Formenreicher Schatz der Natur

Kristalle

Bei diesen Bergkristallen ist ihre Kristallnatur deutlich erkennbar, das ist aber längst nicht bei allen so. © ngsoft/pixabay

Was haben Sand, Stahl, Edelsteine und eine Schneeflocke gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch der Blick in ihre Struktur verrät: Sie alle sind kristallin. Sie gehören damit zu einer enorm vielseitigen und wichtigen Stoffgruppe – und ohne sie gäbe es unsere Welt wahrscheinlich nicht. Was aber macht Kristalle so besonders und was sind ihre Geheimnisse?

Ob meterhoher Riesenkristall oder winziges Sandkorn: Kristalle und die aus ihnen bestehenden Minerale prägen unsere Welt. Sie bilden das Gesteinsfundament unter unseren Füßen, sind wichtige Werkzeuge in Wissenschaft und Technik und stecken sogar in unserem eigenen Körper.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Auf die Symmetrie kommt es an

Was sind Kristalle?

Sie umgeben uns überall und sind sogar in uns: Kristalle prägen unseren Alltag ebenso wie unseren gesamten Planeten. Aus ihnen bestehen die Minerale, Metalle und Gesteine von Erdkruste und Erdmantel, sie stecken aber auch in jedem unserer Knochen oder in unserem Zahnschmelz. Ohne Kristalle besäßen wir zudem weder Computer noch unzählige andere technische Errungenschaften.

Kochsalz bildet typischerweise würfelförmige Kristalle – hier ein zwei Zentimeter großes Exemplar. © Hans-Joachim Engelhardt/ CC-by-sa 4.0

Regelmäßig und symmetrisch

Während wir bei Quarz, Diamanten oder anderen Edelsteinen ziemlich leicht erkennen, dass es sich um Kristalle handelt, ist dies bei anderen Feststoffen weniger leicht. Dennoch gehören auch die Gesteine oder der Stahlträger dazu. Ihre Gemeinsamkeit ist, dass sie auf Atom- und Molekülebene betrachtet keine unregelmäßigen, amorphen Gebilde sind, sondern eine regelmäßige Gitterstruktur besitzen. Anders ausgedrückt: Kristalline Festkörper haben in der Regel eine dreidimensionale, periodische und symmetrische Grundordnung.

Bei einigen Kristallen ist diese Grundordnung unübersehbar, beispielsweise beim Salz oder Zucker. Ihre Würfelform tritt immer deutlich zutage, egal ob beim groben Meersalz, bei großen Steinsalzbrocken oder feinstem Puderzucker. Der Grund dafür: Die kleinste sich wiederholende Einheit in ihrem Kristallgitter, die Elementarzelle, ist bei diesen Kristallen kubisch. Beim Wassereis ist die Elementarzelle dagegen hexagonal, deshalb haben Eiskristalle meist sechs Spitzen oder Kanten. Insgesamt unterscheidet man sieben grundlegende Kristallsymmetrien, die sich in 32 Kristallklassen weiter aufgliedern lassen.

Unter dem Elektronenmikroskop wird die aufgerollte Struktur des Merelaniits sichtbar © Michigan Tech/ John Jaszczak

Von simpel bis hochkomplex

Welche Struktur ein Kristall besitzt, wird durch die Größe der Atome und Moleküle, aber auch durch die Anordnung ihrer Elektronen bestimmt. So bestimmt beispielsweise die Zahl der Außenelektronen, wie viele Bindungen zu Nachbarn ein Kristallbaustein eingehen kann. Im Kochsalz ist jedes Natriumion dadurch von sechs Chloridionen umgeben und umgekehrt. Im Diamant besteht das Gitter aus Kohlenstoffatomen, die jeweils vier Bindungen mit ihren Nachbarn eingehen.

