Solaranlagen und Landwirtschaft müssen keine Flächenkonkurrenten sein, denn mit der Agri-Photovoltaik lassen sich Äcker, Gärten oder Obstanlagen doppelt nutzen – Win-Win auf dem Acker. Doch wie gut funktioniert der Pflanzenanbau unter oder neben den Solarmodulen? Und warum kann dies sogar Vorteile bringen?
Noch steckt die Agri-Photovoltaik erst in den Anfängen, es gibt bisher nur wenige Pilotanlagen in Deutschland. Doch das Potenzial ist enorm: Theoretisch könnten man sogar den gesamten Strombedarf unseres Landes mit in Ackerflächen, Obstanlagen oder Weinbergen integrierten Solaranlagen decken. Kommt jetzt der Boom in der Agri-Photovoltaik?
Warum die Agri-Photovoltaik im Kommen ist
Strom vom Acker
Wenn die Energiewende funktionieren soll, dann muss Deutschland die erneuerbaren Energien sehr viel schneller ausbauen als bisher. Neben der Windenergie könnte dabei vor allem die Solarenergie einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung leisten. Stark gesunkene Preise für Photovoltaik-Module und die relativ einfache Installation machen die Photovoltaik zu einer vergleichsweise günstigen Alternative zur Stromproduktion aus fossilen Brennstoffen.
Wohin mit den ganzen Solaranlagen?
Der Haken jedoch: Solaranlagen benötigen viel Platz. Bisher stammt rund drei Viertel der in Deutschland installierten Photovoltaik-Leitung von Solaranlagen auf Hausdächern. Doch nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) werden bis zum Jahr 2045 mindestens 300 bis 450 Gigawatt an Photovoltaikleistung benötigt – bisher sind hierzulande nur rund 60 Gigawatt installiert. Auf Dächern alleine lassen sich all die zusätzlichen Solaranlagen nicht mehr verbauen.
Das bedeutet, dass mehr Flächen für die Solarenergie nötig werden – und das führt zur Flächenkonkurrenz vor allem mit der Landwirtschaft. Zwar erhalten Solaranlagen in Deutschland nur dann eine staatliche Förderung, wenn sie auf versiegelten Flächen, auf Konversionsflächen, auf Streifen längs von Autobahnen oder Schienen oder auf nicht für den Anbau geeigneten Flächen errichtet werden. Aber je rentabler die Photovoltaik wird, desto eher lohnt es sich auch ohne die Förderung, Felder in Solarflächen umzuwandeln. Das schürt Konflikte und gefährdet die Nahrungsproduktion.
Beides statt Entweder-Oder
Doch es geht auch anders: Mit der Agri-Photovoltaik lassen sich Landwirtschaft und Solarstromgewinnung auf einer Fläche kombinieren. Dabei werden die Solarmodule so angebracht, dass sie zwischen oder über den Pflanzen stehen und diese nicht oder nur in Teilen beschatten. Je nach Bauweise stehen die Solarmodule entweder weit genug auseinander, um zwischen ihnen Platz für Traktoren und andere Landmaschinen zu lassen oder sie sind in mehreren Metern Höhe angebracht.
Dieselbe Fläche ermöglicht dadurch die Produktion von Nutzpflanzen und von Strom aus Sonnenenergie – gewissermaßen eine doppelte Ernte. „Die Agri-Photovoltaik kann die Antwort auf die Tank-oder-Teller-Diskussion sein, denn technisch betrachtet können Landwirte beides: durch die Doppelnutzung der Ackerflächen ihrer Kernaufgabe der Nahrungsmittelproduktion gerecht werden und zusätzlich durch die Bereitstellung von Solarstrom einen Beitrag zum Ausbau der Elektromobilität und zum Klimaschutz leisten“, erklärt Stephan Schindele vom ISE.
