen Tonnen CO2 auf diese Weise isoliert und gespeichert.
Schwieriger bei Rauchgas
Das Problem jedoch: Die Aminwäsche eignet sich zwar gut für vergleichsweise saubere Abgase mit hohen CO2-Anteilen. Aber das Rauchgas der meisten Industrieanlagen und Kraftwerke entspricht diesen Vorgaben nicht, weil es relativ viele Stickoxide (NOx) und schwefelhaltige Gase (SOx) enthält. Diese Gase und auch Sauerstoff reagieren mit dem Amin und mindern so die Effizienz der CO2-Bindung. Zudem geht dadurch ständig Absorber verloren und muss ersetzt werden. Soll dies verhindert werden, muss das Abgas erst entschwefelt und von Stickoxiden gereinigt werden, bevor das Carbon-Capture greift.
Hinzu kommt, dass die Abscheidung umso energiehungriger und teurer wird, je weniger CO2 im Ausgangsgas enthalten ist. Beim hochkonzentriertem Abgas wie in der Erdgasaufbereitung liegen die Kosten nach Schätzungen der International Energy Agency (IEA) bei nur rund 15 bis 25 US-Dollar pro Tonne abgeschiedenem CO2. Beim Rauchgas der Zement- oder Stahlindustrie kann dies bis auf 120 US-Dollar pro Tonne CO2 ansteigen, weil deren Abgase „nur“ rund 15 bis 30 Prozent CO2 enthalten.
Noch teuer ist das Ganze für die stark „verdünnten“ Gasströme von Kraftwerken: Sie enthalten typischerweise weniger als 15 Prozent CO2. Um dieses Gas möglichst vollständig aus dem Gemisch abzutrennen, muss die selektive Absorption deutlich erhöht werden und auch die Desorption des CO2 vom Amin-Lösungsmittel wird energieaufwendiger. Bisherigen Tests zufolge senkt diese Form des Carbon-Capture den Wirkungsgrad von Kraftwerken dadurch um bis zu 15 Prozent.
Es ist daher wenig verwunderlich, dass es weltweit nur zwei größere kommerzielle Kraftwerke gibt, die CO2 im Routinebetrieb abscheiden. Eines davon ist das Braunkohle-Kraftwerk Boundary Dam im kanadischen Saskatschewan, das 2014 eine seiner vier Einheiten mit einer Aminwäscheanlage für das CCS ergänzte. Sie soll bis zu einer Million Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden haben. Allerdings erwies sich die Anlage als pannenanfällig und wenig rentabel, so dass die Betreiber inzwischen angekündigt haben, ihre restlichen Einheiten nicht auf gleiche Weise umzurüsten.
In Deutschland haben mehre Kraftwerke schon vor rund zehn Jahren mit Pilotanlagen zur Post-Combustion-Abscheidung experimentiert. Die meisten dieser Aminwäsche-Testanlagen sind allerdings nicht mehr in Betrieb. Einzige Ausnahme ist das Braunkohle-Kraftwerk Niederaußem, das seit 2009 an einem Kraftwerkblock einen Teil des CO2 mittels Aminwäsche abscheidet. Dabei werden verschiedene Amin-Lösungen auf ihre Eignung und Effizienz getestet. Einige Varianten sollen bereits einen um 20 Prozent niedrigeren Energieaufwand erzielt haben als die klassische Aminwäsche mit Monoethanolamin.
Carbon-Capture mit Molekülkäfigen
Feststoffe als CO2-Fänger
Parallel zu Versuchen, die Aminwäsche zu optimieren, experimentieren zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen auch mit anderen Verfahren des CO2-Capture. Zu diesen gehört der Einsatz von Feststoffen wie Silikaten, Zeolithen oder metallorganischen Gerüstverbindungen, die mit Amingruppen zu CO2-Fängern umgerüstet werden.
Mit metallorganischen Gerüsten gegen das CO2
Als ein vielversprechender Ansatz für das Carbon-Capture gelten metallorganische Gerüstverbindungen (Metal Organic Frameworks, MOF). Diese porösen, oft kristallinen Feststoffe bestehen aus einem organischem Kohlenwasserstoff-Gerüst in das Metallionen über Komplexbindungen eingeklinkt sind. Die käfigartige Struktur der MOFs und die in ihnen eingebundenen Verbindungen lassen sich so maßschneidern, dass die Gerüste selektiv nur bestimmte Moleküle einschließen. Sie können beispielsweise zum Wasserstofftransport dienen, aber eben auch als CO2-Fänger.
