Astrophysiker erforschen die Nukleosynthese in stellaren Riesen

Sterne – Brutstätten der Elemente

Ohne die Kernfusion im Inneren der Sterne gäbe es die meisten chemischen Elemente nicht. Hier ein Blick auf junge Sterne in der Kleinen Magellanschen Wolke. © NASA, ESA, CXC, Universität Potsdam, NASA/JPL-Caltech, NASA/STScI

Das Sternenlicht verrät viel über die Entstehung der Elemente, das Alter und die zukünftige Entwicklung des Universums. Aber Astrophysiker richten ihren Blick nicht nur in den Nachthimmel.Frankfurter Physiker simulieren Rote Riesen im Labor und stellen damit etablierte Theorien auf den Prüfstand.

Ohne die ersten Sterne gäbe es auch uns nicht. Denn erst durch die Kernfusion in den stellaren Glutöfen bildeten sich die ersten schwereren Elemente – und damit die Bausteine der Planeten und auch unseres Körpers. Der bekannte US-Astronom Carl Sagan prägte daher den Ausspruch: „Wir alle sind Sternenstaub.“ Aber wie genau entstehen die schweren Elemente im Inneren der Sterne? Und wie haben diese Prozesse die heutige Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem und im Weltall beeinflusst?

Um das herauszufinden, untersuchen Astrophysiker der Goethe-Universität Frankfurt am Main unter Leitung von René Reifarth die Elemententstehung in Sternen im Labor. Sie simulieren die Prozesse im Inneren von Roten Riesen und führen Experimente an Neutronenquellen durch. Ihre Ergebnisse liefern nicht nur einen Einblick in die kosmischen „Elementfabriken“, sie helfen auch dabei, das Alter des Universums besser zu bestimmen.

Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016

Spektrallinien und die Elemente im Kosmos

Verräterisches Licht

Die Sonne ist unser nächster Stern und bildet das Zentrum unseres Planetensystems. Im Innern der Sonne verschmelzen jede Sekunde mehr als 500 Milliarden Kilogramm des leichtesten Elements Wasserstoff zum nächstschwereren Element Helium. Dieser Fusionsprozess setzt Energie in Form von Licht frei, das ins All abgestrahlt wird. Auf der Erde erreicht uns pro Quadratmeter eine Leistung von etwa 1,4 Kilowatt.

Die dunklen "Lücken" im Lichtspektrum der Sonne entstehen, weil Elemente jeweils bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbieren. © N.A.Sharp, NOAO/NSO/ Kitt Peak FTS/ AURA/NSF

Spektrallinien als Elementanzeiger

Wenn wir das Licht der Sonne zerlegen, erhalten wir einen wunderschönen Regenbogen. Bei genauer Analyse des Spektrums von Rot bis Blau zeigt sich, dass es Lücken aufweist, die sogenannten Fraunhofer-Linien. Die Erklärung dafür fanden im 19. Jahrhundert der Chemiker Robert Bunsen und der Physiker Gustav Kirchhoff, als sie die Wechselwirkung von Licht und Gasen untersuchten.

Dabei stellten sie fest, dass jedes Gas, beziehungsweise jedes Element, Licht charakteristischer Wellenlängen absorbiert, so dass im Spektrum Lücken entstehen. Aus den Lücken im Sonnenspektrum kann man daher im Umkehrschluss die chemische Zusammensetzung der Sonnenoberfläche bestimmen. Dies führte zur Entdeckung des bis dahin auf der Erde unbekannten „Sonnenelements“ Helium. Heute wissen wir, dass alle Sterne zu etwa 75 Prozent aus Wasserstoff und 25 Prozent aus Helium bestehen.

Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem. Wasserstoff und Helium sind am häufigsten, bis zum schwersten stabilen Element Bismut fallen die Häufigkeiten um etwa zehn Größenordnungen ab. © Göbel, Reifarth/ Forschung Frankfurt

Inventur im Sonnensystem

Die Elementhäufigkeiten im Sonnensystem können wir anhand von Position und Stärke der Linien oder Lücken des Sonnenspektrums bestimmen. Unverfälschte Informationen vom Beginn des Sonnensystems liefern uns außerdem Meteoriten. Die Sonne und die Planeten sind aus einer Staubwolke entstanden. Gleichzeitig formten sich auch kleinere Materiebrocken. In ihnen ist die ursprüngliche Zusammensetzung der Elemente konserviert.

