Wie die Kohlendioxid-Mineralisierung dem Klimaschutz helfen könnte

CO2 in Stein verwandeln

Carbonat udn Basalt
Wenn gelöstes CO2 mit Basaltgestein reagiert, kann es in weißliches Carbonat umgewandelt und so im Gestein fixiert werden © Sandra Snaebjornsdottir/ Carbfix

Es klingt verlockend: Um den Klimawandel zu bremsen, könnten wir CO2 aus Luft oder Abgasen einfach versteinern und das Treibhausgas so dauerhaft und sicher im Untergrund speichern. Dabei wird das Kohlendioxid in Carbonate umgewandelt und fixiert. Doch wie funktioniert diese CO2-Mineralisierung? Ist sie realistisch umsetzbar? Und wie weit ist die Entwicklung?

Die Natur macht es uns vor: Schon seit Jahrmillionen bindet die chemische Verwitterung von Gesteinen Kohlendioxid aus der Luft und speichert den Kohlenstoff in Form von Kalk, Dolomit und Co. Dieser Mechanismus lässt sich für den Klimaschutz nutzen – beispielsweise, indem CO2 aus Kraftwerken und Industrieanlagen oder sogar direkt aus der Luft eingefangen und gezielt in geeignete Gesteine gepumpt wird. In Pilotanlagen auf Island und in den USA wird diese In-Situ-Mineralisierung bereits erprobt. Was sind die Ergebnisse?

Wie funktioniert die CO2-Mineralisierung?

Vom Gas zum Gestein

Wohin mit dem Kohlendioxid? Dies dürfte die entscheidende Frage der nächsten Jahrzehnte werden. Denn inzwischen ist klar, dass Emissionsreduktionen allein nicht reichen werden, um den Klimawandel noch aufzuhalten. Zusätzlich sind technische Lösungen nötig, mit denen CO2 aus Abgasen und aus der Luft abgeschieden und dauerhaft gebunden werden können.

Die Gasförderplattform „Sleipner“ © Øyvind Hagen/ Statoil

Warum CCS bisher kaum vorankommt

Das Problem jedoch: Viele Ansätze für das Carbon Capture and Storage (CCS) sind technisch noch kaum ausgereift oder bergen große Risiken für Mensch und Umwelt. So wurden beispielsweise viele Pilotversuche zum Einleiten von CO2 in unterirdische Kavernen, darunter ausgedienten Gasreservoiren, schon vor Jahren wieder gestoppt. Neben zu großen Kosten und nur wenigen geeigneten Gesteinsformationen sorgte vor allem die Angst vor Erdbeben, Gaslecks und einer Kontamination des Grundwassers dafür, dass die CO2-Speicherung im Untergrund bisher kaum vorangetrieben wurde.

Die nahezu einzige Ausnahme sind Projekte, bei denen das CO2 im Rahmen der Erdöl- und Erdgasförderung wieder zurück in den Untergrund gepumpt wird, wie beispielsweise im Sleipner-Gasfeld vor der norwegischen Küste. Dieses Wiedereinpressen dient der Öl- und Gasindustrie dazu, die verbliebenen Rohstoffreste an die Oberfläche zu treiben, ermöglicht aber auch das Speichern des CO2 in den meist durch undurchlässige Gesteinsschichten nach oben hin isolierten Reservoiren.

„Zurzeit basieren 14 der 18 großskaligen CCS-Projekte weltweit auf dieser Technologie“, berichten Sandra Snæbjörnsdóttir vom isländischen Energiekonzern Orkuveita Reykjavíkur und ihre Kollegen. Allerdings besteht auch dabei das Risiko, dass das Kohlendioxid durch Risse in der Deckschicht irgendwann wieder austreten könnte.

Basalt
Bei der chemischen Verwitterung von Basaltgesteinen können chemische Reaktionen ablaufen, die Kohlendioxid binden und Carbonate entstehen lassen. © Staffa Roger de Marfa/ Getty images

Wie CO2 zu Stein wird

Was also tun? Ist die Idee der CO2-Speicherung im Untergrund damit gestorben? Keineswegs. Denn es gibt eine weitere Methode, durch die das Treibhausgas im Untergrund gebunden werden kann: die CO2-Mineralisierung. Dabei wird gasförmiges oder gelöstes Kohlendioxid chemisch gebunden und buchstäblich in Gestein umgewandelt. Basis dafür ist ein natürlicher geochemischen Prozess, bei dem silikathaltige Gesteine mit CO2 reagieren und es in Carbonatgesteine wie Kalk (CaCO3), Dolomit (CaMg(CO3)2) oder Magnesit (Mg(CO3)) umwandeln.

