Warum die langhalsigen Dinosaurier so riesig waren

Sauropoden – dem Gigantismus auf der Spur

Brachiosaurier
Sauropoden waren die größten Landtiere aller Zeiten. © ALLVISIONN/ Getty images

Sauropoden waren die größten Tiere, die jemals an Land lebten. Die langhalsigen Riesen konnten so hoch wie ein fünfstöckiges Gebäude werden, so lang wie zwei aneinandergereihte Busse und so schwer wie zwölf Afrikanische Elefantenbullen. Doch warum waren sie so groß? Und wieso ist diese enorme Größe seit ihrem Aussterben unerreicht geblieben?

Gigantische Sauropoden wie Brachiosaurus oder Diplodocus faszinieren uns: Egal ob episch auf der Kino-Leinwand inszeniert oder als Plüschtier im Kinderzimmer. Der Gedanke daran, dass derartige Riesen einst auf der Erde wanderten, übersteigt unser Vorstellungsvermögen und erscheint wie ein Wunder der Evolution. Doch wie konnten diese pflanzenfressende Dinosaurier überhaupt so groß werden? Wie funktioniert ein Körper im XXL-Format? Und wieso gibt es heute keine so riesigen Tiere mehr? Ein Besuch bei den größten Landtieren aller Zeiten.

Eine kurze Geschichte der Sauropoden

Die Elefanten der Saurier-Savanne

Cetiosaurus, „Wal-Echse“, so taufte der britische Paläontologe Richard Owen im Jahr 1841 den ersten jemals entdeckten Sauropoden. Er hielt ihn für eine riesige, fleischfressende Meeresechse. Damals waren allerdings nur Fragmente, vereinzelte Wirbel und Teile eines Beines, bekannt. Mit der Zeit entdeckten Paläontologen mehr und mehr Sauropoden-Skelette auf der ganzen Welt. Mit jedem Fund wurde unser Bild der Urzeitriesen schließlich immer detaillierter.

Giraffatitan Berlin
Der Giraffatitan brancai im Berliner Naturkundemuseum. © Axel Mauruszat

Langer Hals und Beine wie Säulen

Heute wissen wir, dass die Sauropoden eine große und vielfältige Gruppe bilden. Doch alle Mitglieder einten gemeinsame Merkmale, darunter ein langer Hals mit kleinem Kopf, ein langer Schwanz und säulenartige Beine mit massiven Knochen. Und die brauchten sie auch, denn Sauropoden wogen im Schnitt 15 bis 40 Tonnen, manche Exemplare wie Sauroposeidon oder Argentinosaurus sogar über 70 Tonnen.

Zum Vergleich: Selbst der furchteinflößende Tyrannosaurus rex brachte gerade einmal acht Tonnen auf die Waage und war im Vergleich ein Leichtgewicht. Die einzigen Tiere, die eine größere Masse als Sauropoden erreichen, sind moderne Wale. Vor diesem Hintergrund passt der Name „Wal-Echse“ fast wieder, obwohl Sauropoden eher wie eine Mischung aus Elefant und Giraffe aussahen.

Die Größten der Größten

Wer der größte Sauropode war, ist allerdings nur schwer zu beantworten. Es gibt verschiedene Kandidaten, die als Anwärter auf Platz eins gelten, aber immer detailliertere Forschungsmethoden sorgen für Verschiebungen auf dem Treppchen der Schwergewichte. Ein großer Sauropode, der sich im Museum für Naturkunde in Berlin bestaunen lässt, ist der Brachiosaurus brancai, seit einiger Zeit umbenannt in Giraffatitan brancai. Mit einer Höhe von 13,27 Metern ist er das höchste montierte Dinosaurierskelett der Welt. Seine Masse wird auf 38 Tonnen geschätzt.

