Der isländische Vulkan Krafla, ein Bohrloch und die Geothermie
Ein Vulkan wird angebohrt
Es ist ein riskantes Unterfangen: Auf Island wollen Forschende einen aktiven Vulkan anbohren und bis in die Magmakammer vordringen. Das Bohrloch tief in das Innere des Vulkans Krafla soll helfen, eine neue, effizientere Form der Geothermie zu initiieren. Ein erster, versehentlicher Vorstoß in das Krafla-Magmareservoir gab dafür den Anstoß. Doch was sind die Vorteile? Und was die Herausforderungen?
Schon jetzt trägt vulkanische Hitze über Hydrothermalquellen und die Geothermie-Kraftwerke dazu bei, uns Wärme und Strom zu liefern. Doch weltweit forschen Wissenschaftler an einer effizienteren, aber auch riskanteren Form der Erdwärme-Nutzung: der Gewinnung von überkritischem Dampf aus den Tiefen aktiver Vulkane. Im Mittelpunkt dieser Forschungen steht der isländische Vulkan Krafla, denn er bietet dafür einzigartige Bedingungen.
Warum bohrt man einen Vulkan an?
Energie aus der tiefen Glut
Eines der größten Reservoire erneuerbarer Energie liegt unter unseren Füßen – es ist das heiße Innere unseres Planeten. Vor allem dort, wo Vulkane und hydrothermale Quellen die Hitze dicht an die Oberfläche bringen, kann diese relativ leicht zur Gewinnung von Strom und Wärme genutzt werden. In Deutschland ist dies beispielsweise im Oberrheingraben der Fall.
Vorreiter in der Geothermie ist in Europa aber vor allem Island. Dort sorgt der durch die Insel verlaufende mittelatlantische Rücken für ein Aufreißen der Erdkruste und damit verbunden für starke vulkanische Aktivität. Immer wieder kommt es auf Island zu Ausbrüchen der aktiven Feuerberge – 2010 legte die Eruption des Gletschervulkans Eyjafjallajökull den Flugverkehr in halb Europa lahm, 2014 spie der Bárdarbunga monatelang Feuer und seit 2021 tritt Lava aus dem nahe Reykjavik gelegenen Vulkan Fagradalsfjall aus.
Geothermie hätte mehr Potenzial
Trotz der ständigen Gefahr durch seine aktiven Vulkane profitiert Island jedoch auch von seinem feurigen „Unterbau“: Rund ein Viertel seines Stroms und 90 Prozent der Wärme gewinnt das Land aus der Geothermie. Dabei wird entweder schon im Untergrund vorhandenes heißes Wasser gefördert oder es wird kaltes Wasser in die Bohrlöcher gepumpt, das sich dort aufheizt und als Dampf Turbinen antreiben kann. Das aus rund 1.000 bis 2.000 Meter Tiefe geförderte Wasser ist je nach Standort zwischen 80 und 200 Grad heiß.
Allerdings: Bisher nutzen selbst diese weltgrößten Geothermie-Kraftwerke nur einen Bruchteil der in der Tiefe schlummernden Energie: „Die Effizienz dieser Anlagen bei der Umwandlung von hydrothermalen Fluiden in Strom liegt in der Größenordnung von nur rund zehn Prozent“, erklären John Eichelberger von der University of Alaska in Fairbanks und seine Kollegen. Hinzu kommt, dass diese Geothermie-Anlagen oft neue Bohrlöcher anlegen müssen, weil Hitze und Dampfdruck an älteren Bohrstellen schnell nachlassen.
Mehr Energie durch überkritischen Dampf
Doch es ginge auch anders: Schon Anfang der 2000er Jahre entwickelten Geowissenschaftler die Idee, noch tiefer in den Untergrund zu bohren – bis an die Grenze der vulkanischen Magmareservoire. Denn dort ist das Gestein mehr als 1.000 Grad heiß und der Druck mit mehr als 200 Bar so hoch, dass Wasser in den überkritischen Zustand übergeht. In diesem zeigt das Wasser keinen Unterschied mehr zwischen flüssig oder gasförmig und schießt als extrem heißes, dichtes Hochdruck-Fluid nach oben.
