Frauen in der Wissenschaft gestern und heute

Vergessene Koryphäen

Historisches Portrait Antoine de Lavoisiers und seiner Frau Marie-Anne Pierrette Paulze von Jacques-Louis David (1748–1825). © gemeinfrei

Wer klärte die Struktur der DNA auf? James Watson und Francis Crick! Wer entdeckte und beschrieb die Uran-Spaltung? Otto Hahn! Aber wer sind dann Rosalind Franklin und Lise Meitner? Oder Hypatia, Cecile Vogt und Barbara Mc Clintock? Sie und viele andere Frauen haben mit ihren wissenschaftlichen Leistungen unsere Forschungsgeschichte geprägt – doch sie wurden meist vergessen, verdrängt oder sogar totgeschwiegen. Warum?

Seit die Menschen begannen, die uns umgebende Welt zu erforschen, gab es auch weibliche Wissenschaftlerinnen. Diese haben wichtige Beiträge zur Forschung geleistet und die Gesellschaft intensiv mitgeprägt. Die oft scharfen Restriktionen ihrer Zeit, eine Leugnung ihrer Tätigkeiten, Diffamierung ihrer Person oder die nachträglicher Zuschreibung ihrer Forschungsergebnisse an männliche Zeitgenossen verhinderten jedoch meist den Aufstieg von Frauen in den Wissensolymp. Ihre Spuren wurden nicht selten so sehr verwischt, dass außer einer Anekdote nichts von ihnen erhalten blieb. Doch was machte es den Frauen so schwer und warum kennen wir bis heute so wenige von ihnen?

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Erste Hürde: Bildungsbarrieren für Frauen

„…damit er nicht gelangweilt werde“

Weibliche Namen sind noch heute eine Seltenheit in wissenschaftlichen Enzyklopädien. Einer der Gründe hierfür ist, dass Frauen und Mädchen meist bereits der Zugang zu Bildung versperrt blieb. Dieses unausgeglichene Männer-Frauen-Machtverhältnis entwickelte und festigte sich über Jahrhunderte hinweg. Erst spät sollte sich daran etwas ändern…

Historisches Portrait von Dorothea Christiane Erxleben (13. November 1715 - 13. Juni 1762). © Bbrenig/gemeinfrei

Ausnahme dank royaler Unterstützung

Als erste Preußin promovierte Dorothea Erxleben im Jahr 1754 mit 38 Jahren im Fach Medizin. Der Titel ihrer Arbeit lautete: „Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsicheren Heilung der Krankheiten“. Zwar war das Studium für Frauen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestattet, doch kam sie dank des Privatunterrichts ihres Vater (einem Arzt) bereits früh mit der Medizin in Kontakt und konnte aufgrund eines Sonderbefehls des Preußischen Königs ihre Promotion an der Universität Halle ablegen.

Doch für die Mehrheit ihrer Zeitgenossinnen gab es diese Chance nicht: Denn nicht nur das Immatrikulationsverbot, sondern auch die mangelnde Vorbildung hinderten die jungen Mädchen damals am Universitätsbesuch. Das Gymnasium blieb für sie unzugänglich. Mädchen durften allenfalls sogenannte höhere Töchterschulen besuchen, wo sie zur Unterhaltung des Ehemannes ausgebildet wurden. Eindrücklich belegt dies etwa eine Denkschrift von 1872, die den Sinn einer solchen Schule als: „dem Weibe eine Geistesbildung zu ermöglichen, damit der deutsche Mann nicht durch die geistige Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit seiner Frau an dem häuslichen Herde gelangweilt werde“ beschreibt.

Fotografie: Helene Lange vor 1899. © Telrúnya/gemeinfrei

Frauenbewegung erkämpft die Frauenbildung

Im 18. Jahrhundert konnten somit nur Frauen studieren, die wie Dorothea Erxleben eine private Ausbildung erhalten hatten. Nach Erxlebens Promotion mussten noch mehr als 150 Jahre vergehen, bis die Frauenbewegung erste Erfolge für die Bildung von Mädchen errang. Dafür sorgte schließlich, gemeinsam mit anderen, die Frauenrechtlerin und Pädagogin Helene Lange. Die Pionierin erreichte es durch ihre Gymnasialkurse, dass die ersten Mädchen und Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin das Abitur ablegen konnten, weiterhin jedoch nur mit Sondergenehmigung.

Das Abitur war jedoch nur der erste Schritt, denn selbst wenn eine Frau es geschafft hatte, die Hürde der gymnasialen Ausbildung zu nehmen, stand sie immer noch vor verschlossenen Universitätstoren. Ein Zugang zu Bibliotheken und Universitätsgebäuden war ihr versagt. Die offizielle Zulassung weiblicher Studentinnen erfolgte in Preußen erst um 1905-1909, nachdem zuvor mehrere Anträge auf Zulassung von Frauen abgelehnt wurden. Die Habilitation war offiziell sogar erst ab 1920 gestattet. In der Schweiz und anderen Ländern ging dieser Prozess schneller voran. So konnten in Zürich Frauen bereits ab 1863 eingeschrieben werden. Auch in der Türkei ließ man ab 1894 Frauen, zumindest in den medizinischen Fakultäten, offiziell zum Studium zu. In Preußen hatten es abermals die Frauenbewegungen mittels Massenpetitionen und viel Druck geschafft, die Öffnung der Universitäten für Frauen gegen den Widerstand vieler Dozenten und Direktoren zu erzwingen.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Hypatia von Alexandria: Die frühe Gelehrte

Eine ermordete Philosophin

„Du Xanthippe!“ – das war früher ein gängiger Ausruf. Heute würde man wohl eher sagen: „Du Zicke!“. Dahinter steckt jedoch mehr als nur ein Schimpfwort: Es steht für das Bild der Frau als zänkischem Weib, welches dem Mann die Geistesarbeit und das Leben schwer macht – wie die Namensgeberin Xanthippe, die Frau des griechischen Philosophen Sokrates. Ein Bild, das sich bis heute hält.

