Was taugen Heuschrecke, Mehlwurm und Co als Lebensmittel?
Insekten auf dem Speiseplan
Ob Mehlwurm, Heuschrecke oder Grille: Diese Insekten sind in der EU als Lebensmittel zugelassen und dürfen im Ganzen verkauft und verzehrt oder als Mehl verarbeitet werden. Doch wie gesund ist die Insektenkost? Was bringt sie Umwelt und Klima? Und woher weiß ich, wo Insekten drinstecken?
In anderen Regionen der Erde stehen Insekten schon seit Jahrhunderten auf dem Speiseplan, nicht selten sind Heuschrecke, Raupe und Co eine begehrte Delikatesse. Bei uns löst die Vorstellung von Insekten auf dem Teller allerdings oft eher Ekel als Genuss aus. Dabei sind die sechsbeinigen Krabbler alles andere als ungesund und haben noch dazu weit eine bessere Ökobilanz als Fleisch von Rind, Schwein und Co. Grund genug, um sich die essbaren Insekten einmal näher anzusehen.
Die in der EU zugelassenen Speiseinsekten im Überblick
Vom Mehlwurm bis Wanderheuschrecke
Insekten sind eine der artenreichsten Tiergruppen unseres Planeten und es gibt kaum eine Gegend, an der es keine Käfer, Fliegen oder andere Vertreter dieser sechsbeinigen Gliederfüßer gibt. Kein Wunder also, dass sie in vielen Regionen der Erde ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan stehen. Allerdings nicht bei uns. Insekten zu essen war lange tabu – und in der EU sogar verboten.
Mehlwurm in Nudeln, Falafel und Chips
Dies hat sich nun geändert: Inzwischen hat die EU vier verschiedene Insektenarten für den menschlichen Verzehr zugelassen. Schon seit Sommer 2021 dürfen Mehrwürmer in getrockneter Form offiziell als Nahrungsmittel verkauft werden. Die genügsamen, ein bis zwei Zentimeter langen Larven des Mehlkäfers Tenebrio molitor werden gefriergetrocknet als Snack oder Salatbeilage verkauft. In gemahlener Form können sie Backwaren oder Nudeln beigemischt werden.
Auch als Zutat für Falafel oder Chips ist das Mehlwurmpulver geeignet. Schon vor einigen Jahren wurde in den Niederlanden eine Mischung aus Kichererbsenmehl und gemahlenen Mehlwurmlarven als Basis für Frikadellen oder Falafel getestet. In ersten Tests in Kantinen und Restaurants schnitten diese Falafel wegen ihrer angenehmen Textur und ihres würzigen Geschmacks gut ab. In Frankreich experimentiert man unter anderem mit Chips aus Cassava und Mehlwurmmehl. Eine „Crikizz“ getaufte Variante dieses Snacks hat 2012 beim nationalen Wettbewerb Eco-trophélia den Preis für kulinarische Innovation gewonnen.
Gegrillte Wanderheuschrecke gefällig?
Auch der Prototyp des essbaren Insektes ist schon seit November 2021 in der EU als Lebensmittel zugelassen: die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria). In Afrika wird sie schon lange als Snack und willkommene Ergänzung des Speiseplans verzehrt – vor allem, wenn diese Heuschrecke bei ihren periodischen Massenvermehrungen in rauen Mengen anfällt. In Europa kommen diese bis zu fünf Zentimeter langen Insekten freilebend heute nur noch im Mittelmeerraum vor.
Verkauft und als Lebensmittel verarbeitet werden darf die Wanderheuschrecke bei uns in fast jeder Form: getrocknet, gefroren oder in Pulverform. Weil sie in der Aufzucht teurer sind als Mehlwürmer, lohnt sich die Verarbeitung zu Mehl allerdings kaum: Pro Stück kosten die Heuschrecken immerhin rund 50 Cent. Sinnvoller ist es daher, die Tiere im Ganzen zu verzehren, beispielsweise gegrillt oder gebraten.
