Wie kann Windenergie genutzt werden?

Die Kraft des Windes

Windkraft birgt ein enormes Potenzial. Warum ist es noch nicht weiter ausgeschöpft? © Dar1930 / iStock.com

Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch die Kraft des Windes. Während Müller Windmühlen früher zum Kornmahlen genutzt haben, liefern die heute über 100 Meter hohen Rotoren einen beträchtlichen Anteil der globalen Energie. Mittlerweile kann ein einziges Windrad jährlich über 3.000 Haushalte mit Strom versorgen. Doch wie wird Wind zu Strom? Weshalb werden nicht mehr dieser Erneuerbaren Energieträger aufgestellt? Und was bringt die Zukunft der Windkraft?

Windkraft könnte den globalen Energiebedarf decken, doch derzeit machen die hoch gebauten Turbinen lediglich knapp über zehn Prozent vom globalen Strommix aus. Auch in Deutschland stammt nur knapp ein Drittel des Stroms aus Windkraftanlagen. Die Ursache für diese paradoxe Situation: Windräder gefährden angeblich Vögel, Fledermäuse und andere Tiere und verändern Ökosysteme. Außerdem verursachen sie Lärm und sind deshalb in der Nähe von Siedlungen nicht gestattet. Politiker und Institutionen arbeiten an Lösungen für diese Probleme, damit sich die erneuerbare Energie immer weiterverbreitet. 

Das massive globale Windkraftpotenzial

Windkraft an allen Orten

Windkraftanlagen sind inzwischen so günstig, dass sie sich innerhalb von drei bis fünf Monaten amortisieren. Nach diesem Zeitraum hat ein Windrad genauso viel Energie produziert wie für deren Herstellung und Betrieb investiert wurde. Bei anderen alternativen Energiequellen wie Solarzellen dauert dies beispielsweise sechs bis 18 Monate. Kohle oder Gas amortisieren sich hingegen gar nicht.  

Viele Windräder dicht an dicht könnten den globalen Energiebedarf decken. © Bundesverband WindEnergie

Windkraft könnte globalen Strombedarf decken

Zudem ist Windkraft die Erneuerbare Energie mit dem höchsten Ausbaupotenzial. Das weltweite Windkraftpotenzial ist sogar so hoch, dass Windkraft allein den Strombedarf unserer kompletten Zivilisation abdecken könnte, wie eine Studie zeigt. Würde man die riesigen Rotoren so nahe wie möglich aneinanderbauen, ohne dass sie sich dabei gegenseitig in die Quere kommen, könnten sie demnach weltweit 250 Terawatt Strom pro Jahr produzieren.  

Selbst wenn man die Windräder lediglich an Land und in Küstennähe aufstellen würde, läge der theoretische Ertrag noch bei jährlich 80 Terawatt Strom – das ist laut Berechnungen der Forschenden das Siebenfache des gesamten Energieverbrauchs der Menschheit im Jahr 2030. „Wir sagen nicht, dass man überall Windturbinen aufstellen soll, aber wir zeigen, dass es keine fundamentale Barriere gibt, die uns daran hindert, bis 2030 mindestens die Hälfte unserer Energie aus Wind zu gewinnen“, schreiben die Autoren. 

Das Windpotenzial in Europa ist massiv. Besonders stark saust der Wind in der Türkei und in Norwegen. © University of Sussex/ Aarhus University

Ein Megawatt auf 16 Europäer 

Und auch in Europa ist das Windpotenzial riesig. Laut einer anderen Studie wären theoretisch 4,9 Millionen Quadratkilometer Landfläche auf dem Kontinent für die Produktion von Windenergie geeignet – das entspricht ungefähr 46 Prozent der gesamten Fläche. Die größten Potenziale sehen die Forscher dabei in der Türkei, auf dem Balkan, in Russland und in Norwegen. Aber auch Teile Westeuropas seien wegen der günstigen Winde und flacher Landschaften gut für einen Ausbau der Onshore-Windkraft, also Windräder an Land, geeignet.  