Die Gelehrte Hypatia: Opfer eines Lynchmobs © Ausschnitt aus der "Schule von Athen" von Raffaello Sanzio (1511)

Besonders ausgeprägt war die abwertende Haltung bereits bei den antiken Naturphilosophinnen. Je nachdem, ob die von ihnen verbreitete Lehre in das Männer-dominierte Welt- und Gesellschaftsgefüge ihrer Zeit passte oder nicht, wurden sie geduldet, zu Tugendikonen oder zu Feindbildern stilisiert. So sind ihre Lehren, wie die der Perictione, der angeblichen Mutter Platons, dann häufig zumindest fragmentarisch erhalten, wenn sie von Tugendhaftigkeit im Haushalt und der demütigen Haltung gegenüber Familie und Ehemann handeln. Passten die Lehren weiblicher Philosophinnen nicht in dieses Schema, wurden sie zu Lebzeiten oder im Nachhinein häufig verunglimpft, ihre Lehren vernichtet oder einem männlichen Zeitgenossen zugeschrieben.

Hypatia: Und sie dreht sich doch!

Wer glaubt, die klassischen Natur-Philosophen der Antike seien ausnehmend männlich gewesen, der irrt gewaltig. Denn nicht nur Platon und Sokrates bestimmen unser heutiges Weltverständnis noch bis heute. Eines der prominentesten Beispiele weiblicher Philosophie, Astronomie und Mathemathematik ist Hypatia von Alexandria aus dem 4. Jahrhundert. Auch von ihren Lehren ist leider nichts erhalten. Hinweise auf ihr philosophisches Wirken finden sich aber in den Briefen ihres Freundes und Schülers, des späteren Bischofs Synesios von Kyrene. Diesen ist zu entnehmen, dass sie vor anderen Gelehrten, aber auch öffentlich auf der Straße unterrichtete. Bekannt ist zudem, dass sie bereits von der Richtigkeit des heliozentrischen Planetensystems überzeugt war und Forschungen in dieser Richtung betrieb. Die im Bezug hierauf falschen Überlegungen Aristoteles, der vom geozentrischen Weltbild ausging, sollten sich jedoch zunächst durchsetzen und später von der römisch-katholischen Kirche übernommen werden. So festigten sie sich, bis mehr als 1.000 Jahre später schließlich das heliozentrische System bewiesen wurde.

Idealisierende Darstellung von Hypatias Tod aus dem 19. Jahrhundert © Illustration von Charles William Mitchell, 1885

Die Todesumstände Hypatias sind legendär und spätestens seit der Verfilmung „Agora“ des spanischen Regisseurs Alejandro Amenábar von 2009 einem breiten Publikum bekannt. Denn als Philosophin und Anhängerin heidnischer Religionen wurde sie Opfer religiöser Machtkämpfe. So zerrte sie ein Mob aufgebrachter Christen in eine Kirche, ermordete sie und zerstückelte den Leichnam. Das Ereignis galt insbesondere modernen Kritikern der katholischen Kirche als Argument und Beweis für die Intoleranz und Wissenschaftsfeindlichkeit des Christentums dieser Zeit.

Aber auch außerhalb der christlichen Einfluss-Sphäre waren Frauen – und damit auch weibliche Gelehrte – häufig Bürger zweiter Klasse und mussten sich ihr Recht auf Bildung häufig mit Tricks und über Umwege erkämpfen. Dies galt beispielsweise auch für die berühmte Akademie Platons in Athen, einige Jahrhunderte früher…

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Weibliche Gelehrte im antiken Athen

Als Männer verkleidete Frauen und leichte Mädchen

In der antiken Stadt Athen besaßen Frauen keine bürgerlichen Rechte. Nur Männern war es beispielsweise gestattet zu wählen oder eine öffentliche Position zu bekleiden. Die Meinung der Frauen und auch ihr Selbstbestimmungsrecht spielten eine geringe bis keine Rolle. So konnten gebürtige Athenerinnen etwa nicht alleine leben, sondern mussten entweder im Hause ihres Vaters, Mannes oder ältesten Sohnes wohnen. Im Todesfall des Ehemannes wurden sie sogar oft von ihm an einen anderen Mann „vererbt“. Außerdem waren Frauen als Aufseherin der Bediensteten und der Kinder weitgehend in die Haushalte verbannt. Zum öffentlichen Leben und zu einer philosophisch-wissenschaftlichen Bildung hatten sie daher keinen Zutritt, auch Bankette und Feste fanden ohne sie statt.

Historisches Gemälde: "Die Schule von Athen" von Raffaello Sanzio (Anfang des 16. Jahrhunderts). © gemeinfrei

Zugang nur als Stadtfremde

Die einzige Ausnahme bildeten von außerhalb kommende bürgerliche Frauen: Sie unterlagen nicht den strikten gesellschaftlichen Regularien wie die Athenerinnen, waren allerdings zugleich nicht durch das Gesetz geschützt. Einige von ihnen taten es deshalb der Romanfigur „Die Päpstin“ gleich und verkleideten sich als Männer. Beispiele hierfür sind Axiothea von Phlius oder Lasthenia von Mantinea. Sie gaben sich als Männer aus, um an Platons berühmter Akademie zu studieren. Von beiden ist bekannt, dass sie, wie andere Schüler Platons auch, ihre eigenen Lehren entwickelten. Hiervon ist jedoch nichts Schriftliches überliefert. Platons 24 Dialoge oder die Lehren des Aristoteles – eines zeitweiligen Akademie-Schülers – können wir hingegen noch heute lesen.

Eine andere Strategie nicht-athenischer Frauen war es, sich einen einheimischen Mann als Freund und Beschützer zu suchen. Da die Stadt jedoch sehr bedacht auf den Schutz des „reinen Athener Geschlechts“ war, konnte ein Athener Mann mit einer stadtfremden Frau kein Kind zeugen, welches das Bürgerrecht von Athen erhalten hätte. Dies mag ein Grund dafür sein, warum die Milesierin Aspasia von Milet – der Legende nach Frau oder Geliebte des athenischen Herrschers Perikles und Mutter seines Kindes, in der griechischen Komödie als Hetäre – als Prostituierte also – Darstellung findet.

Büste Aspasia von Milets: römische Kopie nach griechischen Original. (Pergamonmuseum Berlin) © Daigaz/CC-by-sa-3.0

Aspasia – eine einflussreiche Philosophin?