Einige dieser Brocken durchdringen die Atmosphäre und erreichen den Erdboden. Diese Meteoriten können wir im Labor untersuchen und die Elementhäufigkeiten bestimmen. Die häufigsten Elemente im Sonnensystem sind Wasserstoff und Helium. Bis zum schwersten stabilen Element Bismut fallen die Häufigkeiten um viele Größenordnungen ab. Ebenso fällt auf, dass die stark gebundenen Elemente der Eisengruppe (um die Massenzahl 56 herum) um Größenordnungen häufiger als die umliegenden Elemente sind.

Lichtfarbe verrät Temperatur

Ein genauer Blick an den Nachthimmel offenbart, dass die Sterne nicht alle gleich sind. Mit bloßem Auge können wir Sterne unterschiedlicher Farben erkennen: von Rot bis Gelb, über Weiß bis hin zu Blau. Die Farbe verrät uns eine Eigenschaft des Sterns, die Oberflächentemperatur. Ein kühler Stern sendet vorwiegend rotes Licht aus, ein sehr heißer Stern hingegen eher blaues Licht.

Informationen über die Größe eines Sterns erhalten wir aus der Temperatur und der Leuchtkraft (abgestrahlte Energie pro Zeit): Ein blauer, heißer Stern mit kleiner Leuchtkraft muss sehr klein sein, ein roter, kühler Stern mit großer Leuchtkraft sehr groß.

Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016

Sterne als kosmische "Elementfabriken"

Kinder des Kosmos

Die Elemente leichter als Kohlenstoff (Wasserstoff, Helium, Lithium, Beryllium und Bor) wurden schon unmittelbar nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren gebildet. Die Elemente von Kohlenstoff bis Eisen werden im zunehmend heißer werdenden Innern von Sternen durch die Verschmelzung von leichteren Elementen erzeugt.

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Kernfusion als Elementschmiede

Diese Fusionsprozesse bilden die fundamentale Energiequelle der Sterne und bestimmen ihre Entwicklung. Dabei werden mehrere aufeinanderfolgende Brennphasen durchlaufen: Im Wasserstoffbrennen wird Helium erzeugt, das in der nächsten Phase, dem Heliumbrennen, zu Kohlenstoff fusioniert. Leichte Sterne wie die Sonne können keine weitere Brennphase zünden.

Dass in unserem Sonnensystem trotzdem schwerere Elemente vorhanden sind, liegt daran, dass diese schon in der Staubwolke waren, aus der es vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist. Elemente, die schwerer sind als Kohlenstoff, entstehen in Sternen, die mehr als achtmal schwerer sind als die Sonne. Auf das Neonbrennen folgt das Sauerstoffbrennen und schließlich das Siliziumbrennen. Dabei entsteht das am stärksten gebundene Element Eisen.

Technetium und die Roten Riesen

Um die schweren Elemente bis hin zu Bismut zu erzeugen, muss viel Energie aufgewendet werden. Das Licht der Sterne zeigt uns, in welcher Sternentwicklungsphase schwere Elemente erzeugt werden. Nehmen wir zum Beispiel das Element Technetium. Von ihm gibt es keine stabilen Isotope, es zerfällt nach einigen Millionen Jahren.

Rote Riesen entstehen aus sonnenähnlichen Sternern, wenn diese ihren Wasserstoff-Vorrat verbraucht haben. © ESO/S. Steinhöfel, CC-by-sa 4.0

Im Sonnensystem, und damit auch auf der Erde, kommt Technetium nicht dauerhaft vor, weil das bei der Entstehung der Erde vorhandene Material in den vergangenen vier Milliarden Jahren zerfallen ist. Mitte des 20. Jahrhunderts aber entdeckte der Physiker Paul Willard Merrill den Fingerabdruck von Technetium in den Spektren von Roten Riesen. Da Rote Riesen schon einige Milliarden Jahre alte Sterne sind, müssen sie das Element Technetium demnach frisch erzeugen.