Es geht aber auch sehr viel komplexer: Im November 2016 haben Forscher in Tansania ein neues Mineral entdeckt, das winzigen silbrigen Fädchen ähnelt. Erst Analysen mit Hilfe der Raman-Spektroskopie und im Raster-Elektronenmikroskop enthüllten, dass dieses Merelaniit getaufte Mineral eine einzigartige und hochkomplizierte Struktur besitzt. Bei dieser sind wechselnde Schichten aus Molybdän-Disulfid und Bleisulfid wie Tabakblätter zu Zylindern aufgerollt.

Ebenfalls für Überraschung sorgte im Jahr 2014 ein ungewöhnlicher, in Venezuela gefundener Goldklumpen. Denn er entpuppte sich bei näherer Untersuchung als der größte bekannte Einkristall dieses Edelmetalls. Das gut 200 Gramm schwere Goldnugget ist demnach in einem Stück auskristallisiert und nicht nachträglich – wie oft der Fall – aus verschiedenen kleineren Metallstücken verschmolzen.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Wie entstehen Kristalle?

Vom Keim zum Prachtstück

Ob winzige Kristallkörnchen in einem Meteorit, Erzadern in massivem Gestein oder aber die riesigen freistehenden Kristalle der Höhle von Naica in Mexiko: Die Natur hat ein gewaltiges Spektrum an verschiedenen Kristallen hervorgebracht. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Eigenschaften, auch ihre Bildung kann ganz unterschiedlich erfolgt sein. Ausgangspunkt des Kristallwachstums kann sowohl eine Flüssigkeit, eine heiße Schmelze oder ein Gas sein.

Wenn Wasser zu Eis wird, bilden sich Kristalle mit einer typisch sechsstrahligen Form © jefunne/ iStock.com

Mit einem Keim fängt es an

Fast immer aber beginnt der Kristallisationsprozess mit einem Kristallisationskeim – einer Verunreinigung oder einer Oberfläche, die die Anordnung der Atome oder Moleküle zum Kristallgitter begünstigt. Dies erklärt auch, warum kleine Mengen hochreinen Wassers selbst bei Dutzenden Grad unter Null nicht gefrieren: Den Wassermolekülen fehlt der Keim, der die Kristallisation in Gang bringt.

Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es: Bei der Bildung des Kristallgitters wird Energie frei. Denn für die Atome oder Moleküle ist die Gitterstruktur ein energieärmerer Zustand als eine ungebundene Anordnung. Durch die Kristallisationswärme heizt sich beispielsweise stark unterkühltes Wasser bei plötzlichem Gefrieren wieder bis auf etwa Null Grad auf. Die Kristallisationswärme entspricht immer genau der Energie, die zum Schmelzen des kristallinen Materials benötigt wird.

Wassereis ist nicht gleich Wassereis

Das alltäglichste Beispiel für die Kristallbildung aus einer Flüssigkeit können wir im Winter bei frostigen Temperaturen beobachten: das Gefrieren von Wasser. Dabei lagern sich die Wassermoleküle so zusammen, dass sie eine Kristallstruktur mit hexagonaler Grundstruktur bilden. Sie wird vorgegeben durch den Winkel, den die beiden Wasserstoffatome im Molekül bilden.

Doch unter bestimmten Kombinationen von Druck und Temperatur können auch andere Wassereis-Formen entstehen. 18 verschiedene kennt man inzwischen, darunter Wassereis mit einem quadratischem Gitter und eine käfigartige Eisstruktur.

Giganten unter den Kristallen: Selenit-Säulen in der Höhle der Kristalle in der Mine von Naica. © Alexander Van Driessche/ CC-by-sa 3.0

Aus Salzlösungen

Das Kochsalz und auch die Tropfsteine in vielen Höhlen sind Beispiele für eine weitere Variante der Kristallbildung. Sie beginnt mit einer konzentrierten Salzlösung. Kühlt sich diese Lösung ab oder verdunstet ein Teil des Wassers, können die gelösten Salzionen nicht mehr alle in Lösung bleiben, die Lösung ist übersättigt. Als Folge kommt es auch hier zu einer Kristallisation. Bei der Gewinnung von Meersalz wird das salzige Meerwasser durch Erhitzen aufkonzentriert, bei den Tropfsteinen und Gipsformationen vieler Höhlen fallen Kalkminerale spontan oder durch Verdunstung des Wassers aus.