Doch Aspasia, die sich mit Perikles einen mächtigen Beschützer gewählt hatte, scheint dennoch eine einflussreiche Frau gewesen zu sein. Sie gründete eine Art philosophischen Salon, der legendär wurde und den sie nicht nur als Gastgeberin, sondern auch als Philosophin leitete. Außerdem soll sie Initiatorin einer Mädchenschule gewesen sein an der sie selbst unterrichtete. Als Rhetorikerin machte sie sich durch die legendären Reden des Perikles, an denen sie offenbar maßgeblich beteiligt war, einen Namen. Sokrates bezeichnet sie in einem von Platons Dialogen, in denen dieser seine philosophische Lehre darzulegen pflegte als seine Rhetoriklehrerin. Bisweilen wird sogar vermutet, dass die sogenannte „sokratische Methode“ in Wahrheit von ihr stammt. Hierbei handelt es sich um eine philosophische Technik der Argumentation, die gemeinhin dem Philosophen Sokrates zugeschrieben wird.

Nachzulesen ist jedoch auch dies nicht, da von Aspasia keine Texte und Lehren erhalten sind. Bis heute gibt es zudem Zweifel an ihren Fähigkeiten: „Als Historiker können nicht den Witz, dass Aspasia den Perikles in Redekunst unterwies und somit eine meisterliche Rhetorikerin war erwiesen betrachten“, schreibt etwa der Historiker Robert W. Wallace von der privaten Northwestern Universität in Illinois über sie.

Historisches Gemälde: Aspasia inmitten der griechischen Philosophen. Michel Corneille, um 1672 (Standort: Versaille). © RMN/gemeinfrei

Zwischen Diffamierung und Umwidmung

Naturgemäß wird es, je weiter man in der Geschichte zurückgeht, immer schwieriger, ein schriftlich überliefertes, wahrheitsgemäßes Bild der Vergangenheit zu erhalten. Interessant ist aber, dass die Lehren weiblicher Philosophinnen und Wissenschaftlerinnen im Gegensatz zu vielen Texten ihrer männlichen Kollegen aus derselben Zeit nicht erhalten sind. Zudem wurden wissenschaftlich tätige Frauen häufig noch im Nachhinein diffamiert. Aspasia wurde später nicht nur als Hetäre dargestellt, sondern auch für eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Athen und Sparta verantwortlich gemacht. Details und die Wahrheit über Aspasia bleiben jedoch, wie so oft, hier im Dunkeln.

Auch die Antike-Forscherin und Nonne Prudence Allen vermutet in ihrem Buch „Das Konzept der Frauen“, dass im Falle weiblicher Philosophinnen oft gezielt manipuliert wurde. So seien Theorien weiblicher Denkerinnen im Nachhinein bewusst ihren männlichen Zeitgenossen zugeschrieben worden. Die Rezensenten hätten damit erreichen wollen, dass die Lehren erhalten blieben. Denn da Frauen als Philosophinnen damals nicht ernst genommen wurden, hatten Texte mit vermeintlich männlichen, bereits renommierten Autoren eine größere Überlebenschance, so ihre Hypothese. Obgleich dies Spekulation bleiben muss, würde es die geringe Materialmenge weiblichen Ursprunges aus dieser Zeit schlüssig erklären.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Nonnen als Forscherinnen des Mittelalters

Das dunkle Zeitalter

Zeichnung aus dem Liber Divinorum Operum © gemeinfrei

Oft wird das Mittelalter auch als aetas obscura – als dunkles Zeitalter bezeichnet. Viele Historiker beziehen sich damit auf die in weiten Teilen vorherrschenden, gegenüber Wissenschaft und Fortschritt restriktiv eingestellten Lehren der römisch- katholischen Kirche. Diese prägte die Epoche nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern reichte in alle Bereiche des Lebens hinein. Wissenschaftlern, die nicht im Sinne der Religion forschten oder für die Kirche vermeintlich gefährliche Studien betrieben, wurden nicht selten als Ketzer gebrandmarkt und in ihren Untersuchungen gehindert oder bedroht. Die kirchliche Institution sah in den Wissenschaften als aufklärende Bewegungen eine Bedrohung der eigenen Vorherrschaft. Das christlich-biblische Welt- und Menschenbild sollte nicht durch neue, andersartige oder gar widersprüchliche Erkenntnisse gefährdet werden.

Zudem war die mittelalterliche Gesellschaft geprägt von einem starken Ständesystem. Nur ein kleiner Personenkreis konnte lesen und schreiben, selbst Adlige waren dieser Kunst oft nicht mächtig. Dies war der Geistlichkeit vorbehalten, die naturgemäß auch Latein, die damalige Wissenschaftssprache, beherrschte. Das nicht-geistliche gemeine Volk war somit vom Wissenszugang, ob theologischer oder anderer Natur abgeschnitten. Selbst Gottesdienste und Messen wurden – für den Bürger unverständlich – in lateinischer Sprache abgehalten. Dies trug auch dazu bei, dass die katholische Kirche ihre Machtposition über einen langen Zeitraum aufrechterhalten konnte und von Rom große Teile Europas beeinflusste.

Klöster als Refugien des Wissens

Begibt man sich auf die Suche nach weiblichen Wissenschaftlern aus dieser Zeit, fällt auf, dass für den Zeitraum zwischen etwa 500 und 1.500 nach Christus sehr wenige weibliche Namen zu finden sind. Sicher liegt dies auch an den grundsätzlichen Einschränkungen der Wissenschaften in diesem Zeitraum. Doch die Klöster, die damals den einzigen Zugang zu höherer Bildung gewährleisteten, boten sowohl Männern als auch Frauen diese Möglichkeit. Die dort lebenden Nonnen und Mönche konnten Lesen, Schreiben und Latein lernen und erhielten Zugang zu sämtlichen wissenschaftlichen und theologischen Werken.