 „Insgesamt gibt es in Europa eine ungenutzte Windkraft-Kapazität von 52,5 Terawatt – das entspricht einem Megawatt auf 16 Europäer“, berichten die Autoren. „Diese Energie wäre ausreichend, um den globalen Energiebedarf aller Sektoren von jetzt an bis zum Jahr 2050 zu decken. Theoretisch wäre Platz für rund elf Millionen zusätzlicher Windräder.“ 

Auch in Deutschland lohnt sich jedes Windrad 

Im dicht besiedelten Deutschland und anderen Ländern Mitteleuropas ist hingegen weniger Platz für Windräder als im restlichen Europa. Laut der Studie besitzt die Bundesrepublik lediglich ein verfügbares Flächenpotenzial von knapp 50.000 Quadratkilometern – das sind nur circa 14 Prozent der gesamten Landesfläche. Konkret beziffert ein Bericht des Umweltbundesamtes das deutsche Onshore-Windpotenzial auf rund 1.190 Gigawatt installierte Leistung.

So stark pustet der Wind auf der Welt. © World Bank Group/ DTU

Der Grund für diese optimistische Prognose: Zwar existiert im dichtbesiedelten Mitteleuropa nicht viel freie Fläche, doch dafür ist die mittlere Windgeschwindigkeit mit um die acht Meter pro Sekunde im Norden Deutschlands – und damit das theoretische Windpotenzial im Land – auch im europäischen Vergleich hoch. Ähnliche Windgeschwindigkeiten sind sogar global eine Seltenheit und beispielsweise neben Deutschland nur in Chile, dem Tschad oder an der Grenze zwischen Afghanistan und dem Iran zu finden.  

Die Entstehung der Windkraft

Das Windrad wird neu erfunden

Die hohen Windgeschwindigkeiten im ehemaligen Persien sind vermutlich auch der Grund, dass dort der Ursprung der Windkraft liegt. Laut einer arabischen Schrift drehte sich die erste Windmühle vor etwa 1.500 Jahren an der Grenze von Persien zu Afghanistan. Von dort breiteten sich die Windmühlen dann bis nach Europa aus und wurden hauptsächlich für Aufgaben wie das Mahlen von Getreide oder das Pumpen von Wasser genutzt.

Heute sind Holländermühlen nur noch historische Relikte. © Carl Lindström /CC-by 3.0

Die ersten modernen Windkraftanlagen 

Doch mit dem Beginn der Industrialisierung emanzipierte man sich allmählich von den alten erneuerbaren Energien. Durch die Erfindung der Dampfmaschine wurde es möglich, Wirtschaftsstandorte nicht mehr ausschließlich dort anzusiedeln, wo genug Wind und Wasser zur Verfügung standen. Es begann ein großes Mühlensterben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland noch 20.000 aktive Mühlen, Mitte der 1930er Jahre waren es nur noch 5.000. 

„Im Jahr 1891 konstruierte der Professor Poul la Cour in Askov dann in Dänemark seine erste Windkraftanlage, um Strom zu erzeugen“, berichtet Alois Schaffarczyk von der FH Kiel. La Cour habe mithilfe seiner Erfindung, die den dreifachen Wirkungsgrad vorhergehender Windkraftanlagen hatte, beispielsweise die Batterien für eine nahegelegene Schule aufgeladen. Im Deutschland der 1950er Jahre entwickelte ein Weimarer Professor zudem bereits mehrere Anlagen im Leistungsbereich von 100 Kilowatt, um abgelegene Standorte, sogenannte „Inselstandorte“, mit Strom zu versorgen.  

Die Ölkrise und der Aufschwung der Erneuerbaren Energien 

Die globale? Ölkrise im Jahr 1973 setzte schließlich auch in der Energiepolitik Prozesse des Umdenkens in Gang, die Erneuerbare Energien voranbrachten. Der große Vorstoß in der modernen Windenergietechnik kam aus Dänemark. Besonders hart getroffen von der Energiekrise, veranlasste eine Privatinitiative an der dänisch-westjütländischen Küste 1978 die Errichtung der weltweit ersten Megawattanlage mit 53 Metern Rotordurchmesser. Diese läuft auch heute noch einwandfrei. 

