Was leisten die kleinen Atomkraftwerke und wie funktionieren sie?

Small Modular Reactors

Atomkraft
Atomreaktoren im kleinen Maßstab sollen die Kernkraft wieder salonfähig machen. © davidhills / Getty Images

Klimawandel, Ukrainekrieg, Gaskrise: In wechselhaften Zeiten scheint eine verlässliche Quelle für Energie unabdingbar zu sein. Während Deutschland vorerst am Atomausstieg festhält, wollen andere Länder wie Frankreich, China und die USA in den kommenden Jahren stärker auf Kernkraft setzen. Ihre Hoffnung liegt dabei vor allem auf sogenannten Small Modular Reactors, die in großer Stückzahl jeweils einen Bruchteil der Energie eines großen Atomkraftwerkes produzieren. Wie funktioniert die Technologie und kann sie eine echte Lösung bieten?

Weltweit sind derzeit etwa 440 Kernkraftwerke in Betrieb. Sie liefern meist mehrere Tausend Watt Leistung und müssen rund um die Uhr versorgt und überwacht werden. Besonders in Gebieten mit einer schwachen Infrastruktur, wie beispielsweise einer instabilen Stromversorgung, ist der Einsatz solcher Kraftwerke daher nicht immer sicher. Eine dezentrale und theoretisch wartungsarme Alternative aus den 1950er Jahren könnte derzeit wiederbelebt werden: Small Modular Reactors.

Ursprünglich wurde die Idee als Antrieb für Atom-Uboote entwickelt – heute soll sie helfen, das aufkommende Energieproblem zu lösen. Doch wie funktionieren die kleinen Flüssigsalz- und Natrium-Reaktoren? Und welche Probleme kommen auf die Betreiber zu?

Was sind SMRs und was versprechen sie?

Ein Weg aus der Energiekrise?

Obwohl der Klimawandel weiter voranschreitet, kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Deutschland eher schleppend voran. Um trotzdem von fossilen Energieträgern loszukommen, scheint ein Aufschub des Atomausstiegs nach Ansicht einiger Menschen deshalb eine praktikable Zwischenlösung zu sein. Auch andere Länder, wie die USA oder Frankreich, wollen stärker auf Atomstrom setzen, um ihre Klimaziele zu erreichen.

Große Eintrittsbarrieren

Aktuell produzieren 30 Länder Atomstrom. Laut der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) interessieren sich aber mehr als zwei Dutzend weitere Staaten für die Nutzung der Kernkraft. Ein Problem hierbei: Die Voraussetzungen dafür sind bei weitem nicht in jeder Region gegeben. Das hängt damit zusammen, dass aktuell sehr große und anspruchsvolle Atommeiler gebaut werden. Sie nehmen nicht nur viel Platz ein, sondern benötigen auch eine stabile Infrastruktur, wie eine gesicherte Strom- und Wasserversorgung. Auch personell ist eine gewisse Expertise von Nöten, um die Sicherheit der Kraftwerke zu garantieren.

Hinkley Point C
Moderne Atomkraftwerke, wie das Hinkley Point C (hier als Modell) sind kostenintensiv und benötigen eine ausgeprägte Infrastruktur. © gov.uk / gemeinfrei

Neben all dem stellen die hohen Investitionskosten eine weitere Barriere dar. So wird das sich aktuell noch in Bau befindliche französische Atomkraftwerk in Flamanville voraussichtlich fast 20 Milliarden Euro kosten – obwohl anfangs nur drei Milliarden Euro veranschlagt wurden. Das britische AKW-Projekt Hinkley Point C wird aktuell auf knapp 27 Milliarden Euro geschätzt, was rund sechs Milliarden Euro über dem Kostenvoranschlag liegt.

Die Lösung aller Probleme?

All das soll mit den Small Modular Reactors (SMR) kein Problem mehr darstellen. Die Idee: Anstelle von wenigen großen Atomkraftwerken kommen viele kleine zum Einsatz. Diese liefern dann dezentral jeweils einen Bruchteil der Leistung und sind dadurch nicht nur standorttechnisch flexibler, sondern sollen auch mehr Sicherheit bieten. Das Grundkonzept ist dabei nicht neu: Bereits in den 1950er Jahren gab es die Idee, die Stromversorgung mit einem Netz aus Kleinreaktoren zu sichern – damals scheiterte es jedoch an der technischen Umsetzbarkeit.

