Das Fermi-Paradoxon und die Suche nach außerirdischen Intelligenzen

Wo sind die Aliens?

außerirdisches Raumschiff
Wenn es in unserer Galaxie noch weitere hochentwickelte Zivilisationen gibt, warum haben wir sie noch nicht entdeckt? © Rastan/ Getty images

Theoretisch müsste es in unserer Galaxie unzählige Planeten mit intelligentem Leben geben – und möglicherweise auch fortgeschrittenen Zivilisationen. Aber trotz jahrzehntelanger Suche haben Astronomen bisher weder außerirdisches Leben noch Hinweise auf extraterrestrische Intelligenzen gefunden. Aber warum? Wo stecken all die Aliens?

Schon vor Beginn des Raumfahrtzeitalters rätselten Astronomen und Physiker darüber, wie verbreitet außerirdische Zivilisationen sein könnten und wie wahrscheinlich ein Kontakt wäre. Und schon damals fragte man sich, warum wir nicht längst etwas von Aliens gehört oder gesehen haben. Bis heute suchen Forschende nach Erklärungen für dieses sogenannte Fermi-Paradoxon – eine eindeutige Antwort steht aber noch aus.

Die Drake-Gleichung und extraterrestrisches Leben

Sind wir allein?

Spätestens seit der Entdeckung der ersten Planeten in unserem Sonnensystem fragen sich Menschen, ob wir allein im Universum sind. Ist unsere Erde nur ein exotischer, einmaliger Glücksfall der kosmischen Entwicklung? Oder gibt es irgendwo dort draußen noch andere intelligente Lebewesen und Zivilisationen?

Ufos
In der Science-Fiction sind Außerirdische und extraterrestrische Zivilisationen allgegenwärtig. © Matjaz Slanic/ iStock

Gibt es außerirdisches Leben?

Für die Science-Fiction ist der Fall schon lange klar: Außer uns muss es noch unzählige andere von intelligenten Wesen bewohnte Planeten geben. In den Romanen, Filme und Serien sind diese Aliens oft sogar viel weiter entwickelt als die Menschheit. In einigen Szenarien verfügen sie über fortgeschrittene Technologie, die ihnen die interstellare Raumfahrt und die Kommunikation über galaktische Entfernungen hinweg ermöglicht. In anderen Science-Fiction-Welten sind die Außerirdischen dagegen eher raubtierhafte Insektoide, eroberungswütige Weltenzerstörer oder auch Maschinenwesen.

Doch auch Wissenschaftler und sogar Politiker machten sich schon vor Jahrzehnten Gedanken darüber, ob wir allein im All sind. Der britische Premierminister Winston Churchill hielt die Existenz außerirdischer Lebensformen schon im Jahr 1939 für durchaus wahrscheinlich. Unter dem Titel“ Sind wir allein im Universum?“, argumentiert der Politiker auf erstaunlich moderne Weise dafür, dass es sowohl fremde Planeten als auch andere Lebensformen geben muss.

Lebensfreundliche Planeten gäbe es genug

Wie viele bewohnte Planeten und außerirische Zivilisationen es geben könnte, beschrieb der Radioastronom Frank Drake in den 1960er Jahren mit seiner berühmten „Drake-Gleichung“. In ihr listet er sechs Faktoren auf, die die Wahrscheinlichkeit für außerirdisches Leben bestimmen. Zu den astronomischen Faktoren der Drake-Gleichung gehören Bildungsrate geeigneter Sterne in unserer Galaxie (R*) , der Anteil der von Planeten umkreisten Sterne (fp) und der Anteil der Planeten in der habitablen Zone ihrer Sterne (ne).

Über diese Parameter wissen Astronomen heute deutlich mehr als noch zu Drakes Zeiten. Als potenziell geeignet gelten demnach vor allem sonnenähnliche Sterne und Rote Zwerge, die fast drei Viertel aller bekannten Sterne ausmachen. In der Milchstraße gibt es rund 100 Milliarden Sterne, jährlich kommen ein bis drei Sterne dazu. Planeten um solche Sterne sind aktuellen Himmelsdurchmusterungen nach eher die Regel als die Ausnahme. Viele nahe Sterne besitzen sogar gleich mehrere Planeten, selbst unser nächster Nachbar Proxima Centauri hat gleich drei davon. Für fp gehen Astronomen daher von im Schnitt einem Planeten pro Stern aus.