Warum allerdings dennoch kaum Werke weiblicher Theologen bekannt sind, ist nicht abschließend geklärt. Es hängt jedoch vermutlich mit dem im Klerus vorherrschenden Bild der gegenüber dem Mann minderwertigen Frau zusammen. Dieses speiste sich nicht zuletzt aus der biblischen Vertreibung aus dem Paradies, wobei Eva als Sinnbild für die moralisch schwache Frau stand. So wurden etwaige Arbeiten weiblicher Gelehrter vermutlich auch deshalb nicht ernstgenommen oder beachtet und somit gar nicht erst gedruckt oder kopiert.

Für eine prominente Ausnahme schien dies allerdings nicht zu gelten….

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Hildegard von Bingen setzt sich gegen alle Widerstände durch

Eine Nonne als Star

Das wohl prominenteste Beispiel einer mittelalterlichen Gelehrten im deutschen Sprachraum ist Hildegard von Bingen. Sie war im 12. Jahrhundert Benediktinerin und Äbtissin ihres eigenen Klosters Rupertsberg bei Bingen. Zuvor hatte sie mit bereits 38 Jahren das dem Mönchskloster Disibodenberg angeschlossene Nonnenkloster geleitet. Ihr Name dient heute unter anderem zur Vermarktung verschiedener Heil- und Gesundheitsprodukte. Obwohl die Vermischung von religiösen Betrachtungen mit anderen Wissenschaften in ihrer Zeit nicht unüblich ist, gilt sie bei vielen als frühe Esoterikerin. Medizinischen Abhandlungen aus ihrer Feder werden allerdings bis heute in der Naturheilkunde eingesetzt und angewendet. Hildegard gilt zudem als eine Begründerin der Mystik und hat sich als Künstlerin, Ärztin, Ethikerin, Kosmologin und Poetin einen Namen gemacht.

Die Karte zeigt die Lebensstationen der Hildegard von Bingen. Außerdem sind ihr Wirkungskreis und ihre Predigerrouten dargestellt. © Sean Butcher & Carmen Butcher/CC-BY-SA-2.5

Öffentliche Predigt auf dem Marktplatz

Ähnlich wie 800 Jahre vor ihr Hypatia, predigte auch Hildegard von Bingen öffentlich ihre Lehren, so geschehen etwa auf dem Marktplatz von Trier. Liturgische Handlungen waren Frauen jedoch auch zu ihrer Zeit nicht gestattet, dies war allein den männlichen Priestern vorbehalten. So konnten sie als Äbtissinnen zwar durchaus mächtig werden, allerdings nur, solange sie nicht mit Männern in Konkurrenz traten. Im Spätmittelalter wurde dann die frauenfeindliche Fraktion innerhalb der katholischen Kirche stärker und weibliches Predigen schließlich gänzlich verboten. Die verantwortlichen Kirchenväter begründeten dies mit dem Mannsein Jesu Christu als priesterlichem Vorbild.

Hildegard von Bingen lebte genau in der Zeit dieses Umbruchs. Die sich wandelnde Haltung der Kirche hielt sie jedoch nicht davon ab, weiterhin Einfluss zu nehmen. So unterhielt sie etwa einen regen Briefwechsel mit König Friedrich Barbarossa und beriet diesen in unterschiedlichen Angelegenheiten. Doch auch innerhalb des Klerus ließ sie sich nicht den Mund verbieten und kritisierte etwa die Verweltlichung der Institution in Bezug auf Reichtum.

Natur als Ausdruck des Geistes Gottes

Das zentrale Thema in Hildegards Schriften ist das Gleichgewicht. Ihr Gottes- und Schöpfungsverständnis zeigt, dass sie die Natur als Ausdruck des Geistes Gottes betrachtete. Hiermit ging ihrer Ansicht nach einher, dass der Mensch Natur und sich selbst gut und respektvoll zu behandeln habe. Der Gedanke der Einheit und Ganzheit ist auch ein Schlüssel zu Hildegards heilkundlichen Schriften. Diese sind davon geprägt, dass Heil und Heilung des kranken Menschen allein von der Hinwendung zum Glauben ausgehen können. Dabei sparte die Äbtissin und politisch engagierte Frau allerdings auch die Sexualität und Rolle der Frau in der damaligen Gesellschaft nicht aus.

Historische Darstellung Hildegard von Bingens. Sie empfängt eine göttliche Inspiration. Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias. © Robert Lechner/gemeinfrei

Interessant für Biologie und Medizin sind zudem bis heute ihre Ausführungen über Pflanzen und Krankheiten. Wobei ihre Leistung weniger darin besteht, komplett neue Heilverfahren entwickelt zu haben, als vielmehr das damalige Heilwissen aus der griechisch-lateinischen Tradition erstmals mit der Volksmedizin zu vereinen. Sie verwendete in ihren naturwissenschaftlichen Werken beispielsweise als erste die volkstümlichen Pflanzennamen. Unter anderem schrieb die Äbtissin das „Buch über das innere Wesen der verschiedenen Kreaturen und Pflanzen“. Aufgrund dieser und anderer Abhandlungen in denen sie neue Ansichten über Krankheitsentstehung und Sexualität darlegt, sowie ihrer Katalogisierung von über 280 Pflanzen und Baumarten mitsamt ihrer medizinischen Wirkung, wird sie häufig als erste deutsche Ärztin bezeichnet.

Hildegard, die bereits ihre Kindheit im Kloster verbracht hatte, machte durch ihre hohe Popularität und Weisheit nicht nur ihr späteres eigenes Kloster zum wichtigsten medizinischen Zentrum der Region Reingau. Menschen kamen bereits zuvor aus allen Richtungen, um die Nonne – nicht nur in medizinischen Dingen – um Rat zu bitten. Kein Wunder, dass man sie aus ihrem Heimatkloster nicht gehen lassen wollte – sie war ein Star. Doch gegen den Widerstand der Kirchenoberen gründete sie mit fast 50 Jahren dennoch das Rupertsberger Kloster. Hier konnte die Äbtissin ihre eigenen Klosterregeln etwa bezüglich des Fastens aufstellen. Diese waren lockerer, als sie es aus der Kindheit kannte und aufgrund derer sie bereits mehrere Konflikte mit dem Abt ihres Heimatklosters gehabt hatte.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Trotula di Ruggiero und die Anfänge der Gynäkologie

Ärztin im mittelalterlichen Italien

Für eine Frau seien die Ausführungen über den Frauenkörper, die Gynäkologie und die weibliche Sexualität viel zu freizügig, so die Begründung einiger Historiker für ihre Zweifel an der weiblichen Identität Trotula di Ruggerios.

