An den Außengrenzen des Römischen Reiches

Auf den Spuren des Limes

Überreste des Hadrianswalls
Die Grenzanlagen des Römischen Reiches zogen sich einst über tausende Kilometer durch die Landschaft. Dieser Abschnitt des Limes heißt Hadrianswall und liegt in Nordengland. © Steven Fruitsmaak / gemeinfrei

Über mehrere Jahrhunderte markierte der sogenannte Limes die rund 7.700 Kilometer lange Außengrenze des Römischen Reichs. Mehrere befestigte Abschnitte des Limes und ihre zugehörigen Militäranlagen zählen heute zum UNESCO-Weltkulturerbe und erinnern an die einstige Macht und Errungenschaften der römischen Zivilisation.

Doch wozu ließen die römischen Kaiser den Limes ursprünglich bauen? Wie gingen die Römer und „Barbaren“ beiderseits der Grenze miteinander um? Wo verliefen die einzelnen Abschnitte und wie sahen die Festungen des Limes aus? Und warum ist das Imperium Romanum trotzdem untergegangen?

Migration und Konflikte entlang des Limes

„Leben am Limit“

Vor rund 2.000 Jahren beherrschten die Römer den gesamten Mittelmeerraum und große Teile Westeuropas. Im 1. Jahrhundert nach Christus umfasste das Imperium Romanum beispielsweise alle Mittelmeeranrainer von Spanien bis Marokko sowie einige europäische Länder an Atlantik und Nordsee. Jahrhundertelang wuchs das Kaiserreich von Italien aus in alle Himmelsrichtungen.

Karte des Imperium Romanum zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung
Das Imperium Romanum zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung im 2. Jahrundert. © Angelus/CC-by 3.0

Strategiewechsel: Machterhalt statt Expansion

Dann stagnierte die Expansion des Römischen Reichs, unter anderem wegen des Widerstands der Nachbarvölker, wie zum Beispiel die Niederlage der Römer gegen die Germanen in der berühmten Varusschlacht belegt. Die Eroberung weiterer Gebiete schien zu diesem Zeitpunkt zudem nicht mehr lukrativ, weil diese Landschaften beispielsweise unwegsam waren, keine Bodenschätze oder fruchtbares Ackerland enthielten.

Die Römer umgaben ihr Reich daraufhin mit einer gigantischen Grenzanlage: dem Limes. Dieses historisch einzigartige Befestigungssystem reichte bei seiner Fertigstellung von Großbritannien durch die Niederlande und Süddeutschland über Osteuropa, Vorderasien und den Nahen Osten bis nach Arabien und Nordafrika. Die schrittweise errichtete Trennlinie markierte fortan die Außengrenze des römischen Kaiserreichs und war vielerorts mit aufwändigen Wehranlagen gespickt, um die mühsam eroberten Regionen zu halten und die Macht Roms zu sichern.

rekonstruierter Wachturm des obergermanischen Limes
Rekonstruierter Wachturm Wp 9/83 des obergermanischen Limes bei Grab (Großerlach). © Dionysos1970/CC-by 4.0

Ein Bollwerk zur Abschreckung und leichteren Strafverfolgung

Ähnlich wie die Außengrenzen heutiger Staaten durch massive Mauern und Stacheldrahtzäune abgeriegelt werden, bauten auch die Römer hohe Mauern, Forts und Grenzposten. Augenscheinlich dienten die mit Soldaten besetzten Kastelle und Wachtürme der Römer der militärischen Verteidigung des Landes bei Bedrohung von außen.

Durch miteinander verbundene Posten und strategisch positionierte Kasernen waren die Wehranlagen eine Art Frühwarnsystem, um bei Angriffen und unerwünschten Grenzübertritten schnell reagieren zu können. „Eine heimliche Rückkehr – etwa nach einem Beutezug – war nun sehr risikoreich und die Eindringlinge konnten mit einer Strafaktion des römischen Militärs rechnen“, berichtet der Historiker und Archäologe Thomas Becker vom hessischen Landesamt für Denkmalpflege, ehemals beim Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege tätig.