Ein Vorteil der festen Absorber ist ihre Kompaktheit: Sie haben ein hohes Absorptionstempo und können mehr CO2 pro Volumeneinheit binden als flüssige Lösungen, so dass solche Abgasreinigungssysteme kleiner und kostengünstiger wären als Aminwäscheanlagen. Ein weiteres Plus: Das in diesen Feststoffen gebundenen CO2 kann unter geringerem Energieaufwand wieder abgetrennt werden als bei der Aminwäsche. Meist genügen schon moderate Hitze oder ein Vakuum dafür. Das senkt die Kosten.
Fänger auch für „nasse“ Abgase gesucht
Bisher allerdings hatten diese Gerüstverbindungen einen großen Nachteil: „Sie funktionieren nicht gut, wenn sie nassen Rauchgasmischungen ausgesetzt sind, wie es für reale Anwendungen typisch ist“, erklärt Seda Eskin von der Universität Istanbul in einem „Nature“-Kommentar. Denn die Abgase von Kraftwerken oder Industrieanlagen enthalten meist auch beträchtliche Mengen Wasserdampf. „Das Wasser konkurriert mit dem CO2 um dieselben Absorptionsorte in den MOFs und das stört die Selektivität.“
Doch 2019 gelang es einem Forschungsteam um Peter Boyd von der Polytechnischen Hochschule Lausanne, nach der computergestützten Analysen von 325.000 metallorganischen Gerüstverbindungen, 35 MOFs mit selektiver CO2-Bindung zu identifizieren. Diese Gerüste besitzen spezielle Molekülringe, an die nur CO2 anlagert, nicht aber H2O. Dadurch können sie auch bei „nassen“ Gasmischungen CO2 binden.
In praktischen Tests waren vor allem zwei dieser MOFs deutlich effektiver als gängige CO2-Filter aus Zeolit 13X oder Aktivkohle. „Die Feuchtigkeit im Abgas hatte nur einen minimalen Einfluss auf die Einfangkapazität von Al-PMOF, beim Al-PyrMOF nahm die Absorptionsfähigkeit sogar zu“, berichten Boyd und sein Team. Sollten sich diese Verbindungen auch in Industrieversuchen bewähren, könnten sie eine weitere Möglichkeit für das CO2-Capture bieten.
Abscheidung durch Membranen
Filter für das CO2
Eine weitere Möglichkeit, Feststoffe zum Carbon-Capture einzusetzen ist die Membranfilterung. Anders als bei festen oder flüssigen Absorbern beruht die Abscheidung des CO2 nicht auf einer selektiven Bindung des CO2, sondern einer selektiven Diffusion: Die Membran ist semipermeabel und lässt CO2 durch, nicht aber andere Gase.
Trennung durch selektive Permeabilität
Der große Vorteil: Anders als bei Absorber-Abscheidungen kann die Membran dauerhaft im Einsatz bleiben, ohne dass ein energieaufwendiger Resorptionsschritt eingeschaltet werden muss. „Verglichen mit anderen konventionellen CO2-Capture-Methoden haben Membranen den Vorteil eines kleineren Footprints und einer vergleichsweise einfachen Installation und Operation“, erklären Shigenori Fujikawa von der Kyushu Universität und seine Kollegen.
Allerdings ist die Membran-Abscheidung nur dann effizient, wenn die Membran ausreichend selektiv und durchlässig für CO2 ist und wenn das CO2-Konzentrationsgefälle zwischen den beiden Seiten der Membran ausreichend groß ist. In der Praxis bedeutet dies bisher häufig, dass der Abgasstrom für eine möglichst vollständige CO2-Abtrennung vor der Membranpassage komprimiert werden muss oder aber eine Pumpe auf der Rückseite für den nötigen Sog sorgen muss. Weltweit arbeiten Forschungsteams aber daran, die Membranen so zu optimieren, dass sie auch ohne aufwändige Begleitanlagen arbeiten.
Optimiert auch fürs Rauchgas
Filtermembranen sind schon länger zur Abtrennung von relativ homogenen Gasen in der chemischen Industrie oder bei der CO2-Abscheidung aus Biogas oder Syngas. Meist handelt es sich dabei um spezielle Polymere, deren Porengröße und chemische Eigenschaften für die selektive Durchlässigkeit für CO2 sorgen. Mehrere Unternehmen haben bereits neuartige Polymermembranen entwickelt, die auch für das CO2-Capture aus Rauchgas geeignet sein sollen.
Eine Pilotanlage mit einer dieser Membranen, Polaris von der Firma MTR, wird zurzeit in einem Kraftwerk in Wyoming für einen großtechnischen Versuch installiert. Sie soll eine zehnmal höhere selektive Permeabilität für CO2 haben als gängige Gasabscheide-Membranen und rund 70 Prozent des CO2 aus dem 85 Grad heißen Rauchgas des Kraftwerks filtern. Das Rauchgas enthält vor der Abscheidung gut zwölf Prozent CO2 und 18 Prozent Wasserdampf.