Doch Knochenfunde aus Südamerika machen dem Saurier schon seit Längerem Konkurrenz. Zunächst forderte ihn der 65 bis 75 Tonnen schwere Argentinosaurus heraus, dann der in Patagonien entdeckte Dreadnoughtus schrani und seit 2014 ist auch der Patagotitan mayorum mit von der Partie. Dieser Sauropode lebte in der späten Kreidezeit und gehört zu den vollständigsten Sauropoden-Skeletten aller Zeiten. Ein Modell des Tieres steht im American Museum of Natural History in New York und umfasst dort eine Länge von 37 Metern. Damit ist der Dinosaurier so lang, dass sein Kopf aus dem Eingang des Ausstellungsraums herausschaut.

Auch ein 2021 in Australien entdeckter Titanosaurier spielt in der Riege der Riesen mit: Australotitan wurde bis zu 30 Meter lang und rund 60 Tonnen schwer. Er gehört damit zu den 15 größten Dinosauriern weltweit.

Saturnalia
Saturnalia war ein winziger Vorfahre der Sauropoden. © Slate Weasel

Winzige Vorfahren

Aber jeder fängt mal klein an. Die frühesten Vorfahren der Sauropoden tauchten vor etwa 210 Millionen Jahren auf, im ersten von drei Dinosaurierzeitaltern. Arten wie Saturnalia oder Panphagia wogen gerade einmal zehn Kilogramm, so viel wie ein Mops. Ihre Nachfahren sollten das 9.000-Fache auf die Waage bringen. Doch Sauropoden stellten nicht nur Gewichts-Rekorde auf, sondern führen auch in zwei weiteren Kategorien die Rangliste an.

Mit über 120 bekannten Gattungen sind Sauropoden außerdem die artenreichste aller großen pflanzenfressenden Dinosauriergruppen. Die langlebigste sind sie ebenfalls. Denn: Die Langhälse überdauerten alle drei Dinosaurierzeitalter bis hin zum großen Massenaussterben am Ende der Kreidezeit, dem schließlich auch sie erlagen. Sauropoden waren auf allen Kontinenten vertreten, einschließlich der Antarktis.

Große Vielfalt trotz großer Ähnlichkeit

Bei so vielen Gattungen und einer derart langen Entwicklungsgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass die Tiere trotz äußerlicher Gemeinsamkeiten doch sehr vielfältig waren. Diese Vielfalt nahm nochmals zu, als der Superkontinent Pangäa langsam zerbrach und sich dadurch vermehrt regionale Sauropoden-Varianten bilden konnten. Ein Beispiel dafür ist die Gruppe der Mamenchisauridae, eine ostasiatische Abzweigung. Ihre Hälse waren im Verhältnis zur Körpergröße die längsten aller Sauropoden und umfassten bis zu 19 Halswirbel. Wir Menschen haben gerade einmal sieben.

Man unterteilt Sauropoden in zwei größere Gruppen: Die Diplodocoidea und die Macronaria. Diplodocoidea haben einen langen, flachen Schädel mit bleistiftartigen Zähnen. Sie zeichnen sich außerdem durch einen länglichen, peitschenartigen Schwanz aus. Wie der Name verrät, gehört zu dieser Gruppe unter anderem der Diplodocus. Macronaria hingegen haben hohe Schädel mit löffelförmigen Zähnen. Sie sind außerdem stämmiger. Zu ihnen gehörte etwa der Brachiosaurus beziehungsweise Giraffatitan.

Warum Sauropoden so groß waren

Das Geheimnis des Gigantismus

Auf die Frage, wieso Sauropoden eine derart enorme Größe erreichten, gibt es eine recht simple Antwort: Weil sie es konnten. Die winzigen Vorfahren der Giganten trugen eine einzigartige Kombination aus verschiedenen Merkmalen in sich, die den Riesenwuchs in dieser Dinosaurier-Familie überhaupt erst möglich machte. Und da sie potenziell riesig werden konnten, taten sie es auch. Denn: Die Größe brachte einige Vorteile mit sich.

Sauropode beim Fressen
Der lange Hals ermöglichte es ihnen, mehr Futter zu erreichen als andere Pflanzenfresser ihrer Zeit. © FunkMonk (Michael B. H.)/ CC-by-sa 3.0

Sicher vor Raubtieren

Die gigantische Größe schützte erwachsene Sauropoden vor Raubtieren. Raubsaurier waren zwar aus der Perspektive eines Menschen riesig, doch klein im Vergleich zu ausgewachsenen Sauropoden. Durch den Größenunterschied konnten die Raubsaurier nur schwer einen wirklich effektiven Biss landen und zerkratzten bei einem Angriff wohl höchstens die Haut eines Sauropoden. Manche Wissenschaftler sagen sogar, dass die Körpergröße die pflanzenfressenden Riesen immun gegen Räuber machte.