Vom Eisen zum Bismut

Etwa die Hälfte der Elemente, die schwerer als Eisen sind, wird im sogenannten s-Prozess erzeugt. Dieser Prozess startet bei Eisen und produziert sukzessive die schwereren Kerne. Um den Ablauf des Prozesses zu verstehen, muss man sich die Elemente genau anschauen: Eisen beispielsweise besteht aus 26 Protonen. Hinzu kommen unterschiedliche Anzahlen von Neutronen.

Das häufigste Eisenisotop, Eisen-56, besitzt 30 Neutronen. Aber auch Eisenkerne mit 28, 31 und 32 Neutronen sind stabil. Alle anderen Kombinationen von 26 Protonen und X Neutronen sind nicht stabil, was bedeutet, dass diese Kerne nach einer bestimmten Zeit zerfallen. Genauso verhält es sich auch für die anderen Elemente. Die meisten Elemente haben mehr als eine stabile Zusammensetzung im Kern.

In einem Roten Riesen sind freie Neutronen vorhanden. Diese können zum Beispiel auf einen Kryptonkern treffen und eingefangen werden. So entsteht der nächstschwere Kryptonkern. Jeder Kern fängt etwa einmal alle zehn Jahre ein Neutron ein. Nach einem oder mehreren Neutroneneinfängen wird schließlich ein instabiler Kern erzeugt, der zum nächstschweren Element, in diesem Fall Rubidium, zerfällt. Der Rubidiumkern kann wiederum Neutronen einfangen. Auf diese Weise werden sukzessive schwerere Elemente bis hin zu Bismut erzeugt

Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016

Forscher untersuchen Neutroneneinfang-Reaktionen

Sterne im Labor

Im Inneren von Sternen herrschen unvorstellbar hohe Temperaturen von bis zu einigen Milliarden Grad Celsius. Die freien Neutronen haben bei diesen Temperaturen eine große Geschwindigkeit. Trotzdem ist es leicht, diese schnellen Neutronen in Teilchenbeschleunigern zu erzeugen und in irdischen Laboren zu untersuchen.

Schematischer Aufbau zur Messung von Neutroneneinfangreaktionen im Projekt NAUTILUS © Göbel, Reifarth/ Forschung Frankfurt

Kette aus Neutroneneinfang-Reaktionen

Quantitative Rückschlüsse auf die Vorgänge im Inneren der Sterne erfordern die genaue Kenntnis der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit einer Reaktion in Abhängigkeit von Temperatur und Dichte im Sterneninneren. Forscher der Arbeitsgruppe für Experimentelle Astrophysik an der Universität Frankfurt untersuchen die Neutroneneinfang-Reaktionen im s-Prozess. Instabile (radioaktive) Isotope sind dabei von besonderem Interesse.

Wenn diese Isotope im Stern durch Neutroneneinfang produziert werden, können sie anschließend entweder erneut ein Neutron einfangen oder zerfallen. Der Reaktionspfad verzweigt sich an dieser Stelle (Verzweigungspunkt). Abhängig vom Reaktionspfad werden bestimmte Kerne mehr oder weniger häufig produziert: Eine größere Zahl an freien Neutronen führt zum Beispiel zu einer vermehrten Produktion der Neutroneneinfangsprodukte.

Radioaktivität als Störfaktor

Untersuchungen an radioaktiven Kernen erfordern jedoch viel größere experimentelle Anstrengungen als Experimente mit stabilen Kernen. Zum einen sind die Erzeugung des Probenmaterials und der Umgang damit wesentlich schwieriger. Zum anderen stört die von den radioaktiven Kernen ausgesandte Strahlung die Messung, weil sie die Signale der Reaktionsprodukte im Detektor überlagert. Deshalb kann nur eine geringe Menge an Probenmaterial verwendet werden. Im Experiment kann dies nur durch entsprechend höhere Neutronenflüsse ausgeglichen werden.

