Supernovae vom Typ 1a als kosmische Leuchttürme

Heller als Milliarden Sonnen

Supernovae können heller sein als Milliarden Sonnen - dies dauert aber nicht lange an. © Nob3L/ freeimages

Für kurze Zeit strahlen sie heller als eine ganze Galaxie: Wenn ein Stern in einer Supernova explodiert, ist der Lichtblitz weithin sichtbar. Für die Astronomen ist dieser spektakuläre Sternentod ein wertvolles Werkzeug, denn er verrät Grundlegendes über unser Universum und seine Geschichte.

Doch gerade die kosmischen Leuchttürme der Supernovae vom Typ 1a geben Forschern noch viele Rätsel auf. Denn was genau diese Explosionen von Weißen Zwerge auslöst und wie sie abläuft, beginnen die Astronomen erst allmählich zu entschlüsseln. Das Problem dabei: Bisher hat niemand den Ablauf einer solchen Explosion live und aus der Nähe mitverfolgt. Astrophysiker der Universität Heidelberg simulieren den spektakulären Sternentod daher mithilfe des Computers und finden neue, überraschende Antworten.

Friedrich Röpke, Universität Heideloberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016

Sternexplosionen als Werkzeug der Astronomen

Hilfreiche Lichtblitze

Man nennt sie die „Leuchttürme des Universums“ – Supernovae, die für einige Tage oder Wochen hell am Himmel aufscheinen. Wie die Seefahrtszeichen senden sie ein Lichtsignal aus, das sie über weite Entfernungen sichtbar macht und uns ihre Position erkennen lässt.

Diese Supernova (links unten) ist fast so hell wie die Galaxie, an deren Rand sie liegt. Diese Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt die Supernova SN1994D. © NASA/ESA, The Hubble Key Project Team and The High-Z Supernova Search Team

Der Lichtblitz einer solchen Supernova gehört zu den hellsten Ereignissen im heutigen Universum – fast alle anderen astrophysikalischen Objekte werden hiervon in den Schatten gestellt. Eine Supernova ist für kurze Zeit so hell wie die gesamte Galaxie, in der sie sich befindet. Die gängige Erklärung der Astrophysiker für dieses beeindruckende Ereignis ist die Explosion des Sterns: Während er stirbt, leuchtet er so hell wie die hundert Milliarden Sterne in seiner unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft.

Kosmische Messlatte

Supernovae sind aber nicht nur faszinierende astronomische Ereignisse, sondern auch wichtige Objekte der Kosmologie – dem Teilgebiet der Physik, das verstehen will, wie das Weltall aufgebaut ist, woraus es besteht und wie es sich entwickelt. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, gilt es, das Universum zu vermessen.

Im Jahr 1572 war eine Supernova sogar mit bloßem Auge am Himmel zu sehen. Der Astronom Tycho Brahe beschrieb sie damals eingehend. © Historisch

Dabei geht es jedoch nicht allein darum, die Position astronomischer Objekte in ihrer Projektion am Himmel zu bestimmen. Die weitaus schwierigere Aufgabe ist es, ihre räumliche Verteilung und deren Entwicklung zu rekonstruieren. Den Abstand eines Sterns von uns zu bestimmen, ist eine große Herausforderung. Viele Messmethoden funktionieren nur in unserer nahen kosmischen Umgebung, also in der Milchstraße und in Nachbargalaxien.

Will man das Universum auf großen Skalen vermessen, sind extrem leuchtstarke Objekte nötig – eben jene Supernovae, die über große kosmologische Distanzen beobachtet werden können. Von besonderer Bedeutung sind dabei Supernovae des Typs Ia, denn im Unterschied zu allen anderen Supernova-Typen zeichnen sie sich neben ihrer Helligkeit zusätzlich durch eine weitere, nicht minder bemerkenswerte Eigenschaft aus – ihre ungewöhnliche Homogenität. Dies macht sie zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Kosmologen.

Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016

Aus der Leuchtkraft auf die Entfernung schließen

Ins Rot verschoben

Von der Beobachtung naher Typ-Ia-Supernovae wissen wir, dass ihre maximale Leuchtkraft nur wenig schwankt. Sobald die Helligkeit eines Objekts bekannt ist, lässt sich seine sogenannte Leuchtkraft-Entfernung bestimmen. Dabei macht man sich den Umstand zunutze, dass Lichtquellen dunkler erscheinen, wenn sie aus größerem Abstand betrachtet werden.