Die erste Windkraftanlage stand in Dänemark. Seit damals hat sich das Design stark verändert. © Elektrotechnische Zeitschrift

Nach den Ölpreisschocks bauten vor allem die Dänen zahlreiche kleine und preisgünstige Anlagen – zuerst für den Eigenbedarf, später verkauften sie Tausende dieser Anlagen nach Amerika. Vor allem in den meteorologisch gut geeigneten Gebieten Kaliforniens entstanden so riesige Windfarmen. Der technische und kommerzielle Erfolg der Dänen beflügelte die ansässige Industrie so beträchtlich, dass sie über Jahre hinweg marktführend in der Windkrafttechnologie war.

Die moderne Windkraft 

In Deutschland versetzte das sogenannte Stromeinspeisungsgesetz 1991 der Windenergie den entscheidenden Schub, denn es sicherte den Betreibern von Windrädern einen festen Einspeisetarif. Das machte den Bau von Windkraftanlagen zu einer sicheren Investition und die Bundesrepublik wurde schnell zum technischen Spitzenreiter in Sachen Windkraft.  

Mittlerweile drehen sich weltweit hunderttausende Windräder. Diese sind mit den Jahren enorm gewachsen: von wenigen Kilowatt Leistung und 15 Metern Rotordurchmesser um 1980 auf aktuell neun Megawatt und bis zu 180 Meter großen Rotoren. Doch wie funktionieren diese Anlagen? 

 

Wie funktioniert ein Windrad?

Auftrieb wie beim Flugzeug

Der Wind weht fast überall auf der Welt und besitzt eine immense Energie. Windräder setzen diese Energie in Strom um. Anders als bei Solarzellen folgt diese Umwandlung dabei einem sehr einfachen physikalischen Prinzip:

So ist ein Windrad aufgebaut. © Arne Nordmann /CC-by 3.0

Die Rotorblätter der Anlage setzen den Wind in eine Drehbewegung um, ein Generator wandelt die so entstandene mechanische Energie anschließend in elektrische Energie um.  

Das Auftriebsprinzip zur Stromerzeugung 

Die Funktionsweise von Windrädern lässt sich mit dem Auftriebsprinzip von Flugzeugen vergleichen: Bei einem klassischen Windrad sind drei lange Rotorblätter in gleichmäßigen Abständen an der sogenannten Nabe befestigt, dem rundlich-spitz zulaufenden Mittelteil des Windrades. Diese Rotorblätter sind ähnlich gewölbt wie die Flügel eines Flugzeugs, wodurch der Wind an einer Seite der Rotorblätter einen längeren Weg zurücklegt. Dadurch entsteht ein Unterdruck – die resultierende Auftriebskraft wirkt senkrecht zur Windrichtung, triebt die Rotorblätter in Drehrichtung an und setzt sie in Bewegung.

Durch die Bewegung der Rotorblätter dreht sich folglich die Nabe in der Mitte des Windrads. Hinter dieser befindet sich die sogenannte Gondel, in welcher ein mit der Nabe verbundener Generator steht. Wenn die Nabe sich dreht, wandelt der Generator die entstandene mechanische Energie in Strom um. Die gesamte Gondel ist außerdem drehbar und richtet sich dank einer an einen Windmesser angeschlossenen Steuerungselektronik immer nach der aktuellen Windrichtung aus. Die komplette Vorrichtung sitzt hoch oben in der Luft auf einem Mast, wo die Windgeschwindigkeiten höher sind als am Boden. 

Warum Windräder so riesig sind 

Innerhalb der Gondel befindet sich ein Generator und die dazugehörige Technik. © Bundesstefan /CC-by 4.0

Diese Masten sind beeindruckend hoch – ein durchschnittliches Onshore-Windrad ragt etwa zwischen 90 und 130 Meter in die Höhe. Auch die Rotorblätter sind gewaltig – ein einzelnes Blatt ist etwa 45 Meter lang, deren Rotordurchmesser liegt dementsprechend bei 90 Metern. Onshore-Windräder erreichen damit im Schnitt eine Gesamthöhe von etwa 150 Metern. Zum Vergleich: Dies ist fast so hoch wie der Kölner Dom und sogar höher als die Pyramiden von Gizeh. Offshore-Windräder sind sogar noch größer: Sie erreichen Rotordurchmesser von über 200 Metern und Nabenhöhen von mehr als 170 Metern.  