Auch die berühmten Riesenkristalle in der Höhle von Naica in Mexiko sind aus einer Salzlösung entstanden. Hier wuchsen im Laufe von hunderttausenden von Jahren meterhohe Säulen aus eckigen Selenitkristallen heran, einer Gipsvariante. Einiger dieser weißlich-transparenten Kristalle sind bis zu 14 Meter lang und zwei Meter dick. Sie gehören damit zu den größten Kristallen der Erde.

Wenn Basaltlava auskristallisiert, können solche eckigen Säulen entstehen. © Hans/pixabay

Aus Feuer und Dampf

Kristalle können nicht nur aus Salzlösungen entstehen, sondern auch aus heißen Schmelzen. In der Natur geschieht dies beispielsweise, wenn glühende Lava erstarrt. Aus basaltischer Lava können so ganze Ansammlungen eckiger Säulen entstehen – sie sehen aus wie von Menschenhand zurechtgehauen. In den Tiefen der Erde bildeten sich durch die Kristallisation von Schmelzen viele Edelsteine und Mineralie darunter auch der begehrte Diamant. Die größten Diamanten kristallisierten in einer flüssigen Schmelze aus Metallen und Kohlenstoff aus, wie Forscher erst kürzlich herausfanden.

Aber auch aus gasförmigen Ausgangsstoffen können Kristalle entstehen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn sich im Winter Raureif auf Gräsern oder Zweigen bildet. Der Wasserdampf der Luft kristallisiert dabei auf der Grasoberfläche – es bildet sich eine Eisschicht.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Warum der Mineralreichtum der Erde einzigartig ist

Ein reicher Schatz

So variantenreich wie die Ausgangsstoffe und der Weg der Kristallbildung ist auch die Vielfalt der Kristalle auf unserem Planeten. Auf der Erde sind mindestens 5.000 verschiedene natürlich vorkommende Kristalle bekannt – die Minerale. Weitere 1.500 warten wahrscheinlich noch auf ihre Entdeckung.

Der aus Feldspat, Quarz und weiteren Mineralen bestehende Granit ist eines der häufigsten Gesteine der Erde. © Unsplash/pixabay

Wie Wörter in einem Buch

„Minerale folgen der gleichen Häufigkeitsverteilung wie Wörter in einem Buch“, erklärt Robert Hazen von der Carnegie Institution in Washington. Bestimmte Wörter wie die Artikel oder das Bindewort „und“ kommen sehr häufig vor, andere sind dagegen so speziell, dass sie vielleicht nur einmal im gesamten Buch auftauchen. „Genauso ist es mit den Mineralen“, sagt Hazen.

So kommen rund 30 bis 40 Minerale auf der Erde sehr häufig vor. Sie sind die Kristalle, aus denen die Gesteine unseres Planeten aufgebaut sind, beispielsweise Granit, Basalt oder Sandstein. Zu diesen Gesteinsbildnern gehört beispielsweise der Quarz, chemisch Siliziumdioxid. Seine Gitterstruktur ist aus verknüpften Tetraedern aufgebaut, die dem Quarz eine große Härte verleihen. Je nach Größe der Kristalle kann Quarz als durchscheinender Bergkristall vorkommen, aber auch als schlichter Sand.