Heimchen am Herd auf neue Art
Seit Mitte Januar 2023 dürfen zwei weitere Insekten in der EU offiziell als Lebensmittel verkauft verwendet werden. Die erste ist die Hausgrille (Acheta domesticus), auch als Heimchen bekannt. Die bis zu zwei Zentimeter große Heuschreckenart kommt bei uns in Mitteleuropa auf vielen Wiesen und Feldern vor. Im Winter sucht sie in Scheunen, Ställen und anderen Gebäuden Schutz vor der Kälte. Ihr nächtliches Zirpen war deshalb früher oft auch in den Wohnhäusern zu hören.
Die in Europa und Asien verbreitete Hausgrille wird in Asien schon lange als Speiseinsekt genutzt. Bei uns zum Verzehr angeboten wird sie unter anderem als Snack in Form von gerösteten und gewürzten ganzen Tieren. Aber auch Chips und Nudeln mit Grillenmehl oder Burger-Pattys mit Hausgrillenzusatz gibt es bereits.
Buffalowurm im Burger
Das vierte in der EU zugelassene Speiseinsekt sind die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus), die meist als „Buffalowurm“ bezeichnet werden. Sie ähneln kleineren Varianten der Mehlwürmer und kommen als Vorratsschädlinge in Getreidelagern, aber auch als Schädlinge in der Streu von Geflügelställen vor. Ähnlich wie die Mehlkäferlarven sind sie relativ anspruchslos und können einfach gezüchtet und gehalten werden. Als Lebensmittel wird der Buffalowurm in gefrorener Form im Ganzen, als Pulver oder als Proteinpaste verwendet. Die Pulver und Pasten wurden bisher unter anderem in Insekten-Burgern eingesetzt.
Wie berechtigt sind mulmige Gefühle bei Insektenkost?
Essen mit Ekel-Faktor
Schon jetzt nehmen wir rund 500 Gramm Insektenteile pro Jahr zu uns – ohne dass wir es merken oder ahnen. Denn in vielen Lebensmitteln wie Brot, Kaffee, Müsli und selbst Schokolade sind kleine Reste von Vorratsschädlingen oder pflanzenfressenden Insekten enthalten. Zwar schreibt das Lebensmittelrecht hier klare Grenzwerte vor, ganz frei von solchen Insektenresten sind die Lebensmittel aber dennoch nicht.
Die Kakerlake in der Milch
Finden Sie diesen Gedanken eklig? Damit stehen Sie nicht allein. Denn die Vorstellung, Insekten zu essen, erfüllt viele Menschen hierzulande eher mit Abscheu. Würden Sie beispielsweise ein Glas Milch trinken, in das zuvor eine Kakerlake getaucht wurde? Vermutlich nicht, denn das ist schließlich unhygienisch und das Insekt könnte Krankheitserreger in unser Getränk bringen. Aber wenn die Küchenschabe zuvor keimfrei gemacht wurde? Viele Menschen ekeln sich selbst dann noch und würden diese Milch trotzdem nicht trinken.
Aber warum eigentlich? Schließlich schlürfen viele Menschen rohe Austern mit Genuss, essen verschiedenste Krebstiere und sogar Schnecken stehen mancherorts auf dem Speiseplan. Trotzdem erfüllt die Vorstellung, einen Mehlwurm oder eine Heuschrecke zu essen, viele Menschen hierzulande mit Ekel oder zumindest einem mulmigen Gefühl.
Eine mögliche Erklärung dafür wäre ein instinktiver Schutzmechanismus: Weil Fliegenmaden und andere Insekten früher oft in verdorbener Nahrung oder Verwestem vorkamen, könnten unsere Vorfahren den instinktiven Abscheu aus Schutz vor Krankheiten und Vergiftungen entwickelt haben. Dagegen spricht allerdings, dass Insekten anderswo auf der Welt ohne große Skrupel und mit Genuss verspeist werden.
„Vierflügeliges Geflügel“
Der Ekel vor dem Insektenessen scheint demnach eher kulturell als biologisch geprägt. Tatsächlich war der Verzehr von Insekten auch bei uns in Europa früher keineswegs tabu – im Gegenteil: Im antiken Griechenland und Rom standen gleich mehrere Arten regelmäßig auf dem Speiseplan. Der antike Dichter Aristophanes bezeichnete Heuschrecken als „vierflügeliges Geflügel“, Aristoteles empfahl vor allem die weiblichen Zikaden, weil sie nach der Befruchtung besonders schmackhaft seien. Laut Plinius waren auf Mehl und Wein gezüchtete Käferlarven beim römischen Adel eine beliebte Delikatesse.
