Lebenskünstler und Menschenfreund

Wunderwerk Baum

Bäume sind ein wichtiger Teil unserer Pflanzenwelt. © Smileus/ iStock.com

Bäume gibt es fast überall auf unserem Planeten – und das ist gut so. Schließlich sind die Pflanzen nicht nur wahre Schmuckstücke der Natur. Sie leisten uns Menschen auch wichtige Dienste. Sei es in ihrer Funktion als Klimaanlage, Seelenstreichler oder Rohstofflieferant: Von Fichte, Buche & Co profitieren wir in vielfacher Hinsicht.

Bäume sind ein wichtiger Teil unserer Pflanzenwelt und übernehmen tragende Rollen in nahezu jedem Ökosystem. Sie bieten nicht nur einer Vielzahl von Tieren und anderen Pflanzen wertvollen Lebensraum, sondern prägen auch das lokale und globale Klima entscheidend mit: Sie filtern die Luft, produzieren Sauerstoff und verwerten das klimaschädliche Treibhausgas CO2.

Selbst an Standorten mit widrigen Bedingungen wie kargen Böden oder den Betonwüsten der Stadt leisten die Pflanzen noch Erstaunliches. Ohne sie wäre die Erde wohl ein ziemlich lebensfeindlicher Ort – und die Menschheit vielleicht nie zu dem geworden, was sie heute ist. Denn Bäume versorgen uns seit jeher nicht nur mit gesunder Luft zum Atmen. Auch aus kulturhistorischer Sicht sind sie eng mit unserem Leben verknüpft – ein Grund mehr, sich um das Wohlergehen der grünen Lebenskünstler zu sorgen.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Wie der Schaft der Bäume von innen aussieht

In den Stamm geblickt

Ob in den Tropen, in gemäßigten Breiten und sogar bis in den hohen Norden: Bäume gibt es fast überall. Rund drei Billionen dieser Pflanzen wachsen auf der Erde – und das in einer schier unglaublichen Vielfalt. Während manche Bäume spitze Nadeln als Kleid tragen, schmücken sich andere mit gezackten oder herzförmigen Blättern. Ihre Rinde ist mal glatt, mal gefurcht, mal braun, mal weiß. Es gibt zierlich gebaute Bäume und kräftige Riesen.

Der zentrale, holzige Stamm ist das gemeinsame Merkmal aller Bäume. © Andreas Krappweis/ iStock.com

Ihre Wurzeln wachsen mal wie ein Pfahl senkrecht in den Boden hinab, mal bilden sie ein flaches, tellerförmiges Netz. Nur eines haben all diese Gewächse per Definition gemeinsam: Sie verfügen über einen zentralen, holzigen Stamm, der sich in der Regel ab einer bestimmten Höhe zu einer Krone aus belaubten Ästen verzweigt.

Des Stammes Kern

Der ausgeprägte Schaft besteht neben Zellulose im Wesentlichen aus Lignin. Erst durch die Einlagerung dieses natürlichen Polymers in die pflanzliche Zellwand verhärten sich die Zellen und bilden ein festes Dauergewebe: Sie verholzen.

So schlicht ein solcher Stamm von außen aussehen mag, so komplex ist doch sein Innenleben: Im mittigen Kern des Baumstamms befindet sich das Mark. Dort ist das Vorratslager für Glukoseverbindungen, die vor dem Abwurf der Blätter zurück in den Stamm transportiert und über den Winter gespeichert werden.

Das hellere Splintholz setzt sich optisch deutlich vom stillgelegten Kernholz ab. © MPF/ CC-by-sa 3.0

Wasser marsch!

Das darauffolgende Kernholz ist das tragende Element des Baumes. Es besteht aus nicht mehr aktivem Holz, das als Gerüst fungiert, aber weder Wasser noch Nährstoffe durchleitet. Im Splintholz dagegen findet genau dieser Transport statt. Durch ein spezielles Leitsystem aus dünnen Kanälen steigt Flüssigkeit von den Wurzeln bis nach oben zu den Blättern. Zwischen zehn und mehreren hundert Litern Wasser müssen dabei jeden Tag den Weg bis in die Baumkrone bewältigen, um dort für die Fotosynthese zur Verfügung zu stehen.