Die mikroskopisch kleinen, blauen Kristalle des seltenen Minerals Nevadait sind nur aus zwei Fundorten weltweit bekannt. © Robert Downs/ University of Nevada

Einzigartige Vielfalt

Zu diesen häufigen Mineralen gesellen sich jedoch tausende andere, die eher selten sind. Sie kommen weltweit nur an wenigen, eng begrenzten Orten vor. 22 Prozent von ihnen findet man höchstwahrscheinlich sogar nur an einer einzigen Stelle auf unserem Planeten, wie Hazen und seine Kollegen feststellten. Weitere gut 1.500 irdische Minerale haben wir noch gar nicht entdeckt. So könnten fast 35 Prozent aller Natriumminerale bisher noch unentdeckt sein, weil viele davon unauffällig weiß, wenig kristallisiert oder wasserlöslich sind.

Doch gerade diese seltenen Minerale sind es, die die einzigartige mineralogische Vielfalt unseres Planeten ausmachen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mineralogie der Erde irgendwo im Kosmos duplizieren lässt, liegt bei weniger als zehn hoch minus 322“, haben Hazen und seine Kollegen ausgerechnet.

Leben als Kristallbildner

Einer der Gründe dafür: Mehr als zwei Drittel der bisher bekannten irdischen Minerale verdanken ihre Existenz direkt oder indirekt dem Leben auf unserem Planeten. Als unser Sonnensystem entstand, kreisten im Staub der Urwolke wahrscheinlich nur rund ein Dutzend verschiedener Minerale. Erst im Laufe der Erdgeschichte sorgten geologische und biologische Prozesse dafür, dass sich die Elemente zu immer neuen kristallinen Verbindungen kombinierten.

Blauer Korund, auch als Saphir bezeichnet, ist chemisch gesehen eine kristalline Form von Aluminiumoxid (Al2O3) © Parent Géry/CC-by-sa 3.0

Eine Schlüsselrolle nahm dabei die Fotosynthese der ersten Blaualgen ein. Als sie vor rund 2,5 Milliarden Jahren die Erdatmosphäre sauerstoffreich machten, bilden sich Oxide und andere sauerstoffhaltige Verbindungen – und das ermöglichte ganz neue Mineraltypen. So gäbe es ohne Sauerstoff beispielsweise keine Rubine oder Saphire, denn das Mineral Korund ist ein Aluminiumoxid.

Aber auch Lebewesen selbst bilden Kristalle. Ohne Korallen und Foraminiferen gäbe es heute beispielsweise den größten Teil der Kalksteinvorkommen nicht. Erst sie bildeten in ihren Geweben das Kalziumkarbonat, aus dem ihre stabilen Kalkskelette und damit auch Riffe und im Laufe der Erdgeschichte die Kalksteinschichten wurden. Selbst in unseren Knochen werden ständig neu kleine Kalkkristalle gebildet.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Was verleiht den Kristallen ihre Eigenschaften?

Auf das Gitter kommt es an

Ob bröselige Kreide, biegsames Metall oder harter Diamant: Kristalle können ganz unterschiedliche mechanische Eigenschaften besitzen. Ob sie hart oder weich, flexibel oder spröde sind, hängt dabei von ihrer Struktur, aber auch der Beschaffenheit ihrer Grundbausteine ab.

Dem Diamant verleiht die kompakte Struktur seine große Härte. © Jeffrey Hamilton / iStock.com

Gleiche Bausteine, andere Struktur

Einige Kristalle bestehen aus Atomen des gleichen Elements, wie beispielsweise der Diamant. Seine durch den hohen Druck des Erdmantels entstandene Gitterstruktur ist extrem kompakt und stabil. Jedes Kohlenstoffatom ist in diesem Gitter über gleich lange Bindungen mit seinen vier Nachbarn verbunden. Diese kubische Grundstruktur verleiht dem Diamanten seine extreme Härte.

Ebenfalls nur aus Kohlenstoffatomen besteht der Graphit und auch er ist ein Kristall. Doch in seinem Gitter ist jede Atomschicht nur lose mit der darunterliegenden verbunden. Das macht den Graphit spröde und lässt das Material leicht abblättern. Wieder anders ist dies bei Metallen wie Gold oder Kupfer. Auch hier bilden die Metallatome ein regelmäßiges Gitter. Bei ihnen jedoch sind die äußeren Elektronen nur schwach an die Atomrümpfe gebunden. Dadurch sind die Elektronen frei beweglich – und das macht die meisten Metalle leitfähig und biegsam.

