Als nach Alfred Nobels Tod bekannt wird, dass der Dynamit-Erfinder einen Friedenspreis gestiftet hat, ist das Erstaunen groß. Denn die Öffentlichkeit verbindet den Namen Nobel mit Sprengstoffen und anderen Entwicklungen, die für die Kriegsführung nützlich sind – aber definitiv nicht mit pazifistischen Bestrebungen. Journalisten betiteln den Forscher in einem irrtümlich veröffentlichten Nachruf sogar einmal als „Kaufmann des Todes“.
Mit seinem Testament sorgt Nobel für Aufsehen. © gemeinfrei
Stand der Chemiker seinem Einfluss auf die Rüstungsindustrie womöglich doch zwiegespalten gegenüber und wollte mit dem Preis eine späte Wiedergutmachung für die „dunkle Seite“ seiner Erfindungen leisten? Darüber lässt sich aus heutiger Sicht nur spekulieren. Klar ist aber: In Sachen Krieg und Frieden ist Nobel zu Lebzeiten in gewisser Weise zweigleisig unterwegs.
Todbringende Erfindungen
Einerseits scheint ihm die Begeisterung für die Waffen- und Sprengmitteltechnik in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon sein Vater ist leidenschaftlich als Ingenieur in diesem Industriezweig tätig und entwickelt Schnellfeuergewehre, Seeminen und andere Waffen, die im Krimkrieg zum Einsatz kommen. Auch Nobels eigene große Erfindung, das Dynamit, wird zu einem Mittel der Kriegsführung – obwohl es ursprünglich nicht dafür gedacht war.
Und es bleibt nicht beim Dynamit: Bis ins hohe Alter hinein arbeitet der begnadete Forscher an zahlreichen technologischen Entwicklungen, die das Potenzial haben, zu todbringenden Waffen zu werden. Unter anderem meldet er Patente für Raketen, Kanonen und neuartige Schießpulver an.
Nobel und die Friedenskämpferin
Auf der anderen Seite beschäftigt sich Nobel aber gleichzeitig mit Friedensfragen. So pflegt er eine enge Freundschaft und Korrespondenz mit der Pazifistin Bertha von Suttner. Die Österreicherin ist eine der treibenden Kräfte hinter der Friedensbewegung, die sich im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu entwickeln beginnt.
Bertha von Suttner © Gemeinfrei
Angespornt durch sie tritt Nobel der österreichischen Friedensgesellschaft bei und unterstützt deren Mitglieder mit finanziellen Mitteln. Vermutlich ist es auch von Suttner, die den vermögenden Geschäftsmann dazu inspiriert, einen Teil seines Erbes für einen Friedenspreis zu spenden.
(K)ein Widerspruch?
Sein Mitwirken in der Waffenindustrie einerseits und sein Engagement für den Frieden andererseits empfindet Alfred Nobel offenbar nicht als Widerspruch. Vielmehr scheint er die im 19. Jahrhundert durchaus gängige Meinung zu vertreten, dass ein Wissenschaftler keine Verantwortung dafür trägt, wie seine Erkenntnisse verwendet werden.
Demnach ist jede wissenschaftliche Entdeckung zunächst einmal neutral – kann in Folge aber sowohl für gute als auch für schlechte Zwecke eingesetzt werden. Im Hinblick auf seine explosionsstarken Waffen hegt Nobel außerdem die naive Hoffnung, aus den todbringenden Kräften könne letzten Endes etwas Gutes erwachsen.
Waffen für den Frieden
So schreibt er 1891 in einem Brief an von Suttner: „Vielleicht werden meine Fabriken dem Krieg schneller ein Ende setzen als deine Friedenskongresse: An dem Tag, an dem sich zwei Armeen gegenseitig innerhalb von Sekunden vernichten können, werden alle zivilisierten Nationen gewiss von Schrecken erfüllt ihre Truppen zurückziehen.“
Nobel glaubt an die Sicherung des Friedens durch militärische Stärke. Die richtige Waffe, so seine Idee, würde durch das Prinzip Abschreckung Krieg eines Tages undenkbar machen. Er stirbt zu früh, um den Ersten Weltkrieg noch mitzuerleben – und zu sehen, wie falsch diese Annahme war.