Solche superkritischen Fluide haben einen weit größeren Energiegehalt als normaler Wasserdampf. „Diese Fluide könnten den Energietransport zur Oberfläche um das Zehnfache erhöhen und die Effizienz der Stromerzeugung aus dieser Hitze um das Dreifache steigern“, erklären Eichelberger und seine Kollegen. „Bis in eine Magma-nahe Fluidquelle vorzustoßen könnten daher zu einem Game-Changer für die Geothermie werden.“
Magma als fast unerschöpfliche Energiequelle
Ein weiterer Vorteil: Bei einer normalen Geothermie-Bohrung nimmt durch das ständige Abführen von Wärme die Energieausbeute mit der Zeit ab. Bohrt man aber bis an die Grenze einer vulkanischen Magmakammer, ist dies anders. „Magma ist ein um eine Größenordnung besseres und effektiveres Speichermedium für thermische Energie als festes Gestein“, erklärt Eichelberger. Der Grund ist die latente, bei der Kristallisation freigesetzte Wärme: Ein Kubikkilometer geschmolzenes Silikatgestein würde beim Auskristallisieren eine Trillion Joule an Wärmeenergie abgeben – genug, um 30 Jahre lang ein Gigawatt thermischer Leistung zu gewinnen.
Hinzu kommt, dass sich eine solche vulkanische Wärmequelle quasi von selbst immer wieder regeneriert: Konvektionsströmungen im glutflüssigen Magma sorgen dafür, dass das abgekühlte, erstarrte Gestein nach unten absinkt und frisches, heißes Magma nach oben steigt. „Wenn der Abstand des Bohrlochs zur Magmakammer gering genug ist, nutzen wir diese Energie und der Nachschub ist nach menschlichen Zeitmaßstäben nahezu endlos, sofern der Magmakörper groß genug ist“, sagt Eichelberger.
Doch um solche idealen Bedingungen zu erreichen, ist ein gewagtes Vorgehen nötig: Man muss einen Vulkan anbohren…
IDDP-Bohrung 1 stößt auf Magma
Der erste Versuch
Was passiert, wenn man die Magmakammer eines aktiven Vulkans anbohrt, hat sich im Jahr 2009 am isländischen Vulkan Krafla gezeigt. Dieser aktive Feuerberg im Norden der Insel erlebte in den letzten 2.800 Jahren sechs größere Eruptionen. Der letzte Ausbruch dieses Vulkans, das sogenannte Krafla-Feuer, liegt erst rund 40 Jahre zurück. Während dieser von 1975 bis 1984 anhaltenden Eruptionen rissen 20 neue Spalten im Untergrund auf, aus neun dieser Risse quoll glutflüssige Lava.
Die Krafla wird angebohrt
Seismische Untersuchungen legen nahe, dass die Magmakammer des Krafla-Vulkans nur zwei bis 4,5 Kilometer tief unter der Erdoberfläche liegt – und damit hoch genug, um dort eine Test-Bohrung zu wagen. Im Rahmen des Iceland Deep Drilling Projects (IDDP) beginnt deshalb ein Team von Wissenschaftlern mehrerer isländischer Energieanbieter und Forschungseinrichtungen im Juni 2008 mit einer Bohrung im Gebiet der Krafla-Caldera. Ziel des Projekts ist es, ein Bohrloch bis in die Nähe der in 4,5 Kilometer Tiefe vermuteten Magmakammer des Vulkans zu vorzutreiben, um von dort überkritische Fluide zu gewinnen.
Doch im Frühsommer 2009 kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall: In 2,1 Kilometer Tiefe stockt der Bohrprozess plötzlich – das Bohrgestänge steckt fest. Nach mehreren Versuchen gelingt es dem Team, den Bohrer wieder freizubekommen. „Wir mussten es herausbrechen und es noch mal versuchen. Wir taten das ein zweites und ein drittes Mal“, schildert der Geologe Wilfred Elders von der University of California in Riverside die damaligen Vorkommisse später gegenüber dem Deutschlandfunk. Doch immer wieder steckt der Bohrer fest.
Magma im Bohrloch
Die Ursache dafür zeigen sich beim dritten Versuch: „Wir hatten in flüssiges Gestein gebohrt“, so Elders. Entgegen den Erwartungen ist die Bohrung schon in 2,1 Kilometer Tiefe auf glutflüssiges, gut tausend Grad heißes Magma gestoßen. Die Gesteinsschmelze ist in das Bohrloch eingedrungen und hat die unteren zehn Meter aufgefüllt. Zum Glück für die Projektmitarbeiter ist die Magmamenge jedoch gering genug, um bei Kontakt mit der Bohrflüssigkeit zu Gesteinsglas zu erstarren. Eine Wasserdampf-Explosion oder eine Lavafontäne bleiben aus.