Nach mehreren Versuchen, das Konzept wiederaufleben zu lassen, scheint es nun jedoch Realität zu werden. Aktuell werden rund 70 verschiedene Modelle von unterschiedlichen Herstellern entwickelt. Auch wenn im Moment noch kein kommerzieller SMR in Betrieb ist, befinden sich laut IAEO etwa 80 Projekte in der Planungs- oder Bauphase. Unter anderem in China wurden allerdings bereits Forschungsreaktoren in Betrieb genommen – die Serienreife soll bis 2030 erfolgen.

Kleine Leistung, große Stückzahl

Im Schnitt liefert ein solcher Kleinreaktor zwischen 100 und 300 Megawatt Leistung – es gibt aber auch Modelle, die 400 Megawatt oder nur 30 Megawatt bringen. Die größten Kernkraftwerke der Welt liefern dagegen bis zu 3.500 Megawatt, der Schnitt liegt aber eher bei 1.500 Megawatt Leistung. Grob überschlagen können also fünf bis sieben SMRs ein konventionelles Atomkraftwerk ersetzen.

Um die etwa 440 Kernkraftwerke, die aktuell weltweit in Betrieb sind, zu ersetzen und die Versorgung mit Atomstrom noch weiter auszubauen, müssten demnach also tausende von Kleinanlagen hergestellt werden. Das soll nach Angaben der Anbieter dieser Technologie aufgrund der Modularität der Konzepte allerdings kein Problem darstellen. Durch die geringe Größe der SMRs sollen sie in Fabriken am Fließband produziert, vor Ort zusammengebaut und schließlich an den Einsatzort transportiert werden können. Die Serienanfertigung soll dabei auch eine Wirtschaftlichkeit garantieren.

Neben den bereits verbreiteten Druckwasserreaktoren, die schlichtweg runterskaliert werden, stehen bei den SMRs vor allem natriumgekühlte und Flüssigsalz-Reaktoren im Fokus. Wie funktionieren diese Konzepte?

Hohe Sicherheit und Thorium als Brutmittel

Flüssigsalzreaktoren

Ein Kraftwerktyp der vierten AKW-Generation, die sich derzeit noch in der Entwicklung befindet, sind die sogenannten Flüssigsalzreaktoren. Bei ihnen kommen anstelle des üblicherweise verwendeten Wassers flüssige Salze als Kühlmittel zum Einsatz.

Das hat unter anderem den Vorteil, dass der Druck im Inneren des Reaktors verhältnismäßig gering bleibt, wodurch das Sicherheitsrisiko deutlich verringert werden kann. Bei einem GAU in einem Druck- oder Siedewasserreaktor sorgt nämlich die schlagartige Freisetzung des kontaminierten Wassers für die höchste Strahlenbelastung der Umgebung. So zerstörten beim Atomunfall von Fukushima im Jahr 2011 beispielsweise Explosionen des aus dem heißen Wasserdampf gebildeten Wasserstoffs mehrere Reaktorgebäude, wodurch kontaminiertes Material in die Umgebung gebracht wurde.

Flüssige Salze bringen viele Vorteile

Um das zu verhindern, werden im Flüssigsalzreaktor Brennstoff und Kühlmittel vereint. Wie bei den herkömmlichen Reaktoren kommt auch hier hauptsächlich Uran-235 als Brennstoff zum Einsatz. Zusätzlich kann auch das waffenfähige Plutonium-239 als Antriebsmittel verwendet werden, das bei der Verschrottung von Kernwaffen anfällt. Im Gegensatz zur Verwendung in Brennstäben werden die radioaktiven Stoffe jedoch nicht als Oxide, sondern als Fluorid- oder Chlorid-Salze dem Kühlmittel direkt beigemengt.

