Das Geheimnis der leuchtenden "Himmelsschlangen"

Polarlichter

Polarlichter wie dieses 2011 während eines Sonnenstumrs über Alaska beobachtete sind fazinierende Leuchterscheinungen der Atmosphäre. Doch was hinter ihnen steckt, ist noch immer nicht komplett enträtselt. © NASA/James Spann

Sie leuchten als grünliche Schleier am Nachthimmel, bilden silbrige Vorhänge oder scheinen sogar blutrot: Polarlichter gehören zu den eindrucksvollsten Phänomenen der Natur. Doch welche physikalischen Prozesse dahinter stecken, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Noch immer geben die „feurigen Himmelsschlangen“ Forschern Rätsel auf.

Ob in den eisigen Weiten der Arktis oder am Südpol – die Lichterscheinungen der Polarlichter haben schon die Fantasie unserer Vorfahren beflügelt. In den Sagen und Mythen der Arktisbewohner galten sie als Sendboten der Ahnen. Im Mittelalter hielt man das Nordlicht für ein Zeichen Gottes, das zur Umkehr mahnte und sah in ihm einen Vorboten von Unheil und Krieg.

Heute wissen wir, dass beim Polarlicht weniger göttliche als vielmehr physikalische Kräfte am Werk sind. Und dass dieses „himmlische“ Schauspiel keineswegs eine rein irdische Eigenheit ist. Doch so einfach, wie lange gdacht, sind Ursachen udnd Mechanismen der Auroras nicht. Noch immer bergen die Polarlichter einige Geheimnisse – und halten Überraschungen bereit.

Nadja Podbregar

Von Bögen, Bändern und dunklen Wirbeln

Polarlicht ist nicht gleich Polarlicht

Ein Polarlicht ist unverkennbar: Am zuvor noch dunklen Nachthimmel leuchten dabei plötzlich farbig leuchtende Schleier auf. Wie ein im sanften Wind wehender Vorhang undulieren die schimmernden Schlieren über unseren Köpfen. Auf den ersten Blick scheinen sie dabei keinem festen Muster zu folgen und alle ziemlich ähnlich zu sein – doch dieser Eindruck täuscht.

Hier ist ein ruhig leuchtender Polarlichtbogen über Alaska zu sehen. © NASA/Terry Zaperach

Ruhige Bögen und lebhafte Bänder

Sieht man genauer hin, erkennt man bestimmte Gesetzmäßigkeiten: Häufig bildet das Polarlicht einen ruhig leuchtenden Bogen, der in Ost-West-Richtung über den Himmel erstreckt. Diese Auroras können bis zu zehn Minuten lang ohne große Bewegung stehen bleiben. Eine weitere Klasse von Polarlichtern bilden die Vorhänge: Ausgedehnte, eher diffuse Schleier, die vom Horizont bis hoch in den Himmel hinaufreichen und mehrfarbig sein können. Schon der Polarforscher Fridtjof Nansen beschrieb dieses Phänomen als „glitzernden Silberschleier“.

Deutlich bewegter und variabler sind dagegen die Polarlicht-Bänder. Im Gegensatz zum ruhigen Bogen verformen sie sich relativ schnell und bilden undulierende Beulen und Schleifen. Auch ihre Farbe kann sich im Laufe der Zeit ändern – mal grünlich, dann wieder weißlich oder sogar rötlich. Innerhalb der breiten Lichtbänder lassen sich häufig schmalere, quer verlaufende Strahlen erkennen, die in langsamen Takt heller werden und dann wieder abdimmen.

Wie ein geschwungener mehrfarbiger Vorhang scheint diese Aurora australis über der Antarktis. © NOAA/ Ross Burgener

Strahlenkranz und schwarze Aurora

Eine spezielle Form der Polarlicht-Bögen ist die Corona – sie hat trotz des gleichen Namens nichts mit den bunten Ringen um den Mond oder der Sonnenkorona zu tun. Bei einer Polarlicht-Corona scheinen die hellen Strahlen direkt über uns sternförmig auseinander zu laufen. Dieser Eindruck entsteht, weil wir frontal auf die Nordlichtbögen blicken.

