Ein Leben unter permanenter Beschallung

Umgeben von Lärm

Auf dem Weg zur Arbeit, im Büro und in unserer Freizeit: ständig hören wir Lärm. Oft sind das Verkehrsgeräusche von Autos, Lastern oder Zügen, doch auch ungewollte Musik, eine nahegelegene Schule oder die Duschgeräusche des Nachbarn können uns manchmal in den Wahnsinn treiben – und das obwohl uns das Lachen der eigenen Kinder oder schöne Musik doch meistens gute Laune bereitet. Lärm scheint also nicht gleich Lärm zu sein.

Laut der Weltgesundheitsorganisation fühlt sich jeder dritte Bürger tagsüber durch Lärm belästigt, im Schlaf ist es jeder fünfte. Doch entgegen der weitverbreiteten Meinung ist Lärm nicht nur eine Erscheinung unserer Zeit. Schon im römischen Reich sorgten unzählige Fuhrwerke, Bauarbeiten und Menschenmassen für eine unglaubliche Geräuschkulisse. Lediglich nachts schienen die Einwohner weitestgehend vom Lärm verschont zu bleiben.

Doch trotz seiner langen Geschichte werden die Folgen der Lärmbelastung bis heute noch häufig unterschätzt. Dass laute Geräusche eine Gefahr für unser Gehör sind, ist zwar allgemein bekannt, doch auch ständiger schwächerer Lärm schadet uns – körperlich und psychisch. Doch dem sind wir zum Glück nicht hilflos ausgeliefert. Schon unsere Einstellung zum Lärm kann die negativen Folgen etwas reduzieren. Grund genug also, sich mal genauer mit störenden Geräuschen auseinanderzusetzen.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Wie wir Geräusche und Töne wahrnehmen

Was ist Schall?

Selbst das leise Rascheln von Blättern kann unser Ohr wahrnehmen. © tpsdave/ pixabay

Er kann leise sein oder laut. Hoch oder Tief. Nur einen Ton umfassen oder eine ganze Geräuschkulisse. Als Lärm bezeichnen wir jedes Geräusch das uns stört – egal ob es sich dabei um einen startenden Düsenjet handelt oder nur um den leise tropfenden Wasserhahn. Lärm kann also viele Gesichter haben oder wie Kurt Tucholsky schon 1925 schrieb: „Es gibt vielerlei Lärme. Aber es gibt nur eine Stille“. Doch wie können wir Lärm dann überhaupt von einem wohlklingenden Geräusch oder Stille unterschieden?

Eine Welt aus Schallwellen

Unsere ganze Welt besteht aus Tönen und Geräuschen, die sich als Schallwellen im Raum verteilen. Selbst das leiseste Blätterrascheln oder ein herunterfallender Schlüssel erzeugen ein komplexes Schwingungsmuster. Diese wellenförmigen Luftdruckschwankungen werden von unserem Ohr aufgenommen. Über Trommelfell und die Gehörknöchelchen werden die Schallwellen ans Innenohr weitergeleitet.

Dort, in der Cochlea, bewegen sich die sogenannten Haarzellen durch die Druckschwankungen und geben je nach Auslenkung unterschiedlich starke elektrische Signale an den Hörnerv weiter. Diese Signale wertet unser Gehirn aus und erzeugt einen Klangeindruck – wir hören.

Laut und leise

Das Gehirn unterscheidet die Lautstärke und die Tonhöhe anhand der spezifischen Wellenform eines Tones. Hohe Schalldruckpegel führen zu einer größeren Auslenkung, der wellentypischen Berge. Je größer diese Amplitude ist, desto lauter nehmen wir einen Ton wahr. Ein Mensch mit gesundem Gehör kann dadurch selbst Pegelunterschiede von einem Dezibel unterscheiden.