Diese chemische Reaktion findet vor allem dann statt, wenn in Regen- oder Meerwasser gelöstes CO2 auf basaltische Gesteine trifft. Denn das gelöste Kohlendioxid macht das Wasser sauer, typischerweise kann der pH-Wert dabei bis auf Werte von 3 bis 5 absinken. Diese Säure wiederum fördert die Lösung silikatischer Minerale, wie Snæbjörnsdóttir und ihre Kollegen erklären. Dabei werden reaktionsfreudige Ionen wie Calcium, Eisen und Magnesium frei, die mit dem CO2 zu Carbonaten reagieren. „Diese Carbonate bleiben über Tausende von Jahren stabil und können daher den Kohlenstoff nahezu dauerhaft speichern“, so die Forschenden.

Carbonatbildung als Klimapuffer

Diese natürliche „Versteinerung“ des CO2 gibt es auf unserem Planeten schon seit Jahrmillionen – unter anderem in Form der chemischen Verwitterung von Gesteinen. Sie gilt als einer der Faktoren, die das Auf und Ab des irdischen Klimas im Lauf der Erdgeschichte entscheidend beeinflusst haben. So könnte die globale „Schneeball-Erde“-Phase vor rund 700 Millionen Jahren, aber auch die Vereisung der Antarktis vor rund 34 Millionen Jahren durch eine verstärkte Verwitterung und damit CO2-Absorption verursacht worden sein. Einige dicke Carbonatschichten im Untergrund gehen auf solche Phasen zurück.

Ozeanische Kruste
Vor allem junge, weniger als 30 Millionen Jahre alte ozeanische Kruste (hier rot-orange) kann viel CO2 aufnehmen und mineralisieren. © NOAA

Doch auch heute noch spielt die natürliche CO2-Mineralisierung eine wichtige Rolle als Klimapuffer: „Die Verwitterung von Basaltgesteinen auf den Kontinenten und vulkanischen Inseln ist für rund 30 Prozent der natürlichen Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre verantwortlich“, erklären Snæbjörnsdóttir und ihr Team. Und potenziell geeignete Gesteinsformationen gibt es reichlich: Der größte Teil der ozeanischen Kruste und damit der Meeresböden besteht aus Basalten, an Land machen basaltische Gesteinsformationen, vor allem in Form von Vulkanen, immerhin gut fünf Prozent der Oberfläche aus.

Und ihr Potenzial als CO2-Senken ist beträchtlich: „Tests legen nahe, dass frische, junge Basalte von Natur aus mehr als 100 Kilogramm CO2 pro Kubikmeter binden können“, berichten Snæbjörnsdóttir und ihre Kollegen. „Auf Basis dieser Schätzung könnten allein die mittelozeanischen Rücken 100.000 bis 250.000 Milliarden Tonnen CO2 speichern – das sind Größenordnungen mehr als das bei Verbrennung sämtlicher fossilen Brennstoffe weltweit freigesetzte CO2.“

Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass man das CO2 in die Gesteinsformationen einbringt, in denen diese natürliche CO2-Mineralisierung stattfinden kann. Aber wie?

Das Carbfix-Pilotprojekt und seine Ergebnisse

Der Vorreiter

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg gehen – dieses Sprichwort gilt auch für die CO2-Speicherung durch das Versteinern. Denn der größte Teil der für die natürliche CO2-Mineralisierung geeigneten Basalt-Formationen liegt unter den Ozeanen oder unter den Vulkangebieten der Kontinente. Möchte man diese Gesteine zu CO2-schluckenden Klimapuffern machen, muss man daher das Kohlendioxid zu ihnen bringen – in den Untergrund.