Noch spektakulärer und geheimnisvoller ist die schwarze Aurora: Sie kann am Ende von besonders hellen und bewegten Polarlichtern auftreten und ist eine Art Negativbild inmitten dieser Auroras. „Schwarze Wirbel ringeln sich dabei quer über einen Polarlichtvorhang“, beschreibt Ned Rozell von der University von Alaska in Fairbanks das Phänomen. „Schwarze Ringe, die aussehen wie dunkle Rauchringe, heben sich vom hellen Lichtschleier ab und schwarze Flecken bewegen sich wie gigantische Amöben durch ein Meer schwachen Lichtes.“

Jenseits des Polarlicht-Ovals erscheint das Polarlicht oft als rötlicher, diffuser Vorhang, wie hier über Neuseland. © NASA/ Steven Graham

Galileo und die falsche Morgenröte

Die relativ deutlich strukturierten Auroras sind vor allem für die hohen Breiten typisch. Im Polarlichtoval, einem rund 400 Kilometer breiten Streife jenseits des 64. Breitengrads, kommen sie an bis zu 240 Nächten im Jahr vor. Doch auch in mittleren Breiten kann es Polarlichter geben, wie schon Galileo Galilei feststellte. Der italienische Astronom beobachtete im Jahr 1619 mitten in der Nacht ein diffuses, rötlich schimmerndes Licht und taufte dieses Phänomen wegen seiner Ähnlichkeit mit der Morgenröte „Aurora“. Von ihm haben die Polarlichter bis heute ihren Namen.

Heute weiß man, dass dieses vorwiegend rötliche, wenig strukturierte Polarlicht typisch ist für die Auroras gemäßigten Breiten. Ihr Aussehen führte dazu, dass die Menschen des Mittelalters in diesen Himmelslichtern eher Vorboten des Unheils sahen – das rote Glühen erinnerte sie eher an die Hölle als an etwas Himmlisches.

Doch was erzeugt diese faszinierenden Leuchterscheinungen?

Nadja Podbregar

Den Polarlicht-Ursachen auf der Spur

Sonnenwind und Magnetkäfig

Zu den Ursachen der Polarlichter gibt es eine einfache Erklärung – und ziemlich viele komplizierte. Die physikalischen Feinheiten dieser Leuchterscheinungen sind bis heute nur in Teilen aufgeklärt. „Das vollständige Bild fehlt uns noch immer“, erklärt der NASA-Polarlichtforscher David Stern.

Das Erdmagnetfeld schirmt uns vor dem Sonnenwind ab. © NASA

Ein Schutzkäfig mit Lücken

Die einfache Erklärung kennen die meisten von uns noch aus der Schule: Die Leuchterscheinungen hängen mit dem Magnetfeld der Erde und dem Sonnenwind zusammen. Treffen die geladenen Teilchen des Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld, dann werden sie normalerweise abgelenkt. Die parallel verlaufenden Magnetlinien schützen die Erde wie eine Art Faraday’scher Käfig.

Doch in der Nähe der Pole ist dieser Schutzkäfig durchlässig. Wie bei einem Stabmagneten neigen sich hier die Magnetfeldlinien auf den magnetischen Pol zu. In seiner Nähe stehen sie daher fast senkrecht auf der Erdoberfläche. Weil sich die geladenen Teilchen des Sonnenwinds entlang dieser Magnetfeldlinien bewegen, können sie in den Polargebieten näher an die Erde herankommen als anderswo.

Rekonstruktion des Terella-Experiments von Birkeland: Es entsteht ein Polarlicht im Miniaturformat. © David Monniaux/ CC-by-sa 3.0

Birkelands Experiment

Was passiert, wenn geladene Teilchen bis in die Atmosphäre vordringen, beobachtete der norwegische Physiker Kristian Birkeland bereits Ende des 19. Jahrhunderts. In seinem Terella-Experiment befestigte er eine magnetische Metallkugel – die Terella – in einer Vakuumkammer. Dann lenkte er die Elektronen einer Kathodenstrahlröhre auf dieses verkleinerte Modell des Erdmagnetfelds.

Zu Birkelands Überraschung bildeten sich rund um die Pole der Terella leuchtende Ringe – Polarlichter im Miniformat. Sie entstehen, weil die Elektronen entlang der Magnetfeldlinien bis in Polnähe der Terella geleitet werden. Dort kollidieren sie mit Gasatomen, die in der Vakuumkammer geblieben sind, und regen diese zum Leuchten an.