Winzige Haarsinneszellen in unserem Ohr nehmen den Schall auf und verstärken ihn. © Gemeinfrei

Die Lautstärken-Spannbreite unseres Gehörs ist dabei enorm: Ob das sprichwörtliche Fallen einer Nadel oder einen startenden Düsenjäger – all das können wir problemlos wahrnehmen. Denn ein eingebauter Verstärker in unserem Ohr sorgt dafür, dass wir sehr leise Geräusche hören, aber auch Lautes überstehen – zumindest wenn der Lärm nicht auf Dauer anhält.

Entscheidend für diesen Anpassungseffekt ist die flexibel justierbare Hörschwelle der Haarzellen: Sehr leise Geräusche verstärken sie um bis zu 40 Dezibel, bei lauten reagieren sie schwächer und wandeln den Schall weniger effektiv in elektrische Nervensignale um.

Hoch und tief

Über die Tonhöhe entscheidet dagegen die Geschwindigkeit der Schwingung. 20.000 Schwingungen pro Sekunde hören wir beispielsweise als sehr hohen Ton, 50 Schwingungen pro Sekunde liegen dagegen im Frequenzbereich der tiefen Töne. Basstöne werden zusätzlich auch noch vom Körper als Vibration wahrgenommen, weshalb sogar Gehörlose diese Schwingungen spüren.

Wie empfindlich unser Gehör ist, sieht man daran, über welchen Frequenzbereich wir Töne wahrnehmen. Denn der Mensch hört in der Regel Frequenzen zwischen 20 Hertz und 20.000 Hertz, das entspricht circa zehn Oktaven. Das Auge kann dagegen nur Licht im Frequenzbereich einer Oktave erfassen.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Wie das Gehirn unsere Schallwelt ordnet

Geräusch oder Lärm?

Das Quietschen von Kreide auf einer Tafel jagt vielen Menschen einen Schauer über den Rücken. © markusspiske/ pixabay

Doch was stört uns nun und was nicht? Das ist nicht nur eine Frage der Akustik. Unser Gehirn und unsere subjektive Wahrnehmung spielen dafür eine fast ebenso wichtige Rolle.

Laut und abrupt stört meist mehr

Tendenziell empfinden wir laute Töne störender als leise – und wir reagieren oft mit besonderer Abscheu auf hohe Frequenzen zwischen 2.000 und 5.000 Hertz. Deshalb jagt vielen von uns auch das Quietschen von Kreide auf einer Tafel einen Schauer über den Rücken. Allerdings gibt es in der Natur fast keine reinen Töne. Stattdessen hören wir meistens ein Gemisch aus vielen hohen und tiefen, sowie lauten und leisen Tönen, die sich gegenseitig überlagern – die Geräusche.

Psychoakustiker haben zudem herausgefunden, dass impulshafte Geräusche uns eher erschrecken und stören als beispielsweise ein rauschender Dauerlärm. Denn gleichmäßige Geräusche werden in unserem Bewusstsein eher zurückgedrängt. Außerdem nerven uns insbesondere Geräusche, aus denen wir Einzeltöne heraushören können. Das ist oft bei Maschinen der Fall, beispielsweise wenn deren Schall eine Resonanzfrequenz anregt.

Zudem reagieren wir unterschiedlich, je nachdem, ob ein Geräusch eine Information beinhaltet oder nicht. Sprache stuft unser Gehirn beispielsweise als wichtig ein. Es erkennt sie aufgrund der spezifischen Dynamik und weil sie sich nur über den mittleren Frequenzbereich erstreckt. Deswegen hören wir unseren eigenen Namen auch oft aus einem Stimmengewirr heraus, während das Surren der Kaffeemaschine in der allgemeinen Geräuschkulisse untergeht.

Was Lärm ist, hängt von der Stimmung ab

Zu den subjektiven Faktoren der Lärmwahrnehmung gehört auch unsere Einstellung zur Lärmquelle. Die Lärmwirkungsstudie NORAH zeigte, dass Menschen eher unter Folgen von Fluglärm leiden, wenn sie dem Luftverkehr grundsätzlich kritisch gegenüber standen.