Das Potenzial für die Agri-Photovoltaik ist enorm: Nach Berechnungen des Fraunhofer-ISE würden rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen ausreichen, um über solche Agri-Solaranlagen den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken. Das Gesamtpotenzial der Agri-Photovoltaik schätzen die Forscher hierzulande sogar auf rund 1.700 Gigawatt. Selbst wenn man davon nur rund zehn Prozent realisieren würde, ließe sich die aktuelle Stromerzeugung aus Solarenergie fast verdreifachen.
Asien ist Vorreiter bei der Agri-Photovoltaik
Während diese Kombination aus Landwirtschaft und Photovoltaik bei uns erst allmählich an Bekanntheit gewinnt und noch kaum umgesetzt wird, sind andere Länder schon weiter: In China wurden bis zum Sommer 2021 bereits Agri-Solaranlagen mit insgesamt zwölf Gigawatt Leistung installiert und in Betrieb genommen – das ist der Löwenanteil der bisher rund 14 Gigawatt global installierter Leistung bei der Agri-Photovoltaik. Auch die weltweit größte Agri-PV-Anlage liegt in China: Über Anbauflächen für Beerenobst am Rand der Wüste Gobi wurden Solarmodule mit einer Leistung von 700 Megawatt installiert.
Aber auch in anderen asiatischen Ländern hat man die Chancen der Agri-Photovoltaik erkannt. In Japan gibt es bereits mehr als 3.000 größtenteils kleinere Agri-Solaranlagen, in Südkorea sollen solche Anlagen die Landflucht mindern helfen: Die Regierung plant den Bau von 100.000 Photovoltaik-Anlagen auf Äckern und Bauernhöfen, um so der Landbevölkerung ein besseres Einkommen und eine Altersvorsorge zu ermöglichen und dem Hofsterben entgegenzuwirken.
Doch wie funktioniert die Agri-Photovoltaik konkret?
Konstruktionsprinzipien und Modultypen der Agri-Photovoltaik
Wie funktioniert das?
Wenn es darum geht, Solaranlage und Pflanzenbau zu kombinieren, kommen mehrere Konzepte in Frage. Allen gemeinsam ist, dass die Pflanzen noch genügend Licht zum Wachsen erhalten müssen, damit es nicht zu größeren Ernteeinbußen kommt. Außerdem muss die Bearbeitung der Äcker oder Obstanlagen mit Landmaschinen noch möglich sein.
Der Klassiker: Solarmodule über der Anbaufläche
In der Praxis kommen daher meist zwei verschiedene Konzepte zum Einsatz. Das erste nutzt Reihen konventioneller Solarmodule, die auf einer drei bis fünf Meter hohen Unterkonstruktion stehen. Die Solarmodule können dabei fest verbaut sein oder beweglich angebracht und mittels Nachführung dem Sonnenstand folgen. Die „Aufständerung“ schafft unter den Modulen genug Platz, um mit Traktoren und anderen Landmaschinen darunter hindurch zu fahren. Der Abstand zwischen den Solarmodulreihen ist zudem so gewählt, dass noch genügend Licht hindurchfällt.
Ein Beispiel für dieses bisher am häufigsten eingesetzte Agri-PV-Konzept ist unter anderem eine 2016 installierte Pilotanlage in Heggelbach am Bodensee. Dort sind auf einer Fläche von 25 mal 136 Meter aufgeständerte Reihen von jeweils 3,50 Meter breiten Solarmodulen mit 9,50 Meter Zwischenraum angeordnet. Mit einer installierten Leistung von 194 Kilowatt konnten dort beispielsweise im Jahr 2020 rund 265.000 Kilowattstunden Sonnenstrom produziert werden, wie das Fraunhofer ISE mitteilt. Rein rechnerisch reicht dieser Strom für 62 Vier-Personen-Haushalte, praktisch diente er aber primär dazu, den Strombedarf der Hofgemeinschaft und für die Verarbeitung der Ernte zu decken.