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Atmosphärische Kollisionen

Ähnliches, so vermutete Birkeland, geschieht auch in der Erdatmosphäre: Die Teilchen des Sonnenwinds dringen entlang der Magnetfeldlinien bis in die oberen Schichten der polaren Atmosphäre vor und kollidieren dort mit den Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen der Luft.

Die dabei freiwerdende Energie wird als Licht unterschiedlicher Wellenlänge abgestrahlt – von Sauerstoffatomen als grünes und rotes, von Stickstoff als blaues und violettes Licht. Das Ergebnis ist eine Aurora. Typischerweise entsteht das grünliche Polarlicht in knapp 100 Kilometern Höhe, das rötliche dagegen rund 200 Kilometer über der Erdoberfläche.

Wenn bei einem Sonnensturm besonders viele geladene Teilchen auf das Magnetfeld einströmen und der schützende Magnetkäfig stärker verformt wird, sind die Polarlichter besonders ausgeprägt. Die Elektronen können dann selbst in Gebieten außerhalb des klassischen Polarlichtovals bis in die Atmosphäre vordringen und die Leuchterscheinungen auslösen – beim sogenannten Carrington-Ereignis im September 1859 gab es Auroras sogar über Hawaii, Jamaika und den Bahamas.

Soweit die einfache Erklärung…

Nadja Podbregar

Komplexe Wechselwirkungen

Turbulentes Pingpong

Heute wissen wir, dass die Ursache der Polarlichter leider nicht so einfach ist wie lange angenommen. So stammen die mit den Atmosphären-Atomen kollidierenden Teilchen beispielsweise keineswegs alle von der Sonne. Und auch das Erdmagnetfeld ist weit komplexer aufgebaut und anders geformt als bei einem Stabmagneten. Innerhalb der Magnetosphäre gibt es gleich mehrere Strahlengürtel und Plasmaschichten, die den Planeten wie gestaffelte Schutzschilde umgeben.

Der Sonnenwind verformt das irdische Magnetfeld © NASA

Nächtlicher Schweif

Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind und der kosmischen Strahlung sorgen dafür, dass es in unserer Magnetosphäre ziemlich turbulent zugeht – und sie bringen den säuberlichen Magnetkäfig aus der Form. Das ständige, energiereiche Bombardement aus dem All führt dazu, dass das Erdmagnetfeld auf der Sonnenseite stark komprimiert wird, die Feldlinien sind dort eng zusammengedrückt. Anders dagegen auf der Nachtseite: Hier ist die Magnetosphäre zu einem Millionen Kilometer langen Plasmaschweif ausgezogen, der noch dazu heftig hin- und herflattert.

Dieser Magnetosphärenschweif ist eine der Hauptquellen für die Elektronen, die die Polarlichter auslösen. Das erklärt auch, warum die Polarlichter fast immer nachts auftreten: Die geladenen Teilchen dringen auf der Nachtseite in unseren Magnetkäfig ein. Möglich wird dies, weil durch die Turbulenzen in dieser Region immer wieder Feldlinien des irdischen Magnetfelds miteinander und mit magnetischen Relikten des interplanetaren Magnetfelds in Kontakt kommen.

Im flatternden Magnetschweif der Erde kommen immer wieder Feldlinien miteinander in Kontakt – das löst explosive Plasmaeruptionen aus. © NASA/GSFC, SWRC/CCMC/SWMF

Elektronen im Schleudergang

Dies verursacht heftige Plasmaausbrüche, bei denen energiereiche Teilchen auf mehr als drei Millionen Kilometer pro Stunde beschleunigt werden. Die ultraschnellen Teilchen schießen sowohl ins All hinaus als auch in Richtung Erde – und dort geraten sie wieder unter den Einfluss der Feldlinien. Diese zwingen sie dazu, ihnen auf einer spiraligen Flugbahn zu den Polen zu folgen.

Dort angekommen, verschwinden die Teilchen nach Kollision mit Gasatomen aber nicht einfach in der Erde. Stattdessen sorgt die Struktur des Magnetkäfigs in Polnähe dafür, dass diese Elektronen kurz über dem Erdboden abgefangen und in Gegenrichtung beschleunigt werden. Wie in einem gigantischen, unsichtbaren Pingpong-Spiel werden sie dadurch ständig zwischen den beiden Polen hin und her katapultiert – teilweise über Jahre hinweg.