Exoplaneten
Exoplaneten mit potenziell lebensfreundlichen Bedingungen gibt es in der Milchstraße reichlich. © NASA

Und wie sieht es mit potenziell lebensfreundlichen Welten aus? Basierend auf Daten des Kepler-Weltraumteleskops der NASA gehen einige Astronomen allein in der Milchstraße von rund 40 Milliarden erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone ihrer Sterne aus – rund 40 Prozent aller Sterne in unserer Galaxie hätten demnach einen solchen Planeten. Andere Forscher halten einen Anteil von zehn Prozent lebensfreundlichen Planeten für realistischer.

So oder so bedeutet dies für den astronomischen Teil der Drake-Gleichung: Allein in der Milchstraße müsste es Milliarden lebensfreundliche Planeten geben.

Wie viele außerirdische Zivilisationen gibt es in unserer Galaxie?

Die Frage des Lebens

Wahrscheinlich gibt es allein in unserer Galaxie Milliarden lebensfreundliche Planeten. Doch wie hoch ist dann die Chance, dass auf ihnen intelligentes Leben oder sogar eine fortgeschrittene Zivilisation gibt?

Drake-Gleichung
Die Drake-Gleichung gibt anhand von sieben Parametern an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für die Entdeckung von intelligentem außerirdischem Leben ist. © HG: Sololos/ Getty images

Die zweite Hälfte der Drake-Gleichung

Diese Frage stellt der zweite Teil der berühmten Drake-Gleichung. Seine Parameter beschreiben die Wahrscheinlichkeit, dass auf einem habitablen Planeten biologisches Leben entsteht (fl), dass dieses Leben eine Intelligenz entwickelt (fi) und dass dieses intelligente Leben zu einer technologisch fortgeschrittenen Zivilisation wird (fc), die imstande wäre, mit uns zu kommunizieren oder die zumindest potenziell detektierbare Signale aussendet. Der letzte Faktor (L) beschreibt die Überlebensdauer ein solchen Zivilisation.

Für alle vier Parameter gibt es bisher keine klare Antwort, dafür umso mehr teils widersprüchliche Vermutungen. „Wir kennen bisher nur ein einziges Beispiel für das Vorkommen von Leben, Intelligenz und Technologie im Universum – uns“, konstatiert Adam Frank von der Rochester University in New York. Alle Modelle und Theorien können sich nur auf diesen einen Präzedenzfall gründen. „Wir haben daher keine Ahnung, wie wahrscheinlich es ist, dass sich auf einem beliebigen lebensfreundlichen Planeten intelligentes Leben entwickelt“, so Frank.

Gute Chancen für biologisches Leben

Im Jahr 2020 hat der Astronom David Kipping von der Columbia University in New York dennoch eine Einschätzung gewagt. Mithilfe statistischer Verfahren testete er, wie oft sich die irdische Evolution wiederholt, wenn man die Erdgeschichte bei gleichen Ausgangsbedingungen wieder und wieder durchspielt. „Diese Methode ist vergleichbar mit den Wahrscheinlichkeiten beim Wetten“, erklärt Kipping. „Sie erlaubt ein wiederholtes Testen ausgehend von bestehenden Daten.“

Auf Basis dieser Simulationen kommt Kipping zu dem Schluss, dass die Chancen für außerirdisches Leben relativ gut stehen. Demnach müsste auf mindestens jedem dritten Planeten mit erdähnlichen Bedingungen einfaches biologisches Leben vorkommen. Geht man von unserem eigenen Beispiel aus, könnten die ersten Zellen schon wenige hundert Millionen Jahre nach der Entstehung des Planeten entstehen. „Die Wette auf ein Universum voller Leben steht daher ganz gut“, so Kipping.

…aber enges Zeitfenster für Intelligenz

Für das intelligente Leben sieht es allerdings anders aus – und das hat vor allem mit dem Faktor Zeit zu tun: Nimmt man unsere eigene Evolution als Vorbild, dauert es mindestens 3,5 Milliarden Jahre, bis sich aus den ersten Zellen intelligentes Leben und erste Zivilisationen entwickeln. Damit haben wir die Bühne erst „kurz vor Toresschluss“ betreten. Denn schon in einer Milliarde Jahren wird die Sonne so heiß und groß geworden sein, dass die Erde nicht mehr in der habitablen Zone liegt – unsere grün-blaue Welt wird zum lebensfreundlichen Wüstenplanet.