Der Innovative: Senkrecht zwischen den Pflanzen
Beim zweiten Konzept sind die Solarmodule nicht aufgeständert, sondern auf niedrigeren Gestellen angebracht. Sie stehen dadurch nicht über, sondern zwischen den Pflanzenreihen. Auch dies lässt Platz für die Bearbeitung der Kulturen, vor allem, wenn die Solarmodule dabei senkrecht aufgestellt werden. Dafür besonders geeignet sind bifaziale Solarzellen, die das von beiden Seiten einfallende Sonnenlicht nutzen können.
Meist werden diese Module so aufgestellt, dass ihre Seiten nach Osten und Westen zeigen. Dadurch entgeht diesen Solarmodulen zwar die intensive Mittagssonne, dafür fällt das Licht zweimal am Tag – vormittags und nachmittags – auf die beiden Modulflächen. Wie eine Studie im Jahr 2022 ermittelte, liegt die Stromausbeute eines solchen Bifazialmoduls bei rund 999 Wattstunden pro installiertem Watt und Jahr – und steht damit der Stromgewinnung durch ein gängiges nach Süden geneigtes Modul mit 1020 Wattstunden pro Jahr und Watt kaum nach.
Positiv auch: Weil die senkrechten PV-Module ihren Strom antizyklisch zu den gängigen Dachsolaranlagen produzieren, können sie helfen, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Ein Beispiel für eine Agri-Solaranlage mit senkrechten Bifazialmodule ist unter anderem der Bürgersolarpark Aasen bei Donaueschingen. Dort sind Solarmodule in 33 Reihen mit je zehn Metern Abstand aufgestellt, insgesamt hat die Anlage eine installierte Leistung von 4,1 Megawatt. Zwischen den Solarmodulreihen wird Grünfutter für die Tierhaltung angebaut.
Eine dritte Form der Agri-Photovoltaik ist die Kombination von Solaranlagen mit Gewächshäusern. Bei dieser sogenannten geschlossenen Agri-Photovoltaik wird ein Teil der Glasscheiben in Gewächshäusern durch Solarmodule ersetzt, alternativ werden im Innenraum der Glashäuser geständerte Module aufgestellt. Der Vorteil hierbei: Bei vielen Gewächshäusern müssen die Pflanzen ohnehin durch zeitweilige Abschattung gegen zu starke Sonneneinstrahlung geschützt werden. Setzt man dafür Solarmodule ein, wird gleichzeitig Strom produziert.
Noch effizienter würden solche Photovoltaik-Gewächshäuser allerdings, wenn man organische Dünnschicht-Solarzellen verwenden könnte. Denn diese lassen sich so herstellen, dass sie nur bestimmte, nicht für die pflanzliche Photosynthese nötige Wellenanteile des Lichts zur Energiegewinnung absorbieren. Dadurch wären solche Solarmodule für das sichtbare Licht ganz oder zumindest teilweise transparent. Forscher arbeiten bereits daran, die bisher wenig stabilen transparenten Solarzellen haltbarer und ständiger zu machen.
Warum auch der Pflanzenbau profitieren kann
Schutz und Schatten
Damit die Agri-Photovoltaik funktioniert, sollten die Solarmodule nicht nur ausreichend Strom erzeugen – sie dürfen auch die Ernteerträge der unter oder neben ihnen angebauten Pflanzen nicht zu stark schmälern. Welche positiven oder negativen Effekte die Kombination von Solaranlagen mit dem Anbau von Gemüse, Obst oder Wein hat, wird in Deutschland schon seit einigen Jahren in mehreren PiIotanlagen untersucht.
Gutes Wachstum trotz Lichteinbußen
Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Nutzpflanzen – von Getreide über Kartoffeln und Gemüse bis hin zu Obst – mit der Agri-Photovoltaik kompatibel sind. Denn selbst wenn die Pflanzen beispielsweise bei hochgeständerten Anlagen bis zu 30 Prozent weniger Licht erhalten, reicht dies für ihr Wachstum meist aus. Der Grund: Die Photosynthese nimmt mit zunehmender Beleuchtung nicht unbegrenzt zu, sondern erreicht ab einer bestimmten Einstrahlung eine Lichtsättigung. Ab diesem Punkt bleibt die Photosyntheseleistung auch bei weiter zunehmender Einstrahlung nahezu konstant. Wo dieser Lichtsättigungspunkt liegt, ist je nach Pflanzenart verschieden, bei Schattenpflanzen liegt er niedriger als bei Sonnenpflanzen.
