Dynamit-Erfinder und Vater der Nobelpreise

Alfred Nobel

Zu Lebzeiten war Alfred Nobel als Erfinder des Dynamits bekannt. Weltberühmt aber wurde er mit der Eröffnung seines Testaments. © Fergregory/ iStock.com/ gemeinfrei

Heute kennt man ihn vor allem als Stifter und Namensgeber der Nobelpreise – der wohl renommiertesten Auszeichnung der Wissenschaft. Doch wer war eigentlich Alfred Nobel? Und wie kam der Erfinder des Dynamits dazu, sein Vermögen ausgerechnet für Wissenschaft und Frieden zu stiften?

Alfred Nobel verdankt seine Karriere und seinen Wohlstand einer Substanz, die ebenso nützlich wie tödlich ist: Dynamit. Mit ihm gelingt es Nobel erstmals, den Sprengstoff Nitroglycerin in eine sichere und gut transportierbare Form zu überführen. Dank des Dynamits lassen sich nun so ambitionierte Großprojekte wie der Bau des Gotthard-Tunnels realisieren. Doch Nobels Erfindung hat auch ihre Schattenseiten. Schnell wird ihre explosive Kraft als tödliche Waffe missbraucht.

Nobel macht mit der erfolgreichen Vermarktung seines „Sicherheitspulvers“ ein Vermögen – und spendet es schließlich, um jene zu ehren, die sich mit ihrer Arbeit für die Menschheit besonders verdient gemacht haben. Mit der alljährlichen Verleihung der Nobelpreise erinnert sich die Wissenschaftswelt auch jedes Mal an ihren Stifter und Namensgeber: den begnadeten Forscher und Unternehmer Alfred Nobel.

Die Idee zu einer großen Erfindung entsteht

Schicksalhafte Lehrjahre

Alfred Nobel wird am 21. Oktober 1833 als Sohn einer Ingenieursfamilie in Stockholm geboren. In Schweden bleiben die Nobels nach der Geburt des Jungen jedoch nur noch einige Jahre. Dann zieht es sie nach St. Petersburg: Nach dem Konkurs ihrer Baufirma sind sie auf der Flucht vor Gläubigern und versuchen in Russland einen Neuanfang – mit Erfolg.

Der junge Alfred Nobel © Gemeinfrei

Schon bald gründet Vater Immanuel ein eigenes Maschinenwerk mit angeschlossener Gießerei, das zeitweise über tausend Arbeiter beschäftigt. Mit großem Erfindergeist entwickelt er in kurzer Zeit neue Maschinen, vor allem zur Kriegsführung. Zahlreiche Aufträge der russischen Armee und die Gunst des Zarenhofs verschaffen der Firma Aufschwung und Immanuel Nobel und seiner Familie wirtschaftlichen Wohlstand.

Studienreise von Labor zu Labor

Alfred und seinen Brüdern kann dank des florierenden Geschäfts eine gute Ausbildung zuteil werden. Privatlehrer unterrichten sie in Naturwissenschaften, Geschichte, Literatur und Sprachen – neben Schwedisch sprechen die Jungen fließend Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Alfred begeistert sich für die Literatur in all ihren unterschiedlichen Formen und Sprachen; überlegt sogar, Schriftsteller zu werden.

Seine zweite Vorliebe jedoch gilt der Technik und Chemie – und diese Leidenschaft fördert der selbst technikbegeisterte Vater besonders. Früh organisiert er für den Jungen speziellen Unterricht mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Chemie. Außerdem schickt er Alfred mit 17 Jahren auf eine zweijährige Studienreise durch Deutschland, Frankreich und die USA. Erster Halt: die Labore des renommierten Chemikers Théophile-Jules Pelouze in Paris.

Eine folgenreiche Begegnung

Hier hat Alfred Nobel eine Begegnung, die zu einem Schlüsselereignis auf dem Weg zu der großen Erfindung wird, die ihn später berühmt macht: Er trifft den Italiener Ascanio Sobrero. Der Chemiker hat wenige Jahre zuvor den ersten Flüssigsprengstoff der Geschichte hergestellt, Nitroglycerin. Die Mixtur aus Glycerin, Schwefel- und Salpetersäure ergibt eine hochexplosive Mischung – so explosiv, dass Sobrero bei seinen Experimenten schwere Gesichtsverletzungen erleidet. Der Sprengstoff scheint für die praktische Anwendung zu gefährlich zu sein.