Der lange Hals, der mit der Körpergröße der Sauropoden einherging, verschaffte ihnen außerdem Vorteile bei der Nahrungsaufnahme. Arten mit aufrechtem Hals konnten Nahrungsquellen erreichen, an die sonst kein Saurier herankam. Solche mit waagerechten Hälsen nutzten die enorme Reichweite, um effektiv eine große Fläche abzugrasen, ohne sich dabei viel bewegen zu müssen.

Umwelteinflüsse hatten nichts mit dem Riesenwuchs zu tun

Doch was führte dazu, dass Sauropoden überhaupt so riesig wurden? Lange Zeit machte man äußere Ursachen dafür verantwortlich. Da sich zur Zeit der Dinosaurier mehr Kohlenstoff-Dioxid in der Luft befand als heute, argumentierten manche Wissenschaftler zum Beispiel, dass das Mehr an CO2 die Pflanzen zu intensiverer Photosynthese angeregt haben könnte. Damit hätten sie mehr Nährstoffe enthalten und bei Dinosauriern, die sich von ihnen ernährten, zu Riesenwuchs geführt.

Weitere Hypothesen machten Umweltfaktoren wie die Umgebungstemperatur oder die Größe der Landmasse für den Gigantismus der Sauropoden verantwortlich. Doch eine Forschungsarbeit von einem Team rund um Martin Sander von der Universität Bonn zeigte: Die Sauropoden wuchsen unabhängig von äußeren Faktoren wie atmosphärischer Zusammensetzung, Temperatur oder Landmasse. Der Grund für ihren Riesenwuchs musste stattdessen in ihrer biologischen Prädisposition liegen, schlussfolgerten die Wissenschaftler.

Wer kaut, bleibt klein

Der wichtigste Faktor dieser Prädisposition war demnach, dass Sauropoden nicht kauten. Dieses Erbe stammte von fernen Vorfahren, die ihre Nahrung ebenfalls unzerkaut schluckten. Der fehlende Kaumechanismus mag auf den ersten Blick irrelevant für Gigantismus erscheinen, doch er löste eine entscheidende Entwicklungskaskade aus, die Sauropoden schließlich zu ihrer enormen Größe heranwachsen ließ.

Und das ging laut Sander und Kollegen so: Da sie nicht kauten, mussten an ihren Köpfen auch keine Kaumuskeln ansetzen und große Zahnreihen waren ebenfalls überflüssig. Das sparte Platz, wodurch der Kopf der Sauropoden klein bleiben konnte. Ein kleiner Kopf wiederum war die Voraussetzung für die Entwicklung eines langen Halses. Und dieser Hals verschaffte den Sauropoden schließlich einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Pflanzenfressern. Da sie Nahrung von Bäumen abweiden und am Boden in einem großen Radius fressen konnten, nahmen sie mehr Energie aus der Umgebung auf als andere pflanzenfressende Dinosaurier – und wurden dadurch größer als sie.

Die unzerkaute Nahrung verarbeiteten die Sauropoden, indem die Pflanzenreste sehr lange im geräumigen Verdauungstrakt der Tiere verweilten und sich dort – vermutlich mit der Unterstützung von Darmmikroben – zersetzten. Früher gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Tiere gezielt Steine schluckten, die dann im Magen dabei halfen, das Futter zu zerkleinern. Doch diese Hypothese der Magenmühle hat sich mittlerweile als falsch herausgestellt.