Angetrieben wird dieser Prozess unter anderem durch den sogenannten Kapillareffekt, der durch die Oberflächenspannung des Wassers und der Grenzflächenspannung der Flüssigkeit mit der Kapillarwand hervorgerufen wird. Zusammen mit Druckunterschieden durch die Verdunstung von Wasser über die Blätter führt dies dazu, dass ein Sog das Wasser entgegen der Schwerkraft nach oben zieht – bei den Riesen unter den Bäumen sogar über hundert Meter hoch.

Alles neu – nach außen und nach innen

In der Kambium genannten Zone wächst der Baum. Dabei bildet er nach innen neues Holzgewebe, das alte Splintholzringe ersetzt, die ihre Funktion verlieren und zu Kernholz werden. Gleichzeitig produziert er Zellen für die nächstäußere Schicht: den Bast. Gesteuert wird das Wachstum von dem Phytohormon Auxin, das im Frühjahr in den Blattknospen der Zweigspitzen gebildet wird.

Der Bast ist der innere Teil der Rinde. Durch ihn werden Zuckerverbindungen transportiert. Den Abschluss des Stammes nach außen formt schließlich die Borke. Die abgestorbene, verkorkte Rinde fungiert als Barriere und schützt die Pflanze vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Kälte, Hitze, Pilz- und Insektenbefall.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Warum sich Bäume mit Pilzen verbünden

Nährstoffjagd mit heimlichem Partner

Bäume leben oft in enger Gemeinschaft mit treuen Begleitern: Pilzen. Für die Augen des Betrachters verborgen sorgen diese unter der Erde dafür, dass die Pflanzen selbst an nährstoffärmeren Standorten optimal wachsen und gedeihen können. In den oberen Bodenregionen umhüllen die Pilze nahezu jede Wurzelspitze ihres Partners mit einem dichten Netz aus dünnen Fäden, den sogenannten Hyphen – und erschließen ihm darüber in Wasser gelöste Nährelemente.

Mykorrhiza: Symbiose zwischen Pilz und Baum. © Thergothon/ CC-by-sa 2.5

Die einzigartige Verflechtung aus Wurzeln und Hyphen ermöglicht es den Bäumen, mehr Nährstoffe aufzunehmen: Das feine Pilzmyzel durchwirkt das Erdreich viel enger als die Saugwurzeln des Baumes es je könnten. Außerdem bildet es einen schützenden Mantel, der unerwünschte Eindringlinge wie Bakterien von den Baumwurzeln fernhält. Der Baum versorgt den Pilz im Gegenzug mit durch Fotosynthese produziertem Zucker – eine Beziehung zum gegenseitigen Vorteil.

Bewährte Beziehung

Diese Art der Symbiose wird als Mykorrhiza bezeichnet, was so viel bedeutet wie Pilzwurzel. Fossilien legen nahe, dass ihr Ursprung weit zurückreicht. Urzeitliche Grünalgen verfügten demnach offenbar bereits über die für eine erfolgreiche Kooperation nötigen Gene, noch bevor Pflanzen den Schritt aus dem Wasser schafften. Als die ersten von ihnen dann vor rund 450 Millionen Jahren das Land zu erobern begannen, hatten sie von Anfang an hilfreiche Partner an ihrer Seite.

Grünalgen wie Closterium strigosum haben bereits das genetische Werkzeug zur Symbiose mit Pilzen. © Michael Melkonian

Womöglich hat diese Lebensgemeinschaft überhaupt erst den Landgang ermöglicht. Schließlich sahen sich die Vorfahren heutiger Landpflanzen mit einer echten Herausforderung konfrontiert: Waren überlebenswichtige Nährstoffe im Wasser noch frei verfügbar, hielt sie auf dem Festland der Boden umschlossen. Die Stoffe mussten erst gelöst werden – eine Aufgabe, die die Pilze übernehmen konnten.