Was Helligkeit und Spektrum verraten

Aus der scheinbaren Verdunkelung einer Supernova im Vergleich zu ihrer intrinsischen Helligkeit kann man folglich direkt ableiten, wie weit sie entfernt ist. Das Lichtsignal, das Typ-Ia-Supernovae aussenden, ermöglicht es uns daher, das Universum zu vermessen. Es ist ein bemerkenswerter Zufall und glücklicher Umstand, dass eine Klasse extrem leuchtstarker Ereignisse aufgrund ihrer gleichmäßigen Helligkeit geeignet ist, mit ihnen Abstände zu vermessen.

Edwin Hubble entdeckte die kosmische Expansion, indem er die Rotverschiebung verschieden weit entfernter Galaxien verglich. © NASA/ESA, STScI/AURA - Hubble Collaboration

Wegen der endlichen Geschwindigkeit, mit der sich Licht ausbreitet, ist es nun aber so: Wenn wir weit entfernte astronomische Quellen beobachten, sehen wir nicht nur weit in den Raum hinaus, sondern auch weit zurück in die Vergangenheit. Das Universum dehnt sich aus, wie der amerikanische Astronom Edwin Hubble bereits in den 1920er Jahren zeigen konnte. Somit wird die Wellenlänge eines Lichtsignals auf dem Weg zu uns gestreckt.

Der Kosmos dehnt sich aus – immer schneller

Der Fachmann spricht von der kosmologischen Rotverschiebung, die durch die Verschiebung der Linien in Spektren gut bestimmt werden kann. Misst man den Abstand eines entfernten Objekts und bestimmt gleichzeitig seine Rotverschiebung, wird es möglich, die Geschichte der Expansion des Universums zu rekonstruieren. Diese Messungen erfolgten bereits in den 1990er Jahren mit großer Präzision.

Die Astronomen beobachteten entfernte Typ-Ia-Supernovae und kamen zu dem überraschenden Befund, dass sich das Universum in beschleunigter Weise ausdehnt. Diese Erkenntnis stellte das herrschende Weltbild der Physik grundsätzlich infrage und wurde im Jahr 2011 mit dem Nobelpreis für Physik bedacht. Als ursächlich für die beschleunigte Expansion gilt nach heutigem Kenntnisstand die sogenannte Dunkle Energie – deren physikalische Natur aber ist noch völlig unklar.

Die Grafik zeigt die typischen Lichtkurven von Supernovae verschiedenen Typs. © NASA/CXC/ UC Berkeley/ N.Smith et al.

Die Frage nach dem physikalischen Mechanismus

Die bisherigen Studien zur Vermessung des Universums basieren auf der Annahme, genau zu wissen, wie hell Supernovae vom Typ Ia sind. In der Tat variieren sie in ihrer maximalen Leuchtkraft weit weniger als andere Supernovae-Typen. Dennoch gibt es Schwankungen, aufgrund derer es unmöglich ist, den Abstand wirklich präzise zu messen.

Die Astronomen behelfen sich hier mit einem Befund, der aus der Beobachtung naher Supernovae-Ereignisse stammt: Hellere Ereignisse fallen in ihrer Leuchtkraft langsamer ab als dunklere. Diese Erkenntnis verwenden die Wissenschaftler, um ihre Abstandsmessungen zu kalibrieren. Eine Erklärung für den unterschiedlichen Abfall in der Leuchtkraft steht bislang noch aus.

Sie ist aber wichtig, um begründen zu können, dass die Beziehung, die zur Kalibrierung eingesetzt wird, für alle Typ-Ia-Supernovae gilt – nicht nur für die beobachteten nahen, sondern auch für sehr weit entfernte Objekte. Immerhin beziehen die kosmologischen Abstandsmessungen Supernovae-Ereignisse ein, die sich abspielten, als das Universum nur halb so groß war wie heute. Es stellt sich also die Frage nach dem genauen physikalischen Mechanismus, der der astronomisch definierten Klasse von Typ-Ia-Supernovae zugrunde liegt.

Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016

Supernovae haben zwei große stellare Energiequellen

Kollaps oder Kernfusion

Grundsätzlich ist die enorme Freisetzung von Energie, zu der es bei den zerstörerischen Supernovae-Ereignissen kommt, nur durch zwei große Energiequellen erklärbar: die gravitative Bindungsenergie und die nukleare Energie des stellaren Materials.

Gravitative Bindungsenergie wird frei, wenn der Kern eines massereichen Sterns nach Verbrauch seines nuklearen Brennstoffs in sich zusammenfällt und zu einem kompakten Objekt wird: einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch. Nukleare Energie wird frei, wenn Sternenmaterial aus leichten Kernen im sogenannten thermonuklearen Brennen in schwere Elemente umgewandelt wird.