Doch es hätte auch anders kommen können, wie der letzte große Ausbruch der Krafla Ende der 1970er Jahre demonstrierte. Damals kam es zu einer Eruption aus einem Bohrloch des nahgelegenen Geothermie-Kraftwerks Bjarnarflag. Glutflüssiges, unter hohem Druck stehendes Magma war über neu aufgetretene Risse im Untergrund bis in die angebohrte Gesteinsschicht aufgestiegen und durch das Bohrloch bis an die Oberfläche geschossen. „Kurz vor Mitternacht war dort eine orange leuchtende Säule zu sehen, die Dutzende Meter in die Höhe stieg“, berichtet Olivera Ilic von der Universität Islands in Reykjavic. „Die Eruption verlief in Schüben und hielt rund 30 Minuten an. Am nächsten Morgen konnte man rund um das Bohrloch Bimssteinstücke liegen sehen.“
Glück gehabt
Im Falle der IDDP-Bohrung des Jahres 2009 kommt es glücklicherweise nicht zu einem solchen Ausbruch. Stattdessen gelingt es dem Forschungsteam, Bruchstücke des erstarrten Gesteinsglases aus dem Bohrloch zu bergen und näher zu untersuchen. Die Analysen ergeben, dass das Magma des angebohrten Reservoirs siliziumreich und relativ dünnflüssig ist. „Ein solches rhyolitisches Magma erfordert eine höhere Druckdifferenz als basaltisches Magma, um in einem Bohrloch aufzusteigen“, erklärt Ilic. Weil das Bohrloch sehr eng und der Druck der eingepumpten Bohrflüssigkeit relativ hoch war, konnte das schmelzflüssige Gestein nicht sehr weit vordringen – eine Eruption blieb aus.
Ebenfalls günstig: Dieses Magmareservoir des Krafla-Vulkans enthält offenbar relativ wenig gelöste Gase wie Kohlendioxid, Schwefeldioxid oder Schwefelwasserstoff. Dadurch besteht wenig Gefahr, dass diese Gase bei Druckentlastung plötzlich ausgasen und das Magma zum Schäumen bringen, wie Ilic erklärt. Vulkanischer Schwefelwasserstoff ist zudem hochgiftig und kann bei entsprechend hoher Konzentration sogar tödlich sein.
Risiko Wasserdampf-Explosion
Allerdings belegt der vorletzte große Ausbruch der Krafla, dass der Vulkan heftige Wasserdampf-Explosionen verursachen kann. Zu Beginn der fünf Jahre dauernden Myvatn-Feuer im Jahr 1724 ereignete sich eine solche phreatomagmatische Eruption, die den 320 Meter großen und rund 33 Meter tiefen Viti-Krater in den Untergrund sprengte. Solche Eruptionen ereignen sich, wenn heißes Magma auf Wasser stößt und dieses abrupt verdampft. Reicht der Druck des umgebenden Gesteins nicht aus, um den Dampf weiter zu komprimieren, kommt es zur Explosion.
Doch auch eine geothermische Bohrung kann eine Wasserdampf-Explosion auslösen, wie ein Vorfall in den 1980er Jahren in Italien demonstrierte. Damals stieß ein 2.930 Meter tiefes Bohrloch im Geothermie-Feld von Lardarello in der Toskana in eine von Rissen durchzogene, gut 400 Grad heiße und unter 240 Bar Druck stehende Gesteinsschicht vor. Durch die plötzliche Druckentlastung gaste der unter hohen Druck stehende Wasserdampf abrupt aus und führte zu einem „Blow-Out“. Das Bohrloch und seine Umgebung brachen ein, Gesteinsbrocken wurden in die Umgebung geschleudert und das Bohrloch musste wieder zugeschüttet werden. Bei der Bohrung in den Vulkan Krafla im Jahr 2009 ist dies glücklicherweise nicht der Fall.
Was die Krafla-Bohrung verraten hat
Magma, Dampf und Korrosion
Die erste Bohrung in den aktiven Island-Vulkan Krafla im Jahr 2009 musste wegen eindringendem Magma gestoppt werden. Glücklicherweise löste dies aber keinen Ausbruch aus. Stattdessen gelang es dem Team des Iceland Deep Drilling Projects (IDDP) um Gudmundur Fridleifsson, das Bohrloch zumindest einige Jahre offenzuhalten und erste Messungen am Bohrloch durchzuführen.
„Der Magma-Einstrom unterbrach zwar unser Projekt, bot uns aber die einzigartige Chance , ein so heißes System als Energiequelle zu testen“, sagt IDDP-Mitglied Wilfred Elders.