Für eine flächendeckende Abschottung des Römischen Reiches waren die Anlagen allerdings oft zu klein und lückenhaft. Tatsächlich sollten die Wehranlagen in erster Linie der Abschreckung und symbolpolitischen Grenzziehung dienen.

Überreste eines Ochsenkarrens aus der Römerzeit
Der Limes war nicht nur Grenzanlage, sondern auch eine rege Handelszone und Migrationsroute. Saalburgmuseum. © Carole Raddato/ Marcus Cyron /CC-by 2.0

Grenzen der Zivilisation

Der Limes war zwar streckenweise durchaus eine undurchlässige, militärische Sperrzone mit massiven Bollwerken. Überwiegend markierte er jedoch vor allem als schmale Linie den Übergang von den Lebensräumen angrenzender Völker zum römischen Herrschaftsgebiet. „In der Regel war ein normaler Grenzverkehr möglich, die Grenze war offen. Die Römer wollten aber wissen, wer aus welchem Grund die Grenze überquerte“, so Becker.

So war der Limes zumindest zu Beginn der Grenzziehungen noch ein attraktiver Ort auch für zivile Siedler. Die in Grenznähe lebenden Bürger des Römischen Reichs profitierten dabei von der damals überlegenen Infrastruktur der Römer, die die Soldaten bis an die Außengrenzen brachten. Dazu zählten beispielsweise Straßen, die Wasserversorgung und andere befestigte Anlagen, aus denen entlang des Limes auch zahlreiche größere Städte und Kulturzentren hervorgingen.

Zugleich entwickelten sich dort fortschrittliche Techniken und Praktiken – etwa in der Landwirtschaft, der Hygiene, dem Bauwesen oder im Zivilrecht–, die den Menschen im Grenzgebiet weitere Vorteile brachten. So sicherte der Limes dem Imperium Romanum nicht nur politische Stabilität, „sondern ermöglichte auch eine soziale und kulturelle Entwicklung, die den europäischen Raum maßgeblich prägte“, schreibt die Österreichische UNESCO-Kommission.

Modell eines römischen Ledergeldbeutels
Der Limes brachte Wohlstand beiderseits der Grenze. Modell eines römischen Ledergeldbeutels im Museum Lauriacum. © Wolfgang Sauber/CC-by 3.0

Handel und Wirtschaftszone entlang des Limes

Darüber hinaus begrenzte der Limes auch die römische Wirtschaftszone. An den Grenzübergängen wurden Waren kontrolliert, Zölle erhoben und große Marktplätze zum Handel mit den Nachbarn errichtet, etwa in Mittel- und Nordeuropa, aber auch bis nach Indien und die Sahara. Die Bewohner des „Barbaricums“ und andere nicht romanisierte Nachbarvölker waren daher ebenso Handelspartner wie Feinde der Römer. Getauscht wurden dabei nicht nur Waren, sondern auch Ideen und Werte.

Befreundete „Barbaren“ beziehungsweise „Vandalen“ und andere verbündete Ausländer durften durchaus auch ins Imperium einreisen und immigrieren, ebenso wie Römer beliebig ausreisen konnten. Weniger wohlgesonnene Volksgruppen durften zumindest unter bewaffneter Begleitung vorübergehend einreisen und Handel betreiben. Die offene Grenze brachte so Wohlstand und Austausch beiderseits des Limes, sowohl für die römischen Bürger als auch deren Kooperationspartner. Zugleich verhinderte sie unkontrollierten Handel und Migration.

Leben an der Mauer: Zwischen Frieden und Krieg

Archäologische Hinweise auf große Bürgerkriege und langandauernde Kämpfe an den Grenzen während der Limes-Zeit gibt es zwar kaum. Es kam dort jedoch regelmäßig zu kleineren Schlachten und Angriffen, bei denn die römischen Soldaten und verbündete Stammesführer die Grenzbewohner gegen die Rebellen verteidigten. Für das Militär war der Erhalt des Limes somit eine stetige Herausforderung. Davon zeugt bis heute die Redewendung „bis ans Limit zu gehen“.