Je nach Stimmung kann uns Straßenmusik stören oder erfreuen. © Robert_z_Ziemi / pixabay

Zudem bewerten wir Hörerlebnisse je nach Stimmung und Situation unterschiedlich. Deswegen finden wir laute Musik auf einer Party wahrscheinlich gut, während es uns trotzdem stört, wenn die Nachbarn feiern, während wir schlafen möchten. Und das Lärmempfinden variiert sogar von Mensch zu Mensch: Den einen nervt das Hämmern des Nachbarn einfach nur, während jemand anders es toleriert, weil es ihn an den netten Werkunterricht in der Schule erinnert.

Lärm ist deswegen ein subjektives Empfinden – er ist nicht messbar. Trotzdem sind sich Experten inzwischen einig, dass die Folgen einer dauerhaften Lärmbelästigung gravierend sind. Das gilt für laute Geräusche, die Schwerhörigkeiten verursachen können, ebenso wie für leiseren Lärm.


Stand: 25.11.2016

Wenn das Hörzentrum überstrapaziert wird

Krach im Ohr

Der erste Leidtragende bei lautem Lärm ist unser Gehör: Obwohl sich Innenohr und auch das Hörzentrum im Gehirn an Lärm anpassen können, sind auch diese Schutzmechanismen irgendwann überfordert. Das kann passieren, wenn der Lärm zu laut ist, oder aber wenn er zu lange anhält.

In lauten Arbeitsumgebungen muss laut Gesetz ein Gehörschutz getragen werden. © Dejan Megarollee / pixabay

Schäden für das Gehör zeigen sich oft spät

Zwar sind die Folgen von Lärm auf unser Gehör schon lange bekannt. Trotzdem ist die lärmbedingte Schwerhörigkeit in Deutschland weit verbreitet und belegt Platz eins der berufsbedingten Krankheiten. Der weitverbreitetste Grund dafür ist eine dauerhafte Lärmbelastung, beispielsweise durch Arbeitsmaschinen wie Fräsmaschinen oder Schlagbohrmaschinen. Doch neben Handwerkern findet man unter den zehn lärmgefährdetsten Berufen auch weniger offensichtliche Berufsgruppen, wie Lehrer, Kindergärtner oder Zahnärzte.

Jede Arbeit bei dauerhaften Geräuschpegeln von mehr als 85 Dezibel gilt als gefährlich, weil dadurch unsere Haarsinneszellen solange strapaziert werden, bis sie letztendlich geschädigt werden. Als Folge arbeiten die Sinneszellen nicht mehr, die Schall in Nervenimpulse umwandeln – und wir werden schwerhörig. Das Tückische daran: Diese Lärmschäden entwickeln sich oft schleichend. Die Folgen der ständigen Lärmbelastung erkennen betroffene Menschen deshalb oft erst Jahre später, wenn sie ihre Mitmenschen immer schlechter verstehen.

Ein Schuss in direkter Nähe kann bleibende Schäden am Ohr verursachen. © skullman / pixabay

Ein lauter Knall

Laute Impulsgeräusche können unser Gehör dagegen schon innerhalb von Sekunden dauerhaft schädigen. Allerdings braucht es dazu schon ordentlich Krach. Ab einem Schallpegel von 120 Dezibel kann unser Trommelfell platzen oder es besteht die Gefahr, ein Knalltrauma davonzutragen. Solche Lautstärken werden beispielweise durch einen Flugzeugstart in direkter Nähe oder einem Schuss neben uns erzeugt.

Erst seit wenigen Jahren ist dagegen bekannt, dass Dauerlärm auch das Hörzentrum unsers Gehirns in Mitleidenschaft zieht – und das schon bei Pegeln unterhalb von 65 Dezibel. Wurden Ratten zwei Monate lange mit gemäßigtem Breitbahnlärm beschallt, hörten sie hinterher schlechter. Hirnscans enthüllten: Nicht ihr Ohr war daran schuld, sondern das Gehirn. Das Hörzentrum verarbeitete die Hörreize nicht mehr richtig.