Das bedeutet: Bei einem sonnenähnlichen Stern bleibt nur ein enges Zeitfenster für die Entwicklung von intelligentem Leben und außerirdischen Zivilisationen. Die Chance dafür beziffert Kipping auf 3:2. Das bedeutet: Den Sprung von einfachen biologischen Lebensformen zur intelligenten Zivilisation schaffen nur zwei von drei bewohnten Planeten. „Die Annahme, dass Intelligenz im Kosmos selten ist und die Erde einfach Glück hatte, bleibt daher gültig“, sagt Kipping. Allerdings: Masseärmere Sterne wie die Roten Zwerge haben eine deutlich längere Lebensdauer als unsere Sonne. Ihre Planeten hätten daher mehr Zeit für die Evolution zu intelligentem Leben.

Milchstraße
Allein in der Milchstraße könnte es zwischen 10.000 und einer Million außerirdische Zivilisationen geben. © NASA/JPL-Caltech/ESO/R. Hurt

Wie viele Zivilisationen gibt es in der Milchstraße?

Eine konkretere Schätzung zu intelligenten Außerirdischen stellte der Astronom Seth Shostak vom SETI-Institute im Jahr 2018 auf. Er ging in seinen Berechnungen auf Basis der Drake-Gleichung davon aus, dass auf einem von 100 belebten Planeten irgendwann auch intelligentes Leben entstehen könnte – und dass zumindest einige dieser Kulturen lange genug überleben, um eine Zivilisation zu begründen. Shostaks Schätzungen nach müsste es daher in einem von 100 Millionen Sternensystemen technisch hochstehende Bewohner geben. „Allein in unserer Galaxie könnte es damit rund 10.000 außerirdische Zivilisationen geben – von anderen Galaxien ganz zu schweigen“, so der Astronom.

Zu einem noch optimistischeren Ergebnis kam der Astronom Carl Sagan im Jahr 1979: Er und seine Kollegen gingen von rund einer Million technologischer Zivilisationen in der Milchstraße aus. „Das ist eine atemberaubend große Zahl und es ist begeisternd, sich die Vielfalt, Lebensweisen und Handelsbeziehungen dieser Millionen Welten vorzustellen“, so Sagan in einem Vortrag.

Es gibt allerdings auch deutlich pessimistischere Schätzungen. Die „Rare-Earth“-Hypothese geht beispielsweise davon aus, dass es in einer Galaxie viele Bereiche gibt, in denen die Bildung lebensfreundlicher Planeten mit komplexem Leben nicht möglich ist. Zu diesen „Todeszonen“ gehören unter anderem Gebiete mit hoher Dichte an massereichen Sternen und Supernovae, weil dort energiereiche Sternenwinde und Explosionen zu viele Turbulenzen und Strahlung erzeugen. Auch das galaktische Zentrum mit seinem supermassereichen Schwarzen Loch und den damit verbundenen Strahlenemissionen und Schwerkrafteffekten scheidet demnach aus.

Kugelsternhaufen
Könnten Kugelsternhaufen, wie hier Messier 13, geeignete Bedingungen für alien-Zivilisationen bieten? © Sid Leach, Adam Block/ Mount Lemmon SkyCenter, CC-by-sa 4.0

Kugelsternhaufen: Hort des Lebens oder Todeszone?

Ebenfalls erschwerte Bedingungen herrschen der „Rare-Earth“-Hypothese zufolge in Kugelsternhaufen. Diese kompakten Stern-Ansammlungen liegen in den Außenbezirken der Milchstraße und umfassen bis zu 100.000 meist alte, metallarme Sterne. Das jedoch bedeutet, dass diese Sternhaufen kaum schwere Elemente enthalten und damit auch nicht genügend Baumaterial für Planeten.

Noch dazu stehen die Sterne sehr dicht: Läge die Sonne in einem solchen Kugelsternhaufen, wäre ihr nächster Nachbar nicht vier Lichtjahre entfernt, sondern nur rund 0,2 Lichtjahre. Bei massereicheren Sternen kann dies zu Schwerkrafteinflüssen führen, durch die gerade Planeten aus ihrer Bahngeschleudert werden. – keine sehr guten Voraussetzungen für intelligentes Leben, sollte man meinen.

Doch das sehen Rosanne DiStefano vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und ihre Kollegen anders: Ihrer Ansicht nach könnten gerade Kugelsternhaufen beste Voraussetzungen bieten – nicht nur für Erdzwillinge, sondern auch für die Entwicklung fortgeschrittener Zivilisationen. Dies gelte dann, wenn ein Kugelsternhaufen vorwiegend aus Roten Zwergsternen besteht. Diese sind klein, leuchtschwach und haben dicht am Stern liegende habitable Zonen. Lebensfreundliche Planeten wären daher nahe genug am Stern, um nicht von den Schwerkrafteinflüssen der Nachbarsterne gestört zu werden.