Das bürgerliche Leben in den Provinzen entlang des Limes können wir uns hingegen als überwiegend friedlich, sicher und bequem vorstellen – zumindest so lange die Limites bestanden. Ab dem 3. Jahrhundert nach Christus durchbrachen verschiedene Gruppen, beispielsweise die Germanen, immer wieder die zuvor über Jahrzehnte respektierten Grenzen an mehreren Orten und läuteten den schrittweisen Zerfall des Limes und des gesamten Imperium Romanum ein. Die Soldaten und Kaiser gaben die Festungen daraufhin eine nach der anderen auf.

Wo verlief der Römer-Limes?

Natürliche und willkürliche Grenzen

Über rund sechs Jahrhunderte wuchs das Imperium Romanum vom kleinen Rom aus bis zum größten Reich in der europäischen Geschichte. Auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung und Macht – in der Zeit von etwa 100 bis 200 n. Chr. unter Kaiser Trajan und seinen Nachfolgern – umfasste es rund 40 Provinzen auf drei Kontinenten. Das Römische Reich verlief damals von Nordengland bis Nordafrika und vom Atlantik bis zum Nahen Osten.

Karte des Römischen Reichs im Jahr 117 n. Chr.
Das Römische Reich im Jahr 117 n. Chr., zur Zeit seiner maximalen Ausdehnung unter Kaiser Trajan. © ArdadN / gemeinfrei

Erst als im 1. Jahrhundert nach Christus die ertragreichsten Gebiete gewonnen waren und weitere Eroberungen unnötig und riskant schienen, entschlossen sich die Römer, stattdessen die bis dahin erschlossenen Gebiete zu sichern und vor unerwünschten Eindringlingen zu schützen. „So ging es ihnen darum, ihr Reich durch Umsicht zu bewahren“, berichtete der römische Geschichtsschreiber Appian.

Der Limes – die Limites

Bis dato wurde das Imperium vorwiegend von großen Flussläufen und Seegrenzen – wie dem Atlantik, der Nordsee, dem Schwarzen und Roten Meer oder dem Persischen Golf – sowie Wüsten und Gebirgen begrenzt. Überall, wo nach neuen Eroberungen keine solchen natürlichen Grenzen die Römer gegen den Rest der Welt schützten, errichteten sie unter Kaiser Domitian (81 bis 96 n. Chr.) und seinen zahlreichen Nachfolgern schließlich auch künstliche Barrikaden.

Diese mit Wehranlagen gespickten Schneisen in der Landschaft nennen wir heute Limites. Zusammen mit den „nassen Grenzen“ bildeten sie den römischen Limes, der die gesamte rund 7.700 Kilometer lange Außengrenze des Römischen Reichs umfasste. Die einzelnen Abschnitte des Limes sahen jedoch nicht überall gleich aus, wurden zu unterschiedlichen Zeiten erbaut und teils mehrfach verschoben oder ausgebaut.

Grenzbefestigungen gegen die Germanen im Norden

Die bekanntesten Wehranlagen entlang der römischen Grenze sind der Hadrianswall in Nordengland und der obergermanisch-rätische Limes in Süddeutschland. Beide wurden unter Kaiser Hadrian (117 bis 138 n. Chr.) nahezu gleichzeitig errichtet. Sie sollten das römische Territorium gegen die dort lebenden germanischen Stämme sichern.

Überreste des Hadrianswalls
Der Hadrianswall trennte einst die römische Provinz Britannia von Schottland. © quisnovus/CC-by 2.0

Der Hadrianswall markierte das nördliche Ende des Imperiums und trennte die römische Provinz Britannia von Schottland. Er verlief über 118 Kilometer auf fast gerader Linie zwischen der Irischen See und der Nordsee, an der schmalsten Stelle der britischen Insel. Nach heutigem Wissensstand umfasste der Hadrianswall 320 Wachtürme, 17 Kastelle und etwa 80 Tore, die die Römer entlang der Gräben, Mauern und Erdwälle bauten.