Hellisheiði
Am Geothermie-Kraftwerk Hellisheiði bei Reykjavik testet das Projekt Carbfix schon seit 2012 die Einleitung von in Wasser gelöstem CO2 in das basaltische Untergrundgestein. © Sigurður Ólafur Sigurðsson/ Carbfix

Ein Geothermie-Kraftwerk als Pilot-Anlage

Genau dies ist das Ziel der In-Situ-Mineralisierung – einer der zurzeit als besonders vielversprechend geltenden Methode des Carbon Capture and Storage (CCS). Wie gut eine solche „Versteinerung“ des Treibhausgases funktioniert, wird aktuell in mehreren Pilotprojekten getestet. Eines davon ist das Projekt Carbfix auf Island – der Vorreiter aller CO2-Mineralisierungsprojekte weltweit. Schon 2012 begannen Forschende des Geothermie-Kraftwerks Hellisheiði nahe Reykjavik damit, aus den Kraftwerksabgasen abgeschiedenes Kohlendioxid in den vulkanischen Untergrund zu pumpen.

Im Rahmen des Versuchs wurden zunächst rund 250 Tonnen CO2 in dem hochgepumpten Geothermiewasser gelöst und dann zusammen mit diesem wieder zurück in die Basaltformationen in gut 500 Meter Tiefe gepumpt. Dort herrschen Temperaturen zwischen 50 und 250 Grad – genug, um die geochemische Reaktion des gelösten CO2 mit dem Basaltgestein zu begünstigen und zu beschleunigen. Mithilfe von Tracern wie dem im Kohlendioxid enthaltenen C-14 sowie zugesetztem Schwefelwasserstoff konnten die Forschenden verfolgen, was mit diesem CO2 im Untergrund passierte.

Basaltbohrkern
Die weißen Carbonatkristalle in diesem Basaltbohrkern zeigen, dass das eingeleitete CO2 bereits mineralisiert wurde. © Sandra Snaebjornsdottir/ Carbfix

Versteinert innerhalb von nur zwei Jahren

Das Ergebnis: Innerhalb weniger Monate sank der CO2-Gehalt im eingeleiteten Tiefenwasser rapide ab, gleichzeitig zeigten Gesteinsbohrkerne, dass sich im dunklen Basaltgestein zahlreiche Adern weißlichen Carbonats gebildet hatten. „Unsere Resultate zeigen, dass zwischen 95 und 98 Prozent des injizierten Kohlendioxids in weniger als zwei Jahren mineralisiert wurde – das ist erstaunlich schnell“, sagt Juerg Matter von der University of Southampton, der das Projekt wissenschaftlich begleitet hat.

Wie gut die Kombination von Direct-Air-Capture und In-Situ-Mineralisierung funktioniert, testen die Forschenden des Projekts Carbfix ebenfalls bereits. Seit 2017 ist die von der Schweizer Firma Climeworks entwickelte Technologie für die CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre in das Pilotprojekt von Hellisheiði integriert – mit guten Ergebnissen. „Das Potenzial zur Skalierung unserer Technologie in Kombination mit CO2-Speicherung ist gewaltig“, sagt Climeworks-CEO Christoph Gebald. „Und das nicht nur hier in Island, sondern in vielen anderen Regionen mit ähnlichen Gesteinsformationen.“

Carbfix-Projekt mit DAC
Seit 2017 wird im Carbfix-Projekt auch mittels Direct-Air-Capture (DAC) aus der Luft eingefangenes CO2 in den Untergrund geleitet. © Carbfix

Finanziell rentabel…

Seither wurde das Carbfix-Projekt weiter ausgebaut und die Menge des eingeleiteten CO2 erhöht – mit Erfolg: „Das Carbfix-Projekt absorbiert und speichert zurzeit rund 12.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht rund einem Drittel der gesamten CO2-Emissionen des Hellisheiði-Kraftwerks“, berichteten die Projektleiterin Sandra Snæbjörnsdóttir vom isländischen Energiekonzern Orkuveita Reykjavíkur und ihr Team im Jahr 2020. „Unser Ziel ist es, die Injektion noch vor dem Jahr 2030 auf 90 Prozent der Kraftwerksemissionen zu erhöhen.“

Die CO2-Abscheidung und Mineralisierung lohnt sich für die isländischen Kraftwerksbetreiber auch finanziell: „Die Kosten der CCS-Operationen in Hellisheiði liegen bei umgerechnet rund 25 US-Dollar pro Tonne – das ist weniger als der aktuelle Durchschnittspreis für eine Kohlenstoffeinheit im EU-Emissionshandel“, berichtet Carbfix auf seiner Website. Hinzu kommt: Weil zusätzlich zum Kohlendioxid auch der im Abgas enthaltene Schwefelwasserstoff (H2S) im Wasser gelöst und in den Untergrund gepumpt wird, entfallen die Kosten für die sonst nötige Rauchgas-Entschwefelung. „Dies bringt signifikante ökonomische Vorteile“, so Carbfix.