Nuklid-Reaktionen von Isotopnen der Elemente Krypton (Kr), Rubidium (Rb) und Strontium (Sr). © Göbel,Reifarth/ Forschung Frankfurt

An der im Bau befindlichen Frankfurter Neutronenquelle FRANZ entstehen derzeit weltweit einmalige Experimentiermöglichkeiten. Dies betrifft insbesondere die Anzahl der verfügbaren Neutronen mit astrophysikalisch relevanten Energien. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts NAUTILUS (Nuclear Astrophysics Constraining Stellar Nucleosynthesis) wird die Probe deutlich näher an der Neutronenquelle platziert als üblich.

Bei kürzerem Abstand erreichen wesentlich mehr der in alle Raumrichtungen fliegenden Neutronen die Probe. Somit kann bei gleicher Neutronenquellstärke mit noch kleineren Probenmengen experimentiert werden. Das neue Verfahren soll am Beispiel des radioaktiven Krypton-85 demonstriert werden. Der Kern Krypton-85 ist ein Verzweigungspunkt im s-Prozess und von höchstem astrophysikalischem Interesse. Da das Edelgas Krypton praktisch nur als Gas in Experimenten eingesetzt werden kann, ist die Herstellung großer Proben eine technologische Herausforderung.

Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016

Wie schwere Elemente das Alter des Universums verraten

Zerfallsrate statt Standardkerzen

Wie alt ist unser Universum und wie entwickelt es sich? Unser heutiges Verständnis beruht auf astronomischen Beobachtungen von Sternexplosionen eines bestimmten Typs, Supernovae vom Typ Ia. Diese Explosionen scheinen alle nach dem gleichen Mechanismus abzulaufen, denn das dabei ausgesendete Licht ist identisch. Deshalb bezeichnen wir sie als Standardkerzen.

Supernovae vom Typ Ia diene Kosmologen als "Standardkerzen" für die Messung der Expansion des Universums. Hier der Supernova-Überrest G299. © NASA/CXC/ U.Texas

Supernovae als kosmische Standardkerzen

Analysieren wir das Licht und bestimmen die Entfernung dieser Sterne, können wir auf den Zeitpunkt der Explosion zurückschließen und auch auf die Größe des Universums zu diesem Zeitpunkt. Die Physiker Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess analysierten viele dieser Standardkerzen und kamen zu dem Schluss, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Dafür erhielten sie 2011 den Physik-Nobelpreis.

Aber können wir uns wirklich auf diese Standardkerzen verlassen? Erst kürzlich fanden Astronomen Hinweise darauf, dass die Typ1a-Supernovae doch unterschiedlich hell sein könnten. Das könnte die bisherigen Messungen zur kosmischen Expansion verfälscht haben.

Überprüfung durch Elementzerfälle

Das Projekt NAUTILUS wird dies überprüfen, indem es das Alter des Universums unabhängig von Standardkerzen bestimmt. Es verwendet dazu radioaktive Kerne mit einer Halbwertszeit, die in etwa dem Alter des Universums entspricht, als eine Art Uhr. Wenn solche Kerne im frühen Universum in einem Stern erzeugt worden sind, können wir einen Teil dieser Kerne heute noch messen und zurückrechnen, wie viel Zeit seit dem Beginn der Nukleosynthese vergangen ist.

Wir wissen, dass die Nukleosynthese 500 Millionen Jahre nach dem Urknall begann, als die ersten Sterne entstanden. Bestimmt man also den Beginn der Nukleosynthese, kann man daraus auf das Alter des Universums schließen. Mit seiner Halbwertszeit von 48 Milliarden Jahren ist der Kern Rubidium-87 ein vielversprechender Kandidat für eine solche kosmische Uhr.

Der von den Frankfurter Forschern untersuchte Kern Krypton-85 liegt unmittelbar auf dem Reaktionspfad zu Rubidium-87 und bestimmt dessen Häufigkeit. Ist die Rate von Neutroneneinfängen an Krypton-85 sehr hoch, wird viel Rubidium-87 produziert. Ist die Rate hingegen klein, wird wenig Rubidium-87 produziert.

Das Projekt NAUTILUS wird diese Rate und damit das Alter des Universums bestimmen. Werden wir die Ergebnisse der Standardkerzen bestätigen oder erwartet uns eine Überraschung?

Kathrin Göbel und René Reifarth / Forschung Frankfurt
Stand: 16.12.2016