Ähnlich sah der obergermanisch-rätische Limes aus. Dieser verlief von Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz bis Eining in Bayern – über den Westerwald, Taunus, Odenwald, den Main und die Fränkische Alb – entlang der einstigen römischen Provinzen Germania und Rätia. An diesem 550 Kilometer langen Abschnitt war der Limes gut gesichert: Etwa 900 Wachtürme und 120 kleinere und größere Kastelle säumten die Grenze aus Gräben, Palisaden, Mauern und Wällen. Deren Bau „ging eine rund 160 Jahre andauernde Eroberungsgeschichte voraus, in deren Verlauf die Grenze des römischen Herrschaftsgebietes rechts des Rheins mehrmals vorverlegt wurde“, berichtet Historiker und Archäologe Thomas Becker.

Karte des Limesverlaufs in Westeuropa
In den Niederlanden und Deutschland dienten Rhein, Main und Donau als Grenzflüsse. Dazwischen erstreckte sich der obergermanische-raetische Limes. © Thioneb / gemeinfrei

Rhein und Donau als Grenzflüsse in Europa

Der Abschnitt westlich der Römergebiete in Süddeutschland heißt niedergermanischer Limes. Er verlief über knapp 400 Kilometer entlang des Rheins, von der Nordseeküste in den Niederlanden quer durch Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die dortige römische Provinz Germania inferior hatte somit eine vorgegebene Außengrenze.

„Die Römer nutzten den Fluss als natürliches Annäherungshindernis“, informiert das Heimatministerium NRW. „Anders als an anderen Limesabschnitten waren hier keine linearen Grenzbefestigungen nötig.“ Entlang des Rheins erbauten die Römer allerdings zusätzlich zahlreiche Militäranlagen wie Kastelle, Legionslager sowie den Palast des Heeresführers in der Provinzhauptstadt Köln.

Karte des Limesverlaufs im Osteuropa
Einstige Siedlungen und Legionslager in der römische Provinz Dacia, heute Teil Rumäniens und Serbiens, unter Kaiser Trajan (106) und der Räumung der Provinz im Jahr 271 n. Chr. © ArdadN/El_Bes/CC-by 3.0

Auch die Donau diente den Römern als Grenzfluss. Der sogenannte Donaulimes schützte das Imperium über 600 Kilometer in Bayern, Österreich und der Slowakei. Die einstigen römischen Provinzen in Osteuropa wurden ebenfalls über weite Teile durch diesen Fluss bis zu seiner Mündung ins Schwarze Meer in Bulgarien begrenzt – allerdings später unterbrochen durch eine lange Landgrenze im heutigen Rumänien. Dieser erst im 2. Jahrhundert n. Chr. errichtete Limes Dacicus setzte sich aus Wehranlagen entlang verschiedener Donauzuflüsse und ländlichen Limites zusammen.

Die Ostgrenzen des Imperium Romanum

In Vorderasien regierten die Römer einst Teile der Türkei und Armenien, von Syrien, Jordanien, Israel (beziehungsweise Palästina und Judäa) sowie Arabien. Im Vergleich zu den nördlicheren Provinzen gab es im Orient allerdings weniger befestigte Limesanlagen. Hier reichten die Flüsse Euphrat und Tigris sowie Wüsten, Gebirge und Meeresküsten als Begrenzung meist aus. Sie bildeten den Limes Ponticus und den rund 1.500 Kilometer langen Limes Orientalis.

Karte des Limesverlaufs in Afrika und im Orient
Verlauf des Limes Africanus von Ägypten bis Marokko. © DaniDF1995/CC-by 3.0

Doch auch diese Abschnitte wurden durch im Hinterland strategisch platzierte Forts geschützt. Vor allem Kaiser Diokletian (284 bis 305 bis n. Chr.) sicherte durch diese Befestigungen die Ostgrenze des Römischen Reichs gegen Angriffe der Perser und Araber.