Ascanio Sobrero: der Erfinder des Nitroglycerins © Gemeinfrei

Nobel erfährt in Paris vermutlich zum ersten Mal von Nitroglycerin – und vielleicht fragt er sich schon damals, wie sich die Substanz besser kontrollieren ließe. Als er 1852 nach St. Petersburg zurückreist, spielt diese Frage jedoch zunächst keine Rolle. In den nächsten Jahren hat Nobel erst einmal alle Hände voll im Familienunternehmen zu tun. Der Krimkrieg beschert den „Fonderies & Ateliers Mécaniques Nobel & Fils“ große Gewinne mit der Produktion von Waffen.

Mit Nitroglycerin aus der Krise?

Doch die Erfolgssträhne endet jäh: Mit dem Ende des Krieges bleiben die Aufträge plötzlich aus. Die Familie gerät in finanzielle Schwierigkeiten. 1859 stehen die Nobels kurz vor dem Bankrott und ziehen nach Schweden zurück. In dieser wirtschaftlich prekären Situation erinnert Alfred Nobels Chemielehrer den jungen Unternehmer an das unausgeschöpfte Potenzial des Nitroglycerins.

Schon bald ist der Entschluss gefasst: Nobel will anpacken, was Sorbrero aus Respekt vor der Zerstörungskraft seiner Erfindung nicht wagte. Er will den Sprengstoff kommerziell nutzbar machen – und der Familie so aus der Krise helfen.

Die Entdeckung des Dynamits

Erfindung mit Sprengkraft

Gemeinsam mit Vater Immanuel und Bruder Oskar-Emil baut Alfred Nobel in Stockholm ein Familienunternehmen auf, das mit Nitroglycerin experimentiert. Die Arbeit mit dem hochexplosiven Sprengstoff ist wie erwartet kein leichtes Unterfangen. Doch schon 1861 gelingt der erste Erfolg: Die Nobels schaffen es, das „Sprengöl“ in großtechnischem Maßstab herzustellen.

Das ursprüngliche Problem aber bleibt: Die metastabile Substanz kann durch kleinste Erschütterungen und Stöße explodieren. Ein Transport auf den üblichen Wegen mit Güterzügen oder Pferdegespannen ist somit äußerst riskant. Hinzu kommt, dass sich die Flüssigkeit – anders als das sonst verwendete Schwarzpulver – nicht einfach über eine Zündschnur kontrolliert zur Detonation bringen lässt.

Nachfolger von Nobels Erfindung: moderne Sprengzünder © Timo Halén/ CC-by-sa 2.5

Eine zündende Idee

Für die Explosion von Nitroglycerin braucht es einen kurzen Stoß. Wie aber kann so ein Schlag aus sicherer Entfernung ausgelöst werden? Nobel kommt schließlich die im wahrsten Sinne des Wortes zündende Idee. Er entwickelt einen kleinen Behälter, den er in ein Sprengloch mit Nitroglycerin hängt und mit Schwarzpulver füllt.

Über eine Zündschnur kann diese Substanz zur Explosion gebracht werden – und durch die dabei entstehende Druckwelle explodiert dann auch das darunterliegende Nitroglycerin: Nobel hat die Initialzündung erfunden. Sein Behälterchen nennt er zunächst Patentzünder. Später verwendet er Knallquecksilber statt Schwarzpulver und gibt der Vorrichtung den Namen Sprengkapsel.

Tragischer Unfall

Stoßempfindlich allerdings bleibt das Nitroglycerin weiterhin. Wie gefährlich diese Eigenschaft ist, wird Nobel bald schmerzlich in Erinnerung gerufen. An einem Septembermorgen im Jahr 1864 schreckt ein lauter Knall die Anwohner im Süden Stockholms auf. Auf dem Anwesen der Nobels ist ein Laborgebäude, in dem 125 Kilogramm des Sprengstoffs gelagert waren, in die Luft geflogen. Die Explosion kostet fünf Menschen das Leben – auch Nobels jüngerer Bruder stirbt.

Trotz allem forscht der Chemiker unermüdlich weiter und expandiert ein Jahr nach dem tragischen Unfall nach Deutschland. Dort boomt gerade der Bergbau und die Ausweitung des Bahnschienennetzes hat Hochkonjunktur – gute Voraussetzungen für den Verkauf des Nobel’schen Sprengöls.