Kochgsalz ist aus Natrium- und Chloridionen aufgebaut. Ladungsdifferenzen im Kristall machen ihn fest, aber gleichzeitig auch spröde. © gemeinfrei

Salze: Fest, aber spröde

Viele Minerale bestehen jedoch aus Verbindungen mehrerer Elemente. Beispiele sind das Kochsalz, aber auch Quarz, Keramik oder Kalk. Bei diesen Salzen bilden meist Ionen die Grundbausteine des Kristallgitters, ihre entgegengesetzten Ladungen machen diese Kristalle sehr stabil. Allerdings: Erhalten sie heftige Stöße oder fallen sie mit hohem Tempo auf harten Untergrund, können solche Kristalle brechen.

Der Grund: Durch den harten Schlag verschiebt sich das Gitter und es liegen nun Ionen gleicher Ladung nebeneinander. Weil sie sich abstoßen, entsteht an dieser Stelle ein Riss – der Kristall bricht auseinander. Die Bruchstücke eines Kristalls haben dabei wieder die typische, aus der Gitterstruktur abgeleitete Form – beim Kochsalz sind deshalb auch die Trümmer wieder würfelförmig.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Optische Eigenschaften von Kristallen

Funkelnde Pracht

Sie funkeln, glitzern und schimmern: Viele Kristalle betören vor allem durch ihre optische Erscheinung – und auch dabei gibt es unzählige Varianten und Spielarten. So sind Bergkristall und Diamant beispielsweise durchsichtig wie Glas, Rubine und Saphire dagegen leuchten tiefrot und blau. Wieder andere Kristalle glänzen metallisch oder schillern wie die Flügel eines Schmetterlings.

Aber woher kommt dieses Farben- und Lichtspiel? Die Antwort steckt auch hier in der Struktur der Kristalle. Je nach Abstand und Anordnung der Atome oder Moleküle beeinflusst das Gitter das einfallende Licht auf unterschiedliche Weise. So lässt das Gitter des Diamanten einen Großteil des Lichts ungehindert hindurch – der Edelstein erscheint dadurch transparent. Gleichzeitig brechen und reflektieren die geraden Flächen des geschliffenen Steins das Licht und erzeugen so das typische Funkeln.

Der Rubin erhält seine rote Farbe unter anderem durch eingelagerte Chromionen, hier ein besonders schöner Kristall aus Tansania. © Rob Lavinsky, iRocks.com/CC-by-sa 3.0

Farbkur in der Mikrowelle

Bei farbigen Kristallen wie dem roten Rubin, dem blauen Aquamarin oder dem grünen Smaragd sorgen winzige Verunreinigungen im Kristallgitter für das Farbenspiel. Die Edelsteine enthalten an diesen Fehlstellen positiv geladene Metallionen, die bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbieren. Dem aus dem Stein wieder hinaustretenden Licht fehlen diese Komponenten und dadurch erscheint es farbig. Im Rubin beispielsweise schlucken dreifach positive geladene Chrom-Ionen gelb-grünes Licht, der Stein erstrahlt daher tiefrot. Beim grünen Beryll sorgt dreifach positives Eisen für die grüne Farbe, der blaue Aquamarin trägt zweifach geladene Eisenionen in seinem Gitter.

Beim Rubin lassen sich Farbe und Glanz sogar nachträglich optimieren, wie Forscher kürzlich herausfanden: Legt man Edelstein von nur stumpfer, bläulich-dunkler Farbe in die Mikrowelle, erstrahlen sie hinterher in einem hellen Rot. Der Grund: Die Strahlung sorgt für Umlagerungen im Kristallgitter, durch die Defekte und Unregelmäßigen behoben werden. Außerdem verändert es die Elektronenverteilung der eingelagerten Chrom-, Eisen- und Titanionen. Das verleiht den Rubinen neuen Glanz.