Treue Partner

Damit der Stoffaustausch zwischen Pilz und Baumwurzel optimal funktioniert, haben sich im Laufe der Evolution unterschiedliche Mykorrhizaformen entwickelt: die Endomykorrhiza, bei der ein Teil der Hyphen in die Rindenzellen des Pflanzenpartners eindringt, und die Ektomykorrhiza. Hier bildet das Mycel lediglich eine dichte Hülle um die jungen, noch unverkorkten Wurzelenden.

Auch der Fliegenpilz (Amanita muscaria) verbündet sich mit Bäumen. © Philippe Moret/ CC-by-sa 4.0

Diese Variante der Wurzelsymbiose ist in mitteleuropäischen Wäldern am häufigsten. Sie ist typisch für Bäume aus den Familien der Birken-, Buchen-, Kiefern-, Weiden- und Rosengewächse. Die Pilzpartner sind meist Ständerpilze aus den Ordnungen Boletales und Agaricales – zum Beispiel Steinpilze, Fliegenpilze oder Champignons.

Mitunter sind Pilz und Baum so perfekt aneinander angepasst, dass sie mit keiner anderen Art eine Symbiose eingehen. So vergemeinschaftet sich der Goldröhrling nur mit Lärchen und der Birkenpilz – wie sein Name bereits vermuten lässt – ausschließlich mit Birken. Pilzfreunde können sich dieses Wissen zunutze machen: Sie suchen zuerst den passenden Baumbestand und finden dann den gewünschten Pilz.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Wie Wälder unseren Planeten abkühlen

Natürliche Klimaanlagen

Dass Bäume mithilfe von Wasser und Luft energiereiche Glukose produzieren, ist nicht nur für ihre Pilzpartner äußerst nützlich. Auch der Mensch profitiert davon. Denn zum einen verwerten die Bäume wie alle grünen Pflanzen bei dem Prozess der Fotosynthese das klimaschädliche Treibhausgas CO2 – zum anderen entsteht dabei neben Traubenzucker der für uns so wichtige Sauerstoff.

Tief durchatmen: Bäume versorgen uns mit sauberer Luft. © Antonio Guillem/ iStock.com

Eine freistehende, 25 Meter hohe Buche kann während der Vegetationsperiode im Sommer zum Beispiel innerhalb einer einzigen Stunde 1,75 Kilogramm dieses Gases freisetzen und damit leicht mehrere Menschen versorgen. Kurzum: Bäume liefern uns die sprichwörtliche Luft zum Atmen und verhindern, dass sich die Atmosphäre lebensfeindlich aufheizt.

Grüne Kohlenstoffspeicher

Im Durchschnitt entzieht ein Baum der Umwelt jährlich rund zehn Kilogramm Kohlendioxid und speichert dieses langfristig in Form von Kohlenstoff – wie viel genau, hängt allerdings erheblich von Faktoren wie der Art, der Holzdichte und dem Alter des Baumes ab.

Wissenschaftler vom Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde haben sich vor zwei Jahren die Mühe gemacht, zu berechnen, wie viel Kohlenstoff die Wälder allein in Deutschland bevorraten. Ihre Bilanz: In Bäumen, Böden und Totholz sind derzeit insgesamt etwa 2.000 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden.

Puffer-Hotspot Regenwald

Die rund drei Billionen Bäume auf der Erde stellen dank ihrer Speicherfunktion einen bedeutenden Teil der grünen Lunge unseres Planeten dar. Insbesondere den Regenwäldern in Südamerika, Afrika und Asien kommt mit ihren gigantischen Baumriesen eine tragende Rolle als Puffer im Klimasystem zu.