…aber mit hohem Wasserbedarf

Allerdings benötigt das Lösen der abgeschiedenen Gase große Wassermengen. In Hellisheiði werden beispielsweise für jede Tonne eingeleitetes CO2 rund 25 Tonnen Wasser benötigt. Daher eignet sich diese Methode vor allem dort, wo ohnehin schon Geothermie betrieben wird oder wo reichlich Meerwasser zur Verfügung steht. Denn wie das ergänzende Projekt „Seastone“ in Hellisheiði und im benachbarten Goethermie-Kraftwerk Helguvik im Jahr 2023 ergab, lässt sich auch Meerwasser für die In-Situ-Mineralisierung nutzen.

„Dies erweitert die Anwendbarkeit unserer Technologie erheblich“, sagt Carbfix-CEO Edda Aradóttir. Doch wo gibt es geeignete Standorte und Potenzial?

Wo eine CO2-Mineralisierung möglich wäre

Flutbasalte und Offshore-Formationen

Das Carbfix-Projekt auf Island hat demonstriert, dass die Bindung von Kohlendioxid durch Umwandlung in Carbonatgestein prinzipiell funktioniert. Das weckt die Frage, wo es noch geeignete Standorte für diese In-Situ-Mineralisierung gibt und welche Varianten dieses Prinzips denkbar sind. Auch dazu gab und gibt es erste Projekte.

Columbia-FLutbasalte
Lage des Bohrlochs für das Wallula-Basalt-Projekt und Ausdehnung der Flutbasalt-Formationen im Nordwesten der USA. © DOE/ Pacific Northwest National Laboratory, Reidel et al., 2002

Es geht auch mit verflüssigtem CO2

Eines der größeren Pilotprojekte dazu fand bereits 2013 im US-Bundesstaat Washington statt. Dort liegen im Untergrund die kilometerdicken Columbia-Flutbasalte, die durch die urzeitlichen Eruptionen einer vulkanischen Großprovinz entstanden sind. Dabei brannte sich vor rund 16,5 Millionen Jahren das glutheiße Magma eines vulkanischen Hotspots durch die Erdkruste und schoss durch unzählige Spalten aus dem Boden. Dies hinterließ Basaltschichten mit teilweise hoher Porosität.

Im Rahmen des Wallula-Basalt-Projekts testeten Forschende des Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) die Injektion von 1.000 Tonnen reinem, unter Hochdruck verflüssigtem CO2 in zwei 800 bis 900 Meter tiefliegende Schichten dieser Columbia-Flutbasalte. Anders als bei der Einleitung von CO2-reichem Wasser wird bei diesem Verfahren kaum Wasser benötigt. Dafür muss sich das eingeleitete Kohlendioxid möglichst schnell im Porenwasser des Untergrunds lösen, bevor die chemischen Reaktionen der Mineralisierung einsetzen können.

Carbonat-Einlagerung
Weißliche Carbonat-Einlagerung im Columbia-Flutbasalt beim Wallula-Projekt. © DOE/ Pacific Northwest National Laboratory

Dennoch zeigten Analysen, dass auch bei dieser CCS-Methode ein Großteil des eingeleiteten Kohlendioxids relativ schnell im Gestein gebunden und zu Carbonaten umgewandelt worden war. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass rund 60 Prozent des injizierten CO2 innerhalb von zwei Jahren durch Mineralisierung fixiert wurden“, berichten Signe White vom PNNL und ihre Kollegen. In Bohrkernen waren deutlich weißliche Carbonat-Einlagerungen erkennbar, die es dort vorher nicht gab. Da es in vielen Regionen der Erde urzeitliche Flutbasalte gibt, unter anderem in Sibirien, Indien, Afrika oder Nordamerika, könnte auch dort eine solche CO2-Mineralisierung durchgeführt werden.