FLiBe
Flüssiges Lithium-Beryllium-Fluorid ist nahezu durchsichtig. Das beigemischte Uran-Tetrafluorid bringt die sichtbare grünliche Färbung mit sich. © gemeinfrei

Das aktuell wohl vielversprechendste Kühlmittel ist eine Mischung aus gleichen Anteilen der Salze Lithium-Fluorid und Beryllium-Fluorid (FLiBe). Zu seinen Vorteilen gehört, dass sein Schmelzpunkt relativ niedrig ist: Er liegt bei 459 Grad Celsius. Dadurch sinkt die Gefahr, dass das Kühlmittel an kritischen Stellen des Kreislaufes kristallisieren und so den Durchfluss stören kann. Eine weitere vorteilhafte Eigenschaft ist der geringe Dampfdruck des Materials, der auch bei etwa 1.000 Grad Celsius noch die Gefahr einer schlagartigen Ausdehnung minimiert.

Eine grundsätzliche Schwierigkeit von Flüssigsalzen besteht darin, dass sie eine hohe korrosive Wirkung haben und dadurch die umliegenden Werkstoffe angreifen. Dabei soll das FLiBe einen entscheidenden Vorteil liefern: Die Beigabe von Beryllium senkt das Redox-Potential des Flüssigsalzes, wodurch der korrosive Einfluss nahezu ausgeschaltet wird. Eine nette Nebeneigenschaft des Kühlmittels ist außerdem, dass es im flüssigen Zustand durchsichtig ist, wodurch Verunreinigungen überwacht werden können.

Flüssigsalzreaktor
Das Gemisch aus Flüssigsalz und Brennstoff wird von der Reaktorkammer (oben links) zum ersten Wärmetauscher geleitet. Über einen zweiten Flüssigsalzkreislauf wird die Hitze schließlich zum dritten System geleitet und zu Strom gewandelt. Bei einer Überhitzung schmilzt das passive Sicherheitsventil (unten links) und der Brennstoff wird abgelassen. © gemeinfrei

Mehrere Kreisläufe bis zur Turbine

Grundsätzlich besteht ein Flüssigsalzreaktor aus mehreren Kreisläufen. Im ersten befindet sich das Gemisch aus Brennstoffen und Kühlmittel, das Kontrollstäbe aus Graphit umfließt. Diese werden als Moderator eingesetzt und können – ähnlich wie bei herkömmlichen Reaktoren – flexibel herausgefahren werden.

Im ersten Wärmetauscher gibt das Reaktionsgemisch seine Energie an einen zweiten Flüssigsalz-Kreislauf ab. Dieser enthält keinen Brennstoff, befindet sich aber innerhalb des Containments. Dadurch soll eine mögliche Kontamination durch Wärmetauscher-Lecks vorgebeugt werden. Ein zweiter Kühlkreislauf gibt die erzeugte Wärme dann an einen Dampferzeuger weiter, über den der Strom produziert wird.

Sicherheit durch passives Ventil

Flüssigsalzreaktoren kommen besonders wegen ihrer hohen Sicherheit als SMRs in Frage. Herkömmliche Druckwasserreaktoren benötigen eine ständige Überwachung und geschultes Sicherheitspersonal, das im Ernstfall eingreifen können muss. Eines der verheerendsten Ereignisse – die Kernschmelze – kann in einem Flüssigsalzreaktor nicht auftreten, da der Kern bereits flüssig ist.

Trotzdem kann es auch hier zu einer Überhitzung kommen. Für diesen Fall besitzt der Reaktionskreislauf ein wassergekühltes Ventil, das bei zu hohen Temperaturen durchschmilzt und das radioaktive Gemisch gezielt in mehrere Abkühlbehälter leitet. Diese sind jeweils nur so groß, dass keine kritische Masse entstehen kann. Die erstarrten Salze können dann sicher entsorgt werden.

Brüten mit Thorium

Zusätzlich kann ein Flüssigsalzreaktor auch als Brutreaktor verwendet werden. Dazu wird dem Brennmaterial Thorium-232 beigemischt. Nach einem Neutroneneinfang wandelt es sich durch Betazerfall in Protactinium-233 um, das wiederum zu spaltbarem Uran-233 zerfällt. Thorium bietet den Vorteil, dass es einerseits häufiger vorkommt als Uran und andererseits bei seinem Zerfall weniger Transurane und dadurch eine geringere Menge langlebigen Atommülls entstehen.

Ein Nachteil des auch LFTR (Liquid Fluoride Thorium Reactor) genannten Brutverfahrens liegt in der Gefahr von Uran-233: Es gilt als optimales Kernwaffenmaterial und ist deutlich einfacher zu handhaben als waffenfähiges Plutonium. Durch eine kontinuierliche Abtrennung von Protactinium-233, was die Effizienz des Reaktors erhöht, kann sogar relativ reines Uran-233 im LFTR erzeugt werden. Eine gezielte Verunreinigung des Brennstoffes, beispielsweise mit Uran-238, könnte dieses Risiko teilweise senken.