Aus Kieselgur und Nitrogylcerin wird Nobels erstes Dynamit. © Fergregory/ iStock.com

Die überfällige Entdeckung

Noch ohne eine Lösung für das Transportproblem baut Nobel eine Fabrik im Geesthachter Ortsteil Krümmel auf. Doch auch dort kommt es im Mai 1866 zu einer verheerenden Explosion. Kurz zuvor ist bereits ein Dampfer mit der explosiven Fracht vor Panama in Flammen aufgegangen. Von Öffentlichkeit und Gesetzgebern wird nun zunehmend Druck ausgeübt: Die Zerstörungskraft von Nitroglycerin muss endlich kontrollierbar werden.

Im selben Jahr macht Nobel die Entdeckung seines Lebens. Er erkennt: Vermischt mit Kieselgur, einem Pulver aus den Schalen mariner Kleinstlebewesen, wird das Nitroglycerin zu einer formbaren Masse, die sich problemlos transportieren lässt. Der Legende nach ist es ein Zufall, der ihm zu dieser Entdeckung verhilft. Nobel selbst bestreitet das jedoch.

Vom Dynamit zur Sprenggelatine

Fakt ist: Nobel nennt seinen neuen Sprengstoff, abgeleitet von dem griechischen Wort für Kraft, Dynamit und meldet ihn 1867 in vielen Ländern zum Patent an. Die neue Substanz wird zu einem großen Erfolg. Doch Nobel ist noch nicht zufrieden. Zwar hat er das Nitroglycerin mithilfe von Kieselgur sicherer gemacht. Dadurch hat es aber auch einen Teil seiner ursprünglichen Sprengkraft eingebüßt – wenngleich es noch immer fünfmal stärker als Schwarzpulver ist.

Die Lösung für dieses Problem findet Nobel schließlich im Jahr 1876: Statt mit Kieselgur vermischt er das Nitroglycerin mit Kollodiumwolle. Das Ergebnis ist ein stoßunempfindlicher wie explosionsstarker Dynamitsprengstoff: die Sprenggelatine. Bis heute ist diese Weiterentwicklung des ursprünglichen Dynamits einer der stärksten gewerblichen Sprengstoffe.

Nobels Dynamit bringt Fortschritt – und Tod

Errungenschaft mit Schattenseiten

Fast ein Jahrtausend lang haben die Menschen nur Schwarzpulver als Explosivstoff gekannt. Für große Sprengungen ist die Substanz aber zu schwach. Nobels Dynamitsprengstoffe läuten nun eine neue Ära ein: Sie sind die ersten Stoffe, die die Kraft des Pulvers bei weitem übertreffen und gleichzeitig vergleichsweise gut handhabbar sind – auch wenn es immer wieder zu Unfällen damit kommt.

In kürzester Zeit wird Nobels Dynamit zum führenden Produkt auf dem weltweiten Sprengstoffmarkt. © Gemeinfrei

In kürzester Zeit wird die Erfindung Nobels zum führenden Produkt auf dem weltweiten Sprengstoffmarkt. Mit ihrer Hilfe lassen sich Eisenbahnen und Straßen bauen, Tunnel, Kanäle und Bergwerke errichten. Das Dynamit ermöglicht Vorhaben, von denen ehrgeizige Bauherren zuvor nur träumen konnten.

Türöffner für den Gotthard-Tunnel

Die neuen Sprengstoffe bewähren sich bei so großen Projekten wie dem Bau des 15 Kilometer langen Gotthard-Tunnels, der sich unter den Gipfeln des gleichnamigen Gebirgsmassivs in der Schweiz hindurchwindet. Für das Vorhaben werden rund einen Meter tiefe Löcher in den Berg gebohrt, anschließend mit Dynamit gefüllt und gesprengt. Auch beim Bau des Panamakanals kommen die Sprengstoffe zum Einsatz.

Gotthard-Tunnelportal bei Göschenen um 1889 © Giorgio Sommer/ CC-by-sa 4.0

Doch mit dem Dynamit ist nicht nur ein kraftvolles Sprengmittel für den industriellen Einsatz erfunden, sondern auch eine gefürchtete Waffe. Noch bevor Nobel seinen Sprengstoff in Form der Sprenggelatine perfektioniert und damit noch explosionsstärker macht, kommt das Dynamit im Deutsch-Französischen Krieg erstmals zur grausamen Anwendung.