CO2-Mineralisierung auf hoher See

Doch es gibt eine Region, die sogar noch besser geeignet sein könnte: die hohe See. Dort ist reichlich Meerwasser für das Lösen des CO2 vorhanden, gleichzeitig ist viel Platz, um dort beispielsweise Anlagen zum Abscheiden von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mittels Direct-Air-Capture (DAC) zu bauen. Ein weiterer Vorteil: Auch der für das CO2-Capture und Einleiten nötigte Strom könnten vor Ort erzeugt werden. Dies würde die Energiekosten senken und den Transport des CO2 ersparen.

„Das CO2 könnte an solchen Standorten mithilfe erneuerbarer Energien von Offshore-Windanlagen aus der Atmosphäre extrahiert und dann vor Ort in unter dem Meeresgrund liegende Basaltformationen eingeleitet werden“, erklären Sandra Snæbjörnsdóttir vom Carbfix-Projekt und ihr Team.

In Nordamerika wird die Offshore-Einleitung und Mineralisierung von CO2 bereits im Rahmen von zwei Projekten erforscht. Dabei soll das von Kraftwerken und Fabriken entlang der Küsten von Washington und British Columbia produzierte CO2 aufs Meer transportiert und dort über Offshore-Plattformen in gut 800 Meter Tiefe gepumpt werden. Ersten Machbarkeits-Tests zufolge könnten die vulkanischen Basaltformationen unter dem geplanten Offshore-Komplex im Cascadia-Becken vor der US-Nordwestküste rund 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen und in Carbonate umwandeln.

Unterseevulkane
Erloschene Unterseevulkane wie diese beiden könnten ebenfalls zur In-Situ-Mineralisierung von CO2 genutzt werden. © NOAA Vents Program

Unterseevulkane als CO2-Speicher?

Besonders geeignet für die Offshore-CO2-Speicherung könnten auch erloschene Unterseevulkane sein, wie ein Team um Ricardo Pereira von der Neuen Universität Lissabon im Mai 2023 berichtete. Denn der Basalt der Unterseevulkane enthält besonders viel Calcium, Magnesium und Eisen – und damit die Elemente, die die Einlagerung des Kohlendioxids in Carbonaten begünstigen. Außerdem erleichtert das in den Gesteinsporen und -spalten reichlich vorhandene Meerwasser die Lösung des CO2 und schafft so die für die geochemische Reaktion nötigen Bedingungen.

Zum anderen macht es die Struktur eines Unterseevulkans einfacher, das CO2 einzuleiten und sicher zu speichern: Über den Schlot kann das Klimagas leicht in das Vulkaninnere gepumpt werden und sich dort in den porösen, wassergesättigten Basalten ausbreiten. Nach außen hin sorgen dagegen Schichten wenig durchlässiger Gesteine und Sedimente für eine Abdichtung des Vulkaninneren und verhindern so, dass das noch nicht gebundenen Kohlendioxid wieder entweicht.

Wie hoch das Potenzial für eine solche CO2-Bindung in Unterseevulkanen ist, haben die Forscher am erloschenen Unterseevulkan Fontanelas vor der Küste Portugals untersucht. Das Ergebnis: „Unsere Analysen des Vulkans und seiner internen Architektur enthüllten, dass schon dieser eine Schlot das Potenzial besitzt, zwischen 1,2 und 8,6 Gigatonnen CO2 in Form neuer Carbonatminerale zu speichern“, so Pereira. Diese CO2-Menge entspreche den gesamten industriellen CO2-Emissionen Portugals in einer Zeitspanne von 24 bis 125 Jahren.

„Wir wissen, dass die meisten Länder nach Möglichkeiten suchen, ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren“, sagt Pereira. „Unsere Botschaft ist, dass solche Offshore-Vulkane eines der Hilfsmittel sein könnten, um das Problem zu lösen.“

Was passiert im Untergrund?

Risiken und Nebenwirkungen

Das Treibhausgas CO2 einfach in den Untergrund pumpen und vergessen – das klingt verlockend und nach einer scheinbar perfekten Lösung für das Klimaschutz-Problem. Doch wie fast alle CCS-Methoden steht auch die In-Situ-Mineralisierung erst am Anfang. Dadurch sind auch die möglichen Nebenwirkungen und Risiken dieses Verfahrens erst in Teilen erforscht.