Doch die wertvollen Speicher sind in Gefahr: Weil immer mehr Bäume abgeholzt oder durch Brandrodung vernichtet werden, nehmen die Wälder immer weniger CO2 auf. Hinzu kommt: Verbleibenden Bäumen machen vielerorts klimawandelbedingte Phänomene wie häufigere Dürren zu schaffen. Forscher konnten zeigen, dass ausgerechnet große Bäume sensibel darauf reagieren: Sie wachsen weniger und setzen demzufolge weniger Kohlendioxid um – oder sie sterben gar komplett ab.

Filter für saubere Luft

Ihre Fähigkeit zur CO2-Entsorgung ist vielleicht die bedeutendste, jedoch nicht die einzige Eigenschaft der Bäume, die einen Einfluss auf das Klima hat: Wenn sie an einem heißen, sonnigen Tag bis zu 400 Liter Wasser verdunsten, erhöhen die Pflanzen die Luftfeuchtigkeit um bis zu zehn Prozent. Weil das Wasser beim Verdunsten Wärme verbraucht, können sie ihre Umgebung auf diese Weise um bis zu drei Grad abkühlen. Außerdem wirken sie als effektive Staubfilter: Ein Baum mit einer Blattfläche von rund 1.600 Quadratmetern kann pro Jahr bis zu einer Tonne der kleinen Partikel aus der Luft holen.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Warum es Stadtbäume schwer haben

Leben unter Extrembedingungen

In der Stadt erbringen Bäume ihre klimaregulierenden Leistungen unter ausgesprochen schwierigen Bedingungen: Abgase, Staub und Dreck verschmutzen die Luft in Ballungsräumen besonders stark, sodass der Baum in seiner Rolle als Staubfilter viel zu tun hat. Diese Belastung geht an ihm oft nicht spurlos vorüber. Gerade die feinsten, nur rund ein hunderttausendstel Millimeter großen Partikel von Staub und Abgasen können in die Spaltöffnungen der Blätter eindringen und dort Schäden an Geweben und Zellen anrichten.

Verkehrsabgase können Schäden an Blattgewebe und -zellen anrichten. © Zhudifeng/ iStock.com

Doch das ist nicht alles: Die Wurzeln der Bäume müssen sich im städtischen Boden immer wieder durch extrem dichtes Material hindurchzwängen und Umwege um Beton, Rohre und Leitungen nehmen. Haben sie Pech, geraten sie dabei in eine der in der Großstadt so zahlreichen Baustellen und werden gekappt.

Zu warm und zu trocken

Auch um ihren Stamm herum bleibt vielen Stadtbäumen nur wenig Platz – vor allem, wenn sie Straßen säumen, denn dort ist offenes Erdreich rar und nach wenigen Quadratmetern versiegelt meist wieder Asphalt den Boden. Doch für die Bäume ist unbedeckte Erde lebenswichtig, damit genügend Wasser bis zu ihren Wurzeln sickern kann.

Gerade in Kombination mit einer anderen Widrigkeit des urbanen Umfelds bereitet dies den Pflanzen Stress: der Wärme. Bäume sind in der Stadt rund drei bis fünf Grad höheren Temperaturen ausgesetzt als im dünner besiedelten Umland, weil Siedlungen, Verkehr und Industrie die Umgebung aufheizen. Die Wärme führt dazu, dass über die Blätter vermehrt Wasser verdunstet. „Weil der Baum aber durch die Bodenversiegelung nicht mehr Wasser bekommt, hat er gleichzeitig Trockenstress“, sagt Bernd Roser von der Fachgruppe Stadtbäume bei der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz.

Fiese Schädlinge

Die Wärme lockt zudem Schädlingsinsekten an: Diese vermehren sich dank der wohligen Temperaturen in Städten besonders gut – zum Leidwesen der Bäume. Läuse & Co befallen sie viel häufiger als ihre Artgenossen auf dem Land und können sich negativ auf das Wachstum auswirken.