Nur bei sehr lichthungrigen Pflanzen wie dem Mais kam es auf deutschen Agri-PV-Testflächen zu Ernteeinbußen von mehr als 20 Prozent. Besser geeignet für den Anbau unter Solarmodulen scheinen beispielsweise verschiedene Gemüse, Salat, Hopfen oder Weizen. In der Testanlage in Heggelbach am Bodensee wurde beispielweise erfolgreich eine mehrgliedrige Fruchtfolge aus Kleegras, Winterweizen, Kartoffeln und Sellerie angebaut. Dabei hingen die Erträge stark vom Wetter ab: Im Schnitt gab es gegenüber normalen Anbauflächen zwar leichte Ernteeinbußen, diese lagen aber bei weniger als minus 20 Prozent.
Hilfe gegen den Klimawandel
Im besonders heißen und trockenen Hitzejahr 2018 profitierten die Nutzpflanzen sogar von ihrem Solardach: Bei drei der vier angebauten Kulturen gab es auf den Agri-Photovoltaikflächen höhere Erträge als ohne die Solarmodule. „Wir gehen davon aus, dass die Pflanzen den von Trockenheit geprägten Hitzesommer 2018 durch die Verschattung unter den semitransparenten Solarmodulen besser verkrafteten“, erklärt Andrea Ehmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Unter den Solarmodulen blieben Böden und Luft feuchter und kühler als in den voll sonnenexponierten Nachbarflächen.
Damit könnte die Kombination von Anbauflächen mit Solarmodulen sogar dabei helfen, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Denn mit der globalen Erwärmung kommt es auch in Deutschland immer häufiger zu Hitzeperioden und längeren Trockenzeiten. Viele Landwirte mussten dadurch in den vergangenen Sommern Ernteeinbußen in Kauf nehmen oder ihre Felder bewässern.
„Wir sehen in der Agri-Photovoltaik eine langfristige Lösung, um Landwirte dabei zu unterstützen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen“, sagt Stephan Schindele vom ISE. „Die Tatsache, dass durch die Klimakrise die Durchschnittstemperatur, Wetterextreme, und im Falle von Zentraleuropa auch die Sonneneinstrahlung zunehmen werden, legt nahe, dass das Potenzial einer Schutzfunktion durch PV-Module für Pflanzen in Zukunft größer wird.“
Agri-Photovoltaik in Obstanbau
Relevant ist dies auch im Obstanbau. Schon jetzt müssen dort sensible Früchte wie Kirschen, Beeren, aber auch Äpfel häufig durch Folien und andere Schutzbauten vor zu starker Kälte, vor Sonne oder vor Hagel und Starkregen geschützt werden. Ersetzt man diese Konstruktionen durch Solarmodule, können diese Wetterschutz bieten und gleichzeitig Strom produzieren.
Ein Beispiel für erfolgreichen Obstbau mit Agri-Photovoltaik liefert seit 2019 ein Bio-Beerenobst-Hof in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden über den Anbauflächen von Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren und anderem Obst hoch aufgeständerte Solarmodule von jeweils 3,50 Metern Breite aufgestellt. Die auf einer Fläche von 70 mal 60 Metern installierte Leistung entspricht 740 Kilowatt. In den ersten Jahren brachten die Beerenkulturen gute Erträge, größtenteils ohne messbare Einbußen.