Halswirbel Diplodocus
Die Wirbel von Sauropoden waren leicht gebaut. © John Bell Hatcher, Mike P. Taylor/ CC-by 3.0

Besondere Leichtbauweise

Damit die vom fehlenden Kauen ausgegangene Entwicklungskaskade auch wirklich aufgeht, fehlt noch eine Schlüsselkomponente. Der lange Hals war zwar vorteilhaft bei der Nahrungsaufnahme, doch dafür durfte er nicht zu schwer sein. Um dieses Problem zu lösen, hatten Sauropoden zwei Tricks. Einerseits waren ihre Hals- und Rumpfwirbel dank „löchriger“ Knochenstruktur sehr leicht gebaut. Andererseits verfügten Sauropoden, wie heutige Vögel, über ein raffiniertes System aus Luftsäcken, das ihre Hälse und Körper leichter machte.

Die Wirbelknochen von Sauropoden weisen viele Hohlräume auf. In „normalen“ Knochen wären diese mit Knochenmark gefüllt gewesen, doch bei den Langhälsen befand sich darin Luft. Ihre Luftsäcke füllten große Teile der Körperhöhle aus und waren zum Teil auch mit der Lunge verbunden. Diese Anpassung war ein Erbe, das sich bereits mit den ersten Dinosauriern entwickelt hatte.

Der besondere Lebenszyklus der Sauropoden

Riesen aus dem Ei

Beim Anblick imposanter Skelettrekonstruktionen wie in den Naturkundemuseen von Berlin oder New York kann man leicht vergessen, dass auch diese Giganten mal aus einem kleinen Ei geschlüpft sind. Doch es war ein harter Start ins Leben: Die Sauropoden-Mutter legte ihre Eier in einem großen Gelege ab, bedeckte es womöglich noch mit Pflanzenmaterial und überließ die Kleinen dann ihrem Schicksal. Ähnlich wie bei heutigen Meeresschildkröten. Diese Strategie, gepaart mit dem schnellen Wachstum der Jungtiere, war ebenfalls ein Faktor, der ihren Gigantismus erst ermöglichte.

Meeresschildkröten
Wie moderne Meeresschildkröten setzten auch Sauropoden auf zahlreichen Nachwuchs. © U.S. Fish and Wildlife Service

Nachkommen gegen das Aussterben

Große Sauropoden könnten bis zu 400 Eier pro Jahr gelegt haben. Viele Jungtiere fielen allerdings Räubern zum Opfer. Diejenigen, die überlebten, zeugten wahrscheinlich erst im Alter von zwanzig bis dreißig Jahren selbst Nachkommen. Durch die große Zahl an Eiern glichen die Sauropoden dies möglicherweise aus und minimierten so das Risiko auszusterben. Dank des reichlichen Nachschubs an neuen Tieren hätten sich dezimierte Populationen nämlich schnell wieder erholen können.

Doch nicht nur das: Wenn Sauropoden auf ihrem Weg zum Riesen verschiedene Körpergrößen durchlebten, waren diese verschiedenen Stadien vermutlich auch mit wechselnden Lebensräumen verbunden. Während ausgewachsene Sauropoden wahrscheinlich in der weitläufigen Steppe lebten, könnten sich Jungtiere noch im Unterholz von Wäldern versteckt gehalten haben. Paläontologen nehmen an, dass Sauropoden mit dieser altersbedingten Nischenbesetzung gut aufgestellt waren, falls es zu Umweltstörungen wie Trockenheit oder Bränden kam. So wäre das Überleben der Art als Ganzes auch bei wechselnden Umweltbedingungen gesichert gewesen.

So schnell wie möglich hoch hinaus

Doch gerade jüngere Lebensstadien hatten so ihre Tücken. Ihre Körpergröße schützte Sauropoden schließlich nur dann effektiv vor Räubern, wenn sie sie möglichst schnell erreichten. Für Jungtiere bedeutete das: Wachsen, wachsen, wachsen. In den ersten Jahrzehnten ihres Lebens wuchsen Sauropoden Knochenanalysen zufolge exponentiell. Vermutlich legten sie jedes Jahr zwischen 500 Kilogramm und zwei Tonnen Gewicht zu. Manche Schätzungen gehen sogar von noch größeren Massen aus. Erst nach Erreichen der Geschlechtsreife mit etwa zwanzig Jahren verlangsamte sich das Wachstum und nahm nicht mehr ununterbrochen, sondern in regelmäßigen Schüben zu. Komplett ausgewachsen waren Sauropoden vermutlich in weniger als vierzig Jahren. Für solche Wachstumsraten sind eine hohe Stoffwechselrate und ein hoher Grundumsatz erforderlich.