Diese Simulation zeigt die Feldturbulenzen in der Magnetosphäre der Erde. © S. Kavosi/ J. Raeder/UNH

Schwingende Felder

Doch das ist noch immer nicht das ganze Bild. Denn auch der außen am Magnetkäfig vorbeiströmende Sonnenwind hat einen Anteil am Geschehen. Der Vorbeistrom der geladenen Teilchen löst komplexe elektrische Feldströmungen aus, deren Einfluss weit in die Magnetosphäre hineinreicht. Bei einem starken Sonnensturm erzeugen diese Felder gewaltige niederfrequente Wellen, die die irdischen Strahlengürtel schwingen lassen wie eine Glocke.

Den ohnehin schon um die Erde rasenden Elektronen verleihen diese schwingenden Felder zusätzlichen Schub. Gleichzeitig reißen sie durch Kollisionen neue Elektronen aus Atomen der oberen Atmosphäre heraus. Lange galten diese Elektronen nicht als energiereich genug, um Polarlichter auslösen zu können. Doch das stimmt nicht, wie Forscher am Goddard Space Flight Center der NASA herausgefunden haben. „Es zeigt sich, dass diese Sekundärelektronen ein wichtiges Puzzleteil der Erklärung sein könnten, wie, warum und wann Polarlichter in der oberen Atmosphäre ausgelöst werden“, sagt Marilia Samara.

Nadja Podbregar

Das Geheimnis der pulsierenden Polarlichter

Flackernd wie eine Neonröhre

Es gibt Polarlichter, die sich selbst mit den komplexen Modellen der Physiker lange nicht erklären ließen: die pulsierenden Auroras. Während sich die normalen Polarlichter eher langsam und graduell verändern, flackern diese wie eine defekte Neonröhre: In schnellem Wechsel leuchten diese hellen Flecken am Himmel auf und erlöschen wieder. Seltsamerweise treten sie sogar dann auf, wenn gerade gar kein Sonnensturm auf die Erde trifft.

Flacker-Polarlicht
Dieses Polarlicht leuchtet nicht nur, der blassrosa Bereich in der Mitte flackert auch extrem schnell, wie Videoaufnahmen enthüllten. © Ayumi Y. Bakken

Wie in einem Zyklotron

Beobachtungen zeigen, dass die meisten dieser flackernden Polarlichter mit einer Frequenz von drei bis 15 Hertz pulsieren. Die bloße Kollision von Elektronen mit Gasteilchen der Atmosphäre kann ein so regelmäßiges, schnelles Flackern jedoch nicht erklären. Stattdessen steckt hinter dem rätselhaften Pulsieren ein anderer Mechanismus, wie Forscher vor einigen Jahren herausfanden.

Diese Lichter entstehen demnach, wenn Sauerstoffionen und Elektronen spiralig um die Magnetfeldlinien herumrasen. Weil sie bei dieser engen Kreisbewegung abgebremst werden, verlieren sie Energie. Diese geben sie bei jeder Umkreisung als Lichtblitz ab – ähnlich wie die Elektronen in einem Zyklotron oder einem Freie Elektronenlaser wie dem XFEL.

Wie schnell die so erzeugten Polarlichter pulsieren, hängt zum einen von der Masse der kreisenden Ionen und Elektronen ab: Je schwerer das Teilchen ist, desto langsamer umkreist es die Magnetfeldlinien – und das senkt die Frequenz des Flackerns. Zum anderen spielt die Stärke des Magnetfelds eine Rolle: Weil das Erdmagnetfeld in geringerer Höhe stärker ist, pulsieren die dort entstehenden Flacker-Polarlichter schneller.

Wasserstoff spielt mit

Dieser enge Zusammenhang von Teilchenmasse und Magnetfeld erklärt auch, wie eine erst im März 2016 entdeckte neue Aurora-Form zustande kommt: Yoko Fukuda von der Universität Tokio und seine Kollegen beobachteten erstmals ein Polarlicht, das ein ungewöhnliches Doppelflackern zeigte: Das normale Pulsieren wurde von einem weiteren, deutlich schnelleren Flackern überlagert. 50 bis 80 Mal in der Sekunde blitzte die Aurora auf.