Schnelle Neutronen sorgen für hohe Ausbeute

Natriumgekühlte Reaktoren

In Druck- und Siedewasserreaktoren hat das verwendete Wasser verschiedene Aufgaben. Es fließt um den Reaktorkern und dient dadurch als Kühlmittel und Wärmetransporteur. Zusätzlich hat es aber auch eine moderierende, also bremsende, Wirkung auf die durch die Kernspaltung freigesetzten Neutronen. Diese werden dadurch zu thermischen Neutronen und können von Uran-235 absorbiert werden. In natürlich vorkommendem Uran bildet dieses Isotop jedoch nur einen Anteil von unter einem Prozent, weswegen es vor der Verwendung als Brennstoff angereichert werden muss.

Das häufigste Isotop, Uran-238, ist mit thermischen Neutronen nicht spaltbar – hierfür werden sogenannte schnelle Neutronen benötigt. Wenn ein Uran-238-Atom ein solches Neutron einfängt, zerfällt es über Neptunium-239 zu Plutonium-239. Letzteres dient schließlich als Brennstoff. Da im Laufe des Prozesses mehr Neutronen freigesetzt als eingefangen werden, entsteht auch ein Überschuss an Spaltmaterial. Deshalb werden diese Reaktormodelle als Schnelle Brüter bezeichnet. Die Bezeichnung „schnell“ hängt hier allerdings nicht mit der Produktionsgeschwindigkeit, sondern mit der Bewegung der Neutronen zusammen.

Natriumgekühlter Reaktor
Der Reaktorkern (unten links) wird von flüssigem Natrium umspült. Beim Pool-Design befindet sich der erste Wärmetauscher mit dem Kern in einem Natrium-Becken. Über einen dritten Kreislauf wird Strom erzeugt. © gemeinfrei

Die Wahl des richtigen Kühlmittels

Damit die freigesetzten Neutronen nicht gebremst werden, kommt in Kleinreaktoren nach dem Prinzip der schnellen Brüter flüssiges Natrium als Kühlmittel zum Einsatz. Es hat eine Schmelztemperatur von 97 Grad Celsius und eine Siedetemperatur von 890 Grad Celsius. Dadurch kann es – ähnlich wie Flüssigsalze – ohne erhöhten Druck eingesetzt werden, was die Gefahr eines Blow-Outs auslöscht.

Natriumgekühlte Reaktoren werden in zwei Ausführungen konzipiert: als Pool- und als Kreislauf-Design. Bei der Pool-Variante befindet sich der Reaktorkern in einem Becken aus flüssigem Natrium. Dieses wird um den Kern und ein sich ebenfalls im Pool befindliches Wärmetauschsystem gepumpt. Dieser erste Wärmetauscher enthält ebenfalls flüssiges Natrium und leitet die Wärmeenergie an einen dritten Kreislauf weiter, der schließlich die Turbine und den Stromgenerator antreibt.

Die Kreislauf-Variante funktioniert ähnlich – der einzige Unterschied besteht in der Position des ersten Wärmetauschers. Anstelle eines Pools, der den Reaktorraum, den ersten Kreislauf und den Wärmetauscher umgibt, gibt es zwei getrennte Kreisläufe. Der Temperaturaustausch erfolgt in einem separaten Behälter.

Ein Spiel mit dem Feuer

Auf den ersten Blick scheinen natriumgekühlte Brüter eine gute Alternative zu Leichtwasserreaktoren – immerhin ist ihre Effizienz durch die Verwendung von Natururan um ein Vielfaches höher. Neben dem Kostenfaktor, den mehrere Tonnen Natrium mit sich bringen, kommen bei der Verwendung des Alkalimetalls allerdings große Sicherheitsprobleme auf die Kraftwerkbetreiber zu. Diese hängen primär mit der hohen Reaktionsfreudigkeit von Natrium zusammen, das als Alkalimetall bei Kontakt mit Wasser oder Luft sofort zu brennen anfängt.