Scuola Medica Salernitana © gemeinfrei

Die italienische Ärztin, auch als Trota von Salerno bekannt, soll im 11. oder 12. Jahrhundert in ihrem Wirkort Salerno große Fortschritte für die Frauenmedizin erzielt haben. Als Mitglied und Dozentin der medizinischen Schule von Salerno ging sie in die Annalen der späteren Universität als eine der sieben Großmeister ihrer Geschichte ein. Die „Scuola medica salernitana“ ist heute berühmt als erste und wichtigste ihrer Art in Europa und gilt als die Mutter der modernen Universität. Trotula arbeitete, neben ihren gynäkologischen Abhandlungen, offenbar gemeinsam mit ihren Söhnen und ihrem Mann an der „Practica Brevis“ – einer medizinischen Enzyklopädie. Denn in Italien, als einem der wenigen Länder Europas, war es zur damaligen Zeit für Frauen möglich zu studieren, wobei auch hier fast nur die Medizin den Frauen zugänglich war.

Die Krankheiten der Frauen

Trotula ist besonders relevant, da ihr Hauptwerk „Die Krankheiten der Frauen“ eine Abhandlung zur Gynäkologie und sämtlichen Frauenkrankheiten umfasst. Das Buch beinhaltet sowohl praktische Anleitungen zu operativen Eingriffen, wie auch Überlegungen zur Problematik der Frauen sich mit Beschwerden der Sexualität oder der Fortpflanzung an einen männlichen Arzt zu wenden. Das Werk zeugt von weitreichendem Wissen im Bereich der Gynäkologie. So beschreibt Trotula bereits den Zusammenhang von Unregelmäßigkeiten der Menstruation mit Ernährung, psychischem Stress oder Krankheit. Das Buch befasst sich weiterhin mit Verhütung und Unfruchtbarkeit, die sie – zur damaligen Zeit revolutionär – betont als nicht rein weibliches Phänomen bezeichnet. Sie beschreibt außerdem die fruchtbaren Tage und riet Patientinnen ohne Kinderwunsch, sich während dieser Zeit abstinent zu verhalten. Weiter äußert sich Trotula zur Geburtshilfe, Säuglings- und Kinderpflege sowie allgemeinmedizinischen Themen wie Augenleiden, Krebs, Übergewicht, Gehörlosigkeit, Zahnschmerzen und Parasiten.

Obwohl eigentlich die Originalität ihrer Werke nicht umstritten ist, haben einige spätere Historiker dennoch aufgrund der Freizügigkeit ihres Schreibens die Autorenschaft einer Frau angezweifelt. Ihr Werk ist ein gutes Beispiel für die nachträgliche Vermännlichung einer weiblichen Autorenschaft. So schrieb Kasper Wolff, als er 500 Jahre später ihre Abhandlungen verlegte, die Texte dem römisch-griechischen Physiker Eros Juliae zu, welcher lange vor Trotula gelebt hatte. Dieses Vorgehen und die Anzweiflung weiblicher Autorenschaft generell waren und sind bis heute kein Einzelfall. Auch Hildegard von Bingen ist im Nachhinein hiervon betroffen gewesen. Gerade bei einigen ihrer naturwissenschaftlichen Werke wurde zwischenzeitlichen angezweifelt, dass sie von einer Frau stammen. Allerdings scheint in diesem Fall die Popularität schon zu Lebzeiten zu groß gewesen zu sein, als das hier Texte dauerhaft unterschlagen oder glaubhaft einem anderen männlichen Autor hätten zugeschrieben werden können.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Forscherinnen zwischen Mittelalter und Aufklärung

Weibliche Sternengucker und erste Programmiererinnen

Historisches Portrait der Emilie du Chatelet, Quentin de la Tour, um 1720. Sie war eine französische Mathematikerin, Physikerin und Autorin zur Zeit der Aufklärung. © gemeinfrei

Seit dem 18. Jahrhundert ließen sich Frauen immer seltener durch gesellschaftliche Restriktionen von Forschung und Wissenschaft abhalten. Unter ihnen finden sich neben Philosophinnen auch Mathematikerinnen, Physikerinnen, Medizinerinnen, Chemikerinnen und sogar eine Programmiererin, die ihrer Zeit voraus war. Häufig waren sie Schwestern, Töchter oder Ehefrauen wissenschaftlich tätiger Männer.

Dies soll ihre Verdienste jedoch nicht schmälern, es zeigt vielmehr, dass der für Frauen blockierte Bildungszugang ein Hauptgrund für deren seltenes Erscheinen in der Wissenschaftsgeschichte ist. Konnten sie Wissen und Bildung privat erlangen, waren sie – wie man heute weiß – zu ebensolchen Höchstleistungen fähig wie ihre männlichen Kollegen. Doch im 18. Jahrhundert war die weibliche Befähigung zum logischen Denken unter ihren männlichen Zeitgenossen noch sehr umstritten.

Beginnen wir mit der Französin Emilie du Chatelet. Die zwischen 1706 und 1749 lebende Physikerin und Mathematikerin nutzte eine uns bereits aus der Antike bekannte Täuschungsmethode, um sich ein Studium zu ermöglichen: Sie verkleidete sich als Mann. Voltaire schrieb später an den preußischen König Friedrich den Zweiten: „Sie ist ein großer Mann, mit dem einzigen Fehler, eine Frau zu sein.“

Historische Darstellung des von Wilhelm Herschel und Caroline Herschel genutzten Teleskops. Wilhelm Herschel entwarf das über zwölf Meter hohe Spiegelteleskop. Aus: "Leisure Hour", 1827 © gemeinfrei

Caroline Herschel: Blick in die Sterne

Ob dies ein Fehler war, darüber schien sich die deutsche Astronomin Caroline Herschel im Jahr 1783 kaum Gedanken zu machen, als sie ihre ersten kosmischen Nebel und Kometen entdeckte. Sie stammte aus einer Musikerfamilie und konnte, auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Eltern hin, gemeinsam mit ihren Brüdern ein paar Stunden wöchentlich die Schule besuchen und lernte so lesen und schreiben. Dank ihres Vaters erhielt sie zudem eine Ausbildung zur Konzertsängerin, was ihr die von ihr verhasste Tätigkeit als Weißnäherin ersparte. Als junge Frau folgte sie ihrem Bruder Wilhelm nach Bath in England, wo sie in seinem Orchester schnell aufstieg und leitende Positionen bekleidete. Dennoch diente sie ihrem Bruder in typisch weiblicher Rolle als Haushaltshilfe.