Der aus Indien stammende Hope-Diamant ist für seine tiefblaue Farbe berühmt. Boratome verleihen ihm diese Farbe. © 350z33/CC-by-sa 3.0

Fremdatome und „Löcher“

Aber nicht nur Metallionen können Edelsteine farbig erstrahlen lassen. Beim Diamanten genügen beispielsweise winzigste Spuren von Stickstoff oder Bor, um den normalerweise farblosen Stein kanariengelb oder blau zu färben. Schon ein Atom Bor auf eine Million Kohlenstoffatome reicht dabei für ein sattes Blau aus. Solche Farbzentren im Diamant sind zwar bei Schmuck wenig beliebt, dafür aber bei Physikern umso mehr. Denn sie machen den Diamanten zu einem vielversprechenden Material für künftige Quantencomputer.

Und auch eine solche Färbung lässt sich durch Manipulation erzielen: Bestrahlt man einen farblosen Diamanten mit Röntgenstrahlen, färbt er sich ebenfalls blau oder grünlich. Der Grund: Die energiereiche Strahlung schlägt einzelne Kohlenstoffatome aus dem Gitter und diese „Löcher“ verändern die Lichtabsorption des Steines.

Die "Sonnensteine" der Wikinger waren wahrscheinlich Doppelspat-Kristalle. © ArniEin/CC-by-sa 3.0

Mehr als nur Schmuck…

Die speziellen optischen Eigenschaften vieler Kristalle machen sie aber nicht nur zu begehrten Schmucksteinen, sondern auch zu begehrten Werkzeugen in Technik und Wissenschaft. So erzeugen Rubine und andere Kristalle in Lasern das gebündelte Licht, kristalline Chalkogenide ermöglichen ultradünne und trotzdem hochauflösende Linsen und kristalline Metamaterialien bremsen und stoppen sogar das Licht. Ohne Halbleiter schließlich gäbe es heute weder Computer noch Solarzellen oder LEDs.

Das Kristalle praktische Helfer sein können, wussten sogar schon die Wikinger: Sie nutzten wahrscheinlich ein Stück Doppelspat (Calcit) als Navigationshelfer. Dieser durchsichtige Sonnenstein bricht das Sonnenlicht in zwei Strahlen, die je nach Ausrichtung des Steines zu Sonne mehr oder weniger gleich hell erscheinen. Diese optische Eigenschaft half den Wikingern bei bedecktem Himmel und in der Dämmerung, die Position der Sonne zu bestimmen – bei der Orientierung auf See ein entscheidender Vorteil.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017

Die Entdeckung der Quasikristalle

„Unmögliche“ Kristalle

Sie stecken in der Antihaft-Beschichtung unserer Pfannen, in Katalysatoren und in hochfestem Stahl – und eigentlich dürfte es sie gar nicht geben. Denn die Quasikristalle widersprechen den festen Regeln der Kristallstruktur. Statt der regelmäßigen, immer gleichen Grundeinheiten wechseln sich in ihrem Gitter Einheiten mit unterschiedlicher Symmetrie ab – ähnlich wie die fünfeckigen und sechseckigen Lederstücke bei einem Fußball.

Beugungsmuster von Shechtmans Quasikristall © Nobel Foundation

Verblüffendes Muster

Kein Wunder, dass der US-Chemiker Daniel Shechtman im April 1982 seinen Augen kaum traute, als er das Beugungsmuster seiner neuesten Materialprobe sah: Die schnell abgekühlte Schmelze aus Aluminium und Mangan zeigte ein „unmögliches“ Gittermuster. Zu sehen waren konzentrische Ringe aus jeweils zehn hellen Flecken, die auf eine Fünffach-Symmetrie im Material hindeuteten.