Lose Wüstenlinie in Nordafrika

Auch in den sechs nordafrikanischen römischen Provinzen, die von Ägypten über Libyen, Tunesien und Algerien bis Marokko reichten, war der Limes keine einheitliche befestigte Linie. Vielmehr war er dort als loses System von Gräben und Wällen gestaltet, gesäumt von vereinzelten Türmen und Forts. Die insgesamt knapp 4.000 Kilometer lange Außengrenze des Imperium Romanum in Afrika bildeten – ebenso wie im Orient – häufig auch schlicht das dortige Straßennetz und die angrenzenden Wüsten.

Wie waren die römischen Grenzanlagen aufgebaut?

Holzbarrikaden statt Stacheldraht

Rekonstruktion eines hölzernen Wachturms am Limes
Rekonstruktion eines hölzernen Wachturms am Limes. © Storchi / gemeinfrei

Große Teile der Grenze des Imperium Romanum bestanden aus natürlichen Flussläufen und Küsten. Diese sicherten die Römer lediglich in einigen Kilometern Abstand mit Kastellen, Forts und Wachposten, häufig an strategischen Punkten wie Flussübergängen. Zusätzlich patrouillierten sie die Wassergrenzen per Schiff oder Pferd. Ähnlich sah es an den Wüstenrändern aus. Dort errichteten die Römer ihre Festungen meist in der Nähe von Oasen und Gewässern.

An den restlichen Abschnitten des Limes war hingegen deutlich mehr Aufwand nötig. Dort errichteten die römischen Legionäre umfassende Grenzanlagen. Zu Anfang schlugen sie dabei in der Regel eine Schneise im Wald oder zwischen Feldern, die auch dem ursprünglichen Sinn des lateinischen Wortes „limes“ entspricht. Entlang dieser Schneise bauten die Römer anschließend in regelmäßigen Abständen hölzerne Wachtürme. Dabei achteten sie darauf, dass diese stets in Sichtweite zueinander blieben. Je nach Gelände bedeutete dies einen Abstand von nur einigen hundert Metern oder bis zu zwei Kilometern.

Rekonstruktion eines Wall-Graben-Systems neben Holzpalisaden
Zusätzlich zu den Holzpalisaden sicherten die Römer den Limes oft mit einem Wall-Graben-System. Rekonstruktion am Obergermanischen Limes in Mainhardt.© Thilo Parg / Wikimedia Commons/CC BY-SA 4.0

Vom Lattenzaun zur massiven Barrikade

Ergänzend ließen die römischen Kaiser am Limes aus Ästen geflochtene Zäune oder massivere Palisaden aus Holzbrettern oder angespitzten Baumpfählen errichten. Parallel zu diesen mehr oder weniger durchgängigen Barrikaden verliefen in der Regel Fahrwege oder befestigte Militärstraßen.

Nach einigen Negativerfahrungen wurde die Grenze mancherorts zusätzlich mit einem v-förmigen Graben versehen. Die ausgehobene Erde schütteten die Soldaten als Erdwall direkt daneben wieder auf. „Der Spitzgraben hatte eine Tiefe von circa zwei Metern, der Erdwall wird entsprechend hoch gewesen sein“, sagt der Historiker Thomas Becker. So wurde aus einer einfachen Waldschneise eine dauerhafte Barriere, die auch berittene Angriffe abwehren sollte.

Rekonstruierter Wachturm aus Stein
Ihre hölzernen Grenzanlagen ersetzten die Römer später durch Steinbauten. Rekonstruierter Wachturm Wp 9/83 des obergermanischen Limes bei Grab (Großerlach). © Dionysos1970/CC-by 4.0

Stein ersetzt Holz

Wo heute für Grenzanlagen Stachldraht, Metallzäune, Betonwände und Stahlpfosten verwendet werden, nutzten die Römer ausschließlich natürliches Baumaterial. Im Laufe der Zeit wurden die hölzernen Konstrukte der Römer allerdings schrittweise durch stabile Steinbauten ersetzt, die Wind und Wetter besser standhielten. Das galt zuerst für die Türme, später auch für die Barrikaden, die zu Mauern wurden. Die Türme wurden auch „verputzt und farbig bemalt“, berichtet Claus-Michael Hüssen vom Deutschen Archäologischen Institut.