Doch nach dem Untergang des Römischen Reichs geriet der Insektengenuss in Verruf. Der Verzehr der sechsbeinigen Krabbler galt zunehmend als unrein und „barbarisch“. Jahrhundertelang griffen die Menschen in Europa nur noch dann auf Insektennahrung zurück, wenn die schiere Not sie dazu trieb. Dieser Wandel vom Genuss zum Ekel prägt die Haltung vieler Europäer bis heute.
Klare Kennzeichnung vorgeschrieben
Kein Wunder daher, dass die Zulassung von Insekten als Lebensmittel gemischte Gefühle auslöst – um es vorsichtig zu formulieren. In Reaktion auf besorgte und teils empörte Reaktionen betonte die EU-Kommission Anfang 2023 auf Twitter: „Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen. Jeder und jede kann selbst entscheiden, ob er oder sie Lebensmittel aus oder mit Insekten kauft oder nicht.“
Tatsächlich gibt es klare Vorschriften für die Kennzeichnung solcher Lebensmittel, die eindeutig auf den potenziell anstößigen Inhalt hinweisen: Jedes Lebensmittel, das Insekten enthält, muss auf der Verpackung den deutschen und lateinischen Namen der enthaltenen Insektenart angeben – beispielsweise „Mehlkäferlarven (Tenebrio molitor)“. Außerdem muss angegeben werden, in welcher Form das Insekt enthalten ist – als Pulver, Paste oder im Ganzen gefroren. Weil Insekten bei Menschen mit einer Allergie gegen Krebs- und Weichtiere oder Hausstaubmilben allergische Reaktionen auslösen können, muss zudem immer ein Allergiehinweis auf der Verpackung stehen.
Schmu lohnt sich nicht
Soweit die Vorschriften. Aber wie sieht es mit den Befürchtungen aus, Insektenmehl oder Proteinpaste aus den Krabbeltieren könnte heimlich in Nudeln, Kekse oder angeblich vegetarische Nahrungsmittel gemischt werden? Auch hier kann man Entwarnung geben: Bisher ist die Zucht von Insekten für den Verzehr noch relativ kostenintensiv, eine echte Massenproduktion gibt es noch nicht.
Deshalb ist beispielsweise Insektenmehl noch um ein Vielfaches teurer als normales Mehl aus Getreide – ein Kilogramm gemahlene Insekten kann mehr als 100 Euro kosten. Schon aus wirtschaftlichen Gründen lohnt es sich daher für Lebensmittelhersteller nicht, Heuschrecke und Co heimlich in ihre Produkte zu schmuggeln.
Warum sollten wir mehr Insekten essen?
Alternative zu Rind, Schwein und Co?
Esst mehr Insekten! Diesen Slogan verbreiten nicht etwa Survival-Experten oder Vertreter exotischer Regenwaldvölker. Im Gegenteil: Niemand geringeres als die UNO und die Welternährungsorganisation FAO machen schon seit Jahren Werbung für mehr Insekten auf unserem Speiseplan. Die Gründe dafür sind einleuchtend, denn der Verzehr der sechsbeinigen Krabbler hat ziemlich viele Vorteile – für die Umwelt, die globale Nahrungssicherheit und nicht zuletzt auch für unsere Gesundheit.
Effektive Umwandler
Das wichtigste Argument für das Insektenessen ist die weltweite Nahrungsversorgung. Schon jetzt haben Menschen in vielen Regionen der Erde nicht genügend zu essen, weil Landschaft, Klima oder wirtschaftliche Umstände effektiven Pflanzenanbau oder Viehzucht nicht zulassen. Und dies wird sich angesichts von Bevölkerungswachstum und Klimawandel auch in Zukunft nicht bessern: „Im Jahr 2030 müssen bereits mehr als neun Milliarden Menschen ernährt werden, zusammen mit Milliarden von Tieren, die jährlich zur Produktion von Lebensmitteln, für Freizeitzwecke oder als Haustiere gehalten werden“, heißt es bei der FAO.