Der Grundumsatz beschreibt den Energiebedarf eines Körper im Ruhezustand, also die Menge an Energie, die er für lebensnotwendige Grundfunktionen wie Atmung, Verdauung, Blutkreislauf und Wärmeregulierung benötigt. Ein niedriger Grundumsatz ist mit langsamem Wachstum und ein hoher Grundumsatz mit schnellem Wachstum verbunden.

Giraffatitan und Europasaurus
Der Schädel von Giraffatitan und Europasaurus im Vergleich. © Nils Knötschke/ CC-by-sa 2.5

Der besondere Fall der Zwergen-Inseln

Doch nicht alle Sauropoden hatten es so eilig mit dem Wachsen. Es gibt auch solche, bei denen sich die Wachstumsrate extrem verringerte und die dadurch nur klein blieben. Europasaurus war zum Beispiel nur sechs Meter lang und wog 800 Kilogramm. Ähnlich verhielt es sich mit Magyarosaurus. Beide Arten unterlagen dem Phänomen der sogenannten Inselverzwergung.

Die Europasaurier lebten vor 150 Millionen Jahren auf einer großen Insel rund um das niedersächsische Becken. Ihre einst riesigen Vorfahren gelangten unter bisher ungeklärten Umständen dorthin. Vielleicht trennte der steigende Meeresspiegel die Insel und die dort lebenden Sauropoden nach und nach vom Festland ab. Die Tiere mussten sich den beschränkten Ressourcen auf der Insel anpassen und drosselten in der Folge ihre einst hohe Wachstumsrate, womit sie im Laufe der Generationen schrumpften.

Wie kann ein so großer Körper überhaupt funktionieren?

Leben in XXL

Dass der britische Paläontologe Richard Owen den ersten Sauropoden zunächst fälschlicherweise als Meerestier identifizierte, zeigt, wie unrealistisch es erschien, dass ein so riesiges Tier an Land gelebt haben könnte. Die Ungläubigkeit hielt an. Lebensrekonstruktionen zeigten Sauropoden auch noch lange Zeit nach Owens Klassifikation als Sumpftiere, teilweise bis zum Hals im Wasser stehend. Heute ist diese Vorstellung zwar überholt, aber: Dass so große Tiere sich an Land bewegten, stellte ihre Körper trotzdem vor allerlei Herausforderungen.

Sauropoden
Sauropoden entwickelten spezielle Anpassungen, um ihr Gewicht tragen zu können. © DiBgd / CC-by-sa 3.0

Probleme mit dem Gewicht

Allem voran wäre da das enorme Gewicht dieser Dinosaurier, das eine große Belastung für Knochen und Gelenke darstellte. Um eine Masse von mehr als zehn Afrikanischen Elefanten tragen zu können, waren Sauropoden vor allem auf ihre vier säulenartigen Beine angewiesen, die das Gewicht verteilten. Die Beingelenke wurden dabei vermutlich von dicken Knorpelkappen gestützt, während der größte Teil des Körpergewichts auf den Hinterbeinen ruhte.

Das führte dazu, dass die Zahl der Wirbel in dieser Gegend mit der Zeit zunahm, um den Körper besser stützen zu können. Frühe Sauropoden hatte grade einmal drei Sakralwirbel, ihre schwergewichtigen Nachfahren fünf bis sechs. Ebenfalls typisch für Sauropoden: verlängerte Stiele der Wirbelbögen. Über eine Reihe biomechanischer Prozesse führte diese Anpassung dazu, dass auf den einzelnen Wirbeln weniger Gewicht lastete.

Ein weiteres entlastendes Merkmale waren die weichen, dicken Fersenpolster der Sauropoden, ähnlich wie bei modernen Elefanten. Das Polster schützte die Zehenknochen, indem es ihnen einen Großteil der Gewichtslast abnahm. Die Leichtbauweise einiger Knochen und ein Atemsystem bestehend aus Luftsäcken sorgten ebenfalls für eine Gewichtsreduktion und ermöglichten es den Riesen, ihr eigenes Gewicht an Land zu tragen.