Bei diesem Tempo war klar: Die sonst üblichen Sauerstoffionen können dieses Zyklotronlicht nicht abgeben. Sie sind viel zu schwer und zu langsam, um so schnell um die Magnetfeldlinien zu rasen. „Deshalb müssen leichtere Ionen, beispielsweise von Wasserstoff, zu diesem schnellen Flackern beitragen“, erklärt Fukuda. Das Verhalten der Aurora war der erste Nachweis, dass auch Protonen diese Zyklotron-Variante des Polarlichts erzeugen können.

Nadja Podbregar

Als Atombombentests den Himmel zum Leuchten brachten

Menschengemachte Polarlichter

Wer glaubt, Polarlichter sind ein rein natürliches, von uns Menschen unbeeinflussbares Phänomen, der irrt. Denn das geisterhafte Glühen am Nachthimmel lässt sich auch künstlich erzeugen. Schon in den 1950er Jahre haben Forscher dies mit – aus heutiger Sicht ziemlich fragwürdigen – Experimenten demonstriert.

Atomwaffentest "Castle Bravo" am 1. März 1954 auf der Insel Nam, die Bombe war 1.000 Mal stärker als die Atombombe von Hiroshima. © DOE

Atombomben als Polarlicht-Auslöser

Die ersten Hinweise erhielten US-Forscher bereits bei den Atombombentests der 1950er Jahre. Damals ließ man solche Bomben erstmals in großen Höhen über der Erdoberfläche detonieren. Beobachter sahen dabei nicht nur den typischen gewaltigen Feuerball, sie konnten in den Nächten nach der Atombombenexplosion auch Polarlichter bestaunen. Diese Auroras traten über Hawaii und pazifischen Atollen auf – und damit weit südlich des Polarlichtovals.

Gleichzeitig registrierten Militärs und zivile Stellen ungewöhnliche Störungen ihres Funkverkehrs – ähnlich wie bei einem starken Sonnensturm. Das US-Militär entschloss sich, diesem Phänomen nachzugehen und lancierte 1958 die „Operation Argus“. Sie diente erstmals nicht dem Test der Waffen selbst, sondern sollte Aufschluss über die Folgen der Explosion auf die obere Atmosphäre und das irdische Magnetfeld geben.

Feuerball und Teilchenströme

Im Rahmen der Operation Argus wurden im Südatlantik drei Atombomben mit Raketen in 200 bis 540 Kilometer Höhe geschossen, wo sie detonierten. Die Explosion verursachte einen Feuerball aus heißem Plasma, der Unmengen an energiereichen geladenen Teilchen ausschleuderte, wie man heute weiß. Diese rasten die Magnetfeldlinien entlang einmal halb um die Erde und erzeugten in der Nähe der Azoren helle Polarlichter.

Foto des beim Atombombentest "Starfish Prime" erzeugten Polarlichts. © U.S. Air Force

1962 wiederholten die US-Militärs diesen Test mit einer mehr als tausendfach stärkeren Wasserstoffbombe. „Starfish-Prime“ explodierte 400 Kilometer über dem Johnston-Atoll und löste Auroras sogar im 1.500 Kilometer entfernten Hawaii und über Samoa aus. Aber nicht nur das: Die bei der Detonation freigesetzten energiereichen Teilchen rasten mit bis zu 3.000 Kilometern pro Sekunde um die Erde und bildeten einen künstlichen Strahlengürtel, der mehrere Jahre lang erhalten blieb. Dessen Teilchenströme zerstörten mehrere Satelliten – darunter auch den gerade erst in den Orbit gestarteten britischen Satelliten Ariel-1, der der Erforschung der Ionosphäre dienen sollte.

„Diese Tests waren ein menschengemachtes und extremes Beispiel für einige der Weltraumwetter-Effekte, die sonst nur starke Sonnenstürme hervorbringen“, sagt Phil Erickson vom Haystack Observatory in Massachusetts.

Nadja Podbregar

Auroras auf anderen Planeten

Außerirdische Lichter

Polarlichter sind kein rein irdisches Phänomen: Die faszinierenden Himmelslichter lassen sich in unserem Sonnensystem auch bei Mars, Jupiter und Saturn beobachten. Teilweise ähneln sie in ihrem Aussehen und ihrer Verteilung stark den Polarlichtern der Erde. Doch der Mechanismus hinter diesen außerirdischen Auroras ist in einigen Fällen überraschend anders.