Hellisheiði
In der Carbfix-Pilotanlage am Geothermie-Kraftwerk Hellisheiði auf Island überwachen CO2-Sensoren die gesamte Anlage, um ein unkontrolliertes Austreten von CO2 anzuzeigen. © ATGImages/ iStock

Risiko für Gaslecks gering

Die ersten Ergebnisse der Pilotprojekte sind jedoch vielversprechend. Anders als bei der Speicherung von gasförmigem Kohlendioxid in unterirdischen Kavernen ist beispielsweise das Risiko für unkontrollierte CO2-Austritte und Lecks gering. Denn vor allem das in Wasser gelöste CO2 wird sehr schnell durch chemische Reaktionen gebunden, so dass sich im Untergrund keine größeren Gasmengen ansammeln, die durch Risse oder Spalten entweichen könnten. „Außerdem ist das mit dem CO2 angereicherte Wasser schwerer als normales, was das Risiko der CO2-Freisetzung an der Oberfläche minimiert“, erklärt Sandra Snæbjörnsdóttir vom Carbfix-Projekt.

In der Pilotanlage auf Island wird das in den Untergrund gepumpten Kohlendioxid akribisch überwacht: Alle Pumpen und Leitungen an der Oberfläche sind mit CO2-Detektoren versehen. In den Bohrlöchern liefern regelmäßig angebrachte Drucksensoren Informationen über den Zustand der im Untergrundgestein zirkulierenden Lösung. „Jede Bildung von Gasblasen erzeugt eine Abweichung im Druck, die sofortiges Eingreifen nach sich zieht“, heißt es bei Carbfix. Zusätzlich liefern auch Leitfähigkeits-Sensoren Daten aus der Tiefe. Bisher sei es jedoch zu keinen unkontrollierten Gasentwicklungen gekommen.

Wie gefährdet ist das Grundwasser?

Eine weitere Sorge bei der CO2-Speicherung im Untergrund ist die Kontamination des Grundwassers: Weil das gelöste CO2 das eingeleitete Wasser sauer macht, lösen sich nicht nur Calcium und die für die Carbonatisierung erwünschten Elemente aus dem Untergrundgestein, sondern auch potenziell giftige Metalle. „Dazu gehören vor allem Nickel, Aluminium und Chrom, aber auch andere Metalle wie Eisen und Mangan können in hoher Konzentration für Bioorganismen toxisch werden“, so Snæbjörnsdóttir und ihre Kollegen.

Allerdings werden diese Metalle im Zuge der Remineralisierung relativ schnell wieder gebunden, wie Analysen im Rahmen der Pilotprojekte zeigen. Weiter minimieren lässt sich dies zudem, wenn die CO2-Mineralisierung vorwiegend auf hoher See erfolgt: Weil dort in der Regel kein Trinkwasser aus dem Untergrund gewonnen wird und auch die Lebenswelt im Meer nicht vom Grundwasser abhängt, hätte selbst ein vorübergehender Anstieg der Metallgehalte im Grundwasser kaum Folgen, wie Snæbjörnsdóttir erklärt.

Seismik-Sensor
Solche seismischen Sensoren überwachen das Auftreten induzierter Beben nach dem Einleiten von verflüssigtem CO2 im Walula-Basalt-Projekt in den USA. © DOE/ Pacific Northwest National Laboratory

Wenn die Erde bebt

Erdbeben sind ebenfalls ein potenzielles Risiko der CO2-Einleitung: Werden größere Mengen Wasser in den Untergrund gepumpt, steigt dort der Druck und kann seismische Erschütterungen auslösen. Vor allem im Rahmen der Erdgasgewinnung durch Fracking wurde dies schon häufiger beobachtet, unter anderem in den Niederlanden und in Nordamerika. In den USA traten beispielsweise bei zehn Prozent der mehr als 180.000 aktiven oder früheren Injektions-Standorte vermehrt induzierte Beben auf.

Zwar verringert sich das Risiko für eine solche induzierte Seismizität, wenn zuvor aus denselben Schichten hochgepumptes Wasser einfach wieder zurückgepumpt wird. Aber trotzdem können auch im Umfeld von Geothermie-Anlagen vermehrt Mikrobeben auftreten. So wurden beispielsweise am Oberrheingraben und auch in Bayern schon mehrfach nach Geothermie-Bohrungen seismische Erschütterungen ausgelöst. Diese Mikrobeben sind allerdings selten stärker als Magnitude 2 – dies entspricht den Erschütterungen eines nahe vorbeifahrenden LKWs.