Der Grund für die hohe Bauweise dieser Masten: Der Stromertrag eines Windrads steigt pro Meter Höhe um etwa ein Prozent, da auch die Windgeschwindigkeit mit dem Abstand zum Boden zunimmt. Und je schneller sich ein Windrad dreht, desto höher ist auch dessen Stromproduktion. Zudem verwirbelt Wind beim Kontakt mit Hindernissen, wie beispielsweise Wäldern oder Bergen, und verliert so an Geschwindigkeit und Energie. In hohen Höhen gibt es dementsprechend konstanteren und stärkeren Wind und somit mehr Windkraftenergie.  

Lange Zeit die höchsten Windräder Deutschlands: Mit Nabenhöhen von 155 bis 178 Metern stehen sie auf dem Höhenzug unweit von Stuttgart. © Reinhard Mederer/ Max Bögl Wind AG

Maximal 56 Prozent Wirkungsgrad 

Auch längere Rotorblätter steigern den Wirkungsgrad und somit den Stromertrag der Windräder, da längere Rotoren eine größere Fläche abdecken und dadurch mehr Windenergie „einfangen“. Allerdings haben diese Größen- und Höhen-Optimierungen ein Limit, denn Windräder können dem Wind rein rechnerisch maximal 59 Prozent seiner Leistung entziehen, wie der Physiker Albert Betz im frühen 20. Jahrhundert festgestellt hat. Moderne Windkraftanlagen erreichen heute bereits Wirkungsgrade von durchschnittlich 45 Prozent.  

Doch während sich der Wirkungsgrad von Windrädern kaum noch verbessern lässt, kann ein windreicher Standort den Stromertrag um ein zehn- vielleicht sogar hundertfaches steigern.  

Der perfekte Standort für Windräder

Offshore oder Onshore

Ein Windrad auf dem Wasser sieht spannend aus, doch produziert es dort auch am meisten Energie? © Bundesverband WindEnergie

Wie viel Strom ein Windrad produziert, hängt zum größten Teil von der Windgeschwindigkeit am jeweiligen Standort ab. Dabei beeinflusst vor allem die sogenannte Rauigkeit der Erdoberfläche, wie ertragreich der Wind in Bodennähe weht. Je glatter oder weniger „rau“ die Oberfläche, desto weniger wirbelt der Wind und desto mehr Strom produziert das Windrad. 

Windkraft auf dem Meer 

Besonders ruhige Wasseroberflächen begünstigen somit hohe Windgeschwindigkeiten, weshalb bei Offshore-Anlagen – also Windanlagen, die auf dem Meer mit einem gewissen Abstand zur Küste stehen – oft die nahezu ungebremste Windkraft auf die Rotorblätter trifft. Deshalb produzieren Offshore-Windparks in der Regel viel mehr Strom als Windparks an Land. Der Park „Veja Mate“ in der Nordsee erzeugt mit 69 Windrädern beispielsweise eine Leistung von 400 Megawatt. Zum Vergleich: Der größte deutsche Onshore-Windpark „Holtriem“ in Niedersachsen produzierte im Jahr 2024 mit 111 Windrädern nur circa 200 Megawatt. 

Ähnliches zeigt auch der Power-to-X-Atlas des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE. Demnach haben unter anderem Länder mit sehr langer Küstenlinie, wie Chile oder Argentinien, ein hohes Windpotenzial. „Unser Atlas zeigt, dass in vielen Regionen der Welt langfristig große Mengen an Power-to-X-Energieträgern regenerativ produziert und exportiert werden können – wobei es von Standort zu Standort durchaus erhebliche Unterschiede gibt“, erklärt Norman Gerhardt vom Fraunhofer IEE.  