Aufgrund dieser Gefahren und wegen der hohen technischen Anforderungen wurden bisher nur sehr wenige schnelle Brüter betrieben – obwohl das Konzept aus den 1950er-Jahren stammt. Ein Positivbeispiel war das französische Kernkraftwerk Phénix, das von 1973 bis 2010 in der Nähe von Avignon betrieben wurde. Mit einer thermischen Leistung von 563 Megawatt war es jedoch nur der Prototyp für das 3.000-Megawatt-starke Superphénix, das im Jahr 1986 in Betrieb genommen wurde.

Superphénix
Das Kernkraftwerk Superphénix brachte mehr Probleme als Nutzen. © Yann Forget /CC-by-sa 3.0

Der natriumgekühlte Brüter Superphénix demonstrierte eindrucksvoll, welche Probleme das Kühlmittel mit sich bringt. Nur ein Jahr nach Inbetriebnahme entstand eine Leckage, durch die 20 Tonnen Natrium austraten. Im Jahr 1990 musste aufgrund einer zweiten Leckage die gesamte Masse von 400 Tonnen Natrium gereinigt werden, da schon kleine Verunreinigungen zu verstopfenden Oxiden führen können – der Vorgang dauerte acht Monate. Im selben Jahr stürzten Teile des Daches unter Schneelast ein, im Jahr 1994 gab es ein Argon-Leck und im Jahr 1998 wurde das Kraftwerk schließlich stillgelegt.

Neuer Aufschwung

Das Konzept von schnellen natriumgekühlten Reaktoren wurde allerdings nicht mit dem Superphénix begraben. Zurzeit werden beispielsweise in Indien und China neue Kraftwerke mit Natrium-Pool gebaut – in Russland sind bereits mehrere in Betrieb. Durch die Skalierung in Form von SMRs könnten außerdem kleinere und besser zu kontrollierende Brutreaktoren entstehen.

Abgesehen von den Problemen, die das Natrium mit sich bringt, gelten die schnellen Brüter als verhältnismäßig sicher. Wenn der Kern überhitzt, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für einen Neutroneneinfang durch das Uran. Dadurch sinkt die Wärmeleistung des Reaktors und die Kernschmelze wird passiv verhindert.

Da in den Brütern Natururan in Plutonium-239 gewandelt wird, gibt es – ähnlich wie bei den Thorium-Reaktoren – jedoch auch hier Sicherheitsbedenken. Das waffenfähige Plutonium könnte abgeschieden und in Atombomben verwendet werden.

Können die Hersteller ihre Versprechen halten?

Kleine Reaktoren – große Probleme

Neben der scheinbar innovativen Technik und den Versprechen von Seiten der SMR-Befürworter und der Hersteller der kleinen Atomkraftwerke gibt es einige Gutachten und Studien, die auf mögliche Gefahren und Probleme der Reaktoren hinweisen. So hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) im Jahr 2021 ein Gutachten vorgestellt, in dem das Öko-Institut Freiburg unter anderem die Sicherheitskonzepte moderner Kleinanlagen bewertet hat.

AKW-Ingenieur
Die Sicherheitskonzepte von Atomkraftwerken müssen regelmäßig eingeschätzt werden. In Deutschland ist dafür unter anderem das BASE zuständig. © Digital Vision. / Getty Images

Nicht auf neue Technologien ausgelegt

Einer der zentralen Kritikpunkte des Öko-Instituts ist, dass die Anforderungen an die Unfall-Prävention derzeit hauptsächlich auf den Erfahrungen mit wassergekühlten Systemen beruhen. Demnach wurden die sogenannten probabilistischen Sicherheitsanalysen (PSA), in denen die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse errechnet werden, noch nicht ausreichend an Technologien wie Flüssigsalz- oder natriumgekühlte Reaktoren angepasst. Bestimmte Kenngrößen, die die Zuverlässigkeit der Systeme festlegen, müssten dem Gutachten zufolge neu bestimmt werden.

Auch die große benötigte Anzahl der Kleinreaktoren stellt laut Öko-Institut ein Problem dar. So sind moderne SMR-Konzepte zwar häufig weniger komplex, was die Bandbreite der negativen Ereignisse verringert, durch die schiere Masse an potenziellen Standorten steigt die Gefahr eines Unfalls aber wieder an. Relativ zur produzierten Menge an elektrischer Leistung steigt das Risiko der Atomreaktoren sogar.

