In der antiken Stadt Athen besaßen Frauen keine bürgerlichen Rechte. Nur Männern war es beispielsweise gestattet zu wählen oder eine öffentliche Position zu bekleiden. Die Meinung der Frauen und auch ihr Selbstbestimmungsrecht spielten eine geringe bis keine Rolle. So konnten gebürtige Athenerinnen etwa nicht alleine leben, sondern mussten entweder im Hause ihres Vaters, Mannes oder ältesten Sohnes wohnen. Im Todesfall des Ehemannes wurden sie sogar oft von ihm an einen anderen Mann „vererbt“. Außerdem waren Frauen als Aufseherin der Bediensteten und der Kinder weitgehend in die Haushalte verbannt. Zum öffentlichen Leben und zu einer philosophisch-wissenschaftlichen Bildung hatten sie daher keinen Zutritt, auch Bankette und Feste fanden ohne sie statt.
Historisches Gemälde: "Die Schule von Athen" von Raffaello Sanzio (Anfang des 16. Jahrhunderts). © gemeinfrei
Zugang nur als Stadtfremde
Die einzige Ausnahme bildeten von außerhalb kommende bürgerliche Frauen: Sie unterlagen nicht den strikten gesellschaftlichen Regularien wie die Athenerinnen, waren allerdings zugleich nicht durch das Gesetz geschützt. Einige von ihnen taten es deshalb der Romanfigur „Die Päpstin“ gleich und verkleideten sich als Männer. Beispiele hierfür sind Axiothea von Phlius oder Lasthenia von Mantinea. Sie gaben sich als Männer aus, um an Platons berühmter Akademie zu studieren. Von beiden ist bekannt, dass sie, wie andere Schüler Platons auch, ihre eigenen Lehren entwickelten. Hiervon ist jedoch nichts Schriftliches überliefert. Platons 24 Dialoge oder die Lehren des Aristoteles – eines zeitweiligen Akademie-Schülers – können wir hingegen noch heute lesen.
Eine andere Strategie nicht-athenischer Frauen war es, sich einen einheimischen Mann als Freund und Beschützer zu suchen. Da die Stadt jedoch sehr bedacht auf den Schutz des „reinen Athener Geschlechts“ war, konnte ein Athener Mann mit einer stadtfremden Frau kein Kind zeugen, welches das Bürgerrecht von Athen erhalten hätte. Dies mag ein Grund dafür sein, warum die Milesierin Aspasia von Milet – der Legende nach Frau oder Geliebte des athenischen Herrschers Perikles und Mutter seines Kindes, in der griechischen Komödie als Hetäre – als Prostituierte also – Darstellung findet.
Büste Aspasia von Milets: römische Kopie nach griechischen Original. (Pergamonmuseum Berlin) © Daigaz/CC-by-sa-3.0
Aspasia – eine einflussreiche Philosophin?
Doch Aspasia, die sich mit Perikles einen mächtigen Beschützer gewählt hatte, scheint dennoch eine einflussreiche Frau gewesen zu sein. Sie gründete eine Art philosophischen Salon, der legendär wurde und den sie nicht nur als Gastgeberin, sondern auch als Philosophin leitete. Außerdem soll sie Initiatorin einer Mädchenschule gewesen sein an der sie selbst unterrichtete. Als Rhetorikerin machte sie sich durch die legendären Reden des Perikles, an denen sie offenbar maßgeblich beteiligt war, einen Namen. Sokrates bezeichnet sie in einem von Platons Dialogen, in denen dieser seine philosophische Lehre darzulegen pflegte als seine Rhetoriklehrerin. Bisweilen wird sogar vermutet, dass die sogenannte „sokratische Methode“ in Wahrheit von ihr stammt. Hierbei handelt es sich um eine philosophische Technik der Argumentation, die gemeinhin dem Philosophen Sokrates zugeschrieben wird.
Nachzulesen ist jedoch auch dies nicht, da von Aspasia keine Texte und Lehren erhalten sind. Bis heute gibt es zudem Zweifel an ihren Fähigkeiten: „Als Historiker können nicht den Witz, dass Aspasia den Perikles in Redekunst unterwies und somit eine meisterliche Rhetorikerin war erwiesen betrachten“, schreibt etwa der Historiker Robert W. Wallace von der privaten Northwestern Universität in Illinois über sie.
Historisches Gemälde: Aspasia inmitten der griechischen Philosophen. Michel Corneille, um 1672 (Standort: Versaille). © RMN/gemeinfrei
Zwischen Diffamierung und Umwidmung
Naturgemäß wird es, je weiter man in der Geschichte zurückgeht, immer schwieriger, ein schriftlich überliefertes, wahrheitsgemäßes Bild der Vergangenheit zu erhalten. Interessant ist aber, dass die Lehren weiblicher Philosophinnen und Wissenschaftlerinnen im Gegensatz zu vielen Texten ihrer männlichen Kollegen aus derselben Zeit nicht erhalten sind. Zudem wurden wissenschaftlich tätige Frauen häufig noch im Nachhinein diffamiert. Aspasia wurde später nicht nur als Hetäre dargestellt, sondern auch für eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Athen und Sparta verantwortlich gemacht. Details und die Wahrheit über Aspasia bleiben jedoch, wie so oft, hier im Dunkeln.
Auch die Antike-Forscherin und Nonne Prudence Allen vermutet in ihrem Buch „Das Konzept der Frauen“, dass im Falle weiblicher Philosophinnen oft gezielt manipuliert wurde. So seien Theorien weiblicher Denkerinnen im Nachhinein bewusst ihren männlichen Zeitgenossen zugeschrieben worden. Die Rezensenten hätten damit erreichen wollen, dass die Lehren erhalten blieben. Denn da Frauen als Philosophinnen damals nicht ernst genommen wurden, hatten Texte mit vermeintlich männlichen, bereits renommierten Autoren eine größere Überlebenschance, so ihre Hypothese. Obgleich dies Spekulation bleiben muss, würde es die geringe Materialmenge weiblichen Ursprunges aus dieser Zeit schlüssig erklären.
Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012