Beide verfolgten während dieser Zeit ihre gemeinsame, vom Vater geerbte Leidenschaft für die Astronomie und Wilhelm Herschel entdeckte bald – eher zufällig – den bis dato unbekannten Planeten Uranus. Diese Entdeckung brachte ihm internationalen Ruhm und ermöglichte einen Berufswechsel, dem auch Caroline trotz erfolgreichen Sängerinnendaseins folgte. Zunächst arbeitete sie als Assistentin ihres Bruders, bis sie bald eigene Projekte hatte und Forschung betrieb.

Unter anderem schrieb sie Abhandlungen für die Zeitschrift „Philosophical Transactions“ der Londoner Royal Society, entdeckte und berechnete mehrere Nebel und katalogisierte die heute als „Deep-Sky-Objects“ bekannten Sternhaufen sowie Nebelflecken. Außerdem erweiterte und ergänzte sie den sogenannten Flamsteed Atlas – ein Werk in welchem sämtliche Himmelskörper katalogisiert und systematisiert werden sollten. Bis zu ihrem Tode 1848 im Alter von 97 Jahren blieb sie ihren eigenen Leistungen gegenüber aber bescheiden und schob viele Verdienste ihrem von ihr hochverehrten Bruder zu. Dennoch erhielt sie als erste Frau die goldene Medaille der Royal Astronomical Society sowie die goldene Medaille der preußischen Akademie der Wissenschaften.

{3l}

Lavoisier und die Mutter der Chemie

Der Name Lavoisier ist in Verbindung mit dem Vornamen Antoine in der Chemie berühmt. Dahinter verbirgt sich jedoch auch eine weitere Frau, die ihre Forschungstätigkeit der nahen Verbindung mit einem Mann zu verdanken hatte: Madame de Lavoisier oder Marie-Anne Pierrette Paulze, die Ehefrau des Antoine de Lavoisier. Gemeinsam mit ihrem Mann revolutionierte sie das im 18. Jahrhundert noch sehr alchemisch geprägte Bild der Chemie.

Die Lavoisiers widerlegten die bis dahin vorherrschende „Phlogiston“-Theorie. Nach dieser gibt jede entzündbare Materie bei ihrer Verbrennung das sogenannte „Phlogiston“ ab, eine hypothetische Substanz, die allen brennbaren Körpern gemeinsam sein sollte und als Flamme beobachtet wurde. Hierfür zeichnete Paulze nicht nur detailliert die Versuchsaufbauten des Labors, übersetzte sämtliche Veröffentlichungen anderer Forscher aus dem Lateinischen und Englischen, sondern wirkte auch redaktionell an den Veröffentlichungen ihres Mannes, wie auch aktiv an der Auswertung der Experimente mit. Dabei arbeitete sie zwar meist als seine Laborassistentin, ihre Forschung war jedoch eine gemeinsame.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Ada Lovelace, Charles Babbage und die mechanische Rechenmaschine

Die erste Programmiererin

Historisches Portrait von Ada Lovelace. © gemeinfrei

Auch in der selbst heute noch männerdominierten Mathematik und Programmierung fanden sich im 19. Jahrhundert bereits Frauen unter den Forschern. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Mathematikerin Ada Lovelace, geborene Augusta Ada Byron. Die Britin entwickelte ein Programm für eine mechanische Rechenmaschine, lange bevor der erste Computer geboren wurde: in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts.

Ihren Einstieg in die Wissenschaft verdankte Ada Byron ihrer Mutter, die selbst Kenntnisse der Astronomie und Geometrie besaß. Diese ermöglichte ihrer Tochter eine naturwissenschaftliche Ausbildung, im Zuge derer diese unter anderem die Mathematiker Mary Sommerville und Charles Babbage kennenlernte. Wie damals üblich, heiratete auch Ada relativ früh. Ihr Mann wurde der zehn Jahre ältere William King, später Earl von Lovelace. In ihrer Ehe soll Ada Lovelace in Haushalt, Finanzen und Familiengeschehen durchaus das Sagen gehabt haben. Allerdings beklagte sie sich später in Briefen bei ihrer Freundin Mary Sommerville über ihre unglückliche Ehe, die ihr neben Kinderbetreuung und häuslichen Pflichten zu wenig Zeit für ihre Mathematik und ihre Musikleidenschaft lasse. Um sich abzulenken, stürzte sich die extrovertierte junge Lovelace in das gesellschaftliche Leben, hatte mehrere Affären und nahm mit Begeisterung an Pferdewetten teil.

Ada King, Countess of Lovelace, Alfred Edward Chalon, 1840. © gemeinfrei

Aus einer Übersetzung wird ein eigenes Werk

Als Charles Babbage, mit dem sie zusammenarbeitete, an der Universität von Turin eine Vorlesung über die von ihm entwickelte „Analytical engine“, den ersten mechanischen Computer, geben sollte, fiel ihm der Artikel eines jungen italienischen Ingenieurs über eine von Babbage entwickelte Rechenmaschine in die Hände. Babbage bat Lovelace daraufhin, den Artikel ins Englische zu übersetzen und Ergänzungen zu machen. Sie beschäftigte sich über ein Jahr intensiv mit dem Skript und arbeitete dabei zahlreiche eigene Ideen ein. Später sollte dieser Artikel als eine ihrer ersten Arbeiten in „The Ladies Diary“ und „Taylors Scientific Memories“ veröffentlicht werden. Die theoretischen Aufzeichnungen und Ideen für das mechanische Rechengerät wurden aber aus Mangel an Förderinteresse seitens der britischen Regierung nie praktisch umgesetzt und über lange Zeit vergessen.