Hersteller versprechen zu viel

Nach Ansicht des Öko-Instituts entsprechen auch andere Ansichten der SMR-Hersteller nicht der Realität. Dazu gehört, dass die geringe Menge an radioaktivem Material und die passiven Sicherheitskonzepte dazu führen sollen, dass bei einem Unfall nur ein sehr kleiner Bereich betroffen wäre. Laut dem BASE-Gutachten könne die Kontamination im Ernstfall allerdings weit über das Anlagengelände hinausreichen.

Auch bei Hochtemperaturreaktoren, die mit einer Wasserkühlung arbeiten, teilt das Institut nicht die Meinung der Hersteller. Letztere wollen in ihren Modellen auf ein aufwändiges Containment verzichten, und den Brennstoff stattdessen mit einer Schutzhülle aus Siliciumcarbid und Kohlenstoff versehen. Durch diese kann laut Öko-Institut allerdings schon bei Temperaturen unterhalb der Versagensgrenze von etwa 1.600 Grad Celsius radioaktive Isotope diffundieren. Im Falle eines Störfalls könne demnach nicht garantiert werden, dass keine Radioaktivität freigesetzt wird.

„Garantien“ reichen nicht aus

Auch die selbstregulierenden Eigenschaften von schnellen Brütern und Flüssigsalzreaktoren sind nach Ansicht des Gutachtens nicht ausreichend. Zwar sorgt beispielsweise bei Anlagen mit schnellen Neutronen rein physikalisch betrachtet eine erhöhte Temperatur für einen niedrigeren Reaktivitätskoeffizienten, wodurch die Kernschmelze ausgeschlossen wird. Ein zweites, unabhängiges Abschaltsystem sollte nach Ansicht des Öko-Instituts trotzdem vorgeschrieben werden.

Hier besteht demnach auch eine Haftungsfrage: Wer ist für die Schäden verantwortlich, wenn in einem laut Hersteller autark sicheren Kraftwerk etwas schiefläuft? Aktuell wird beispielsweise eine Deckungsvorsorge der Betreiber diskutiert, die in diesem Fall die Schäden abdeckt. Auch passive Sicherheitskonzepte liefern laut Gutachten keine Garantie. So können beispielsweise äußere Einflüsse die Systeme beschädigen und so ihre Funktionalität einschränken. Deshalb empfehlen die Experten immer eine zweite Sicherheitsstufe.

Atommüll Volumen
Das Volumen an Atommüll pro erzeugtem thermischen Gigawattjahr unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Konzepten deutlich. Verglichen wurden hier ein großer und kleiner Siedewasserreaktor, ein Flüssigsalz- und ein Natriumgekühlter Reaktor (v.r.n.l.). © Krall et al./ PNAS, CC-by-sa 4.0

Kleinere Reaktoren – weniger Müll?

Neben den Problemen, die Atomkraftwerke während ihrer Laufzeit hervorrufen können, fällt letztlich auch bei SMRs Atommüll an. Eine Studie der Stanford University ist im Jahr 2022 der Frage nachgegangen, ob die kleinere Bauart auch zu weniger radioaktivem Abfall führt. Das Ergebnis: Das Gegenteil ist der Fall. Zwar liefern die einzelnen Reaktoren weniger Atommüll, bezogen auf die produzierte Energie steigt die Menge aber um ein Vielfaches.

Neben der erhöhten Masse an verbrauchtem Brennstoff gegenüber einem herkömmlichen Druckwasserreaktor entstehen bei den Kleinkraftwerken auch deutlich mehr Bausubstanzen, die radioaktiv verseucht sind. Dazu gehören unter anderem Stahl- und Betonkonstruktionen, aber auch Schutzschilde und Reflektoren aus Graphit. Bei den schnellen Brütern sieht es besonders übel aus. Das gesamte Natrium, das als Kühlmittel eingesetzt wird, muss endgelagert werden.

Ein weiteres Problem hierbei: Die Zusammensetzung des SMR-Atommülls entspricht nicht der eines großen Kernkraftwerks. Der Anteil an Uran-235 und Plutonium ist stattdessen so hoch, dass die radioaktiven Stoffe in den gängigen Castoren eine kritische Masse erreichen könnten und so die Reaktion wieder aufflammt.