Aufgrund dieser vielfältigen Folgen wird Lärm inzwischen von vielen Experten als echte Gefahr eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass Lärm im Westen der europäischen Union uns insgesamt eine Million gesunder Lebensjahre raubt – durch Folgeerkrankungen des Lärms, Behinderungen und sogar einem vorzeitigen Tod.


Stand: 25.11.2016

Wenn der Schutzreflex zum Problem wird

Ein dauerhafter Stressfaktor

Es ist Nacht, alles ist still, doch plötzlich kommt von weit her das erste Donnergrollen. Selbst im Tiefschlaf dürften unsere Vorfahren bei solchen Geräuschen blitzartig wach geworden sein. Ob als Warnung vor Unwettern, herannahenden trampelnden Tierherden oder in Form eines Alarmschreis – Lärm frühzeitig wahrzunehmen war für unsere Ahnen überlebenswichtig.

Selbst im Schlaf wurden unsere Vorfahren, dank dem Gehör, vor trampelnden Tierherden gewarnt. © Bhakti2 / pixabay

Kämpfen oder Fliehen

Bis heute interpretieren wir Lärm intuitiv als Zeichen für Gefahren. Unser Körper schüttet Stresshormone aus und stellt sich auf Verteidigung oder Flucht ein. Deswegen schlägt unser Herz schneller, die Atmung beschleunigt sich und die Muskelspannung steigt. Damit unser Körper auf diese Weise in Stress versetzt wird, muss ein Geräusch nicht zwingend laut sein. Auch leisere aber dauerhafte Lärmquellen, haben diese Folgen.

Doch im Vergleich zu früher ist Lärm heute meist kein Hinweis mehr auf eine akute Gefahr. Wenn wir Straßenlärm hören oder eine Bohrmaschine, müssen wir weder kämpfen noch weglaufen. Trotzdem läuft im Körper die Stressreaktion an – und das wird zum Problem. Denn dadurch schädigt Lärm nicht mehr nur unser Gehör, sondern auch die Psyche und den Körper.

Höheres Herzinfarktrisiko durch Straßenlärm

Hören wir ständig Lärm, versetzt dies unseren Körper in Dauerstress – und diese Stressreaktionen können zu Veränderungen im Körper führen. Beispielsweise zu veränderten Blutfettwerten, Blutzuckerkonzentrationen oder Gerinnungsfaktoren wie Bluteiweißen. Selbst bei jungen Menschen kann nächtlicher Fluglärm langfristig die Blutgefäße messbar schädigen, wie Forscher vor einigen Jahren herausfanden. Damit steigt das Risiko, beispielsweise einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

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Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) hat gezeigt, dass männliche Herzinfarktpatienten häufiger an lauten Straßen wohnten als gesunde Altersgenossen. Der Zusammenhang zeigte sich insbesondere bei Menschen, die schon viele Jahre in einer lauten Wohnung lebten.

Je lauter die Umgebung, desto größer scheint demnach auch das Erkrankungsrisiko zu sein: Lag der Mittelungspegel außerhalb der Wohnung bei über 65 Dezibel, so stieg das Risiko schon um bis zu 20 – 30 Prozent. Dieser Schalldruckpegel entspricht ungefähr einem lauten Gespräch oder dem Lärm eines vorbeifahrenden Autos. Eine Auswertung verschiedener Lärmstudien legt nahe, dass rund drei Prozent aller Herzinfarkte in Deutschland auf Verkehrslärm zurückzuführen sein könnten.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Wie Lärm unsere Psyche belastet

Unruhe im Kopf

Eine dauerhafte Lärmbelastung durch Flugverkehr kann bei Anwohnern Depressionen verursachen. © b1-foto / pixabay

Doch der Dauerlärm setzt nicht nur unseren Körper unter Dauerstress, er auch Auswirkungen auf unsere Psyche. So haben Menschen, die unter Verkehrslärm leiden, laut der Lärmstudie NORAH ein höheres Risiko, zumindest vorrübergehend eine Depression zu bekommen.