Noch wichtiger aber: Rote Zwerge werden deutlich älter als unsere Sonne, daher hätten außerirdische Intelligenzen viel Zeit, sich zu entwickeln und fortgeschrittene Zivilisationen zu bilden. Für solche Aliens wäre dann ein Flug zum nächsten Planetensystem wegen der geringeren Entfernungen viel einfacher als für uns. Und auch das Argument der fehlenden Rohstoffe für die Planetenbildung lässt das Forschungsteam so nicht gelten: Inzwischen wurden schon mehrere Exoplaneten entdeckt, deren Sterne ebenfalls zehnfach metallärmer sind als unsere Sonne. Gerade für kleinere Gesteinsplaneten könnte das Baumaterial demnach auch in den Kugelsternhaufen ausreichen.

„Ein Kugelsternhaufen könnte daher sogar der erste Ort in unserer Galaxie sein, an dem intelligentes Leben entdeckt wird“, sagt DiStefano. Dieser Meinung war auch der Astronom Frank Drake, der deswegen im Jahr 1974 mit dem Arecibo-Radioteleskop eine Botschaft an extraterrestrische Intelligenzen sendete. Ihr Ziel: der gut 25.000 Lichtjahre entfernte Kugelsternhaufen Messier 13. Eine Antwort ist allerdings frühestens in rund 50.000 Jahren zu erwarten…

Warum haben wir noch keine Aliens entdeckt?

Das Fermi-Paradox

Wenn es intelligentes Leben im All gibt und wir selbst in unserer Milchstraße nicht die einzigen sind – warum haben wir bisher nichts von den Außerirdischen gehört oder gesehen? Lässt man zweifelhafte UFO-Beobachtungen und Berichte über Begegnungen der dritten Art mal außer Acht, ist die Alien-Bilanz bisher mehr als mau: Trotz aller Suche konnten wir bisher weder einfaches außerirdisches Leben noch extraterrestrische Intelligenzen finden.

SETI
Bisher haben Fahndungen nach außerirdischen Signalen mithilfe von Radioteleskopen keine eindeutigen Technosignaturen gefunden. © ferrantraite/ Getty images

Zwar gab es einige wenige Signale, die mögliche Kennzeichen eines extraterrestrischen und künstlichen Ursprungs aufwiesen. Einige stellten sich aber im Nachhinein doch als irdisch heraus, wie das BLC1-Signal von Proxima Centauri. Andere sind nur einmal aufgetreten, wie das berühmte „WOW“-Signal des SETI-Projekts oder die acht erst kürzlich identifizierten Signal-Kandidaten von fünf nahen Sternen. Diese Radiopulse sind aber viel zu kurz und unspezifisch, um einen außerirdischen Ursprung klar belegen zu können.

„Wo sind die alle?“

Aber warum haben wir noch nichts gefunden? Diese Frage stellte sich der Physiker Enrico Fermi schon im Jahr 1950, als er im Los Alamos National Laboratory während einer Mittagspause mit Physikerkollegen über die Alien-Frage diskutierte. Wenn es wirklich hochentwickelte außerirdische Zivilisationen in der Milchstraße geben sollte, dann hätten diese eigentlich mehr als genug Zeit gehabt, um die halbe Galaxie zu kolonisieren oder zumindest klare Anzeichen ihrer Präsenz zu hinterlassen, so sein Argument. Doch davon gibt es keine Spur.

Fermi stellte daher die naheliegende Frage: „Wo sind die alle?“. Warum detektieren wir keine außerirdischen Radiosignale oder andere Technosignaturen im All? Denn zumindest den optimistischen Auslegungen der Drake-Gleichung nach könnte die nächstgelegene außerirdische Zivilisation nur rund 1.000 bis 2.000 Lichtjahre von uns entfernt leben. Auch wenn dies für uns eine unüberbrückbare Entfernung ist, weil uns die Technologie zur interstellaren Raumfahrt noch fehlt – nach astronomischen Maßstäben ist dies ein Katzensprung.