Graphen als Membran-Basis
Auf eine ganz neue Membrantechnologie setzen dagegen Forscher um Kumar Agrawal von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL). Sie nutzen eine nur eine Atomlage dicke Graphenschicht, an die maßgeschneiderte Polymerketten angehängt sind – die gesamte Filtermembran ist nur 20 Nanometer dünn. „Nanoporöses Graphen durch CO2-selektive Polymerketten zu funktionalisieren, erlaubt es uns, ultradünne und trotzdem selektive Membranen herzustellen“, sagt Agrawal.
Nach Angaben des Forschungsteam erzielten diese Verbundmembranen aus Graphen und Polymeren in Tests eine mehr als sechsfach höhere Permeabilität als die zurzeit gängigen Membranfilter. „Die zweidimensionale Natur der Graphenmembran erhöht die Permeabilität für CO2 drastisch, was die Membranfilterung noch attraktiver für das Carbon-Capture macht“, so Agrawal.
Noch sind die verschiedenen Membranvarianten für das CO2-Capture im Teststadium. Viele Experten halten diese Filtertechnologie aber für eine der vielversprechendsten, weil sie sich als eine der günstigen und am vielseitigsten einsetzbaren Lösungen für die CO2-Abscheidung erweisen könnte. Einigen Unternehmen zufolge könnten ihre Membranlösungen künftig ein Carbon-Capture für nur 20 bis 40 US-Dollar pro Tonne CO2 ermöglichen.
Auch fürs CO2-Capture aus der Luft geeignet
Sogar an Membranen für das Direct-Air-Capture (DAC), das wegen des minimalen CO2-Gehalts der Luft ungleich schwieriger und teurer ist, wird bereits geforscht. Weil die Atmosphäre nur gut 400 ppm CO2 enthält – 0,04 Prozent – müssen die Membranen für eine CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft durchlässiger und selektiver sein als die bei Rauchgasen verwendeten. „Die Durchlässigkeit ist der Schlüsselfaktor dafür, dass ein membrangestütztes DAC praktikabel wird“, erklärt Shigenori Fujikawa. Gemeinsam mit seine Kollegen hat er untersucht, welche Eigenschaften eine solche Membran haben muss und wie machbar ein membrangestütztes DAC wäre.
Ihren Berechnungen zufolge dürften Membranen für eine CO2-Abscheidung aus der Luft nicht dicker sein als rund 100 Nanometer und müssen eine Durchlässigkeit von mindestens 10.000 GPU (Gas Permeance Unit) aufweisen. Zum Vergleich: Die am stärksten optimierte Graphenmembran der EPFL-Forscher erreichte eine Durchlässigkeit von rund 11.700 GPU. Der Druck auf der Seite der einströmenden Luft sollte mindestens 30 Prozent höher liegen als auf der Rückseite der Membran – dieser Faktor bestimmt, wie viel Energie für das Abpumpen benötigt wird.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann könnten sich Membranen durchaus als praktikable und günstige Methode des Direct-Air-Capture erweisen, sagen Fujikawa und seine Kollegen. „Um beispielsweise eine Tonne CO2 pro Tag aus der Luft zu entfernen, bräuchte man weniger als 5.000 Quadratmeter Membranfläche“, so das Team. „In einer Anlage mit mehrere Schichten installiert, ergäbe dies einen Würfel von nur 2,50 Meter Kantenlänge.“
Carbon-Capture mit Sauerstoff und Kalk
Oxyfuel und Calcium-Looping
Eine weitere Technologie, die schon seit mehrere Jahren für das Carbon-Capture erforscht wird, ist das Oxyfuel-Verfahren. Anders als andere Abscheidungsmethoden zielt dieses nicht darauf ab, CO2 aus dem Abgasstrom einer Industrieanlage oder eines Kraftwerks zu entfernen. Stattdessen soll das Abgas von vornherein so verändert werden, dass möglichst wenig andere Gase wie Stickoxide und Schwefeldioxid anfallen und fast reines CO2 entsteht.
Reiner Sauerstoff als Verbrennungshelfer
Für das Oxyfuel-Verfahren als nachgeschalteten Prozess wird das Rauchgas des Kraftwerks oder der Fabrik in einen Brennofen geleitet und dort unter Zuführung reinen Sauerstoffs noch einmal verbrannt. Das Resultat ist ein Abgas, das aus gut 90 Prozent CO2 und aus Wasserdampf sowie einen geringen Restgasanteil besteht. Der Wasserdampf kann auskondensiert werden, so dass am Ende fast reines CO2 übrig bleibt, das weiterverarbeitet oder gespeichert werden kann – soweit die Theorie.