Der Mast, der Rotor, die Technik – beim Bau von Offshore-Anlagen müssen die Bestandteile in speziellen Booten aufwändig über das Meer geschippert werden. © REpower Systems AG/Jan Oelker

Doch Bau, Betrieb und Wartung der ertragreichen Offshore-Parks sind aufwendig. Um die Anlagen an das Stromnetz anzuschließen, müssen beispielsweise Unterseekabel von der Küste zu den Windparks im Meer verlegt werden. Und auch die Wartung der Anlagen muss man mit speziellen Schiffen durchführen. Das macht Offshore-Anlagen so kostenintensiv, dass ihre finanzielle Amortisierungszeit – also die Zeit, die benötigt wird, um die Investitionskosten durch Stromerträge zu decken – zehn bis 15 Jahre beträgt. Das ist fast doppelt so lange wie bei ihren Pendants an Land. 

Onshore-Parks brauchen viel Platz 

Auch aus diesem Grund befindet sich ein Großteil der deutschen Windkraftanlagen an Land, statt auf dem Wasser. Ende 2023 gab es mit rund 28.000 Onshore-Windrädern fast 20-mal mehr Anlagen an Land als auf See. Mit mehr als 61.000 Megawatt installierter Leistung machten Onshore-Windkraftanlagen rund 26,5 Prozent der Bruttostromerzeugung in Deutschland aus. Ein weiterer Vorteil des ländlichen Standorts: Die produzierte Energie kann direkt da genutzt werden, wo sie produziert wurde.

Zu viele Windräder beieinander nehmen sich buchstäblich den Wind aus den Rotoren. © Winchell Joshua, U.S. Fish and Wildlife Service

Allerdings müssen die Abstände zwischen den Windrädern auf dem Wasser, wie an Land oder auch auf dem Wasser sehr groß sein. Oft gilt die Faustregel, dass zwei Windräder in Hauptwindrichtung das Fünffache und in Nebenwindrichtung das Dreifache des Rotordurchmessers voneinander entfernt sein sollten, also etwa 300 und 150 Meter. Ansonsten nehmen sich die Windräder gegenseitig den Wind aus den Segeln. 

 „Sobald wir sehr viel mehr Turbinen haben, zeigt sich, dass die Windgeschwindigkeit zunehmend reduziert wird und jede Turbine weniger Energie erzeugt“, erklärt Lee Miller vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Deshalb benötigen Onshore-Windparks viel Platz. Doch dieser ist in Deutschland ohnehin schon knapp und wird durch Windkraftverbote in der Nähe von Siedlungen oder Naturschutzgebieten sogar noch knapper. 

Die Hürden beim Windkraftausbau

Lärm, tote Vögel und gekippte Ökosysteme

Dem Windkraftausbau stehen viele Hindernisse im Weg. Obwohl theoretisch 14 Prozent der gesamten deutschen Landesfläche für die Produktion von Windkraft zur Verfügung stehen, können viele der Gebiete schlussendlich doch nicht genutzt werden. Die Hürden sind vielseitig: Flugraumsicherung für Flugzeuge, militärischer Luftraumnutzung und Abstandsregeln zu Siedlungen machen den Windkraftausbau auf vielen Gebieten unmöglich. Gemeinden haben Angst vor schlechteren Wohnbedingungen und Tierschutz- und Umweltverbände befürchten zudem, dass Windräder ansässige Tierarten gefährden könnten. Auch aus diesen Gründen protestieren Bürger häufig gegen bereits geplante Windkraftprojekte.  

Umweltschützer sorgen sich um Windräder in der Natur. Doch sind die weißen Riesen wirklich so tödlich? © Gary Kavanagh/ iStock.com

Geringe Geräuschbelastung durch Windräder

Eine häufige Klage gegen Windräder ist, dass sie laut sind und der Lärmpegel somit besonders in der Nähe von Siedlungen stört. Tatsächlich machen Windräder Lärm. Bei starkem Wind entstehen an der Nabe in 100 Meter Höhe bis zu 105 Dezibel – das entspricht etwa der Lautstärke eines startenden Flugzeuges. Die Geräusche entstehen zum einen wegen turbulenter Luftströmungen am Rotorblatt, zum anderen wegen mechanischer Geräusche, etwa durch das Getriebe der Anlage. Mit der Entfernung nimmt die Lärmbelastung allerdings rapide ab: In 500 Meter Entfernung verursachen Windräder nur noch 40 Dezibel – die Lautstärke eines leichten Regens oder eines rauschenden Waldes.  