Gefährliche Waffe

Auch bei einer Welle terroristischer Anschläge, die Ende des 19. Jahrhunderts über Europa rollt, spielt das Dynamit eine Schlüsselrolle. Zahlreiche Revolutionäre und Anarchisten aus der Arbeiterklasse erheben sich gegen die Regierenden und richten mit dem Sprengstoff erheblichen Schaden an – es kommt so häufig zu Dynamitanschlägen, dass für die Attentäter der Begriff Dynamitarden geprägt wird.

Ihr prominentestes Opfer wird Zar Alexander II. von Russland. Ihn tötet eine Dynamitbombe während einer Kutschfahrt durch St. Petersburg. Angesichts des massenweisen Missbrauchs des Sprengstoffs sehen sich viele Staaten in Europa dazu gezwungen, den Zugang zu Dynamit und anderen Sprengstoffen zu reglementieren.

Das Deutsche Reich etwa erlässt 1884 das sogenannte Dynamit-Gesetz gegen den „verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen“. Obwohl Nobel seine Erfindung nie für den blutigen Einsatz vorgesehen hat, wird sie schließlich doch genau zu diesem Zweck immer häufiger eingesetzt. Seine Erfindung – sie ist Fluch und Segen zugleich.

Die Nobelpreise

Nobels Erbe

Durch die weltweite Vermarktung seiner Erfindung verdient Alfred Nobel ein Vermögen – und schafft ein bleibendes Vermächtnis. Denn nicht nur das Dynamit ist noch immer eng mit dem Namen des schwedischen Chemikers und Unternehmers verbunden. Auch sein finanzieller Nachlass sorgt bis heute Jahr um Jahr für Schlagzeilen. Schließlich bildet er den Grundstein für die renommierteste und wichtigste Auszeichnung in Wissenschaft und Gesellschaft: den Nobelpreis.

Letzter Wille mit Überraschung: Nobels Testament © Gemeinfrei

Wohltätiges Testament

In seinem Testament von 1895 verfügt der kinderlos gebliebene Nobel, dass der wesentliche Teil seines Vermögens von etwa 31 Millionen Schwedischen Kronen sicher angelegt und einem Fond zugeführt werden soll. Dessen Zinsertrag, so schreibt der Erfinder in seinem letzten Willen, solle aufgeteilt in fünf gleiche Teile „als Preise denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“.

Bedacht werden sollen dabei herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Physik und Chemie – jene Forschungsfelder, die die Basis für Nobels Erfindung bildeten. Aber auch die Medizin erscheint dem Wissenschaftler als eine auszeichnungswürdige Disziplin. Darüber hinaus ruft Nobel, selbst Autor einiger Novellen und Gedichte, in seinem Testament einen Preis für Literatur aus. Der fünfte Teil des Preisgeldes schließlich soll denjenigen ehren, „der am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat“.

Die ersten Nobelpreise werden im Dezember 1901 verliehen. © Gemeinfrei

Die ersten Preisträger

Dreieinhalb Jahre nach Nobels Tod am 10. Dezember 1896 nimmt sein Wille Formen an: Im Juni 1900 genehmigt die schwedische Regierung den Vorschlag für die Gründungsstatuten der Nobel-Stiftung. Fünf Monate später übernimmt die Stiftungsleitung die Verwaltung des Fonds. Zum fünften Todestag des Vaters der Auszeichnung wird der Nobelpreis dann erstmalig verliehen.

Den ersten Nobelpreis für Physik erhält Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung der nach ihm benannten Röntgenstrahlen. In der Kategorie Chemie wird der Niederländer Jacobus van ‚t Hoff für seine Entschlüsselung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Drucks in Lösungen ausgezeichnet und der Militärarzt Emil von Behring erhält die Ehrung für die Entwicklung eines Diphterie-Heilmittels. Als erste Literatur- und Friedens-Nobelpreisträger gehen der französische Schriftsteller Sully Prudhomme sowie der Humanist Henry Dunant und der als „Apostel des Friedens“ weltbekannt gewordene Frédéric Passy in die Geschichte ein.

Jedes Jahr zum Todestag

Es folgen viele weitere Preisträger: Mit Ausnahme einzelner Jahre, insbesondere in Kriegszeiten, in denen die Auszeichnung nicht vergeben wird, werden alljährlich Anfang Oktober die Nobelpreisträger verkündet und am 10. Dezember die Nobelpreise verliehen. Bis heute wird das Preisgeld aus den Zinsen und Einnahmen des Nachlasses jenes Mannes gedeckt, der das Dynamit erfand. Aktuell darf sich jeder Preisträger über acht Millionen schwedische Kronen freuen, rund 840.000 Euro.