Bei einer Belästigung durch Fluglärm stieg das Risiko dafür am deutlichsten: Pro zehn Dezibel Pegelzunahme erhöhten sich die Depressionsfälle um knapp neun Prozent.

Kinder lernen langsamer lesen

Bekannt ist außerdem, dass Lärm uns leichter reizbar macht und zu Konzentrationsproblemen führt. Eine Studie von US-Forschern hat kürzlich gezeigt, dass Kinder in lauter Umgebung schlechter neue Wörter lernen.

In der NORAH Studie scheint sich das zu bestätigen. Denn in lauten Wohngebieten brauchten Grundschulkinder länger, um das Lesen zu erlernen. Wenn die Lärmbelastung im Durchschnitt zehn Dezibel lauter war, verzögerten sich die Lernfortschritte beim Lesen ungefähr um einen Monat. Die Kinder fühlten sich außerdem gesundheitlich weniger wohl als Altersgenossen aus leiseren Wohngebieten.

Leichterer Schlaf im Lärm

Und selbst im Schlaf können die im Körper ablaufenden Stressreaktionen nicht vermieden werden. Ganz im Gegenteil: Hier reagieren wir sogar noch empfindlicher, weil wir uns nur auf unser Gehör verlassen und nicht sehen.

Ständiger Lärm kann zu Schlafstörungen führen. © asinv / iStock.com

Lärm kann deswegen dazu führen, dass wir länger brauchen um einzuschlafen oder das unsere Schlafphasen sich verschieben. Dadurch erleben wir weniger Tiefschlaf- und dafür mehr Leichtschlafphasen.

Eine nächtliche Kernruhezeit von wenigstens ein paar Stunden kann Anwohnern von Flughäfen oder anderen Lärmquellen deswegen durchaus zu einem besseren Schlaf verhelfen. Laut der Lärmstudie NORAH wachten Anwohner seit Einführung eines Nachtflugverbots am Frankfurter Flughafen seltener auf – sie fühlten sich morgens allerdings trotzdem noch häufiger müde.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Was hilft gegen den Krach durch Auto und Co?

Kampf gegen den Lärm

Für viele Deutsche ist Straßenlärm die nervigste Lärmquelle. © Pexels / pixabay

Deutschland ist und bleibt scheinbar das Land der Autofahrer. In keinem anderen EU-Staat waren im Jahr 2014 mehr Autos angemeldet als in Deutschland und ihre Zahl nahm in den letzten Jahren stetig zu. 2016 waren es über 45 Millionen gemeldete PKWs. Doch unser Drang nach ständiger Mobilität hat auch Folgen. Schon jetzt empfinden die Deutschen den Straßenverkehr als nervigste Lärmquelle – über die Hälfte der Menschen fühlt sich vom Straßenlärm gestört oder belästigt.

Verwunderlich ist das nicht unbedingt, denn im Durchschnitt hört jeder zweite Deutsche tagsüber Mittelungspegel von über 55 Dezibel, nachts sind es noch 45 Dezibel. Jeder sechste bis siebte Deutsche muss durchschnittlich sogar noch zehn Dezibel mehr ertragen. Aus diesem Grund wird an vielen Fronten gegen den Lärm gekämpft – doch sorgen Lärmschutzwände, Flüsterasphalt und andere Schutzmaßnahmen tatsächlich für mehr Ruhe auf unseren Straßen?

Lärm in Farbe

Die Lärmkarte des Frankfurter Flughafens zeigt, wo die Lärmbelastung am größten ist. © CC BY-SA 3.0

Seit 2002 kann man Lärm in der Europäischen Union nicht nur hören, sondern auch sehen. Möglich macht das ein Lärmatlas, der detailliert zeigt, in welcher Stadt und welcher Straße es besonders laut ist. Die Lärmbelastung damit kein undefinierbares, subjektives Gefühl mehr, sondern sie ist orange, rot oder blau – je intensiver, desto lauter wird es meistens.