Die CO2-Einleitung zur In-Situ-Mineralisierung kann ebenfalls Mikrobeben verursachen – dies war auch zu Beginn des Carbfix-Projekts auf Island der Fall. Doch nachdem die anfangs sehr hohen Pumpraten angepasst und die Einleitungstechnik optimiert wurde, verringerte sich die Seismizität wieder deutlich: „Die jährliche Zahl von Beben stärker als Magnitude zwei sank von 96 im Jahr 2011 auf nur noch ein einziges im Jahr 2018“, berichten Snæbjörnsdóttir und ihr Team. „Dies demonstriert aber, dass vor dem Beginn einer Injektion eine Standort-spezifische Untersuchung des regionalen seismischen Risikos erfolgen muss.“

Fortschritte und Hürden für die In-Situ-Mineralisierung

Wie geht es weiter?

Die bisherigen Pilotprojekte und Studien sprechen dafür, dass die „Versteinerung“ von CO2 im Untergrund einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Das jedoch funktioniert nur dann, wenn diese CCS-Technologie möglichst schnell und in möglichst großem Maßstab eingesetzt werden kann. Denn es bleibt immer weniger Zeit, um die globale Erwärmung wenigstens noch auf zwei Grad zu begrenzen.

Noch wird die CO2-Mineralisierung aber nur in wenigen Pilotprojekten erprobt. Um solche Anlagen in ausreichend großem Maßstab zu etablieren, muss daher noch einiges getan werden. Nach Ansicht von Wissenschaftlern sind dafür weitere Forschung und Testanlagen nötig, vor allem aber die entsprechende Motivation: „Die größte Hürde für eine In-Situ-Mineralisation in größerem Maßstab ist nicht technologisch, sondern finanziell“, konstatiert Sandra Snæbjörnsdóttir vom Carbfix-Projekt. Anlagen zur CO2-Mineralisierung werden sich demnach nur durchsetzen, wenn sie sich auch wirtschaftlich lohnen.

Wo lohnt es sich am ehesten?

Das allerdings hängt von mehreren Voraussetzungen ab. Der erste Faktor ist der Transport des CO2: Wird das Treibhausgas vor Ort, beispielsweise aus dem Abgas eines Kraftwerks oder einer Industrieanlage abgeschieden, erspart dies den Bau von Pipelines oder den Transport als verflüssigtes CO2 in Tankbehältern. Dies verringert die Kosten erheblich. Am einfachsten umzusetzen und rentabelsten wäre die Mineralisierung daher zunächst an Kraftwerken oder Industrieanlagen, die an der Küste oder über tiefen Basaltformationen liegen.

„Aber auch Anlagen zum Direct-Air-Capture können effizient sein, wenn sie in der Nähe geeigneter Gesteinsformationen und erneuerbarer Energiequellen liegen“, erklären Snæbjörnsdóttir und ihr Team. Allerdings krankt die direkte Absorption von CO2 aus der Atmosphäre noch daran, dass die CO2-Extration relativ viel Energie benötigt und daher teuer ist. Effizientere Methoden werden zwar schon entwickelt und erprobt, sind aber meist noch nicht reif für den großtechnischen Einsatz. „Strategien, die die thermischen Anforderungen des DAC-Prozesses minimieren, werden daher entscheidend dafür sein, dass diese Systeme günstiger und in großem Maßstab eingesetzt werden“, sagen die Forschenden.

CO2-Bepreisung senkt Hürden

Zugute kommt den CCS-Technologien, dass die Emission von Kohlendioxid in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer teurer werden wird. In der EU beispielsweise sind die CO2-Preise schon jetzt hoch genug, um das Carbfix-Projekt auf Island rentabel zu machen. Auch andere, an die Geothermie gekoppelte Anlagen dieser Art könnten schon jetzt wirtschaftlich sein. „Doch es muss noch einiges getan werden, um die Umsetzung der CO2-Speicherung durch Mineralisierung zu beschleunigen“, sagt Snæbjörnsdóttir.