Erst 100 Jahre später, im Jahr 1953, wurden Babbages Schriften zur „analytischen Maschine“ sowie Lovelaces Aufzeichnungen wiederentdeckt und gelten seither als Vorentwürfe des ersten Computers und seiner Software. Die Software der jungen Ada enthält bereits einen Algorithmus, der heute als erster zur Berechnung von Bernoulli -Zahlen einsetzbarer gilt. Allerdings ist auch hier der Verdienst der Wissenschaftlerin Lovelace unter Historikern umstritten. Viele sprechen dabei Lovelace eine Eigenleistung ab.

Der Ansatz, mathematische Probleme mit Hilfe von Algorithmen automatisiert zu lösen, beschäftige Ada Lovelace allerdings auch in ihren letzten Lebensjahren, die sie wegen einer Krebserkrankung bettlägerig verbrachte. So versuchte sie ein mathematisch sicheres System zur Berechnung von Wettausgängen zu entwickeln, bevor sie im Alter von 36 Jahren starb.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Viele der Ehrungen gingen an Männer, wenige an Frauen - zu Recht?

Nobelpreise – ein Männerdomäne

Pierre und Marie Curie in ihrem Labor (um 1906). © Kuebi/gemeinfrei

Marie Curie – den Namen dieser polnisch-stämmigen Physikerin hat wohl jeder zumindest einmal gehört. Mit zwei Nobelpreisen ist sie nicht nur unter den weiblichen Wissenschaftlerinnen eine Ausnahme, sondern auch unter den männlichen eine Besonderheit. Die Physikerin teilte sich ihren ersten Nobelpreis mit ihrem Mann Pierre und Henri Becquerel, womit sie einen der beiden einzigen jemals an Frauen verliehenen Nobelpreise der Physik erntete. Ihren zweiten erhielt sie im Fach Chemie. Auch diese Ehrung wurde seit 1901 nur äußerst selten – nämlich genau vier Mal – an weibliche Wissenschaftlerinnen verliehen. Einen davon bekam Curies Tochter Irène Joliot-Curie 24 Jahre nach ihrer Mutter.

Bis jetzt sind die Curies damit das einzige Mutter-Tochter-Gespann, das das Nobelpreis-Komitee von seinem Verdienst für die Forschung überzeugen konnte. Bei den Männern blieb der renommierte Preis bereits sechs Mal in der Familie. Auch die absoluten Zahlen sind interessant: so bekamen gegenüber 297 Männern bisher nur 16 Frauen einen naturwissenschaftlichen Nobelpreis. Den Rest der insgesamt 43 Nobelpreiseverleihungen an Frauen erfolgte für Literatur oder Frieden. Damit gingen insgesamt nur fünf Prozent der von der schwedischen Akademie vergebenen Ehrungen an das weibliche Geschlecht.

Lise Meitner und das Uran

Eines der Beispiele für zu Unrecht beim Nobelpreis übergangene Forscherinnen kommt aus dem deutschsprachigen Raum: Lise Meitner. Die jüdisch-österreichische Wissenschaftlerin war eine Generation jünger als ihr weibliches Vorbild Curie, die sie auch in einem Brief kontaktierte. Gern hätte sie bei ihr gearbeitete. Im Pariser Laboratorium war jedoch kein Platz für die junge Meitner und so begab sie sich nach Berlin an die Universität, wo sie Vorlesungen von Max Planck besuchte und ihren langjährigen Forschungspartner Otto Hahn kennenlernte. Bis zur Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihrer dortigen offiziellen Anstellung arbeitete sie, wie auch Hahn, unbezahlt und musste das Universitätsgebäude sogar durch den Hintereingang betreten, da Frauen in Preußen offiziell erst ab 1909 studieren durften. Die beiden machten ihre ersten Experimente zur Radioaktivität in einem Kellerraum des chemischen Institutes der Universität – einer ehemaligen Holzwerkstatt.

Die Beschreibung der von Otto Hahn 1938 in Berlin entdeckten Uranspaltung und die Berechnung der bei der Reaktion freiwerdenden Energie, gehört zu Meitners bekanntesten, allerdings nicht zu ihren einzigen wichtigen Beiträgen zur Physik. Hahn hatte ihr in einem Brief seine Beobachtungen anvertraut und beschrieb das später als Kernspaltung bezeichnete Phänomen als „Zerplatzen“ der Atome: „Wäre es möglich, dass das Uran 239 zerplatzt in ein Barium und ein Magnesium? Es würde mich natürlich sehr interessieren, Dein Urteil zu hören. Eventuell könntest du etwas ausrechnen und publizieren“, schrieb Hahn. Daraufhin machte sich die Physikerin an ihrem Exilarbeitsplatz, dem schwedischen Nobel-Institut, gemeinsam mit Otto Frisch, ihrem Neffen, an die erste physikalische Beschreibung des Phänomens. Beide veröffentlichten schließlich den Artikel: „Disintegration of Uranium by Neutrons: a New Type of Nuclear Reaction“.

Lise Meitner und Otto Hahn im Labor, KWI für Chemie. © Department of Energy - Office of Public Affairs /gemeinfrei

„…nicht Unwesentliches zur Aufklärung beigetragen“

Später erhielt Hahn allein den Chemie-Nobelpreis für „Die Entdeckung der Kernspaltung von Atomen“. Meitner kommentierte das Ereignis in einem Brief an eine Freundin so: „Hahn hat sicher den Nobelpreis für Chemie voll verdient, da ist wirklich kein Zweifel. Aber ich glaube, dass Frisch und ich etwas nicht Unwesentliches zur Aufklärung des Uranspaltungsprozesses beigetragen haben – wie er zustande kommt und dass er mit einer so großen Energieentwicklung verbunden ist, lag Hahn ganz fern.“

Meitner sollte bis zu ihrem Tod der Physik verschrieben bleiben und leistete dabei Wichtiges auf dem Gebiet der Radioaktivität, was ihr auch die persönliche Bekanntschaft von Marie Curie und Albert Einstein einbrachte. Gemeinsam mit Otto Hahn entdeckte sie etwa mit Hilfe der Rückstoßmethode mehrere Radioaktive Elemente. Außerdem erweiterte sie unser Wissen über das Wesen der Radioaktivität und der Beschaffenheit von Atomkernen, sowie deren Energiefreisetzung beim Zerfall. Dabei betrachtete sie die Nutzung für Kriegszwecke stets kritisch.