Doch eine solche Symmetrie galt bei einem Kristall als unmöglich. Weil einige Atome näher zusammenliegen müssten als andere wäre eine periodische Wiederholung des immer gleichen Musters damit nicht möglich – und damit eine der Grundregeln der Kristallographie verletzt. Als Shechtman seine Ergebnisse Kollegen und Vorgesetzten vorstellte, glaubten diese an methodische Fehler. Als er darauf beharrte, dass seine Messungen stimmten, drohten sie ihm sogar mit Herauswurf aus seiner Arbeitsgruppe. Auch ein Fachartikel über seine Entdeckung wurde abgelehnt.

Wie die Kacheln des Penrose-Parketts

Shechtman war jedoch nicht der einzige, der ab und zu auf seltsam regelmäßig-unregelmäßige Substanzen stieß. Auch andere Physiker und Chemiker beobachteten ab und zu ähnlich verwirrende Beugungsmuster mit zehn und mehr konzentrischen Punkten. Sie schrieben dies aber Messfehlern oder zu Doppelkristallen verwachsenen Proben zu.

Ein typisches Penrose-Muster aus zwei verschieden breiten Rauten. © gemeinfrei

Dass diese Forscher keineswegs irrten, klärte sich erst, als zwei Physiker dieses Phänomen aus mathematischer Sicht analysierten. Ihnen fiel auf, dass die Gittermuster der Penrose-Parkettierung ähnelten – einem Kachelmuster, bei dem sich verschieden geformte Kacheln in periodischer Abfolge wiederholten. Aus zwei verschieden dicken Rauten kann so ein durchaus regelmäßiges Muster entstehen.

Genauso funktioniert auch die Struktur der Quasikristalle: Einheiten unterschiedlicher Form und Symmetrie wechseln sich im dreidimensionalen Gitter ab. Es entsteht so ein durchaus regelmäßiges Gitter, aber eben mit mehr als nur einer Elementarzelle und Symmetrie. Im Jahr 2011 erhielt Daniel Shechtman für seine Entdeckung der Quasikristalle den Nobelpreis für Chemie. Inzwischen werden in Labors und Fabriken weltweit Quasikristalle ganz unterschiedlicher Struktur längst routinemäßig erzeugt. Ihre besondere Symmetrie macht diese Stoffe besonders widerstandsfähig.

Gesteinsprobe mit wnizigen Anteilen des Quasikristalls Icosahedrit (Al63Cu24Fe13) © Steinhardt und Bindi / Rep.Prog. Phys.

Fund im Meteoriten

Offen blieb aber zunächst die Frage, ob diese „unmöglichen“ Kristalle reine Kunstprodukte sind oder ob sie vielleicht doch in der Natur vorkommen. Eine Antwort lieferte erst vor wenigen Jahren ein glücklicher Zufall: Als Paul Steinhardt von der Princeton University und seine Kollegen einen in Sibirien gefundenen Meteoriten untersuchten, stießen sie in einer der Proben auf ein winziges Bröckchen mit ungewöhnlicher Kristallstruktur – einem icosahedrischen Quasikristall.

Seither haben Forscher in weiteren Bröckchen dieses Meteoriten untersucht und noch zwei weitere Quasikristalle entdeckt. Der eine ähnelt einem Stapel von zehneckigen Scheibchen aus Aluminium, Nickel und Eisen, der andere bildet ein Mineral aus Aluminium, Kupfer und Eisen und ähnelt in seiner Form einem 20-seitigen Spielwürfel.

Die Tatsache, dass diese drei natürliche Quasikristalle alle aus einem Meteoriten stammen, spricht dafür, dass sie eine eher seltene Spielart der Natur sind. Die Forscher vermuten, dass erst eine Kollision des Asteroiden im All die extremen Bedingungen schuf, unter denen diese „unmöglichen“ Kristalle entstehen können.

Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017