Diese Simulation zeigt die Explosion eines Weißen Zwergs in einer Typ-1a-Supernova. © Argonne National Laboratory / CC-by-sa 2.0

Weißer Zwerg als Ausgangsobjekt

Alle Klassen von Supernovae werden dem ersten Mechanismus zugeschrieben – mit Ausnahme der Typ-Ia-Supernovae. Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese aus der Explosion Weißer Zwergsterne hervorgehen und somit ihre Energie aus thermonuklearem Brennen beziehen. Weiße Zwergsterne sind die vorläufigen Endstadien von Sternen mittlerer und geringer Masse. Bei ihnen zündet das Kohlenstoffbrennen nach der Fusion von Helium zu Kohlenstoff nicht, weil ihre Masse zu klein ist.

Weil die Energiequelle fehlt, verliert der Stern seine Stabilität, die durch thermischen Druck zustande kommt: Er stürzt zusammen, bis er etwa so groß wie ein Planet ist. Seine Masse aber ist immer noch vergleichbar mit der eines großen Sterns – somit wird die Dichte des Zwergsterns extrem hoch. Hier bewirkt ein quantenmechanischer Effekt – die sogenannte Entartung der Elektronen des stellaren Materials – eine Stabilisierung.

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Wann explodiert er?

Diese Stabilität ist nicht mehr abhängig von endlichen Energievorräten wie beim thermonuklearen Brennen. Deshalb sind Weiße Zwergsterne im Prinzip stabil bis in alle Ewigkeit. Eine ebenso aktuelle wie fundamentale Frage der Supernovae-Physik ist: Wann und wie kann so ein Weißer Zwergstern trotz seiner Stabilität einen Zustand erreichen, in dem eine Explosion zündet und eine Typ-Ia-Supernova entsteht?

Brennstoff ist ausreichend vorhanden. Die Fusion des kohlenstoffreichen Materials des Sterns zu Elementen der Eisengruppe – deren Kerne am stabilsten gebunden sind und bei denen die Möglichkeit der Energiegewinnung durch Fusion endet – kann prinzipiell eine Energiemenge freisetzen, die ausreichen würde, um die Sonne auf die Geschwindigkeit von 10.000 Kilometer pro Sekunde zu beschleunigen.

Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016

Warum und wie explodieren die Zwergsterne?

Das Rätsel der Weißen Zwerge

Bislang gibt es keine direkte Beobachtung eines explodierenden Weißen Zwergsterns, aus dem eine Typ-Ia-Supernova hervorgeht – dennoch können wir uns diesem Phänomen theoretisch nähern. Dies tun wir, indem wir mithilfe der weltweit derzeit leistungsstärksten Computer simulieren, unter welchen Voraussetzungen die Explosion eines Weißen Zwergsterns zustande kommen könnte und wie die thermonukleare Verbrennung im Detail abläuft.

Ein Weißer Zwerg saugt seinem Begleitstern, einem Roten Riesen, Materie ab - ist eine Grenze erreicht, explodiert er. © Antonello Zito/Wikipedia it, CC-by-sa 3.0

Materialklau führt zur Explosion

Wir wissen beispielsweise, dass der Stern in einem engen binären System mit einem Begleiter wechselwirken muss, damit die Explosion zündet. Das gängige Modell besagt, dass Material von einem normalen Stern auf den Weißen Zwergstern hinüberströmt. Die Folge ist, dass die Masse des Weißen Zwergsterns stetig anwächst, bis sie sich schließlich der sogenannten Chandrasekhar-Grenze nähert.

Bei noch höheren Massen können die entarteten Elektronen den Zwergstern nicht mehr stabilisieren. Nahe der Chandrasekhar-Grenze wächst die Dichte in seinem Zentrum gewaltig an, und letztendlich kommt es zur thermonuklearen Explosion. Dieses Szenario wurde lange Zeit als Standard angesehen – auch deshalb, weil es die Homogenität der Beobachtungsgrößen von Typ-Ia-Supernovae erklären kann: Es ist immer die gleiche Menge an Brennstoff verfügbar, festgelegt durch die Chandrasekhar-Grenze auf rund 1,4 Sonnen-Massen.

Zu selten, um alle zu erklären

Mit aufwendigen dreidimensionalen Simulationen ist es den Heidelberger Astronomen zusammen mit einem weltweiten Team von Mitarbeitern erstmals gelungen, systematisch und konsistent synthetische Beobachtungsgrößen vorherzusagen. Das erlaubt es nun, die theoretischen Modelle zu den Typ-Ia-Supernovae im direkten Vergleich mit astronomischen Daten zu überprüfen.