Die praktische Lösung: Insekten statt Rinder, Schweine oder Geflügel. Denn Insekten benötigen in Relation weniger Futter, um die gleiche Menge an essbarer Nahrung zu produzieren. „Im Durchschnitt können Insekten zwei Kilogramm Futter in ein Kilo Insektenmasse umwandeln, wohingegen Rinder acht Kilo Futter benötigen, um ein Kilo Körpermasse zu produzieren“, rechnet die FAO vor. Der Hauptgrund dafür: Weil Insekten wechselwarme Tiere sind, benötigen sie keine Energie dafür, ihren Körper auf Betriebstemperatur zu halten.
Weniger Ressourcen, weniger Emissionen
Ein weiterer Vorteil: Insekten benötigen keine flächenverschlingenden Weiden oder hochkalorische Nahrungspflanzen. Stattdessen begnügen sich die meisten von ihnen mit pflanzlichen Abfällen oder Kompost als Nahrung. Würde man daher mehr Insekten statt Rinder oder Schweine halten, bräuchte man weniger Anbauflächen für Futtermittel. Nach Angaben des WWF ist der Flächenverbrauch für Insekten selbst im Vergleich zu Geflügelfleisch noch um 50 Prozent geringer. Insektennahrung schafft daher mehr Platz, um Getreide und Co für unsere Ernährung anzubauen.
Positiv ist auch der Effekt für das Klima: Verglichen mit der Erzeugung von 100 Gramm Hühnerfleisch fällt für Lebensmittel aus Insekten nur rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen an. Zudem wird für die Produktion von Insektenproteinen weniger Wasser verbraucht als für Rind, Schwein, Huhn und Co. Insgesamt stuft der WWF die Ökobilanz von Insekten als etwas schlechter ein als die von Pflanzen, jedoch deutlich besser als die von Rind, Schwein und Huhn.
Das Umsteigen von klassischem Fleisch auf Insekten könnte daher dazu beitragen, Umwelt und Klima zu entlasten. Gleichzeitig könnte es die Proteinversorgung der wachsenden Weltbevölkerung verbessern. „Insekten sind überall, pflanzen sich schnell fort und besitzen hohe Wachstums- und Futterumwandlungsraten und einen niedrigen umweltbedingten Fußabdruck über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg“, so die Welternährungsorganisation. Deshalb ist sie dafür, mehr Insekten als Nahrungsmittel zu nutzen.
Wie gesund ist die Insektenkost?
Sechsbeinige Fitmacher
Auch wenn es manchem beim Gedanken an Käfersuppe oder gegrillte Grashüpfer ekelt: Das Essen von Insekten ist keineswegs ungesund – im Gegenteil. Die sechsbeinigen Gliederfüßer enthalten oft mehr gesunde Inhaltsstoffe als andere tierische Nahrung.
So viel Eiweiß wie ein Steak
So enthalten Insekten meist viel hochwertiges tierisches Eiweiß. „In der Summe ist die Proteinqualität von Insekten vergleichbar mit der von Rindfleisch und damit deutlich höher als die von pflanzlichem Eiweiß“, erklärt Lebensmittel-Experte Guido Ritter von der Universität Münster. Bei vielen Insektenarten liegt der Proteingehalt sogar deutlich höher als beim Steak oder dem Rindergehackten. In einigen afrikanischen Regionen decken Insekten dadurch immerhin fünf bis zehn Prozent des gesamten Proteinbedarfs der Bevölkerung.
Auch die in der EU zugelassenen Speiseinsekten sind relativ proteinreich: 100 Gramm Mehlwurm und Wanderheuschrecke enthalten 45 bis 48 Gramm Proteine, der Buffalowurm 56 Gramm und die Hausgrille sogar 69 Gramm. Zum Vergleich: 100 Gramm Rindersteak oder Rinderhack bringen nur gut 25 Gramm Eiweiß auf die Waage.