Gute Chancen auch für Äpfel
Eine weitere Pilotanlage speziell für den Anbau von Obst-Dauerkulturen wie Äpfeln wurde 2021 in Gelsdorf in Rheinland-Pfalz eingerichtet. Auf einer Fläche von 32 mal 111 Metern stehen elf Reihen hoch aufgeständerte Solarmodule mit einer Leistung von 250 Kilowatt. Es soll untersucht werden, wie gut die Modulreihen die Früchte vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Hagel, Starkregen, Sonnenbrand, Frost oder extremen Temperaturen bewahren können und wie sich die Agri-Photovoltaik auf die Ernte auswirkt.
Die Chancen stehen aber gut: Es ist bereits bekannt, dass bei manchen Apfelsorten schon 60 bis 70 Prozent des verfügbaren Lichts für optimale Apfelerträge ausreichen. „Nachdem wir in den Niederlanden sehr erfolgreich professionellen Beerenanbau unter Agri-PV realisiert haben, gehen wir in Gelsdorf den wichtigen Schritt Richtung Spalierobst“, erklärt Schindele. „Wir haben erkannt, dass die Potenziale und Synergien für Agri-PV kombiniert mit Apfel, Birnen, Kirschen, Kiwi und weiteren Dauerkulturen beachtlich sein können.“
Solarmodule im Weinberg
Und auch im Weinbau tut sich etwas in Sachen Agri-Photovoltaik: In Frankreich wird die Agri-Photovoltaik im Weinbau bereits seit einigen Jahren staatlich gefördert, dort sind bisher schon rund 40 Megawatt in Planung. 2018 entstand in Tressere am Rand der Pyrenäen die bisher größte europäische Anlage mit nachgeführten Modulen im Weinbau. In Deutschland haben Forschende der Hochschule Geisenheim einen ersten Versuchsweinberg mit hoch aufgeständerten Solarmodulen ausgerüstet.
Weil auch der Weinanbau die Folgen des Klimawandels in besonderem Maße spürt, könnte die Agri-Photovoltaik eine Anpassungsstrategie bieten. Denn schon jetzt kommt es im Weinbau häufiger zu Problemen durch Trockenstress, zu frühe Reife, Sonnenbrand oder auch Starkregenschäden. Die Bedachung durch Solarmodule kann dabei helfen, den heranreifenden Weinreben Schatten zu spenden und sie vor Hagel oder zu starkem Regen zu schützen. Positiv auch: Der durch die Solarmodule erzeugte Strom könnte im Falle gefährlicher Spätfröste auch dazu verwendet werden, die Weinstöcke zu heizen.
Kosten, Gewinne und Genehmigungen
Lohnt sich das überhaupt?
Wie bei anderen Investitionen in erneuerbare Energien stellt sich auch bei der Agri-Photovoltaik die Frage: Lohnt sich das Ganze für diejenigen, die diese Anlagen betreiben? Denn neben den möglichen Synergie-Effekten durch die doppelte Flächennutzung müssen auch die Kosten für Bau und Betrieb der Anlagen berücksichtigt werden.
Günstiger als Dach-Anlagen
Wie hoch Investition und laufende Kosten sind und was dann der Strom aus der Agri-Solaranlage letztlich kostet, haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) exemplarisch ausgerechnet. Demnach liegen die Kosten für die Solarmodule selbst, für die elektrischen Komponenten und den Netzanschluss in ähnlicher Höhe wie bei einer normalen freistehenden Solaranlage. Etwas teuer sind allerdings bifaziale oder halbtransparente Glas-Solarmodule. Deutlich kostspieliger als eine gängige Solaranlage sind allerdings die Unterkonstruktionen und die Installation, speziell bei hoch aufgeständerten Anlagen.
Insgesamt liegen die Stromgestehungskosten je nach Anlagentyp und landwirtschaftlicher Nutzung der Fläche nach Berechnungen der Fraunhofer-Forscher zwischen fünf und gut zehn Cent pro Kilowattstunde. Niedrige Agri-Photovoltaikanlagen im Grünland sind dabei günstiger als hoch aufgeständerte Anlagen auf Ackerflächen. Das bedeutet: Agri-Photovoltaik ist in Deutschland zurzeit zwar etwas teuer als Freiflächen-Solaranlagen, aber deutlich günstiger als eine Solaranlage auf dem Dach.