Den Nobelpreis hat Meitner zwar auch im Nachhinein nie erhalten. Aber immerhin gab es eine kleine, wenn auch späte, Anerkennung: Bis 2010 hieß das heutige biochemische Institut der Freien Universität Berlin – ihr Wirkungsort – Otto-Hahn-Bau. Dann taufte man es in Hahn-Meitner-Bau um. Eine Tafel erinnert heute die Studenten an die Arbeit der beiden Forscher.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012

Rosalind Franklin und die Struktur der DNA

Die vergessene Entdeckerin der Doppelhelix

Gebäude der Rosalind Franklin University of Medicine and Science. © AnchestaWis/CC-by-sa-3.0

Eine Zeitgenossin von Lise Meitner war die britische Biophysikerin und Kristallographin Rosalind Franklin. Sie hatte anhand von Röntgen-Beugungsmustern die Doppelhelix-Struktur des Erbmoleküls DNA aufgeklärt. Berühmt wurden jedoch zwei andere Wissenschaftler für diese Entdeckung, deren Foto sich heute in jedem Biologieschulbuch gemeinsam mit einem monströsen DNA-Modell findet: James Watson und Francis Crick. Es waren auch diese beiden, die gemeinsam mit Maurice Wilkins, für die zum Großteil von Franklin erbrachte Leistung, 1962 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielten.

Wettlauf um die DNA

In den 1950er Jahren waren mehrere Forschergruppen auf der heißen Spur der richtigen DNA-Struktur. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine von ihnen das richtige Modell präsentieren würde. Den ersten Schritt machte der amerikanische Chemiker Linus Pauling: Er veröffentlichte Anfang 1953 ein DNA-Modell, das aus drei Strängen bestand. Franklin wusste, dass dieses Modell falsch sein musste, weil sie dies anhand ihrer Röntgenstrukturdaten sehen konnte. Sie teilte dies Pauling in einem Brief mit.

Auch Watson und Crick, die eigentlich kein chemisches Fachwissen besaßen, gingen ebenfalls zunächst von einem dreisträngigen Modell aus. Sie luden Franklin Ende 1952 nach Cambridge ein, um ihr diese Hypothese vorzustellen und sie zur Zusammenarbeit zu überreden. Die beiden Engländer wollten Franklins Expertenwissen in der Röntgenstruktur für ihre Publikation nutzen. Auch das Modell Watson und Cricks erkannte Franklin jedoch als falsch und lehnte es, als nicht durch die Röntgendaten gedeckt, ab.

Röntgenbeugungsmuster eines Natriumsalzes der Desoxyribonukleinsäure (DNA), isoliert aus Kälberthymus. Aus der Originalveröffentlichung von 1953. © Franklin / Golsing, Nature 171, 738-740 (1953)

Heimliche Hilfe durch Franklins Daten

Da es jetzt schnell gehen musste und Crick unbedingt veröffentlichen wollte, bevor Linus Pauling den Fehler in seiner Publikation erkennen und berichtigen konnte, besuchte er Franklin in ihrem Institut im King ´s College London. Da Crick jedoch weiterhin von der Dreisträngigkeit des genetischen Materials überzeugt war und Franklin im Zuge des Gesprächs indirekt vorwarf, sie könne ihre eigenen Daten nicht richtig interpretieren, lehnte sie die Zusammenarbeit abermals ab. Als der spätere Nobelpreisträger gehen wollte, traf er auf Maurice Wilkins, mit dem er trotz der Rivalität der Arbeitsgruppen befreundet war. Wilkins hatte noch eine Rechnung mit seiner Mitarbeiterin Franklin offen und zeigte Francis Crick – ohne Wissen oder Einwilligung Franklins – ihre Röntgenaufnahmen. Später erhielt Crick noch Einsicht in einen von Franklin noch unveröffentlichten Bericht zur ihren Ergebnissen. Letztlich waren es der Bericht und die Aufnahmen Rosalind Franklins, die Watson und Crick auf die richtige Spur führten.

Watson und Crick veröffentlichen im April 1953 in „Nature“ ihr Modell zur Doppelhelix-Struktur der DNA – und erwähnen Franklin darin nur unter „ferner liefen“. Zwar publizierte Franklin zusammen mit Wilkins und weiteren Mitarbeitern in der gleichen Ausgabe auch ihre experimentellen Daten – das Modell von Watson und Crick stahl ihnen aber klar die Show. 1962 erhielten Crick, Watson und Wilkins den Nobelpreis für die Entschlüsselung der DNA, Rosalind Franklin, ohne die diese revolutionäre Entdeckung nicht möglich gewesen wäre, ging leer aus. Sie sollte in den nächsten Jahren weitere Pionierarbeit im Bereich der Strukturaufklärung des Polio-Virus und des Tabakmosaik-Virus leisten, bis sie im Alter von 37 Jahren starb.

2009 – das erste weibliche Nobelpreisjahr

Das Jahr 2009 war das bisher weiblichste Nobelpreisjahr. Elisabeth Blackburn und Carol W. Greider erhielten den Medizin-Nobelpreis für ihre Entdeckung, wie das Enzym Telomerase die Chromosomen und ihre Endstücke schützt. Die Endstücke der Chromosomen tragen spezielle DNA-Sequenzen, die sogenannten Telomere. Sie werden mit jeder Zellteilung kürzer. Haben sie eine bestimmte Länge unterschritten, geht die Zelle zugrunde, weshalb sie im Verdacht stehen mitverantwortlich für die Alterungsprozesse des Menschen zu sein. Auch die israelische Wissenschaftlerin Ada Yonath bekam in diesem Jahr einen Nobelpreis: Sie wurde in der Chemie für die Aufklärung der Ribosom-Struktur geehrt. Das Ribosom ist ein aus sogenannten Ribonukleinsäuren und Eiweißen aufgebautes Riesen-Enzym und die Proteinfabrik unserer Zellen.

Kathrin Bernard
Stand: 07.12.2012