Doch trotz der vergleichbar geringen Geräuschbelastung durch Windräder bestanden in Deutschland für lange Zeit Mindestabstandsregelungen zwischen Windparks und Wohngebieten. Diese sollten mindestens 1.000 Meter von Siedlungen entfernt stehen. Zugunsten des Windkraftausbaus werden diese Regelungen allerdings inzwischen mancherorts wieder gekippt – so beispielsweise Ende 2023 in Nordrhein-Westfalen, wo Windkraftanlagen seitdem nur noch wenige hundert Meter von Siedlungen entfernt sein müssen.  

Werden anwohnende Tierarten gestört? 

Eine weitere verbreitete Sorge ist, dass Windkraftanlagen der Umwelt schaden. Laut NABU könnte beispielsweise der Lärm, der beim Rammen der Fundamente der Offshore-Windkraftanlagen in den Meeresboden entsteht, Schweinswale und Fische aus wichtigen Lebensräumen vertreiben. Zudem zeigen Studien, dass das Plankton-Wachstum hinter Windparks im Meer um bis zu zehn Prozent reduziert ist. Ob dies ein Problem darstellt, ist allerdings noch unklar. „Es sind daher nun weitere Studien nötig, um die Auswirkungen auf marine Ökosysteme und Organismen in der Nordsee zu untersuchen“, konstatieren Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon und sein Team.  

Viele Naturschutzorganisationen warnen außerdem vor den Gefahren von Windrädern für in größeren Höhen fliegende Vögel, denn jährlich fliegen um die hunderttausend Vögel gegen die sich drehenden Rotorblätter und sterben infolgedessen. Jedoch: „Die jährlichen Opferraten im Autoverkehr und an Glasfronten sind um einiges höher. So sterben im Straßenverkehr rund 70 Millionen Vögel jährlich, an Glasfronten bis zu 100 Millionen“, erklärt die Umweltorganisation Greenpeace auf ihrer Webseite.  

Fledermäuse kollidieren besonders häufig mit den Wind-Rotoren. © Christian Voigt/Leibniz-IZW

Das große Fledermaussterben 

Doch es gibt noch andere Tiere, denen die erneuerbaren Energieträger zu schaffen machen: Fledermäuse. In Deutschland stirbt jährlich bis zu einer Viertelmillion Fledermäuse durch Windkraftanlagen. Der Tod kommt entweder durch direkte Kollision mit den Rotorblättern oder durch ein sogenanntes Barotrauma, bei dem starke Luftdruckänderungen in der Nähe der Rotorblätter die inneren Organe der Tiere zerreißen. Fast ein Viertel der Todesopfer sind dabei migrierende Fledermäuse, die eigentlich sogar unter dem Schutz einer UN-Konvention stehen.  

Eine Theorie, warum sich die Fledermäuse in diese Gefahr begeben: Sie verwechseln Windräder schlicht mit Bäumen. Denn wenn sich die Rotorblätter kaum bewegen, ähneln sich die Luftstöße von Bäumen und Windrädern. Das Problem: „Fledermäuse bleiben oft Minuten bis sogar Stunden in der Nähe stehender Windräder – frischt dann der Wind plötzlich auf, geraten sie in Gefahr, von den sich nun drehenden Rotoren getroffen zu werden“, erklären Paul Cryan vom US Geological Survey in Fort Collins und seine Kollegen. Helfen könnte es daher beispielsweise, Windräder bei ohnehin geringen Windgeschwindigkeiten ganz abzuschalten. 