Effektive Blutpumpe

Bei Sauropoden mit aufrechten Hälsen stellt sich außerdem die Frage nach dem Blutdruck. Ihr Blut musste bis zu 13 Meter senkrecht in die Höhe gepumpt werden, um das Gehirn der Sauropoden zu erreichen. Doch wie war das möglich? Es gibt verschiedene Hypothesen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Eine schlägt zum Beispiel vor, dass Sauropoden außergewöhnlich große Herzen hatten oder sogar mehrere „normal“ große Herzen über die Länge des Halses verteilt. Eine Studie aus dem Jahr 2016 von Forschern um Stephan Hughes von der Queensland University of Technology hält die sogenannte „Siphon-Hypothese“ für am wahrscheinlichsten.

Die Hypothese sagt aus, dass Blut, das den Hals hinunterfließt, gleichzeitig den Blutfluss nach oben unterstützt. Um das zu testen, rekonstruierten die Wissenschaftler den Blutkreislauf eines Sauropoden mit 15 Meter langen Schläuchen. Ein Schlauch stellte eine Arterie dar, die Blut vom Herzen ins Gehirn pumpt, und ein zweiter Schlauch eine Vene, die Blut vom Gehirn zurück ins Herz befördert. Und tatsächlich: Die beiden Schläuche beeinflussten sich gegenseitig. Das in der Arterie aufsteigende Blut glich das in der Vene absteigende Blut aus.

Um vom Herzen zum Hirn zu gelangen, musste das Blut dadurch nicht mehr die Schwerkraft, sondern nur noch den Gefäßwiderstand überwinden. In Modellrechnungen stellte das Forschungsteam fest, dass Sauropoden mit Siphon-Effekt einen Blutdruck in der Größenordnung heutiger Giraffen gehabt haben könnten. Damit hätten sie ihr Gehirn auch noch in 13 Metern Höhe ausreichend mit Blut versorgen können.

Nervensystem Giraffe
Sauropoden hatten womöglich extrem lange Nerven, ähnlich des Nervus laryngeus recurrens dieser Giraffe. © Dr Bug (Vladimir V. Medeyko), Eugenia and Julian from San Jose – Bay Area, California, USA / CC-by-sa 2.0

Ein zweites Gehirn?

Ist das Gehirn ausreichend mit Blut versorgt, kann es seine Hauptaufgabe optimal erfüllen: Den riesigen Körper steuern. Lange Zeit hielt sich die Hypothese, dass Sauropoden dafür zusätzlich ein „zweites Gehirn“ in der Region des Kreuzbeins hatten. Doch der vergrößerte Neuralkanal, der als solches interpretiert wurde, war vermutlich mit etwas anderem gefüllt: mit einem Glykogenspeicher, wie ihn auch moderne Vögel aufweisen. Dessen Funktion ist jedoch bislang unbekannt. Außerdem könnten in dieser Region Nerven verlaufen sein, die vom Rückenmark zu den Beinen führten.

Statt eines zweiten Gehirns hatten die großen Pflanzenfresser vermutlich einfach extrem lange Nervenzellfortsätze. Ähnliches ist auch bei modernen Blauwalen bekannt, deren Nervenzellen auf stolze 30 Meter Länge geschätzt werden. Bei Sauropoden könnte es laut verschiedenen Studien ähnlich gewesen sein.

Frischluft durch Vogellunge

Eine weitere Herausforderung, die Sauropoden überwinden mussten, war die Atmung. Der lange Weg durch den meterlangen Hals behinderte den Luftaustausch. Bis die Luft in der Lunge angekommen war, wäre sie längst nicht mehr frisch. Ein ähnliches Problem tritt bei uns Menschen auf, wenn wir schnorcheln gehen. Der Schnorchel verlängert künstlich die Luftröhre, was dazu führen kann, dass zu wenig Frischluft in unserer Lunge ankommt. Dieses Problem lösten Sauropoden mit einem vogelähnlichen Atmungssystem.