Die Lärmkarten erfassen inzwischen die Lärmbelastung vieler Straßen, Flughäfen, dem Schienennetz oder Industriegebieten. Ob eine solche Karte erstellt werden muss, hängt beispielsweise vom Verkehrsaufkommen ab. Für Hauptverkehrsstraßen sind Lärmkarten vorgeschrieben, wenn pro Jahr mehr als drei Millionen Fahrzeuge dort unterwegs sind. Bürger können die Karten in der Regel online auf den Seiten der jeweiligen Landesämter für Umwelt einsehen.

Schutz vor dem Schall

Grund für die Erstellung der Lärmkarten ist die Umsetzung der EG-Umgebungslärm-Richtlinie. In dieser ist festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten an einem gemeinsamen Konzept arbeiten, um den Umgebungslärm zu reduzieren und schädliche Lärmauswirkungen zu verhindern. Dazu wird Lärm im ersten Schritt bildlich dargestellt, um danach Lärm-Aktionspläne entwickeln zu können.

Am häufigsten planen Gemeinden bisher, Straßenlärm durch zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzungen oder neue Straßenbeläge zu bekämpfen. Flüsterasphalt sorgt beispielsweise dafür, dass Autogeräusche leiser werden, weil Hohlräume im Straßenbelag den Schall besser schlucken. Schallschutzwände und spezielle Fenster sperren den Lärm dagegen aus der Wohnumgebung aus.

Eine Autobahn als Erholungsgebiet

Neben diesen klassischen Strategien gewinnt aber auch die lärmreduzierte Stadtplanung mehr an Bedeutung. Ein Einkaufscenter an einer vielbefahrenen Straße kann beispielsweise dafür sorgen, den Lärm vor umliegenden Wohnungen abzuschirmen. Außerdem setzen viele Städte auf eine bessere Anbindung durch zusätzliche Fahrradwege, öffentliche Verkehrsmittel oder Carsharing-Angebote, damit Menschen ihr Auto öfters mal stehen lassen.

Kreativ zeigte sich auch die Stadt Hamburg, die momentan Abschnitte der A7 mit drei Lärmschutzdeckeln überzieht. Diese Dächer reduzieren den Krach der Autos und sollen zusätzlich als Erholungsraum dienen. Denn auf dem Deckel sollen Parkanlagen, Kleingärten oder Wanderwege entstehen. Doch solche Maßnahmen sind in der Regel auch teuer und zeitaufwendig.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Wird die neue Technik unsere Fahrzeuge leiser machen

Hoffnungsträger Elektroauto

Eine weitere Möglichkeit des Lärmschutzes im Verkehr setzt direkt an der Quelle an- den Fahrzeugen selbst. Autos, Lastwagen und Motorräder verursachen dabei auf zwei Wegen Lärm: Durch das Antriebsgeräusch des Motors und durch das Geräusch, das die Reifen auf der Fahrbahn erzeugen.

Bei hohen Geschwindigkeiten entsteht Lärm vor allem durch das Reifengeräusch. © dassel_pixabay

Elektroautos als Lösung?

Könnten die als leise geltenden Elektrofahrzeuge diesen Lärm reduzieren? Leider nur bedingt. Denn das Reifengeräusch ist bei Elektroautos genauso laut wie bei klassischen Fahrzeugen. Denn dieses Rauschen und Brummen hängt vor allem von der Fahrbahnbeschaffenheit und den Reifen abhängt. Umso schneller wir fahren, desto lauter wird das Geräusch.

Anders sieht es beim Antriebsgeräusch aus. Dieses ist bei Elektrofahrzeugen deutlich leiser als bei Autos mit Verbrennungsmotoren. Allerdings ist das Antriebsgeräusch nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h dominant. Bei sehr geringer Geschwindigkeit sind Elektroautos demnach tatsächlich leiser, sobald wir schneller unterwegs sind ist das allerdings nicht mehr der Fall. Zudem wird immer wieder diskutiert, ob Elektroautos gerade bei niedrigen Geschwindigkeiten mit zusätzlichen Warnsignalen ausgestattet werden sollen, damit auch Fußgänger, Fahrradfahrer und insbesondere sehbehinderte Menschen frühzeitig gewarnt werden.