Doch auch die Wärme selbst scheint die Fotosynthese-Tätigkeit und damit das Wachstum der Bäume zu hemmen, wie Wissenschaftler von der North Carolina State University in Raleigh kürzlich herausfanden. Das bedeutet auch: Die Pflanzen setzen weniger Kohlendioxid um und ihre Speicherkapazität sinkt.

Grüne Oasen wie der Central Park in New York steigern unser Wohlbefinden. © Createsima/ freeimages

Gesund dank grüner Viertel

Der Stress der Stadt zeigt sich auch in der Lebenserwartung der Bäume: Sie altern schneller. Ein Baum, der im Wald oder in einer Grünanlage leicht ein Alter von 200 Jahren erreicht, wird an der Straße oft nur 60. Gerade in einer solchen Umgebung sind gesunde, langlebige Bäume für uns jedoch sehr wertvoll: Sie fördern die Gesundheit – und ihr positiver Einfluss lässt sich sogar quantifizieren.

Studien zeigen: Bereits zehn Bäume mehr steigern das Wohlbefinden der Anwohner ähnlich stark, als wenn sie sieben Jahre jünger wären oder als wenn man das Einkommen dieser Haushalte um gut 7.000 Euro pro Jahr erhöhen würde. Eine ähnliche Menge zusätzlicher Bäume kann zudem die Gefäße der Bewohner um 1,4 Jahre verjüngen und auf diese Weise Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen.

„Schon eine kleine Zunahme der Baumdichte verbessert die Gesundheit merklich und das auf kostengünstige Weise“, sagt der Umweltpsychologe Omid Kardan von der University of Chicago. Neben der Verbesserung der Luftqualität führen der Forscher und seine Kollegen dies auf psychologische Effekte zurück: Das Grün der Bäume könnte entspannend wirken, zum Stressabbau beitragen und die Menschen dazu motivieren, sich zu Fuß im Viertel zu bewegen.

Die Hopfenbuche: ein potenzieller Zukunftsbaum. © GHAgedorn/ CC-by-sa 3.0

Zukunftsbäume gesucht!

Damit wir auch in Zukunft von der gesundheitsfördernden Wirkung von Stadt- und Straßenbäumen profitieren können, suchen Fachleute längst nach zukunftsträchtigen Arten: Bäume, die besser mit den Bedingungen des urbanen Umfelds umgehen können als bislang beliebte Arten – und die auch den Veränderungen durch den Klimawandel trotzen können.

Als vielversprechend gelten Bäume aus dem südosteuropäischen, aber auch nordamerikanischen und asiatischen Raum. Sie vertragen mehr Trockenheit und können gleichzeitig einen Spätfrost im Frühjahr überstehen. Statt Ahorn, Linde oder Platane könnten künftig etwa Hopfenbuchen, Zelkoven oder Amberbäume unser Stadtbild prägen.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Wenn Rosskastanien bluten

Mein kranker Freund, der Baum

Ob Nährstoffmangel, Insekten, Pilze, Bakterien oder Viren: Es gibt viele Faktoren, die selbst den größten und widerstandsfähigsten Baum krankmachen können. Forstwissenschaftler wissen genau, auf welche Symptome sie achten müssen – und manche sind auch für Laien gut zu erkennen: Verliert ein Baum mitten im Sommer plötzlich Blätter oder Nadeln, ist sein Laub verfärbt oder welk, sind das eindeutige Krankheitszeichen.

Gibt es bald keine Kastanien mehr? © Solipsist/ CC-by-sa 2.0

Kleiner Erreger, großer Schaden

Der sogenannte Baumkrebs ist ebenfalls ein verräterisches Indiz: Durch eine Infektion verursachte Wunden versucht die Pflanze durch die Bildung von neuem Gewebe zu schließen. An Zweigen, Ästen oder am Stamm entstehen dabei große Wucherungen, die an ein Krebsgeschwür erinnern. Auch eine aktuell vermehrt grassierende Erkrankung kann diese Schutzreaktion hervorrufen. Der Patient: die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum).

