Der Tod einer Sprache ist nicht das Ende ihrer Existenz. Deshalb kann man sie lernen, erforschen, zu bestimmten Zwecken benutzen und unter besonders günstigen Umständen sogar im vollen Sinne reanimieren.
Eliezer Ben-Jehuda gilt als der Vater des Neuhebräischen. © Historisch
„Nur ein frommer Wunsch“
Die in der Welt der Sprachen bisher einzige erfolgreiche Wiederbelebung einer antiken Sprache, nämlich des Hebräischen, begann im 19. Jahrhundert. Damals forderten einige jüdische Sprachwissenschaftler, besonders Eliezer Ben-Jehuda, die Einführung des Hebräischen als Umgangssprache mindestens in den Jerusalemer Talmudschulen. Diese Aufforderung wurde zwar begrüßt, aber eher als frommer Wunsch betrachtet.
Doch der Wunsch ging in Erfüllung – unter anderem begünstigt durch die Auswanderung Ben-Jehudas nach Palästina, seine konsequente Verwendung des Hebräischen in der eigenen Familie und die Veröffentlichung seines Gesamtwörterbuchs der hebräischen Sprache. Hinzu kam die Tatsache, dass immer mehr Juden mit ganz unterschiedlichen Muttersprachen nach Palästina einwanderten, die sich nur auf Hebräisch verständigen konnten
Dies führte dazu, dass die Forderung nach Wiedereinführung des Hebräischen immer mehr Anhänger fand. Es gab aber auch zahlreiche Gegner, die der Meinung waren, dass man „wissenschaftliche Disziplinen nicht in hebräischer Sprache lehren könne“. Zum Kampf um die hebräische Sprache kam es in den Jahren 1913/14, als am Technion in Haifa das Deutsche als Unterrichtssprache beschlossen wurde.
Heute ist Neuhebräisch (Ivrit) neben Arabisch die Amtssprache Israels © gemeinfrei
Von der toten Sprache zur Staatssprache
Proteste aus der gesamten jüdischen Welt führten schließlich dazu, dass der Beschluss revidiert wurde und bei der Gründung des Staates Israel die neue Staatssprache bereits Tausende von Muttersprachlern hatte. Die hebräische Sprache konnte sich aber auch deshalb durchsetzen, weil sie, auch nach ihrem Ende eine ganze philosophische Literatur mit einer ungemein reichhaltigen Terminologie für alle Begriffe der älteren Philosophie geschaffen hatte. Dadurch konnte sie sich auch allen Erfordernissen der modernen wissenschaftlichen Terminologie anpassen.
Zahlreiche Schulen und Kindergärten, in denen mit einer neuen Methode „Hebräisch in hebräischer Sprache“ (Ivrit b-Ivrit) gelehrt wurde, trugen sicher ebenso zum Erfolg bei. Doch der Siegeszug des Hebräischen hat auch eine Kehrseite: So wurden durch ihn zahlreiche Sprachen und Dialekte des Judentums verdrängt, darunter das traditionsreiche Ladino und viele jüdische Dialekte des Aramäischen.
Die Isle of Man vor der Nordwestküste Englands ist die Heimat einer speziellen Form des Gälischen. © NASA/ Chris Hadfield
Manx-Gälisch als „Lazarus“
Ein weiteres Beispiel für die versuchte Reanimation einer Sprache ist das Manx-Gälische, das ehemals auf der Isle of Man gesprochen wurde, bis es am 27. Dezember 1974 mit dem letzten verbliebenen Muttersprachler starb. Noch zu Lebzeiten der letzten Sprecher wurde es mit dem Ziel dokumentiert, es nach seinem absehbaren Tod zügig wiederzubeleben.
So waren dieselben Sprachwissenschaftler, die die Sterbebegleiter des alten Manx gewesen waren, auch die Geburtshelfer des neuen. Sprachpflegerische Bemühungen, vor allem Unterricht in Kindergärten und Schulen, haben dazu geführt, dass heute wieder zwei Prozent der Bevölkerung der Isle of Man angeben, Kenntnisse des Manx zu haben, unter ihnen erste neue Muttersprachler.
Kurioserweise erklärte die UNESCO Manx im Jahr 2009 dennoch für ausgestorben. Viele Sprecher protestierten, eine Schulklasse schrieb: „Wenn unsere Sprache ausgestorben ist, in welcher Sprache schreiben wir denn hier?“ Die UNESCO beugte sich der Evidenz und änderte den Status von Manx – in „stark bedroht“. Die Wiederauferstehung von den Toten bedeutet eben für Sprachen, anders als für Menschen, nur ein vorläufiges Heilsversprechen.
Werner Arnold und Gerrit Kloss, Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 10.03.2017