Günstige Bedingungen für Vulkan-Geothermie
Die Krafla-Bohrung war bis in den oberen Teil einer überraschend oberflächennahen Magmakammer vorgestoßen. Dies zeigte, dass die ersten Magmareservoire des Krafla-Vulkans schon in nur 2,1 Kilometer statt wie zuvor angenommen in rund vier Kilometer Tiefe beginnen. Für geothermische Bohrungen ist dies sehr günstig, denn es ist dadurch entsprechend einfacher, in die Nähe dieser Hitzereservoire zu kommen. „Es gibt wenig andere Fälle, wenn überhaupt, in denen silikatreiches Magma so dicht unter der Oberfläche liegt“, erklärt der Geologe John Eichelberger von der University of Alaska in Fairbanks.
Die Messungen und die Proben der im Bohrloch erstarrten Lava legten zudem nahe, dass das Magma im vulkanischen Reservoir der Krafla nur langsam auskristallisiert und selbst im kühlsten oberen Teil der Magmakammer kaum Kristalle enthält. Das bedeutet: „Konvektionsströmungen ersetzen das Magma nahe dem Kammerdach kontinuierlich durch nicht abgekühltes, heißeres Magma aus den Tiefen des Reservoirs“, so Eichelberger und seine Kollegen.
Überhitzter Wasserdampf mit hoher Energiedichte
Für die geothermische Nutzung tiefer Bohrungen ist das eine gute Nachricht. Denn eine solche intensive Konvektion stellt sicher, dass auch die ständige Abfuhr von Wärme durch das eingeleitete Wasser diese Wärmequelle nicht abkühlt. Dies bestätigte sich auch in den geothermischen Strömungstests: Über mehrere Monate hinweg lieferte das Krafla-Bohrloch überhitzten Wasserdampf, der mit rund 450 Grad und 140 Bar Druck aus dem Bohrkopf austrat. Eine Abnahme der Hitze war während der Testlaufzeit nicht feststellbar.
„Wir waren uns nicht sicher, ob sich dieser Dampfstrom aufrechterhalten ließe. Aber es klappte für längere Zeit. Es sah nach einem nachhaltigen System aus“, berichtet Fridleifsson. Den Berechnungen des IDDP-Teams zufolge würde dieser Wasserdampf siebenmal mehr Energie liefern als die normalen, nur gut tausend Meter tiefen Brunnen der isländischen Geothermie-Kraftwerke. Damit bestätigten diese ersten Messungen die Hoffnung, dass sich in aktiven Vulkangebieten auch überkritischer Wasserdampf zur geothermischen Energiegewinnung erzeugen lässt – theoretisch.
Korrosion macht Probleme
Allerdings zeigte die erste Krafla-Bohrung auch einige zuvor nicht berücksichtigte Probleme einer solchen tiefen Vulkan-Geothermie auf: Der aus dem Bohrloch herausschießende Wasserdampf war zwar heiß und dicht genug, um viel Wärmeenergie zu liefern. Gleichzeitig enthielt er aber auch viele Chlor- und Fluorverbindungen. Sobald der Wasserdampf etwas abkühlte und kondensierte, bildeten sich daraus extrem korrosive Säuren, darunter starke Salzsäure und Flusssäure. Im Dampf enthaltene Silikate fielen beim Nachlassen des Dampfdrucks ebenfalls aus und verstärkten die zerstörerische Wirkung dieses Gemischs.
Das Problem: Die aggressiven Bestandteile des Wasserdampfs sind nicht nur gefährlich für Menschen, sie zerstören auch die Infrastruktur der Geothermie-Bohrlöcher. Typischerweise bestehen die dafür verwendeten Leitungen aus speziellen Stahllegierungen, die eine hohe Festigkeit besitzen, aber auch anfällig für Korrosion dieser Art sind. Durch chemische Reaktionen wandelt sich das Metall dabei in wenig stabile Oxide, Hydroxide und Sulfide um. Als Folge können die Leitungen und anderen metallischen Bauteile solcher Anlagen porös werden und brechen.
Titan statt Karbonstahl?
Um dies zu verhindern, forschen Wissenschaftler bereits an neuen Legierungen, die die Geothermie-Leitungen widerstandsfähiger machen. Eine solche Legierung mit hohem Titangehalt und Beimischungen von Nickel und Molybdän haben Andri Thorhallsson und Sigrun Karlsdottir von der Universität Islands in Reykjavik vor kurzem getestet. „Titan ist zwar ein relativ teures Material, aber es kann in geothermischen Systemen mit aggressiver Korrosion sehr nützlich sein“, erklärt Thorhallsson.