Insgesamt hält das Umweltbundesamt das Lärmminderungspotential von Elektroautos für sehr gering. Selbst wenn bis 2020 rund eine Million solcher Fahrzeuge in Deutschland unterwegs sein sollten, würden wir den Unterschied kaum hören.

Zweiräder und Nutzfahrzeuge haben Potenzial

Anders sieht das bei vielen Nutzfahrzeugen wie LKWs oder Bussen aus. Da bei ihnen das Antriebsgeräusch des Motors bis circa 50 km/h dominant ist, könnten solche Elektrofahrzeuge den Lärm innerorts tatsächlich senken.

Der Blaue Engel zertifiziert Busse, die nicht zu viel Lärm machen. © Gemeinfrei

Potential zur Lärmreduktion könnten daher insbesondere Nahverkehrsbusse haben, die nur in Städten unterwegs sind oder innerstädtische Nutzfahrzeuge, die häufig anfahren und bremsen, beispielsweise Müllsammelfahrzeuge. Und selbst bei Mopeds und Motorrädern könnten Elektromotoren aus Lärmreduktionsgründen Sinn machen, obwohl sie nur einen kleinen Anteil aller Fahrzeuge auf den Straßen bilden.

Ob Fahrzeuge weniger laute Geräusche abgeben können Bürger und Kommunen auch oft an dem blauen Engel erkennen. Denn durch das Logo werden beispielsweise Omnibusse, Müllfahrzeuge, Baumaschinen und sogar lärmärmere Altglascontainer oder Gartengeräte zertifiziert, sofern sie keine Geräusche über einem bestimmten Schalldruckpegel abgeben.

Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016

Infraschall in unserer Umwelt

Unhörbarer Lärm

Wir können ihn meistens weder hören noch sehen und trotzdem ist er in aller Munde – der Infraschall. Besonders seit dem Ausbau der Windenergie wird immer wieder darüber spekuliert, ob der lautlose Lärm der Kraftwerke unsere Gesundheit besonders gefährdet. Dabei entsteht Infraschall auch häufig in der Natur – und er verbreitet sich nicht immer lautlos.

Infraschall ist in unserer Natur ganz normal, selbst Donnergrollen kann ihn erzeugen. © Lobo Studio Hamburg / pixabay

Ganz natürlich: Infraschall in unserer Umwelt

Die ersten Wolken ziehen auf, die Welt verdunkelt sich und von weitem hören wir das erste Donnergrollen. Neben diesem hörbaren Lärm verbreiten sich jetzt wahrscheinlich auch sehr tieffrequente Wellen, die der Mensch oft nicht hört – der sogenannte Infraschall. Denn viele Naturereignisse erzeugen ihn ganz nebenbei. Er entsteht bei Stürmen, Gewittern, Erdbeben oder auch durch Meereswellen. Selbst wenn wir uns nur Luft zufächeln, können wir dadurch schon Infraschall erzeugen.

An Windkraftanlagen sorgen meistens Luftverwirbelungen an den Rotorblättern für den Infraschall. Allerdings sind die Kraftwerke bei weitem nicht die einzige künstliche Quelle für diese tiefen Schwingungen: Im Alltag verbreitet er sich auch durch Maschinen wie Pumpen oder Kompressoren und mit dem Verkehr durch Schiffe, LKWs oder Flugzeuge. Sogar sehr leistungsfähige Lautsprecher können in einem geschlossenen Raum den tieffrequenten Schall erzeugen.