Die Art ist kein neues Sorgenkind, doch diesmal ist ihre Situation besonders kritisch. Bis vor kurzem galten noch die gefräßigen Larven der nur fünf Millimeter große Miniermotte (Cameraria ohridella) als der größte Feind der Kastanie. Sie sorgen dafür, dass die Blätter braun werden und schließlich früh abfallen. Jetzt plagt viele Pflanzen zusätzlich ein noch kleinerer Schädling, der aber umso tödlicherer ist: das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi.

Blutende Rinde

Der stäbchenförmige Erreger ist auf die Rosskastanie spezialisiert und legt sich – getragen von Wind, Regen- oder Nebeltropfen – auf ihre Blätter, Früchte und Blüten. Dort reicht schon eine winzige Wunde, damit das Bakterium den Baum infizieren kann. Problemlos dringt es zum Beispiel an Stellen ein, wo Zweige abgeknickt oder Blätter abgefallen sind.

Bakterien lassen das Holz faul und das Laub schütter werden. © Lamiot/ CC-by-sa 3.0

Die Folgen sind unübersehbar: Tritt die Kastanienkrankheit auf, bekommt die Rinde Risse und schwarze, nass-„blutende“ Wunden, die dann eine gute Angriffsfläche für holzzersetzende Pilze bieten. Das Laub des Baumes wird schütter, sein Holz faul. Schließlich schwächt der Pilzbefall die Pflanze so, dass sie ihre eigenen Äste nicht mehr tragen kann.

Bedenkliche Entwicklung

Nachgewiesen wurde das Bakterium erstmals in den 1970er Jahren – allerdings in Indien. In Europa kam der Erreger zunächst in England und den Niederlanden vor und hat sich von dort mittlerweile in ganz Mitteleuropa ausgebreitet. In Deutschland schlug er erstmalig im Jahr 2007 zu. Ließ die Infektion zunächst nur die Rinde absterben, ist der Erreger nun offenbar aggressiver geworden.

Seit einigen Jahren manifestiert sich die Kastanienkrankheit durch immer stärkeren Befall von unterschiedlichen Pilzen wie dem Austernseitling oder dem Samtfußrübling, berichten Dirk Dujesiefken und Oliver Gaiser vom Institut für Baumpflege in Hamburg: „Inzwischen ist die Entwicklung dieser Krankheit so stark, dass man von einem Rosskastanien-Sterben sprechen muss.“

Rosskastanie adé?

Die Wissenschaftler haben das Ausmaß der Plage untersucht und befürchten, dass ganze Bestände wie zum Beispiel Alleen in Gefahr sind. Die Krankheit entwickle sich in Deutschland so rasant, dass der größte Teil der Rosskastanien in den kommenden fünf Jahren abgestorben sein könnte. Ein wirksames Heilmittel gibt es bisher nicht. Nur in seltenen Fällen hat ein Baum genügend Abwehrkraft, um dem Bakterium trotzen. Dann schließen sich die Wunden in seiner Rinde wieder.

Erfüllen sich die Hiobsbotschaften, könnte der Rosskastanie ein ähnliches Schicksal drohen wie der Ulme: Die mitteleuropäischen Arten hat eine durch den Ulmensplintkäfer verbreitete, aus Ostasien eingeschleppte Pilzkrankheit an den Rand des Aussterbens gebracht. Während der letzten Welle dieses Ulmensterbens fielen in den 1970er Jahren allein in England 20 Millionen Bäume der Krankheit zum Opfer – rund 70 Prozent des ursprünglichen Bestandes.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016

Was Bäume zum menschlichen Kulturgut macht

Zwischen Ressource und Mythos

Mensch und Baum verbindet seit jeher eine ganz besondere Beziehung. © Danmirica12/ iStock.com

Bäume spielen in der Geschichte des Menschen eine besondere Rolle. „Kein anderes Geschöpf ist mit dem Geschick der Menschheit so vielfältig, so eng verknüpft wie der Baum“, schreibt der Kulturhistoriker Alexander Demandt. Für ihn beginnt die kulturelle Beziehung zwischen Mensch und Baum mit dem Feuer, das der Blitz in die Bäume schlug. Kannten unsere Urahnen brennende Wälder zunächst als zerstörerische Naturgewalt, lernten sie später, Wildfeuer zu zähmen und schließlich sogar selbst Feuer zu entfachen.