„Strom aus einem Agri-PV-Kraftwerk ist meistens dann am lukrativsten, wenn er für den Eigenverbrauch genutzt wird und so den externen Strombezug unmittelbar verringert“, heißt es im Agri-PV-Leitfaden des Fraunhofer ISE. „Beispielsweise können bei einem gewerblichen Strompreis von 14 bis 16 Eurocent pro Kilowattstunde und Stromgestehungskosten um sieben Eurocent pro Kilowattstunde sieben bis neun Eurocent pro Kilowattstunde eingespart werden.“
Förderung nach dem EEG?
Um den Ausbau der Agri-Photovoltaik zu fördern, wurde Anfang 2023 eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) beschlossen. Die Agri-Photovoltaik wird nun erstmals im EEG regulär aufgeführt und es ist nun möglich, eine finanzielle Förderung für Strom aus Agri-Solaranlagen zu erhalten, soweit die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche durch die Anlage nicht nennenswert eingeschränkt wird. Weil die Konstruktion hoch aufgeständerter Anlagen deutlich teurer ist als für niedrige Varianten, sieht das EEG für sie unter bestimmten Bedingungen einen zusätzlichen Bonus von 1,2 Cent pro Kilowattstunde vor.
Diesen Zuschuss gibt es aber nur bei größeren Agri-Photovoltaikanlagen von mehr als einem Megawatt installierter Leistung, bei Bürgersolaranlagen ab sechs Megawatt. Das Problem jedoch: Die meisten in naher Zukunft auf Privatinitiative entstehenden Agri-Solaranlagen werden vermutlich die Ein-Megawatt-Grenze nicht erreichen. Bisher haben dies nicht einmal die Pilotanlagen geschafft. Doch gerade bei den kleineren Anlagen besteht nach Ansicht von Wissenschaftlern das größte Ausbaupotenzial.
“Es erscheint deutlich wahrscheinlicher, dass örtliche Landwirtschaftsbetriebe die notwendigen Investitionen von kleinen Anlagen im Bereich einiger 100 Kilowatt eher stemmen können als für große Anlagen von einem Megawatt und mehr”, konstatieren die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Begleitforschung Agri-Photovoltaik, der unter anderem Forscher des Fraunhofer ISE angehören. „Mit einer Förderung auch kleinerer Agri-PV-Anlagen können die Akzeptanz vor Ort erhöht und die Hürden für den Einstieg in Agri-PV gesenkt werden.“ Ihrer Ansicht nach ist die jetzige Förderung daher nicht ausreichend.
Im Genehmigungs-Dschungel
Als eine weitere Hürde sehen die Experten das zu aufwendige und komplizierte Genehmigungsverfahren. „Auf Ackerflächen direkt neben Autobahnen oder zweispurigen Bahngleisen hat ein Antrag für eine Agri-Photovoltaik-Nutzung gute Chancen“, erklärt Antonia Kallina, Juristin an der Hochschule Kehl. „Für alle anderen Flächen müssen Kommunen zunächst einen Bebauungsplan erstellen und mitunter sogar den Flächennutzungsplan ändern. Das ist eine erhebliche rechtliche Hürde.“ Denn anders als alle anderen erneuerbaren Energien gelten Agri-PV Anlagen nicht als privilegierte Bauvorhaben.
Die Genehmigungsverfahren nehmen viel Zeit in Anspruch und verzögern den Ausbau der Anlagen. Wissenschaftler fordern daher, dass Agri-PV Anlagen mit weniger als einem Megawatt Leistung in landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben künftig ebenfalls als privilegiert eingestuft werden. Dadurch wären Genehmigungen einfacher und schneller möglich. „Mit der richtigen Formulierung ist ein guter Kompromiss möglich, um einerseits die Interessen der Umwelt zu schützen und andererseits das Innovationspotenzial der noch jungen Technologie zu ermöglichen“, erläutert Kallina.