 

"Kaufmann des Todes" oder Friedenskämpfer?

Gedanken über Krieg und Frieden

Als nach Alfred Nobels Tod bekannt wird, dass der Dynamit-Erfinder einen Friedenspreis gestiftet hat, ist das Erstaunen groß. Denn die Öffentlichkeit verbindet den Namen Nobel mit Sprengstoffen und anderen Entwicklungen, die für die Kriegsführung nützlich sind – aber definitiv nicht mit pazifistischen Bestrebungen. Journalisten betiteln den Forscher in einem irrtümlich veröffentlichten Nachruf sogar einmal als „Kaufmann des Todes“.

Alfred Nobel, Foto von Gösta Florman (1831–1900)
Mit seinem Testament sorgt Nobel für Aufsehen. © gemeinfrei

Stand der Chemiker seinem Einfluss auf die Rüstungsindustrie womöglich doch zwiegespalten gegenüber und wollte mit dem Preis eine späte Wiedergutmachung für die „dunkle Seite“ seiner Erfindungen leisten? Darüber lässt sich aus heutiger Sicht nur spekulieren. Klar ist aber: In Sachen Krieg und Frieden ist Nobel zu Lebzeiten in gewisser Weise zweigleisig unterwegs.

Todbringende Erfindungen

Einerseits scheint ihm die Begeisterung für die Waffen- und Sprengmitteltechnik in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon sein Vater ist leidenschaftlich als Ingenieur in diesem Industriezweig tätig und entwickelt Schnellfeuergewehre, Seeminen und andere Waffen, die im Krimkrieg zum Einsatz kommen. Auch Nobels eigene große Erfindung, das Dynamit, wird zu einem Mittel der Kriegsführung – obwohl es ursprünglich nicht dafür gedacht war.

Und es bleibt nicht beim Dynamit: Bis ins hohe Alter hinein arbeitet der begnadete Forscher an zahlreichen technologischen Entwicklungen, die das Potenzial haben, zu todbringenden Waffen zu werden. Unter anderem meldet er Patente für Raketen, Kanonen und neuartige Schießpulver an.

Nobel und die Friedenskämpferin

Auf der anderen Seite beschäftigt sich Nobel aber gleichzeitig mit Friedensfragen. So pflegt er eine enge Freundschaft und Korrespondenz mit der Pazifistin Bertha von Suttner. Die Österreicherin ist eine der treibenden Kräfte hinter der Friedensbewegung, die sich im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu entwickeln beginnt.

Bertha von Suttner © Gemeinfrei

Angespornt durch sie tritt Nobel der österreichischen Friedensgesellschaft bei und unterstützt deren Mitglieder mit finanziellen Mitteln. Vermutlich ist es auch von Suttner, die den vermögenden Geschäftsmann dazu inspiriert, einen Teil seines Erbes für einen Friedenspreis zu spenden.

(K)ein Widerspruch?

Sein Mitwirken in der Waffenindustrie einerseits und sein Engagement für den Frieden andererseits empfindet Alfred Nobel offenbar nicht als Widerspruch. Vielmehr scheint er die im 19. Jahrhundert durchaus gängige Meinung zu vertreten, dass ein Wissenschaftler keine Verantwortung dafür trägt, wie seine Erkenntnisse verwendet werden.

Demnach ist jede wissenschaftliche Entdeckung zunächst einmal neutral – kann in Folge aber sowohl für gute als auch für schlechte Zwecke eingesetzt werden. Im Hinblick auf seine explosionsstarken Waffen hegt Nobel außerdem die naive Hoffnung, aus den todbringenden Kräften könne letzten Endes etwas Gutes erwachsen.

Waffen für den Frieden

So schreibt er 1891 in einem Brief an von Suttner: „Vielleicht werden meine Fabriken dem Krieg schneller ein Ende setzen als deine Friedenskongresse: An dem Tag, an dem sich zwei Armeen gegenseitig innerhalb von Sekunden vernichten können, werden alle zivilisierten Nationen gewiss von Schrecken erfüllt ihre Truppen zurückziehen.“

Nobel glaubt an die Sicherung des Friedens durch militärische Stärke. Die richtige Waffe, so seine Idee, würde durch das Prinzip Abschreckung Krieg eines Tages undenkbar machen. Er stirbt zu früh, um den Ersten Weltkrieg noch mitzuerleben – und zu sehen, wie falsch diese Annahme war.