Die großen Luftsäcke in der Körperhöhle der Tiere verringerten nicht nur ihr Gewicht, sondern ermöglichten ihnen auch eine effiziente Atmung. Im Laufe der Sauropoden-Evolution wurde das System aus Luftsäcken immer größer und verzweigter. Die am weitesten entwickelten Sauropoden hatten längst nicht mehr nur Luftsäcke im Halsbereich, sondern bis hinein in die Schwanzwirbel. Das versorgte das Gewebe mit ausreichend Sauerstoff und verringerte gleichzeitig die Energie, die Sauropoden fürs Atmen aufbringen mussten.

Elefanten
Dank ihrer großflächigen Ohren überhitzen Elefanten nicht so schnell. © FLCreativePhoto/ iStock

Integrierte Kühlung

Das Luftsack-System hatte einen weiteren Vorteil: Es bewahrte die großen Tiere vermutlich vor dem Überhitzen. Mittlerweile ist nämlich klar: Sauropoden waren warmblütig. Ein warmblütiges Tier dieser Größe hat allerdings das Problem, dass seine Stoffwechselvorgänge im XXL-Format extrem viel Wärme erzeugen. Gelingt es dem Tier nicht, diese wieder loszuwerden, überhitzt es. Um dem vorzubeugen, setzen moderne Elefanten zum Beispiel ihre großen Ohren ein. Diese vergrößern die Körperoberfläche der Dickhäuter und leiten Hitze aus dem Körper in die Umwelt ab.

Bei Sauropoden könnten ihre langen Hälse eine ähnliche Funktion erfüllt haben, wie einige Wissenschaftler vermuten. Die großen Luftsäcke hätten dabei von besonderer Bedeutung sein können, da sie die innere Oberfläche der Tiere vergrößerten und so beim Ausatmen zusätzlich Wärme hinaus beförderten. Das ermöglichte Sauropoden vermutlich einen integrierten Kühlmechanismus.

Wieso wurde seither kein landlebendes Tier mehr so groß?

One-Hit-Wonder der Evolution

Große Tiere gab und gibt es auch nach dem Aussterben der Sauropoden noch. Doch ihre enormen Größen bleiben trotzdem unerreicht. Wieso? Große Vertreter anderer Tierfamilien haben schlichtweg nicht das Glück, alle biologischen Bedingungen für Riesenwuchs in derselben perfekten Kombination wie Sauropoden vorzufinden: das Fehlen eines Kauapparates, vogelartige Luftsäcke, ein hoher Grundumsatz und eine hohe Wachstumsrate sowie das Legen hunderter Eier. Die mögliche Größe von Tieren ohne diese spezielle Merkmalskombination ist begrenzt.

Im Schatten der Sauropoden

Auch den Vertretern anderer Dinosaurierfamilien erging es so. Selbst große Arten wie der neun Meter lange und bis zu sieben Tonnen schwere Triceratops konnten mit dem Riesenwuchs der Sauropoden nicht mithalten. Dabei gab es einen entscheidenden Faktor, der ihre Größe limitierte: Sie kauten zu viel. Nehmen Zahnreihen und Kaumuskeln viel Platz im Kopf ein, kann dieser nicht klein bleiben und sich auch kein langer Hals entwickeln, der für Riesenwuchs essenziell zu sein scheint.

Terrorvogel
Terrorvögel wie dieser Gastornis gehörten zu den größten Vertretern der Vogelfamilie. © Tim Bertelink / CC-by-sa 4.0

Auch Raubsaurier wie der Tyrannosaurus waren in ihrer Größe beschränkt. Das lag aber wahrscheinlich eher daran, dass sie auf zwei Beinen gingen und dadurch nicht so viel Masse tragen konnten wie ihre vierbeinigen Verwandten.

Kein Erbe im XXL-Format

Doch wie sieht es mit den Erben der Dinosaurier, den Vögeln, aus? Auf den ersten Blick scheinen sie einige Voraussetzungen für Gigantismus zu erfüllen: Sie legen Eier, kauen nicht und haben ein Atmungssystem aus verzweigten Luftsäcken. Es gab und gibt durchaus große Vögel. Zum Beispiel die ausgestorbenen Terrorvögel, die bis zu drei Meter hoch wurden oder der moderne Strauß. Dennoch: Im Vergleich zu ihren Vorfahren wirken sie wie gefiederte Miniaturversionen.