Wie die meisten römischen Bauwerke waren auch die Militärbauten am Limes „präzise und im rechten Winkel angelegt“, so Hüssen. Die Grundrisse der Kastelle bildeten in der Regel ein Quadrat oder Rechteck, die der Türme hatten mitunter auch die Form eines Hufeisens oder Fächers. Obwohl ihr Verlauf manchmal willkürlich gewählt war, verliefen die Limites zwischen den Grenzposten häufig schnurgerade.

Je bedrohlicher der Feind, desto dicker die Mauern

Wie genau die einzelnen Limites aussahen und wie massiv deren Bollwerke waren, hing jedoch auch von der Region ab. „In den verschiedenen Landschaften musste die Grenze unterschiedlichen Ansprüchen genügen und wurde daher unterschiedlich ausgebaut“, erklärt etwa das Limesmuseum in Aalen. Im Orient bauten die Römer ihre Kastelle beispielsweise nicht aus Naturstein, sondern Lehmziegeln. Eine durchgehende robuste Befestigung des Limes aus Holz war dort weder nötig noch möglich.

Hinzu kommt, dass in Gebieten mit aggressiveren Nachbarn – wie den Germanen oder iranischen Sarmaten – robustere Grenzanlagen nötig waren als andernorts. Der raetische Limes hatte daher beispielsweise bis zu drei Meter hohe und einen Meter dicke Steinmauern, der Hadrianswall sogar bis zu 4,5 Meter hohe und drei Meter dicke Mauern. Daneben verlief zusätzlich ein drei Meter tiefer Graben und dazwischen lagen Gruben mit angespitzten Pfählen. Auch die Größe der Schiffsflotten auf Rhein und Donau richtete sich nach der jeweiligen Bedrohungslage.

Modell eines Römerkastells am Limes
Die Limes-Anlagen waren stets in Sichtweite erbaut. Modell des Römerkastells Böhming im Römer- und Bajuwarenmuseum in Kipfenberg. Oberhalb des Kastells ragt auf der Anhöhe aus dem Wald der Wachturm 14/78 heraus. © Heinrich Stürzl/CC-by 3.0

Siedlungen an Kasernen und Kastellen

Anders als die Wachtürme lagen die Kastelle meist nicht direkt am Limes, sondern einige Kilometer entfernt im Hinterland. Neben Schlafsälen für die Soldaten und Ställen für die Pferde besaßen diese Festungen auch Gemeinschaftsräume, Vorratskammern und Waffenlager, Werkstätten sowie manchmal auch ein Lazarett. In den gut gesicherten Anlagen waren feste Truppen von mehreren hundert oder bis zu tausend Soldaten stationiert, die dort häufig mitsamt ihren Familien lebten, wie Funde von Kleidung und Briefe belegen.

Mancherorts lebten Frauen und Kinder der Legionäre hingegen in angrenzenden Siedlungen statt im Kastell selbst. In diesen Vicus genannten Orten lebten neben Militärangehörigen auch zivile Bürger wie Händler und Handwerker.

Römisches Horn im Saalburgmuseum
Warnungen vor Angriffen gaben die Römer von Wachturm zu Wachturm und an die Kastelle unter anderem durch Signalhörner weiter. Römisches Horn im Saalburgmuseum. © Carole Raddato/ Marcus Cyron /CC-by 2.0

Verstärkung bei Gefahr

Bei Bedarf alarmierten die drei bis acht Wachposten auf den Limes-Türmen die Legionäre in den Festungen, die daraufhin über die gut ausgebauten Straßen zur Grenze ausrückten. „Verständigt hat man sich mit den Besatzungen der Nachbartürme wohl über Meldereiter, im Fall von Gefahr auch über optische oder akustische Signale“, so Becker. Das waren je nach Tageszeit und Wetter zum Beispiel Fackeln, Rauchsignale, Spiegelreflexionen der Sonne oder Signalhörner.