Effekt auf Nahrungsketten und Ökosysteme 

Dieses große Fledermaussterben kann sogar gesamten Ökosystemen schaden. Denn 20 Prozent der von den Fledermäusen vertilgten Insekten sind Schädlinge, welche Nutzpflanzen,Bäume oder Früchte anfressen oder Pflanzenkrankheiten übertragen können. „Eine Literatur-Auswertung bestätigt, dass Fledermäuse eine wichtige Rolle in der Kontrolle dieser Schadinsekten spielen und sogar lokale Ausbrüche unterdrücken können“, berichten Carolin Scholz und Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.  

Eine andere Studie zeigte zudem, dass auf einem 20 Jahre alten Windpark-Areal viermal weniger Vögel wohnten als auf dem vergleichbaren benachbarten Areal. Sie lernten offenbar, die gefährlichen Rotoren der Windräder großräumig zu meiden. Entsprechend lebten in diesem Gebiet wesentlich mehr der eigentlichen Beutetiere der Vögel, in diesem Fall die sogenannte Fächerkehlen-Echse. Laut Maria Thaker und ihrem Team vom Indischen Institut für Wissenschaft in Bangalore könnte sich so das Gleichgewicht der Nahrungsketten verschieben. „Windparks haben Auswirkungen, die bisher weit unterschätzt worden sind“, konstatieren sie. „Wir haben mehrere Belege dafür gefunden, dass es eine ganze Kaskade von trophischen Effekten dieser grünen Energie gibt.“  

Wenn die Natur beim Windkraftausbau geschont werden soll, bleiben nur 3,6 Prozent Bebauungsfläche in Deutschland übrig.© Bosch & Partner

Nur 3,6 Prozent der Fläche sind für Windräder geeignet 

All diese Probleme werden von den Planenden häufig nicht oder nur teilweise beachtet. Aus diesem Grund kommt es häufig zu Demonstrationen von Natur- und Umweltschützern während der Planungsphase von Windrädern. „Umwelt- und Landschaftsschutz werden in den frühen Planungsphasen nicht ausreichend in der Planung berücksichtigt, die kommen dann oft erst vor Gericht zum Tragen und genau das kostet dann Zeit“, erklärt Wolfgang Peters, Geschäftsleiter der Umweltberatung Bosch & Partner.  

Um zukünftige Umplanungen und Proteste zu vermeiden, hat das Bundesamt für Naturschutz eine Karte erstellt, die zeigt, wo in Deutschland Flächen mit niedrigem Konfliktpotenzial für den Bau von Windkraftanlagen existieren. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei auf Gebiete in der Nähe von Bioreservaten und Naturschutzgebieten mit gefährdeten Arten gelegt. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, dass nur 3,6 Prozent der Fläche in Deutschland ein so niedriges Konfliktpotenzial aufweisen, dass der Bau von Windkraftanlagen dort vermutlich realisiert werden kann. 

Wie steht es um den globalen Windkraftausbau?

Windkraft in Deutschland und der Welt

Flugraumsicherung, Abstandsregeln zu Siedlungen und auch Umwelt- und Naturschutz in die Planung von Windkraftanlagen miteinzubeziehen, ist sehr komplex. Vor allem, da die planerischen Einzelheiten auch immer von regionalen Gegebenheiten abhängig sind. Auch aus diesem Grund legt die Bundesregierung die Ziele ihres Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf die Länder und Kommunen um.  

Der Windkraftausbau muss vorangetrieben werden – auf dem Meer, wie auf dem Land. © Hereon/ Sabine Billerbeck

Windkraft-Ziele in Deutschland 

Denn laut diesem Gesetz soll die installierte Kapazität an Onshore-Windkraftanlagen bis 2040 auf 160 Gigawatt gesteigert werden. Für die Offshore-Windkraft sieht wiederum das Windenergie-auf-See-Gesetz eine Kapazität von 70 Gigawatt bis 2045 vor. Um diese Ziele zu erreichen, setzt sich die Bundesregierung jährliche Zwischenziele. Diese wurden in den letzten Jahren allerdings nicht erreicht – im Jahr 2023 etwa wurde das Ziel um fast ein Fünftel verfehlt.  