Eine Messung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) zeigt, dass Infraschall auf dem Land vor allem durch Wind entsteht. In der Stadt sorgen dagegen meistens Anlagen oder Fahrzeuge für die Emissionen. Nachweisbar ist der Infraschall aber fast überall: Draußen und drinnen ebenso wie in der Stadt und auf dem Land.

Am Ort der damaligen Explosion ist inzwischen wieder ein neuer Vulkan entstanden - der Anak Krakatau. © CC BY 2.0

Sieben mal um die Welt

Aufgrund seiner großen Wellenlänge hat Infraschall einige besondere Merkmale. Dazu gehört, dass er kaum von Hindernissen wie Felsen, Bäumen oder Gebäuden gedämpft wird. Anders als hochfrequente Schallwellen, die aufgrund ihrer geringen Wellenlänge leichter abgelenkt oder absorbiert werden. Deswegen verbreitet sich Infraschall auch über sehr weite Strecken.

Diese besondere Eigenschaft kann überwältigende Ausmaße annehmen. Dies passierte beispielsweise 1883, als durch eine Eruption fast die gesamte Vulkaninsel Krakatau in die Luft gesprengt wurde. Der Schalldruck der Explosion war so extrem, dass die Schallwellen siebenmal um den Erdball liefen. Barometer auf der ganzen Welt zeichneten das Phänomen auf.

Hohe Pegel hört auch der Mensch

Infraschall ist also ständig in unserer Umwelt. Der Mensch kann ihn nur meistens nicht hören, weil wir bei üblichen Schalldruckpegeln Frequenzen erst ab 16 bis 20 Hertz wahrnehmen – der unteren Hörschwelle. Manche Tiere wie beispielsweise Elefanten nehmen diese tiefen Töne dagegen gut wahr und kommunizieren auch über sie.

Die Hörschwelle zeigt an, ab welchem Schalldruckpegel wir bestimmte Frequenzen wahrnehmen. © Gemeinfrei

Doch auch der Mensch kann Infraschall unter einer bestimmten Bedingung hören: Er muss laut genug sein. Ein Geräusch mit der Frequenz von acht Hertz müsste beispielsweise 100 Dezibel haben, damit der Mensch es hört. Denn für das menschliche Gehör gilt: Je tiefer ein Ton ist, desto lauter muss er sein, damit wir ihn wahrnehmen. Das sind aber nicht unbedingt utopische Werte, denn Windböen können beispielsweise Infraschall bis zu 135 Dezibel erzeugen. Zudem können wir Infraschall auch anders wahrnehmen – als Vibrationen über taktile Reize oder den Gleichgewichtssinn.

Unhörbarer Infraschall gilt als unbedenklich

Auf unsere Gesundheit scheinen laute Infraschallpegel ab circa 140 Dezibel ähnliche Auswirkungen zu haben wie hörbarer Lärm. Der tiefe Krach kann neuen Erkenntnissen nach ebenfalls bleibende Hörschäden verursachen und negativ auf das Herz-Kreislauf-System wirken. Zudem kann ständiger Infraschall die Leistungsfähigkeit reduzieren, benommen machen und den Schlaf stören.

Nicht hörbarer Infraschall, wie er auch von Windrädern erzeugt wird, scheint laut aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse allerdings keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) stuft Infraschall von Windkraftanlagen daher als unbedenklich ein, solange er unterhalb der Hörschwelle liegt.

Es gibt jedoch auch Experten, die sich noch weitere Untersuchungen wünschen, um die Auswirkungen von Schall außerhalb des hörbaren Bereichs besser einschätzen zu können. Dazu gehört Infraschall ebenso wie sein Gegenpart der Ultraschall. Denn inwieweit uns speziell dieser lautlose Lärm belastet ist schwer nachweisbar, da viele Geräusche aus einem Mix dieser besonderen Frequenzen und dem hörbaren Schall bestehen. Daher kann man im Alltag kaum zuordnen, ob beispielsweise die zunehmende Nervosität vom Infraschall ausgelöst wurde oder doch nur eine Folge der hörbaren Lärmbelästigung ist.


Stand: 23.11.2016