Bei größeren Angriffen konnten die Soldaten zudem Verstärkung aus anderen Kastellen oder größeren Legionslagern in der Umgebung anfordern. Die Etappe zwischen den Kasernen-Standorten dauerte allerdings oft einen halben oder ganzen Tagesmarsch. Wie genau die Truppenverlegungen abliefen und welche Strapazen das bedeutete, haben Römerfans 2023 in einem Selbstversuch bei einem Marsch entlang des obergermanisch-raetischen Limes erprobt – samt historischer Ausrüstung und Verpflegung.

Was vom Limes übrig blieb

Der Zerfall

All die Befestigungen entlang seiner Außengrenzen haben das Römische Reich über einige Jahrhunderte erfolgreich beschützt, ihm letztlich aber keine Sicherheit garantiert. Innerpolitische Konflikte, wirtschaftliche Probleme und zunehmender Druck von außen durch nicht romanisierte Völker ließen den Limes bröckeln. Anders als die Berliner Mauer fielen die Grenzen Roms jedoch nicht plötzlich. Vielmehr verlief das Ende des Limes genau wie sein Anfang über mehrere Jahrzehnte.

Manche Abschnitte hielten sich wegen Machtstreitigkeiten und wiederholten Angriffen nur bis zum 3. Jahrhundert, andere wie der Hadrianswall oder die Grenzposten an Rhein und Donau bis zum Ende Roms im 5. Jahrhundert. Nach dem Tod von Kaiser Theodosius I. im Jahr 395 n. Chr. wurde das Römische Reich in West und Ost geteilt. Doch deren Ressourcen reichten nicht, um die Grenzen zu verteidigen. Den Untergang der römischen Zivilisation hielt dies nicht auf.

Was wurde aus der befestigten Grenze?

Nach dem Zerfall des Römischen Reichs blieb von der einstigen Weltmacht und deren gigantischer Infrastruktur nicht mehr viel übrig. „Einige der Anlagen und Siedlungen wurden jedoch im Mittelalter weitergenutzt und bildeten die Grundlage für viele bis heute bestehende Orte und Städte“, berichtet die Österreichische UNESCO-Kommission. So auch entlang des Limes, wo beispielsweise Köln, Mainz, Regensburg, Wien, Budapest und Belgrad aus römischen Grenzstädten hervorgingen.

Limes-Denkmal im Wald neben überwuchertem Wall-Graben-System
Limes-Denkmal im Wald bei Rheinbrohl. Das einstige Wall-Graben-System ist inzwischen überwuchert und nur noch schwer erkennbar. © Frila/CC-by 3.0

Die verlassenen und ungenutzten Mauern und Türme des Limes verfielen hingegen. Von den Anwohnern wurden sie vielerorts als Steinbruch genutzt, das Material diente dem Bau neuer Gebäude. Die hölzernen Konstrukte der Palisaden und Gebäude zerfielen mit der Witterung meist ebenfalls. Die ausgehobenen Gräben füllten sich mit der Zeit mit Geröll und Erde. Die Natur eroberte das Grenzgebiet über die Jahrhunderte zurück.

Der einstige Verlauf des Limes ist daher heute größtenteils nicht mehr sichtbar. Aus der Luft oder per modernen Methoden wie Laser lassen sich jedoch gelegentlich noch anhand von Waldkanten und Schneisen sowie künstlich aufgeschütteten Erhebungen antike Limesanlagen und Straßen erahnen.

Ruinen eines Kleinkastells
Blick über die Ruinen eines Kleinkastells am rätischen Limes in Bayern. Wie hier zeugen vielerorts nur noch die Grundmauern von den einstigen Römer-Anlagen. © Mediatus/CC-by 3.0

Historische Bedeutung der Limes-Ruinen

Vereinzelt blieben zumindest die Grundmauern der Grenzanlagen erhalten. „Sie bezeugen bis heute den Einfluss des römischen Imperiums auf die Geschichte Europas“, so die Österreichische UNESCO-Kommission. Die Bauten demonstrieren auch „den fortgeschrittenen Wissensstand der römischen Ingenieure und Landvermesser“, so das Limesmuseum in Aalen. Für Historiker sind die Ruinen daher eine wichtige Informationsquelle. Insgesamt geben die Relikte des Limes „beispiellose Einblicke in die Entwicklung der militärischen Anlagen, den Schiffsbau, die Logistik und die Versorgung des Römischen Reiches“, schreibt auch die Deutsche UNESCO-Kommission.