Laut Paläontologe Martin Sander liegt der fehlende Riesenwuchs bei Vögeln, ähnlich wie bei Raubsauriern, zunächst in ihrer Zweibeinigkeit begründet und darin, dass die Muskulatur ihrer Beine anders angeordnet ist als bei ihren Vorfahren. Sie könnten ein größeres Gewicht schlicht nicht tragen. Darüber hinaus legen Vögel zwar Eier, haben aber eine intensivere Brutpflege als Sauropoden. Vögel brüten ihre Eier aus und ziehen die geschlüpften Jungen auf. Sie investieren also viel Energie in die Aufzucht, die ihnen dann nicht mehr fürs Wachstum zur Verfügung steht.

Heutige Reptilien wie Schildkröten oder Krokodile verfolgen zwar dieselbe Nachwuchsstrategie wie einst die Sauropoden, doch ihre Größe wird laut Sander durch ihre niedrige Stoffwechselrate begrenzt. Die wechselwarmen Reptilien wachsen schlicht zu langsam, um in der Liga der Giganten mitspielen zu können. Eines der größten Reptilien war der ausgestorbene australische Riesenwaran Megalania, der eine Länge von fünf Metern erreichte.

Paraceratherium
Das Paraceratherium war das größte Säugetier aller Zeiten. © DagdaMor/ CC-by 3.0

Säugetiere: Limitiert durch Zähne und Nachwuchs

Auch Säugetiere werden nie den Gigantismus der Sauropoden erreichen. Ihr Kopf ist wegen des Kauapparats und der dafür nötigen stabilen Bauweise zu groß und zu schwer, um von einem langen Hals getragen zu werden. Das gilt auch für Giraffen, deren Hälse im Vergleich zu Sauropoden ebenfalls als kurz bezeichnet werden müssen.

Auch ihre Fortpflanzungs-Strategie schränkt Säugetiere in ihrer Größe ein. Die Nachkommen kommen erstens nicht in Eiern auf die Welt und werden zweitens mit ausgeprägter elterlicher Fürsorge großgezogen. Dadurch „verlieren“ Säugetiere, genauso wie Vögel, Energie und können nur eine begrenzte Zahl Jungtiere auf einmal großziehen. Dadurch reagieren große Säugetiere mit dieser Nachwuchs-Strategie viel empfindlicher auf gestörte Umweltbedingungen oder Einbrüche in der Population. Dass Säugetiere eine hohe Stoffwechselrate haben und dadurch schnell wachsen, kann diesen Nachteil nicht ausgleichen.

Den stärksten Riesenwuchs aller Säugetiere wies das vor 20 Millionen Jahren ausgestorbene Paraceratherium auf. Das acht Meter lange und 15 bis 20 Tonnen schwere Tier lebte seiner Zeit in Eurasien und gehörte zur Familie der Nashörner, sah aber mehr aus wie ein Elefant mit langem Hals.

Konkurrenzlose Giganten

Paraceratherium und andere Riesen wie Elefanten oder Giraffen verdeutlichen, dass Säugetiere durchaus einiges an Größenpotenzial besitzen. In der Rangfolge aller Tierfamilien stehen sie laut Sander größentechnisch im Mittelfeld: „Die größten Reptilien und Vögel sind kleiner als die größten Säugetiere, diese sind kleiner als die größten Raubsaurier und Vogelbeckensaurier, die wiederum kleiner sind als die größten Sauropoden.“

Die Sauropoden werden ihren Schwergewichts-Titel also auch in Zukunft halten und sind seit ihrem Aussterben in der Kreidezeit quasi konkurrenzlos. Eine einzigartige, zufallsbedingte Kombination aus verschiedenen Merkmalen ermöglichte es ihnen, zu legendären Giganten zu werden. Bis heute lebt ihr riesiges Erbe in Forschung und Faszination fort.