Bei Tests mit überhitztem, korrosivem Dampf wurde der normaler Karbonstahl schnell zerfressen. Die Titanlegierung jedoch bildete ein dünne, aber gleichmäßige Schicht aus Titandioxid, das sich wie eine Schutzhülle auf das Metall legte. „Unsere Studie zeigte, dass die neuentwickelte Titanlegierung unter keiner der Testbedingungen korrodierte“, berichtet Thorhallsson. Nach Ansicht des Teams zahlen sich die höheren Kosten für solche Materialien demnach aus: Geothermische Anlagen mit dieser Legierung könnten auch unter hochkorrosiven Bedingungen wie am Krafla-Vulkan und in anderen magmatisch aktiven Gebieten lange arbeiten, ohne zerstört zu werden.
Neue Bohrung in die Magmakammer
Rückkehr zum Krafla-Vulkan
Die Krafla-Bohrung hat als eine der ersten weltweit bestätigt, dass die Hitze des vulkanischen Magmas eine neue Form der Geothermie ermöglichen könnte. Ob dies jedoch gelingt, hängt von einigen noch zu klärenden Faktoren ab. Deshalb wollen Wissenschaftler nun noch einmal zum isländischen Vulkan Krafla zurückkehren – und den Feuerberg erneut anbohren.
Anders als beim zufälligen Magma-Kontakt im Jahr 2009 soll beim neuen Projekt „Krafla-Magma-Testbed“ (KMT) nun gezielt bis in die Magmakammer des Vulkans hineingebohrt werden. Hauptziel ist es, die Übergangszone vom Festgestein zum Magma genauer zu beobachten, beproben und zu manipulieren. Die dabei gewonnen Erfahrungen und Daten sollen dazu beitragen, die Nutzung solcher magmatischen Systeme für die Geothermie zu ermöglichen. Das dafür geplante Bohrloch KMT-1 liegt ganz in der Nähe der alten IDDP-1-Bohrung.
„Wir wollen von den an diesem Standort einmaligen Gegebenheiten profitieren“, erklärt KMT-Projektleiter Hjalti Páll Ingólfsson von der Geothermie-Forschungsgruppe GEORG. „Denn hier befindet sich die einzige Magmakammer der Welt, von der wir wissen, dass sie nur zwei Kilometer unter der Erdoberfläche liegt. Dieses Wissen bietet uns die einzigartige Chance, nun noch einmal absichtlich in dieses Magma hineinzubohren und damit Zugang zu einem solchen vulkanischen Reservoir zu erhalten.“
Forschung über und in der Magmakammer
Anders als 2009 wollen die Forschenden diesmal gezielter vorgehen und schon beim Eindringen in die Deckschicht der Magmakammer geophysikalische und geochemische Messungen durchführen. Dafür werden in regelmäßigen Abständen entsprechenden Sensoren in das Bohrloch abgelassen. Parallel dazu sollen an verschiedenen Stellen der Übergangszone zum Magma Proben entnommen und analysiert werden.
„Die Idee dahinter ist es, dort langfristig eine Infrastruktur aufzubauen, die für verschiedenste Wissenschaftler und Forschungsprojekte offen ist“, erklärt Ingólfsson. Mithilfe des Krafla-Magma-Teststandorts können dann Forschungsfragen sowohl der Vulkanologie und Geologie als auch der Geothermie und Energiegewinnung untersucht werden. Ingólfsson und sein Team schätzen, dass die Krafla-Bohrung schon in den kommenden Jahren beginnen könnte.
Technische Herausforderungen
Bis dahin laufen bereits zahlreiche vorbereitende Studien und Tests, unter anderem zu den für Bohrung und Messungen nötigen Technologien und Methoden. Die vielleicht größte Herausforderung sei es, Messinstrumente zu finden, die auch unter den extremen Bedingungen in der Tiefe des Vulkans arbeiten. „Wir wissen, dass es Technologie gibt, die diesen Bedingungen standhält“, sagt Ingólfsson. „Die Frage ist aber, ob sie dies auch in zwei Kilometer Tiefe im Bohrloch tut.“
Auch zu den Materialien für die Bohrlochauskleidung und die Leitungen laufen Forschungen, die dann vor Ort fortgesetzt werden sollen. „Zu den größten Herausforderungen bei der Nutzung der Magma-Energie gehört es, geeignete Legierungen und Zemente für das Bohrloch zu finden und die Bohrfluide so zu behandeln, dass sie in die Turbinen eingeleitet werden können“, erklärt KMT-Mitglied John Eichelberger von der University of Alaska.
„Die Grenze zum geschmolzenen Erdinneren zu überschreiten, erfordert neue technologische Entwicklungen“, so der Forscher weiter. „KMT wird das erste Labor in den Tiefen der Erdkruste sein, dass diese Grenze erkundet – aber es hat das Potenzial, sowohl die geothermische Energiegewinnung als auch die Vulkanologie zu revolutionieren.“