Um den Windkraftausbau zu beschleunigen, hat die Bundesregierung mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetze im Juli 2022 daher alle deutschen Bundesländer verpflichtet, bis 2032 jeweils zwei Prozent ihrer Flächen für Windkraftprojekte bereitzustellen. „Das Gesamtziel für Deutschland ist zwei Prozent. Wir teilen das regional fair auf, berücksichtigen dabei die Windbedingungen, den Natur- und Artenschutz und die räumlichen Ordnungen. Es bleibt Sache der Länder, zu entscheiden, wie sie ihre Flächenziele erfüllen“, kommentiert Wirtschaftsminister Robert Habeck. 

Der Europäische Green Deal  

Auch die Europäische Union hat sich ehrgeizige Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Sie wollen einen Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 42,5 Prozent bis 2030 erreichen. Deshalb soll die installierte Windkraftkapazität von 204 Gigawatt im Jahr 2022 auf über 500 Gigawatt im Jahr 2030 anwachsen. Doch hat die EU im Jahr 2023 lediglich 17 Gigawatt Windkraft gebaut – dabei hatte Großbritannien mit 15 Prozent den größten Anteil an neu gebauten Anlagen, gefolgt von Schweden mit zwölf Prozent und Deutschland mit elf Prozent. Diese Ausbauzahlen sind zwar die höchsten, die die EU jemals in einem einzigen Jahr erreicht hat, doch sie liegen trotzdem deutlich unter den jährlichen knapp 30 Gigawatt, die die EU bauen müsste, um ihre Klimaziele zu erreichen. 

Deshalb wurde Ende 2023 zusätzlich der europäische Aktionsplan verabschiedet. Dieser soll eine industriefreundliche Energiewende in Europa ermöglichen, indem beispielsweise die Genehmigungsverfahren für Windräder vereinfacht und digitalisiert werden. Auch soll die Ausbildung von Windkraft-Fachkräften gefördert werden. „Wir müssen für günstige Rahmenbedingungen in allen Sektoren sorgen, damit diese wirksam zur Verwirklichung unserer ehrgeizigen Klima- und Energieziele beitragen können. Dieses Paket wird dazu beitragen, dass der europäische Windkraftsektor zu Hause wachsen kann und weltweit wettbewerbsfähig ist“, kommentiert Maroš Šefčovič, der Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Green Deal. 

Zukünftige Innovationen: Vertikalrotoren

Vertikalrotoren drehen sich um die senkrechte Achse – das sieht nicht nur spannend aus, sondern schont auch die Umwelt. © Oxford Brookes University

Um die Herausforderungen für Windenergie zu meistern, gibt es neben politischen und bürokratischen auchtechnologische Möglichkeiten. Als eine mögliche Lösung werden sogenannte Vertikalrotoren angeführt. Bei diesen Anlagen rotieren die Flügel nicht horizontal, stattdessen kreisen die Rotoren senkrecht um den Mast der Anlage. Wegen dieser Bauweise können die Rotoren Wind aus allen Windrichtungen gleichzeitig in Energie umsetzen. Außerdem erzeugen sie weniger Lärm als Horizontalrotoren. Deshalb eignen sich die vertikalen Rotoren besonders in der Nähe von Ortschaften – hier könnten sie geräuscharm und effizient die turbulenten Windverhältnisse in den Städten in Energie umsetzen.  

Allerdings ist der Ertrag der vertikalen Räder etwas geringer als der horizontalen Anlagen. Doch auch dieser Effekt scheint kleiner als gedacht. Denn anders als Horizontalrotoren schwächen sich die Vertikalrotoren nicht gegenseitig ab, wenn sie nahe beieinanderstehen. Im Gegenteil: „Turbulenzphänomene sorgen für eine Zunahme der Energie“, erklären Joachim Hansen von der Oxford Brookes University in England und seine Kollegen. „Zusammen führen diese Mechanismen dazu, dass Vertikal-Windräder zusammen leistungsstärker sind als einzeln.“ Somit können die Vertikalrotoren bei ähnlichem Stromertrag insgesamt weniger Platz verbrauchen.