Zahlreiche Standorte von Türmen und Kastellen des Limes wurden daher inzwischen durch Archäologen und Historiker rekonstruiert und ausgegraben oder originalgetreu wieder aufgebaut. In archäologischen Parks und Museen sind viele dieser Denkmäler heute auch für die Öffentlichkeit zugänglich und vermitteln uns ein Bild vom Leben im Grenzgebiet des Römischen Reiches.

Computerbasierte Rekonstruktion des Kastells Aalen.
Computerbasierte Rekonstruktion des Kastells Aalen. © Carole Raddato/CC-by 2.0

Limes-Forschung damals und heute

Nach anfänglich nur lokalen Bemühungen erforschte die 1892 gegründete Reichs-Limeskommission den Limes erstmals systematisch. Die Gelehrten stellten den genauen Verlauf des obergermanisch-raetischen Limes fest und gruben einige der zugehörigen Kastelle aus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in wissenschaftlichen Publikationen. Der zweite Weltkrieg unterbrach dann die archäologische Forschung am Limes. Erst ab den 1970er Jahren wurde sie wieder aufgenommen.

So bergen die Grenzruinen des Imperium Romanum noch heute viele Rätsel und Überraschungen. „Unsere Informationsquellen wachsen von Jahr zu Jahr, solange durch archäologische Ausgrabungen historische Quellen aus dem Boden kommen“, schreibt der Historiker und Archäologe Thomas Becker. Auch die Aufzeichnungen der frühen Limes-Forscher bringen bei erneuter Betrachtung nach heutigen Gesichtspunkten noch neue Erkenntnisse hervor. So weiß man heute beispielsweise, dass die Wachtürme des Limes teils umlaufende Balkone, sogenannte Galerien, besaßen und teils verputzt und bemalt waren. Warum andere Türme keine dieser äußeren Merkmale aufwiesen, ist indes noch unklar.

Hinweisschild auf den Weltkulturerbe-Status des Limes
Einige Abschnitte des römischen Limes stehen als historisches Denkmal inzwischen unter dem Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes. © Carole Raddato/ Marcus Cyron /CC-by 2.0

UNESCO-Welterbe

Ein Teil der militärischen und zivilen Limes-Anlagen steht heute unter dem Schutz der UNESCO, die mehrere Limites in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen hat. Der vergleichsweise gut erhaltene Hadrianswall in England wurde bereits 1987 zum Welterbe erklärt. 2005 fügte die UNESCO den obergermanisch-raetischen Limes in Süddeutschland und 2021 den niedergermanischen Limes entlang des Rheins sowie den westlichen Teil des Donaulimes der Liste hinzu.

Von England bis in die Slowakei sind nun alle Abschnitte des Limes im gemeinsamen Welterbe-Cluster „Frontiers of the Roman Empire“ zusammengefasst. Damit ist der Limes aktuell das zweitlängste Bodendenkmal der Welt, nach der rund 6.000 Kilometer langen Chinesischen Mauer. Denkmalschützer hoffen, dass künftig noch weitere Überreste des Limes in anderen Ländern hinzukommen und die UNESCO schließlich den gesamten Grenzverlauf des Römischen Reiches im 2. Jahrhundert als Welterbe anerkennt.

Austausch statt Abgrenzung

So wie der Limes einst die Provinzen Roms und unbesetzte Gebiete zugleich trennte und verband, soll auch die Bewahrung seiner Ruinen heute wieder Ländergrenzen überwinden, so der Wunsch der Historiker und Denkmalschützer. „Der Limes war zwar eine Grenze, aber sehr durchlässig für Menschen, Waren und Ideen“, betont Sebastian Held vom LVR-Archäologischen Park Xanten. „Das Welterbe trägt dazu bei, dass er heute wieder Menschen verbindet.“