Hinzu kommt, dass viele Insekten viel von den Aminosäuren Tryptophan und Lysin enthalten. Vor allem dort, wo die Menschen sich vorwiegend von Mais ernähren, wie im Kongo, in Kenia und anderen afrikanischen Ländern, haben sie oft ein Defizit an diesen lebenswichtigen Aminosäuren.
Wertvolle Omega-3-Fettsäuren
Auch beim Fett sieht die Bilanz für die Insektenkost ziemlich gut aus: Die meisten Arten sind recht nahrhaft, besonders Larven und Raupen. Zudem enthalten sie besonders viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Linolensäure und Linolsäure. Beide kommen sonst vor allem in Pflanzenölen vor und sind für den Körper essenziell. So wird Linolsäure für die Haut benötigt, Linolensäure dient als Vorstufe für Omega-3-Fettsäuren, die unter anderem den Blutdruck senken, das Gehirn stärken und vor Makuladegeneration schützen sollen.
Insekten sind zudem reich an Spurenelementen und Ballaststoffen. So enthalten beispielsweise Grillen oder Palmrüsselkäfer doppelt so viel Zink wie ein vergleichbar schweres Steak. Die in Südafrika gerne gegessene Mopane-Raupe liefert besonders viel Eisen. Bestimmte Käfer, Heuschrecken und Grillen enthalten zudem reichlich Folsäure. Auch die Vitamine Riboflavin, Pantothensäure und Biotin, sowie die Mikronährstoffe Selen, Zink und Mangan sind in Insektenkost reichlich vertreten.
Und die Risiken und Nebenwirkungen?
Was ist mit der Hygiene der Insektenkost? Immerhin ernähren sich beispielsweise Mehlkäferlarven und Buffalowürmer auch von Abfällen und Vogelkot – nicht gerade appetitlich. Theoretisch besteht damit das Risiko, dass Speiseinsekten bei unhygienischer Haltung Krankheitserreger oder Parasiten auf den Menschen übertagen. Tatsächlich können Mehlwürmer zwei Arten von Zwergbandwürmern (Hymenolepis nana und Hymenolepis diminuta) auf den Menschen übertragen. Diese Parasiten leben im Darm von Ratten und ihre Eier können mit dem Rattenkot von Mehlwürmern aufgenommen werden.
Um solche Kontaminationen zu verhindern, gelten für die Zucht und Haltung von Speiseinsekten in der EU strenge Vorschriften. Bevor ein Insekt in der EU als Lebensmittel zugelassen wird, muss der Hersteller umfangreiche Daten über die Produktionsbedingungen und ihre Hygiene, die chemische Zusammensetzung und mögliche Gesundheitsrisiken vorlegen. Auch die Verträglichkeit, mögliche allergieauslösende Wirkungen und die Toxikologie werden getestet. Überprüft werden diese Daten und weitere verfügbare wissenschaftlichen Erkenntnisse dann von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). „Entscheidend ist, dass ein neuartiges Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit darstellt“, betont die EU-Kommission.
Risiken bestehen allerdings für Allergiker: Das Chitin der Insektenpanzer und andere Komponenten können in seltene Fällen Allergien auslösen, wenn jemand gegen Krebstiere, Hausstaubmilben oder Weichtiere allergisch ist. Deshalb müssen insektenhaltige Lebensmittel deutliche Allergie-Warenhinweise auf der Verpackung tragen.
Insekten-Verzehr rund um die Welt
Himmelskrebse und Wanzensauce
Auch wenn sie in Europa noch mit Misstrauen betrachtet werden: Auf anderen Kontinenten stehen Insekten schon lange auf dem Speiseplan, sei es als kleiner Snack, als Delikatesse oder gar als Grundnahrungsmittel.
Auswahl gibt es reichlich: Mehr als 2.100 Insektenarten gelten heute als essbar, die Spanne reicht dabei von Käfern über Schmetterlinge, Termiten und Grashüpfer bis hin zu Zikaden und Schaben. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO decken rund zwei Milliarden Menschen weltweit ihren Kalorienbedarf zumindest zum Teil durch Insektenkost. Allein in Mexiko stehen nach Angaben der FAO rund 500 verschiedene Insekten auf dem Speiseplan. Aber auch in China werden immerhin noch 180 verschiedenen Insektenarten verzehrt.
