Die Hintergrundstrahlung ist mehr als nur ein buntes Muster uralter Strahlung. Ihre Feinstruktur gibt uns wertvolle Hinweise darauf, welche Prozesse kurz nach dem Urknall im Universum abliefen und wie Strahlung und Materie in der kosmischen Ursuppe verteilt waren. Und das wiederum liefert die Antwort auf eine ganz fundamentale Frage: Wie wurde der Kosmos zu dem, was er heute ist?
Klumpig statt gleichförmnig: Materieverteilung im Universum, ermittelt auf Basis der Hintergrundstrahlung. © ESA/ NASA/JPL-Caltech
Atomnebel statt Sternenhimmel
Die Materie im All konzentriert sich heute in Sternen, Galaxien und dem riesigen Netzwerk kosmischer Gasfilamente. Sie bilden die großräumige Grundstruktur unseres Kosmos. Aber wie kam diese ziemlich „klumpige“ Verteilung der Materie zustande?
Theoretisch müsste sich der Kosmos nach dem Urknall gleichmäßig in alle Richtungen ausgedehnt haben – und mit ihm auch das Ur-Plasma und damit auch das Baumaterial für die erste Materie. Wäre dies geschehen, dann sähe das Weltall heute völlig anders aus: Statt unzähliger Galaxien, Sterne und Planeten gäbe es nur einen einförmigen Nebel aus Atomen und vielleicht noch Molekülen.
Eingefrorene Dichtewellen
Doch ganz offensichtlich war dies nicht der Fall – und dies spiegelt sich schon in der kosmischen Hintergrundstrahlung wider. Auf kleinster Eben erscheint sie gleichmäßig gekörnt, heißere und kühlere Stellen sind annähernd gleich verteilt. Aber zoomt man weiter heraus, werden zusätzlich unregelmäßige Ballungen wärmerer und kälterer Gebiete sichtbar.
Das Spannende daran: Diese Muster verraten, dass das Ur-Plasma im Kosmos nicht einfach ruhig vor sich reifte, sondern schon damals Unregelmäßigkeiten aufwies. Turbulenzen und Kompressionswellen erschütterten die frühe Mischung aus Strahlung und Teilchen, unter anderem verursacht durch Phasen stärkerer Ausdehnung. Als sich dann die ersten Atome bildeten, brachen diese Schwingungen zusammen – und die Dichtewellen im Ur-Plasma blieben wie eingefroren erhalten.
Dichteschwankungen im frühen Universum sind der Ursprung der heutigen Materieverteilung - und lassen sich an der Hintergrundstrahlung ablesen. © NASA / WMAP Science Team
Abbild früher Unterschiede
Diese Zonen dichterer und dünnerer Urmaterie schufen damit erst die Voraussetzung, dass sich Sterne und Galaxien bilden konnten. Aus der Hintergrundstrahlung konnten Forscher sogar kürzlich ermitteln, dass die ersten Galaxiencluster vor mehr als zehn Milliarden Jahren sehr plötzlich in einer wahren Explosion der Sternbildung entstanden.
Die winzigen Temperatur-Abweichungen der Hintergrundstrahlung spiegeln diese frühen Verteilungs-Unterschiede wider. Überall dort, wo das Plasma ein klein wenig dichter und heißer war, wurden energiereichere Photonen frei. An diesen Stellen bildeten sich später Sterne und Galaxien. Kühlere, leerere Stellen emittierten dagegen etwas energieärmere Photonen. Sie wurden zu den eher leeren insterstellaren Räumen.
Verräterische Obertöne…
Die Struktur der Hintergrundstrahlung verrät aber noch etwas. Denn sie enthält neben den Dichtewellen auch die feinen Signale ihrer „Obertöne“. Wie bei den Schallwellen der Musik entstehen sie, weil höherfrequente Schwingungen die „Grundfrequenz“ überlagern. Einige Physiker sehen in der Hintergrundstrahlung deshalb eine Art „kosmischer Symphonie“.
Und diese Symphonie gibt Auskunft über den Anteil und die Entwicklung der Dunklen Materie und Dunklen Energie im frühen Kosmos. Nach gängiger Theorie verstärkte die Gravitationswirkung der Dunklen Materie die Amplitude der Dichtewellen im Plasma: Sie konzentrierte die Materie an den ohnehin komprimierten Stellen noch stärker.
Anteile Dunkler Materie, Dunkler Energie und normaler Materie im Kosmos © ESA
…und die Dunkle Materie
Bei den Obertonschwingungen jedoch wirkten Dunkle Materie und die Dichtewellen teilweise gegeneinander. Dadurch flachten diese Wellen etwas ab. Diese Muster höherer Ordnung sind deshalb bis heute in der Hintergrundstrahlung schwächer ausgeprägt, als es ohne die Existenz Dunkler Materie der Fall wäre. Ähnliches gilt für die Dunkle Energie, auch sie beeinflusste die Intensität der „Obertöne“.
Die Analyse dieser Feinstrukturen der Hintergrundstrahlung erlaubt es Astronomen deshalb, den Anteil der Dunklen Materie und Dunklen Energie im Kosmos ziemlich genau zu rekonstruieren. Nach den Messdaten des Planck-Satelliten besteht unser Universum demnach aus rund 68,3 Prozent aus Dunkler Energie, zu 26,8 Prozent aus Dunkler Materie und nur zu 4,9 Prozent aus gewöhnlicher Materie – also dem Stoff, aus dem Galaxien, Sterne, Planeten und auch wir beschaffen sind.
Nadja Podbregar
Stand: 21.04.2017