Unsere Vorfahren konnten nun Nahrung erhitzen und durch Räuchern haltbar machen. Zugleich boten die Flammen Wärme, Licht und Schutz vor Raubtieren. Doch das Holz diente den Steinzeitmenschen nicht nur als Brennmaterial. Sie verwendeten es auch für Werkzeuge und Waffen. Schon die Neandertaler benutzten etwa Holzsplitter wie eine Art Zahnstocher, frühe Jäger nutzten Holzspeere für die Jagd und Steinzeitkünstler malten mit Holzkohle Bilder an Felswände.

Holz wurde im Laufe der Evolution des Menschen zunehmend zum bedeutenden Rohstoff. © Krzys16/ iStock.com

Holz- und Obstlieferant

Das Holz der Bäume wurde im Laufe der Entwicklung des Menschen zunehmend zum bedeutenden Rohstoff – trotz moderner Materialien wie Stahl und Beton ist es noch heute eines der wichtigsten Bau- und Werkstoffe weltweit. Doch nicht nur als Holzlieferant sind Bäume für den Menschen von Bedeutung. Auch ihre Blüten, Blätter, Früchte und Samen haben wir für uns entdeckt – ob als Ausgangsstoff für Farbstoffe, Aromageber für Tees oder Vitamin- und Energielieferant.

Besonders der Obstanbau ist in vielen Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Tatsächlich waren Obstbäume auch die ersten Kulturpflanzen, die Menschen anbauten, als sie begannen, sich vom Jäger und Sammler-Dasein abzuwenden. Weniger lukrativ, dafür aber umso beliebter ist eine weitere von Bäumen zur Verfügung gestellte Ressource: Schatten.

Sitz der Götter

Dass Bäume das Leben der Menschen seit Jahrtausenden mitgestalten, zeigt sich auch darin, dass sie tief in unserem Denken verwurzelt sind. Egal ob wir „Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen“, vom Stammbaum des Lebens sprechen oder „auf dem Holzweg“ sind – im alltäglichen Sprachgebrauch sind Bäume omnipräsent.

Auch im Kontext religiöser Traditionen und Brauchtum sind die Pflanzen allgegenwärtig. So gelten Bäume in vielen alten Kulturen als Sitz von Göttern und Geistern. Kelten, Slawen, Germanen und Balten verehrten einst in Götterhainen Bäume. Die Römer feierten den Jahreswechsel mit grünen Zweigen und bei der Wintersonnenwende diente ein geschmückter Baum als Symbol des Neuanfangs: Er sollte die Wiederkehr des Lichts und den Sieg des Lichtgotts Mithras ehren.

Weihnachten ohne Baum? Für viele schwer vorstellbar. © Purestock/ iStock.com

Von Weihnachts- bis Maibaum

In der biblischen Schöpfungsgeschichte spielen der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis eine zentrale Rolle. Auch christliche Heilige erscheinen den Legenden zufolge häufig in der Nähe von Hainen und Bäumen – rund um die Gewächse sind deshalb viele Wallfahrtsorte entstanden.

Die Symbolkraft der Bäume ist durch alle Epochen hindurch lebendig geblieben. Noch heute gilt der Pfirsichbaum in China als Baum der Unsterblichkeit. Der Bodhibaum, unter dem Buddha Erleuchtung fand, ist im Buddhismus ein Symbol des Erwachens. Und bei uns zeugen Weihnachtsbaum, Osterstrauch und Maibaum davon, dass Bäume noch immer unser kulturelles Leben prägen.

Daniela Albat
Stand: 28.10.2016