Wanzen, Grashüpfer und des Kaisers Leibspeise
In Mittelamerika geht die Tradition des Insektenessens bis auf die Zeit der Azteken zurück. Schon sie sollen ihren Speiseplan durch mehrere in Agaven lebende Schmetterlingsraupen ergänzt haben. Einigen Sorten des Agavenschnapses Mezcal werden diese „Agavenwürmer“ bis heute als Marketing-Gag zugesetzt. Bis heute mit Genuss verzehrt werden dagegen die als Chapulines bezeichneten Grashüpfer. Sie werden im mexikanischen Oaxaca in der Pfanne unter Beigabe von Limone, Salz und Knoblauchbrühe geröstet. Beim Jumil-Festival ziehen die Einheimischen in die Berge, um Kiefernwanzen zu sammeln. Diese werden leicht gesalzen in Tortillas eingerollt und dann roh verspeist.
In Japan sind dagegen Wespenlarven ein beliebtes Insektenmahl. Sie werden in den zentralen Gebirgsregionen gesammelt und mit Sojasoße, Zucker und Sake abgeschmeckt zum Reis gereicht. Das Gericht galt sogar als Leibspeise des 1989 gestorbenen japanischen Kaisers Hirohito. So verwundert es nicht, dass auch japanische Supermärkte in Dosen verpackte Wespenlarven verkaufen. Ebenfalls in Dosen erhältlich sind Köcherfliegenlarven. Gezuckert und mit Sojasauce abgerundet gelten auch sie als Delikatesse.
Eine Raupe als Wirtschaftszweig
Im Süden Afrikas ist die Mopane-Raupe eine begehrte Nahrung und Eiweißquelle für Millionen von Menschen. Die große Raupe des Nachtfalters Gonimbrasia belina wird im Dezember und März in Massen von Mopanebäumen abgesammelt. Die Raupen werden dann entweder getrocknet oder in Salzlauge eingelegt und in Dosen konserviert, einige werden auch frisch verkauft. Gegessen wird die Mopane-Raupe getrocknet, gekocht, gebraten, aber auch roh.
Das Sammeln und der Verkauf dieser Raupen ist im südlichen Afrika immerhin ein Wirtschaftszweig mit mehreren Millionen Euro Jahresumsatz. Für den Falter allerdings hat dieser Run auf die Larvenspeise negative Folgen: In einigen Gebieten ist er bereits so gut wie ausgestorben. Seit 2001 arbeiten die Länder Botswana und Simbabwe daran, Mopanewürmer in Mikrofarmen zu züchten, um den Schmetterling nicht weiter zu gefährden.
Ameisen und Käferlarven
In Südostasien sind die Larven und Puppen der Weberameise als Zutat in vielen Gerichten zu finden. Die Tiere werden Suppen, Salat oder gebratenen Speisen beigemengt, schmecken gut gewürzt aber auch roh. In Thailand werden dagegen die Weibchen einer großen roten Ameise wegen ihres hohen Fettanteils gesammelt und gegessen. Auf thailändischen Märkten kann man diese Ameisen auf Bananenblättern ausgelegt kaufen, kross gebraten schmecken diese Insekten nach Speck.
In ganz Südostasien verbreitet und beliebt sind die bis zu acht Zentimeter langen Larven des Roten Palmrüsslers (Rhynchophorus ferrugineus). Als „Sagowurm“ werden diese Käferlarven geröstet, in Bananenblättern gedünstet oder auch roh mit würziger Fischsoße verspeist. Auch in Restaurants werden Sagowurm-Gerichte angeboten. Im Nordosten Thailands werden Riesenwasserwanzen zu einer schmackhaften Sauce verarbeitet. Im Mörser zerstoßen und mit Fischsud, Knoblauch, Limetttensaft und Chili vermischt, ist diese Sauce eine schmackhafte Würze für den Reis.
In China und Südostasien werden neben Insekten auch vereinzelt die zu den Spinnentieren gehörenden Skorpione gegessen. Das in ihrem Schwanzstachel enthaltene Gift wird beim Kochen unschädlich, einige dieser essbaren Arten sollen gegrillt oder geröstet einen popkornartigen Geschmack haben.