Ähnliches würde für eine technologisch fortgeschrittene Zivilisation gelten, die Raumschiffe für interstellare Reisen entwickelt hat. Selbst wenn diese nicht über den fiktionalen Warp-Antrieb verfügen, sondern „nur“ mit einem oder zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit durch die Milchstraße tuckern, könnten sie ihre galaktische Umgebung im Laufe mehrere Millionen Jahre zumindest erkunden, wenn nicht sogar kolonisieren. Umso merkwürdiger ist es daher, dass wir bisher keinerlei Hinweise auf Technosignaturen im All entdecken konnten.

Der Astronom Seth Shostak erklärt das Fermi-Paradox.© SETI-Institute

Tausende Jahre für eine Antwort

Dieser Widerspruch – das „Fermi-Paradoxon“ – sorgt bis heute für Diskussionen und verschiedenste Erklärungsversuche. Einige davon konzentrieren sich auf den letzten Parameter der Drake-Gleichung – das für die Überlebensdauer einer Zivilisation stehende L. Dieses gibt an, wie lange außerirdische Intelligenzen mit fortgeschrittener Technologie im Schnitt existieren und wie viel Zeit ihnen demnach für eine interstellare Kommunikation und interstellare Reisen bleibt.

Geht man davon aus, dass die nächste extraterrestrische Zivilisation mehrere tausend Lichtjahre entfernt lebt, wäre ein Radiosignal mehrere tausend Jahre zu uns unterwegs und umgekehrt. Um die Radiosignale von der nächsten Alien-Zivilisation zu detektieren, müsste diese daher tausende Jahre vor uns unseren heutigen technischen Stand erreicht haben und entsprechende Radiosignale ausgesendet haben. Wenn diese Signale heute bei uns eintreffen und wir eine Antwort senden, müssen diese Außerirdischen noch einmal genauso lange überleben, um die Antwort zu empfangen. „Um eine andere aktive technologische Zivilisation im All zu finden, muss diese daher weit länger bestehen als wir jetzt“, erklärt Woodruff Sullivan von der University Washington.

Atomkrieg
Löschen sich Zivilisationen zu schnell selbst aus? © mesut zengin/ Getty images

Die Gefahr der Selbstauslöschung

Doch wie lange kann eine technologisch entwickelte Zivilisation überleben? Nach einer gängigen Erklärung für das Fermi-Paradox muss eine intelligente Lebensform im Verlauf ihrer Entwicklung erst eines oder mehrere „Nadelöhre“ überwinden – Phasen, in der sie sich durch soziale, politische oder technische Ereignisse selbst auszulöschen droht. Erst wenn diese instabilen Phasen überwunden sind, könne eine planetarische, zur interstellaren Kommunikation und Ausbreitung fähige Zivilisation entstehen, so die Annahme der „Great Filter“-Hypothese.

Auch Carl Sagan hielt es für durchaus wahrscheinlich, dass sowohl uns Menschen wie auch Außerirdischen eine solche Selbstauslöschung droht: „Es gibt einige, die auf unsere globalen Probleme hier auf der Erde schauen und zu dem Schluss kommen, dass wir in einem System leben, das instabil geworden ist und das zu einem baldigen Kollaps verdammt ist“, erklärte der Astronom. Gehe man davon aus, dass sich die Menschheit erst in ihrer Kindheit befände, stelle sich die Frage, ob sie jemals den Sprung zum Erwachsensein schaffe.

„Die wahrscheinlichste Erklärung für negative Ergebnisse einer umfassenden und gut ausgestatteten Suche ist, dass Gesellschaften sich selbst zerstören, bevor sie weit genug fortgeschritten sind, um einen Hochleistungs-Funkverkehr einzurichten“, sagt Sagan.

Zu großer Aufwand

Doch selbst wenn eine außerirdische Zivilisation lange genug überlebt, muss sie deswegen noch lange kein Interesse an einer interstellaren Kommunikation oder Kolonisation haben. Denn sollte es in ihrem eigenen Planetensystem genügend kolonisierbare Planeten und Ressourcen geben, würden die Aliens möglicherweise den Aufwand für eine darüber hinaus gehende Raumfahrt und Erkundung scheuen – so eine weitere Hypothese zum Fermi-Paradox.

RAdiosignal
Das Aussenden starker Radiosignale zur interstellaren Kontaktaufnahme kostet Energie. Ob Außerirdische diese investieren wollen, wissen wir nicht. © Andrey Suslov/ Getty images

Denn die Kosten für die Erkundung und Besiedlung von Planetensystemen um fremde Sterne sind immens. Schon ein einziges für interstellare Reisen geeignetes Generationenschiff würde eine Zivilisation beträchtliche Anteile ihrer Ressourcen kosten. Der US-Astrophysiker Freeman Dyson kalkulierte die Kosten für eine 200 Jahre dauernde Reise zu unserem nächsten Nachbarn Proxima Centauri auf die Größenordnung des gesamten US-Bruttoninlandsprodukts.