Polarlicht am Nordpol des Jupiter © NASA, John Clarke/ University of Michigan

Jupiter: Die Mega-Aurora

Auf den ersten Blick sind die Polarlichter des Jupiter denen der Erde sehr ähnlich: Auch sie konzentrieren sich in den Polarregionen und bilden dort leuchtende Ringe. Doch ihre Ausdehnung und Energie ist um ein Vielfaches höher als bei ihren irdischen Entsprechungen. Die von den Jupiter-Auroras ausgehende Strahlung ist sogar so stark, dass sie der Erfinder und Radiopionier Nikola Tesla bereits um 1900 mit seinen Geräten einfing – ohne damals zu ahnen, woher diese rätselhaften Radiopulse stammten.

Das Seltsame daran: Die Jupiter-Polarlichter sind so intensiv, dass der Sonnenwind allein nicht ihre Ursache sein kann. Es muss eine weitere Quelle geladener Teilchen geben, die diese Leuchterscheinungen in der Jupitermagnetosphäre auslösen. Was dahinter steckt, haben erst in den letzten Jahren Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskops und Daten der NASA-Raumsonde Juno enthüllt.

Mond als „Treibstoff“-Lieferant

Sie zeigen, dass ein Teil des Aurora-„Treibstoffs“ vom innersten Jupitermond Io stammt. Die unzähligen aktiven Vulkane dieses Mondes schleudern große Mengen an Teilchen ins All hinaus. Weil das Magnetfeld des Jupiter so groß ist, dass es Io mit einschließt, „fangen“ die jovianischen Magnetfeldlinien diese Teilchen ein. Sie werden beschleunigt und rasen entlang der Feldlinien bis in die polnahe Atmosphäre des Gasriesen. Dort tragen sie zu den Auroras bei.

Eine magnetische Teilchenbrücke verbindet Enceladus und Saturn und hinterlässt Spuren in dessen Polarlicht. © NASA/JPL, JHUAPL, University of Colorado/ Central Arizona College/SSI

Ähnlich ist es beim Saturn: Auch bei diesem Gasriesen trägt ein Mond zur Entstehung der Polarlichter bei. Daten der NASA-Raumsonde Cassini haben enthüllt, dass es eine Brücke aus geladenen Teilchen zwischen dem Saturn und seinem gut 230.000 Kilometer entfernten Mond Enceladus gibt. Die Elektronen dieses Strahls geben Energie ab, die auf dem Saturn als leuchtender UV-„Fußabdruck“ im Polarlicht um den Nordpol zu erkennen ist.

Mars: Ein ganzer Planet leuchtet

Noch rätselhafter sind jedoch die Polarlichter des Mars. Denn unser Nachbarplanet besitzt kein globales Magnetfeld – ihm fehlt damit eigentlich die Voraussetzung für die Auroras. Stattdessen gibt es vor allem auf der Südhalbkugel nur einige lokale Magnetfelder, die pilzförmig aus dem Untergrund in die Höhe ragen. Dadurch existieren auf dem Roten Planeten nicht zwei große Magnetpole, sondern viele kleinere polähnliche Magnetmuster.

Beim Sonnensturm vom 12./13. September 2017 leuchteten über dem gesamten Mars Polarlichter im UV-Bereich. © NASA/GSFC, University of Colorado

Trotzdem können auch über diesen marsianischen „Magnetpilzen“ Polarlichter entstehen, wie Astronomen im Jahr 2004 entdeckten. Sie leuchten vorwiegend im UV-Bereich. Noch seltsamer aber: Sogar auf der Nordhälfte des Planeten, wo es gar keine Magnetfelder gibt, hat die Raumsonde MAVEN im Jahr 2015 solche Auroras beobachtet.

Als dann im September 20176 ein starker Sonnensturm den Mars traf, registrierte die MAVEN-Sonde noch Erstaunlicheres: Der ganze Planet glühte plötzlich im UV-Licht auf – über dem gesamten Mars leuchtete mehr als zwei Tage lang eine große Aurora. Offenbar verursachten Teilchenkollisionen in der gesamten Marsatmosphäre dieses Phänomen. Wie die Teilchen jedoch ohne Magnetfeld ausreichend beschleunigt werden, um die nötige Energie dafür zu erhalten, ist bisher ein Rätsel.

Nadja Podbregar