In der Praxis allerdings ist auch die Abscheidung von CO2 durch Oxyfuel mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Vor allem die Gewinnung und Bereitstellung von reinem Sauerstoff für die Rauchgasverbrennung treibt die Kosten in die Höhe, hinzu kommen zusätzliche Reinigungsschritte, um Restgase zu entfernen. Eine von 2008 bis 2014 im Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe in Brandenburg betriebenen Oxyfuel-Pilotanlage zeigte, dass dieses Verfahren bei Kohlekraftwerken zu Wirkungsgrad-Einbußen von acht bis 14 Prozent führt. Oxyfuel war damit nicht weniger kostenintensiv und aufwendig als gängige CO2-Abscheidung durch Aminwäsche und Co..
Option für die Zementindustrie?
Als deutlich lohnender könnte sich die CO2-Abscheidung mittels Oxyfuel-Technologie allerdings in der Zementindustrie erweisen – sie ist immerhin für acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bei der Zementherstellung wird die Oxyfuel-Verbrennung nicht erst beim Rauchgas am Ende der Prozesskette eingesetzt, sondern schon beim Brennen des Zementklinkers. Für dieses wird das gemahlene Calciumoxid zusammen mit Silikaten und Eisenoxiden in Drehöfen bis auf 1.450 Grad erhitzt.
Für das Oxyfuel-Verfahren wird statt heißer Umgebungsluft reiner Sauerstoff in die Klinker-Brennöfen eingeleitet. Dadurch entsteht als Abgas nahezu reines CO2. Eine erste Demonstrationsanlage für diesen Prozess soll demnächst in Mergelstetten in Baden-Württemberg entstehen. Hier will ein Zusammenschluss von vier europäischen Zementherstellern die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit von CO2-Capture beim Klinkerbrennen mittels Oxyfuel erproben. Das in dieser Anlage gewonnene CO2 soll dann in einem nächsten Schritt in synthetische Kraftstoffe umgewandelt werden.
Calcium-Looping und Oxyfuel zusammen
Eine weitere Variante des Carbon-Capture in der Zementindustrie ist eine Kombination aus Oxyfuel-Verbrennung und CO2-Abscheidung durch das sogenannte Calcium-Looping. Diese Methode testen Forscher zurzeit im EU-Projekt CLEANKER. Beim Calcium-Looping wird ein Teil des im Rohzement enthaltenen Branntkalks (Calciumoxid, CaO) als CO2-Absorber eingesetzt. Dafür wird Rauchgas in einen sogenannten Karbonator geleitet, in dem das CO2 mit dem Calciumoxid zu Calciumkarbonat (CaCO3) reagiert und so gebunden wird.
Das dabei entstehende Calciumkarbonat ist nichts anders als Rohkalk und wird gemeinsam mit dem normalen Kalksteinmehl zurück in den Kalzinierungsofen transportiert, wo das Oxyfuel-Verfahren zum Einsatz kommt: Statt normaler Luft wird reiner Sauerstoff genutzt, um die bei rund 900 Grad stattfindende Reaktion des Calciumkarbonats (CaCO3) zu Calciumoxid durchzuführen. Dabei wird fast reines CO2 frei, das nun abgeleitet und weiterverarbeitet oder gespeichert werden kann.
„Hohe CO2-Abscheidung mit einem geringen Energieaufwand“
Ein erster großtechnischer Test dieser Kombi-Methode wurde im Oktober 2020 im italienischen Zementwerk Buzzi Unicem in Vernasca begonnen. Ziel ist es, mit dieser Demonstrationsanlage rund 4.000 Kubikmeter Abgas pro Stunde zu reinigen. „Obwohl es weniger modern ist, birgt CLEANKER das Potenzial, eine hohe CO2-Abscheidung mit einem geringen Energieaufwand und geringen wirtschaftlichen Auswirkungen zu erreichen“, erklärt Projektkoordinatorin Martina Fantini vom Energie- und Umweltlabor Piacenza (LEAP). „Dies ist der Verwendung von konventionellem Rohmehl als CO2-Sorptionsmittel und der starken thermischen Integration zu verdanken, die den Brennstoffverbrauch deutlich reduziert.“
Nach Ansicht der Forscherin eignet sich diese Technologie in besonderem Maße, um bestehende Zementwerke umzurüsten. „Unsere Technologie bietet mehrere Vorteile für bestehende Zementwerke. Erstens erfordert die Nachrüstung keine Änderungen am Drehrohrofen der Anlage, der die wichtigste Komponente in jedem Zementwerk ist“, so Fantini. „Zum anderen handelt es sich bei dem am Ende des CO2-Abscheidungsprozesses produzierten Sorptionsmittel um dasselbe Rohmaterial, wie es für die Klinkerproduktion verwendet wird.“ Wie wirtschaftlich diese Methode des Carbon-Capture tatsächlich ist, muss sich allerdings erst nach dem großtechnischen Testeinsatz zeigen.