„Es ist daher durchaus plausibel anzunehmen, dass nicht alle außerirdischen Zivilisationen daran interessiert sind, eine so große Investition in eine ferne, unsichere Zukunft zu machen“, sagt Geoffrey Landis vom Lewis Research Center der NASA. Das könnte bedeuten, dass es dort draußen zwar außerirdische Zivilisationen gibt, sie uns aber nie nahe genug kommen werden, dass wir sie oder ihre Radiosignale entdecken.

Klumpige Verteilung

Hinzu kommt, dass geeignete Sterne und Planeten in der Milchstraße nicht gleichmäßig verteilt sind. Selbst wenn Außerirdische sich dazu entschließen, Erkundungssonden oder sogar Kolonisierungsschiffe zu benachbarten Sterne zu schicken, werden sie dies vermutlich eher dort tun, wo vielversprechende Ziele nahebei liegen. Unser Sonnensystem liegt allerdings nicht gerade in einem galaktischen Ballungsraum – eher in einem Außenbezirk mit vergleichsweise spärlicher Sternendichte. Noch dazu liegen wir mitten in einer rund tausend Lichtjahre großen lokalen Blase, einem von urzeitlichen Supernovae weitgehend freigewehten Raum.

Für die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts mit Aliens könnte das bedeuten, dass wir vielleicht einfach zu weitab liegen – entsprechend gering ist unsere Chance auf das Aufspüren außeririscher Technosignaturen oder sogar einen extraterrestrischen Kontakt. Das SETI-Institute vergleicht diesen Ortseffekt mit einem irdischen Phänomen: Obwohl es in Nordamerika Millionen Bären gibt, sind sie nicht überall gleich wahrscheinblich anzutreffen. Nur weil man noch nie einen Bären vor seinem Wohnzimmerfenster gesehen hat, heißt das aber noch lange nicht, dass es sie nicht gibt.

Würden Außerirdische uns finden?

SETI aus Sicht der Aliens

Gesetzt den Fall, es gibt irgendwo dort draußen Außerirdische, die ähnlich neugierig sind wie wir und die daher auch nach anderem Leben im All suchen. Wo würden sie danach schauen? Und in welche Richtung würden sie am ehesten ihre Radiobotschaften senden? Auch diese Fragen könnten erklären, warum wir bisher nichts von Außerirdischen gehört oder gesehen haben.

Transit
Von wo können außerirdische Astronomen einen Transit der Erde vor der Sonne sehen? © ESO/L. Calçada

Freier Blick auf die Erde

„Es ist natürlich unmöglich vorauszusagen, ob Außerirdische die gleichen Beobachtungstechniken wie wir nutzen“, erklärt René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. „Aber sie müssen den gleichen physikalischen Prinzipien folgen, wie wir es tun.“ Demnach könnten Aliens auf der Suche nach „Nachbarn“ zunächst nach Planeten suchen, auf denen überhaupt Leben existiert. Solche Biosignaturen lassen sich beispielsweise bei einem Transit entdeckten – der Passage eines Planeten vor seinem Stern. Denn dann hinterlässt die Atmosphäre des Planeten Absorptionslinien im Spektrum des Sternenlichts, die die Zusammensetzung der Gashülle und damit auch die Präsenz von biogenen, von Organismen stammenden Molekülen anzeigen können.

2016 ermittelten Heller und seine Kollegen, dass der Erdtransit für außerirdische Astronomen von einem schmalen Streifen aus sichtbar wäre, der rund zwei Tausendstel des gesamten Himmels abdeckt. Aliens in diesem Gebiet hätten demnach eine Chance, die Erde als belebten Planeten zu identifizieren. 2021 hat ein Team um Lisa Kaltenegger von der Cornell University dies noch einmal präzisiert: Mithilfe der Daten des europäischen Gaia-Satelliten ermittelten sie, dass 1.402 Sterne momentan eine freie Sicht auf den Erdtransit haben, darunter 128 sonnenähnliche Sterne und 1.050 Rote Zwerge und Rote Riesen.