In den letzten Jahren sind zunehmend Zweifel an der Allgemeingültigkeit des Standardmodells aufgekommen. Systeme, in denen es tatsächlich möglich ist, einen Weißen Zwergstern zur Chandrasekhar-Masse zu bringen, sind in ihren Parametern sehr eingeschränkt. Sie sind deshalb wohl auch zu selten, um die beobachtete Anzahl von etwa einer Supernova vom Typ Ia pro Jahrhundert in einer milchstraßenähnlichen Galaxie – einem für kosmologische Verhältnisse recht häufigen Ereignis – zu erklären.

Wenn zwei Weiße Zwerge verschmelzen, erzegut dies Gravitationswellen und kann eine Supernova auslösen. © NASA/Dana Berry, Sky Works Digital

Es geht auch anders

Bereits vor rund fünf Jahren konnte unsere Gruppe mithilfe komplexer Computersimulationen zeigen, dass es auch andere Erklärungsmöglichkeiten gibt, etwa Systeme aus zwei Weißen Zwergsternen in einem engen Binärsystem, die aufgrund der Abstrahlung von Gravitationswellen und durch Gezeitenkräfte miteinander verschmelzen. Auch dann kann eine thermonukleare Explosion zünden.

Es stehen also mehrere Modelle bereit, die erklären können, wie es zu einer Typ-Ia-Supernova kommt. Die Aufgabe künftiger Forschungsarbeiten wird es sein, mit verbesserten Simulationen und Beobachtungen zu erforschen, welches der derzeitigen Szenarien die meisten Supernova-Ereignisse beschreiben kann beziehungsweise ob verschiedene Erklärungsmodelle zu diesem astronomischen Phänomen beitragen.

Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016

Warum sind die Supernovae so hell?

Das Licht der Leuchttürme

Und woher stammt nun das Licht, das Typ-Ia-Supernovae aussenden? Eine thermische Emission infolge der thermonuklearen Explosion scheidet als Erklärung aus: Die Explosionswolke fliegt mit sehr hoher Geschwindigkeit auseinander und kühlt zu schnell ab, um über Tage und Wochen für eine derart helle Erscheinung sorgen zu können.

Typische Lichtkurve einer Supernova vom Typ 1a – sie wird mit dem Zerfall des Nickels in Verbindung gebracht. © Xenoforme/ CC-by-sa 3.0

Nickelzerfall setzt Strahlung frei

Die durch das detaillierte Beobachten des Lichtabfalls in Typ-Ia-Supernovae belegte Theorie geht von einem Effekt der Nukleosynthese in der thermonuklearen Explosion aus – also der Bildung von Elementen bei der Kernfusion. Der Brennstoff des Sterns besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff und Sauerstoff, deren Hauptisotope im Kern die gleiche Anzahl von Protonen und Neutronen aufweisen.

Dementsprechend wird während des nuklearen Brennens das stabilste Metall-Isotop mit gleicher Protonen- und Neutronenzahl bevorzugt gebildet. Es handelt sich dabei um das Nickelisotop Nickel-56. Allgemein benötigen schwerere Kerne für ihre Stabilität jedoch einen leichten Überschuss an Neutronen. Deshalb zerfällt das Nickel-56 über Cobalt-56 zum stabilen Eisen-56, wobei Gammastrahlen und Positronen frei werden. Diese heizen das noch relativ dichte Material der Explosionswolke auf – und bedingen so die Emission von optischer Strahlung.

Unser Eisen kommt aus Sternexplosionen

Um die Helligkeit der meisten Typ-Ia-Supernovae zu erklären, ist der Zerfall von etwa einer halben Sonnenmasse Nickel-56 zu Eisen-56 nötig. Das ist auch der Grund dafür, warum Eisen auf der Erde ein relativ häufiges Element ist: Es ist das Zerfallsprodukt von radioaktivem Nickel, das in Supernova-Explosionen gebildet wird. Man nimmt an, dass etwa zwei Drittel des Eisens im Universum – und damit auch des Eisens auf unserer Erde – von Typ-Ia-Supernovae synthetisiert worden sind.

Somit fungieren Supernovae nicht nur als kosmische Leuchttürme – sie tragen auch wesentlich zur chemischen Entwicklung von Galaxien bei. Diese ist ein weiteres hochaktuelles Forschungsgebiet der Astrophysik. In Heidelberg wird es derzeit von mehreren Gruppen im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 881 „The Milky Way System“ bearbeitet.

Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016