Interessant auch: 46 dieser Sterne liegen sowohl in der Erdtranszone als auch in einem Umkreis von bis zu 100 Lichtjahren. „Diese 46 Objekte könnten die Passage der Erde von der Sonne beobachten und wären gleichzeitig in der Lage, Radiowellen von der Erde einzufangen“, berichtet Kaltenegger.

Die Technosignatur der Menschheit

An diesem Punkt setzt eine weitere Überlegung an: Vielleicht haben wir deshalb nichts von Aliens gehört, weil sie uns einfach noch nicht bemerkt und als intelligente Spezies identifiziert haben. „Wenn man davon ausgeht, dass biologisches Leben im All häufig vorkommt, dann wäre die irdische Biosignatur allein noch nichts Besonderes“, erklärt der Astrophysiker Amri Wandel von der Hebräischen Universität Jerusalem. Um extraterrestrische Zivilisationen zu einer gezielten Kontaktaufnahme durch ein Radiosignal oder eine Sonde zu motivieren, müssten sie seiner Ansicht nach auch unsere Technosignaturen detektieren.

„Es ist plausibel anzunehmen, dass auch außerirdische Zivilisationen nicht über unbegrenzte Ressourcen verfügen und daher ihre Ziele genau auswählen“, so Wandel. Die Menschheit ist in dieser Hinsicht allerdings ein Newcomer: Erst in den 1930er Jahren haben wir die ersten kurzwelligen Radiosignale erzeugt, die die Ionosphäre der Erde durchdingen und ins All hinausstrahlen konnten. Unter diesen frühen Technosignaturen der Menschheit waren ausgerechnet die ersten Fernsehübertragungen aus dem nationalsozialistischen Deutschland – keine besonders positive Visitenkarte unserer Spezies.

Radiowellen
Irdische Radiowellen gelangen erst seit rund 90 Jahren ins Weltall. © NASA

Unsere Radiosphäre reicht erst 90 Lichtjahre weit

Doch unabhängig von ihrem Inhalt bedeutet dies, dass menschengemachte Radiosignale erst seit knapp 90 Jahren im All unterwegs sind. Wenn demnach außerirdische Astronomen nach Signalen anderer Lebensformen suchen, könnten sie unsere Technosignatur nur dann entdeckt haben, wenn sie näher als rund 100 Lichtjahre von uns entfernt sind, wie Wandel vorrechnet. Würden sie dann auf diese Radiosignale reagieren und ihrerseits ein gezieltes Radiosignal auf die Erde richten, dann wäre diese Antwort wieder fast 100 Lichtjahre zu uns unterwegs.

Mit einer Reaktion könnten wir demnach frühestens in knapp 100 Jahren rechnen, es sei denn, die Außerirdischen wären uns näher. Würden sie beispielsweise auf einem nur rund 50 Lichtjahre entfernten Planeten leben, könnte ihre Antwort schon morgen eintreffen. Hätten die Aliens dagegen beim ersten Eintreffen unserer Radiosignale eine Erkundungssonde zur Erde geschickt, wäre diese sehr viel länger unterwegs. Geht man von einer Fluggeschwindigkeit von 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aus, dürften die Außerirdischen nicht weiter als 16 Lichtjahre entfernt leben, damit ihre Sonde demnächst bei uns ankommt, so Wandel.

Zu früh für eine Antwort

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass es in diesem Umkreis überhaupt außerirdische Zivilisationen gibt und wir in Kontakt mit ihnen treten? Wandel spricht in diesem Kontext von der Kontakt-Ära. Sie beschreibt die Zeit, die von der Freisetzung der ersten Radiowellen bis zum möglichem Empfangen einer Antwort von einer Nachbarzivilisation vergeht. Wie groß dieser Zeitraum ist, hängt von der Dichte der Zivilisationen und von ihrer Überlebensdauer ab. Denn wir könnten nur dann eine Antwort von Außerirdischen empfangen, wenn die Menschheit bestehen bleibt, bis diese eintrifft.

Konkret heißt dies: Wenn es in der Milchstraße zwischen 10.000 und einer Million relativ gleichmäßig verteilter außerirdischer Zivilisationen gibt, dann würde ihre Kontakt-Ära zwischen 400 und 2.000 Jahre nach Beginn der ersten Radiotransmissionen beginnen. Erst nach dieser Zeit könnte man mit einer ersten Reaktion von Aliens rechnen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine außerirdische Zivilisation der Erde nahe genug ist, um unsere Radiosphäre detektiert zu haben, ist demnach sehr gering“, so Wandel.

Wollen Außerirdische überhaupt gefunden werden?

ET antwortet nicht

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, das Fermi-Paradox zu erklären: Vielleicht wollen die Außerirdischen sich nicht bemerkbar machen – oder sie tun dies auf eine Weise, die unsere technologischen Möglichkeiten weit übersteigt.

Alien-Angriff
Sich bemerkbar zu machen, bringt auch ein Risko mit sich, wenn man es mit aggressiven Außerirdischen zu tun hat. © brunohaver/ Getty images

Ist die Funkstille vielleicht Absicht?

Die erste Variante wurde schon in den 1980er Jahren breit diskutiert, unter anderem vom Astronom und Science-Fiction-Autor David Brin. Er postulierte, dass außerirdische Zivilisationen vielleicht gute Gründe haben könnten, möglichst verdeckt zu agieren und nicht wahllos Signale oder automatische Sonden zu potenziellen Nachbar-Zivilisationen zu schicken. „Bisher nahm man an, dass solche Sonden voll guter Absichten neues Lebensformen und neue Zivilisationen suchen und kontaktieren“, so Brin. „Aber was ist, wenn von hundert, tausend oder zehntausend friedlichen ETIs eine xenophob oder paranoid ist?“

Eine solche Spezies könnte dann die Sonden und Radiosignale nutzen, um die Absender zu finden und anzugreifen. Diese Angst spielt bis heute eine Rolle, wenn beispielsweise darüber diskutiert wird, ob man bei Radiobotschaften ins All oder den mit Sonden mitgeschickten Piktogrammen unseren Absender und den Standort der Erde angeben sollte. Entsprechend vorsichtig könnte auch eine außerirdische Zivilisation vorgehen: „Erfahrene extraterrestrische Intelligenzen wären diesem Szenario zufolge sehr vorsichtig, nicht zu viele elektromagnetische Signale ins All hinausdringen zu lassen“, konstatiert Brin.

Wenn wir bisher nichts von Aliens gehört haben, könnte dies demnach schlicht daran liegen, dass sie keinen Kontakt wollen. Möglicherweise ist die Überlebenschance einer planetarischen Zivilisation schlicht größer, wenn sie isoliert bleibt.

Neutrinostrahlen statt Radiowellen?

Doch es gibt noch eine weitere, weniger düstere Erklärung für das Fermi-Paradox: Wer sagt, dass technologisch weit überlegene Zivilisationen überhaupt auf so altmodische Weise wie mit Radiosignalen kommunizieren? Bisher sind alle SETI-Bemühungen darauf ausgerichtet, nach genau den Signalen zu suchen, wie auch wir sie absichtlich und unabsichtlich ins All hinaus senden. Doch selbst die menschliche Technologie ist schon wieder im Wandel begriffen: Die Ära der Radiokommunikation wird zunehmend durch optische Datenübertragung per Laser und Glasfaser abgelöst.

Ähnliches könnte bei Außerirdischen der Fall sein: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass höherentwickelte Zivilisationen die Ära der Radiokommunikation längst hinter sich gelassen haben. Vielleicht nutzen sie eine Technologie, die wir noch nicht kennen oder nicht detektieren können. Auch das könnte einer Erklärung für das Fermi-Paradox sein, meint auch der Physiker Paul Davies, Leiter der SETI-Arbeitsgruppe der International Academy of Astronautics. In seinem 2010 veröffentlichten Buch „The Eerie Silence“ vermutete er, dass hochentwickelte Aliens beispielsweise Neutrino-Strahlen oder andere für uns exotische Kommunikationstechnologien nutzen könnten.

Auch Carl Sagan hielt es schon vor mehr als 40 Jahren für durchaus möglich, dass wir außerirdische Signale gar nicht detektieren können: „Warum erwarten wir, dass es einfach wäre, die Manifestationen einer sehr fortgeschrittenen Kommunikation zu erkennen? Entspricht unsere Situation nicht eher der eines isolierten Naturvolks in der Amazonasregion, dem die Werkzeuge fehlen, um die starken Radio- und Fernsehsignale zu detektieren, die sie überall umgeben?“, erklärte er 1979 in einem Vortrag.

Sollten Sagan und Davies Recht haben, dann stehen die Chancen für die Suche nach extraterrestrischen Lebenszeichen eher schlecht – es sei denn, wir finden zufällig die Signale einer Zivilisation, die noch nicht viel weiter entwickelt ist als wir selbst.